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- Eva -

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August

Drei entspannte Wochen lagen hinter mir und den Kindern. Wir hatten viel unternommen, hatten sogar für ein paar Tage meine Eltern in Süddeutschland besucht.

Peter hatte sich nur zweimal in dieser Zeit gemeldet, Paul hatte ein Wochenende bei seinem Vater verbracht – Vicci nicht. Sie wollte nicht. In einem Gespräch hatte sie fallen lassen, dass sie mit Sabrina nicht klar kam, denn die wolle immer ihre neue beste Freundin werden und mache sich dadurch nur lächerlich.

„Mama, ich finde es einfach nur affig, wenn sie dann vorschlägt, dass wir uns gemeinsam die Nägel machen und über Jungs reden. Aber genau das ist ihre Vorstellung von gemeinsamer Zeit. Sie versucht mich dann auch immer über Papa auszuhorchen. Darauf habe ich keine Lust!“

Weil ich so viel Zeit mit meinen Kindern verbracht hatte, war Thomas ein bisschen auf der Strecke geblieben. Aber das wollten wir diese Woche nachholen, denn die Kinder waren gestern mit meinen Schwiegereltern weggefahren und würden auch erst nächsten Sonntag wiederkommen.

Ein bisschen fühlte ich mich wie Falschgeld oder eine schlechte Mutter. Meine letzten elf Jahre waren vor allem von den Kindern und dem Leben mit ihnen geprägt. Man stellte seine komplette innere Uhr nach ihnen und wenn sie dann mal weg waren, dann wusste man nicht viel mit sich anzufangen.

Ich hatte erstmal das Haus geputzt und mich dann ziemlich dekadent mit einer Flasche Sekt in die Badewanne gelegt. Dazu hatte ich mir noch Viccis Minianlage genommen und laut Musik gehört. Beinah wäre ich sogar in der Wanne eingeschlafen – das warme Wasser zusammen mit dem Alkohol hatte wohl diese Wirkung auf mich.

Abends war Thomas vorbeigekommen. Eigentlich hatten wir ausgehen wollen, aber ich war dann wohl doch zu angeheitert und er hatte schnell entschieden, dass wir etwas bestellen würden. Er war dann über Nacht geblieben, etwas, was er sonst so gut wie nie tat. Er hat nach eigenen Aussagen keine Lust, sich morgens mit meinen Kindern ums Bad zu streiten oder ihnen beim Frühstück gegenüber zu sitzen. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Vor allem Vicci konnte meine Wahl nicht verstehen, aber da Thomas sich fast immer aus unserem Familienleben raushielt und es kaum zu Berührungspunkten kam, funktionierte das für uns alle ganz gut.

„Meine Tochter will heiraten – Weihnachten, irgend so einen Punk aus der Uni!“

Thomas ließ die Bombe fast beiläufig platzen.

Ich musste ein Lachen unterdrücken.

Ich hatte seine Tochter kennengelernt, Leonie war 25, ziemlich abgeklärt und studierte Medizin, sie würde sich mit Sicherheit nicht auf einen „Punk“ einlassen.

„Thomas – so schlimm wird es schon nicht sein, oder? Hast du ihn schon kennengelernt?“

„Ich habe ihn ein oder zwei Mal gesehen, er studiert mit ihr zusammen, scheint schon ein bisschen älter als sie zu sein.“

„Du bist auch zehn Jahre älter als ich …“, warf ich ein.

Er sah mich über den Rand seiner Teetasse hinweg an.

„Das ist was anderes, wir sind im zweiten Versuch!“ (Nett, ich wollte schon immer der zweite Versuch sein!)

„Außerdem hat er lange Haare und ist tätowiert …, ich werde die Jugend von heute nicht mehr verstehen. Und er hat so 'nen komischen Namen, klingt seltsam … Juri, glaube ich.“

Nun musste ich lachen.

„Was spricht gegen den Namen?“

„Na, du weißt, was ich meine, wer weiß, wo der Junge herkommt.“

„Thomas, wenn der Junge, wie du sagst, mit ihr auf der Uni ist und Medizin studiert, dann wird er ein Abitur haben und nicht ganz ungebildet sein. A ußerdem glaube ich, dass deine Tochter klug und zielstrebig genug ist, sich nicht auf irgendeinen Punk einzulassen.“

„Aber sie ist zu jung zum Heiraten!“

„Wenn ich richtig rechne, dann hattest du in ihrem Alter schon ein Kind und du warst auch schon mit deiner Frau verheiratet!“

„Das waren andere Zeiten damals!“

Irgendwie war es süß von ihm, sich so um seine Tochter zu sorgen. Sie war sein Ein und Alles, zumindest seit sie erwachsen war. Ich konnte nur hoffen, dass er sich beruhigen würde, denn ich wusste, dass Leonie nie von ihrem einmal gefassten Vorhaben abgebracht werden konnte. Ich nahm mir vor, sie demnächst mal anzurufen und auf einen Wein einzuladen. Sie hatte meine Beziehung zu ihrem Vater von Anfang an unterstützt, mich aber auch schon öfter gefragt, was ich mit ihrem eher langweiligen Vater überhaupt wollte. Im Grunde stände ich viel zu sehr im Leben, als dass mir das reichen könnte. Aber abgesehen davon kamen wir prima klar und sie hatte auch schon den einen oder anderen Abend bei mir verbracht, damit meine Kinder nicht alleine waren und ich mit ihrem Vater ausgehen konnte.

„Und außerdem sind die erst zwei Monate zusammen – da muss man doch nicht gleich heiraten, oder?“

„Na, sie hat ja noch ein paar Monate Zeit, es sich anders zu überlegen. Und du kennst deine Tochter besser als ich, aber wenn ich sie richtig einschätze, dann wird sie eher bockig, wenn du versuchst, es ihr auszureden!“

„Ihr fehlt einfach die Mutter. Glaubst du, du könntest mal mit ihr reden, so von Frau zu Frau?“

„Wenn es dich glücklich macht und dich beruhigt, dann spreche ich mit ihr. Ich rufe sie morgen mal an! Aber jetzt muss ich arbeiten und du musst auch ins Büro, oder?“

Thomas arbeitete in einem gut laufenden Architekturbüro – so hatten wir uns auch kennengelernt. Es gab Umbaumaßnahmen in unserem Kindergarten und er war der leitende Vertreter seiner Firma.

Zwei Tage später saß ich mit einem Glas Wein auf dem Sofa und wartete auf Leonie. Sie hatte auf meinen Anruf sofort reagiert und war mehr als bereit, mich besuchen zu kommen.

Sie war pünktlich wie immer und umarmte mich zur Begrüßung.

„Hi du, ich glaube, ich weiß, warum du mich eingeladen hast, aber bekomm ich erstmal ein Glas Wein, bevor wir mit der Inquisition anfangen?“

Ich musste lachen. Ehrlich und gradlinig wie immer.

„Dein Vater hat mir erzählt, dass du heiraten willst?“, eröffnete ich das Gespräch beim ersten Glas Wein.

„Ich dachte mir, dass er damit zu dir kommt. So wenig ich nachvollziehen kann, was du mit meinem Dad willst – du bist auf jeden Fall gut für ihn. Er traut sich ja kaum, mir in die Augen zu sehen, seit wir es ihm gesagt haben.“

„Er macht sich Sorgen um dich, du bist alles, was er noch hat. Deine Mutter war seine große Liebe, er liebt sie immer noch …“

„Ist das der Grund, warum du mit ihm zusammen bist? Weil er dich nicht nah an sich heranlässt und deine Gefühle sicher sind?“

Wow – studierte das Mädchen Psychologie?

„Es geht hier nicht um deinen Vater und mich, es geht um dich und deinen Verlobten!“

„Zuerst einmal kannst du meinen Vater beruhigen – ich bin nicht schwanger. Und ich liebe Juri und nein, er gehört nicht zur Russenmafia, um gleich noch eine Frage meines Dads zu beantworten.“

„Das hat er nicht gesagt!“

„Nein, aber er denkt es. Er ist so voller Vorurteile und sieht nur den Namen, die Tattoos und die langen Haare, er sieht nicht, dass Juri der netteste, klügste und einfühlsamste Mensch ist, den ich jemals kennengelernt habe.“

Ihre Augen leuchteten förmlich, als sie von ihm sprach. Ich konnte wirklich nichts Schlimmes an ihrer Geschichte finden.

„Wenn du magst, dann kannst du ihn auch kennenlernen und meinen Vater überzeugen, dass an ihm nichts auszusetzen ist. Er hat mich vorhin hier abgesetzt und will mich nachher abholen, ich kann ihn anrufen, damit er früher kommt, wenn du magst. Er ist bei Freunden und wartet. Er ist echt nett, glaub mir!“

Sie sah mich so bittend an, als würde sie sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ich ihren Juri kennenlernen wollte und ihr dann meinen Segen gäbe. Uns trennten vielleicht nur 15 Jahre, aber manchmal hatte ich schon das Gefühl, dass sie in mir so eine Art Mutterfigur sah. Thomas' Frau war nach langer Krankheit gestorben, so dass Leonie im Grunde keine echte Mutter mehr gehabt hatte seit sie 17 Jahre alt war. Meistens war unser Verhältnis freundschaftlich geprägt, aber in Situationen wie diesen kippte es schon mal eher in eine Mutter-Tochter-Beziehung.

Ich lachte und schenkte uns beiden nach.

„Sag ihm Bescheid, dann kann ich ihn mir ansehen!“

Sie nahm ihr Handy zur Hand, schaltete es an – eine Geste, die ich sehr begrüßte, also die Tatsache, dass das Ding vorher ausgeschaltet war - und überraschte mich. Normalerweise hätte ich eine schnell getippte Nachricht erwartet, aber sie rief ihn tatsächlich an. Und dann passierte gleich noch etwas, was mich überraschte: die sonst so taffe und verkopfte Leonie wurde am Telefon ganz anders, sie fing an zu säuseln, redete mit einer Stimme, die ich bei ihr nur selten gehört hatte. Eigentlich nur, wenn sie mit meiner Tochter zusammen war.

Während sie mit ihrem Freund redete, ging mir das komplexe Beziehungsgeflecht unserer Familien durch den Kopf. Denn Leonie hatte tatsächlich in den letzten Wochen und Monaten auch eine Freundschaft zu Vicci und Paul aufgebaut – sogar mehr und enger als Thomas selber. Ich war für sie Mutter, große Schwester und Freundin geworden. Und wenn ich geahnt hätte, was noch alles passieren würde, dann hätte ich an dieser Stelle wohl laut aufgelacht – manchmal ist es ganz gut, dass man nicht in die Zukunft sehen kann …

„Juri kommt gleich, er war bei einem Bandkollegen. Er spielt nämlich auch noch Gitarre“, sie bekam wieder diesen verklärten Blick, „und hat gerade die Zeit genutzt, seinen Schlagzeuger zu besuchen!“

Nun war ich noch neugieriger auf dieses Prachtexemplar.

Nett, klug, einfühlsam, Musiker, lange Haare, Tattoos …, das war auch mal mein Idealbild eines Mannes gewesen. Wenn ich das aber mit Peter oder Thomas verglich, dann war ich wohl doch eher in Richtung „Langweiler“ und „Sicherheit“ geschwenkt. Nett und klug war Thomas auch, einfühlsam, na ja, es ging so, und die anderen Attribute passten auch nicht wirklich. Und bei Peter passte im Nachhinein gar keins davon mehr!

Meine Gedanken wurden von der Klingel unterbrochen. Leonie sprang direkt auf und ging zur Tür, um Juri zu öffnen.

Wenige Augenblicke später standen die beiden händchenhaltend in meinem Wohnzimmer. Sie waren so mit sich beschäftigt, dass ich ein wenig Zeit hatte, mir den Mann etwas genauer zu betrachten. Er war etwas größer als Leonie, nicht wirklich muskelbepackt, aber durchtrainiert, ein entspanntes, offenes Lächeln, durch und durch sympathisch.

Er kam auf mich zu und streckte mir zur Begrüßung die Hand entgegen. „Hi, ich bin Juri, Leonie hat mir schon viel von … Ihnen …“, er schien sich nicht ganz sicher zu sein, was die richtige Anrede für mich war. Einerseits war ich nur gut zehn Jahre älter als er, andererseits war ich die Freundin seines potentiellen Schwiegervaters – und Thomas hatte ihm mit Sicherheit nicht das „du“ angeboten.

„'Du' ist völlig okay, ich bin Eva.“

„Gut, also, Leonie hat mir schon viel von dir erzählt, sie hält große Stücke auf dich! Wir hoffen, dass du bei ihrem Vater ein gutes Wort für mich einlegen kannst. Ich glaube, er hat Angst, dass ich seiner kleinen Tochter weh tue. Dabei ist es einfach so, dass ich mir mein Leben gar nicht mehr ohne sie vorstellen will.“

Mein Mutterherz (und auch mein Frauenherz) schlug höher bei solchen Worten. Konnte man eine schönere Liebeserklärung machen? Aber ich hatte eine Aufgabe – ich sollte ihm ein bisschen auf den Zahn fühlen.

„Magst du erstmal etwas trinken? Vielleicht auch ein Glas Wein?“

„Lieber nur ein Wasser, keinen Alkohol, wenn ich fahren muss …, nein, das ist kein Spruch, um dich zu beeindrucken. Ich habe nach dem Abi ein freiwilliges soziales Jahr gemacht, da war ich in einer Klinik für Alkoholkranke. Ich habe in diesen zwölf Monaten mehr Schicksale gesehen, als mir lieb war. Da war für mich klar, dass ich niemals trinken und fahren würde.“

Damit hatte er schon mal bei mir gepunktet.

Also holte ich ihm ein Wasser und wir unterhielten uns.

Ich wusste, dass Thomas vor allem drei Dinge interessierten und ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie ich diese Fragen geschickt verpacken konnte.

„Juri, hör zu, ich persönlich finde diese ganze Situation hier ziemlich seltsam und du kannst jeden fragen, vor allem meinen Exmann – ich bin nicht gut darin, wahnsinnig subtil oder diplomatisch Menschen auszuhorchen. Deshalb stelle ich dir drei Fragen, von denen ich weiß, dass sie Thomas interessieren und es wäre toll, wenn du sie mir einfach beantworten könntest, damit wir alle dann zum angenehmen Teil des Abends übergehen könnten. Dich, Leonie, würde ich bitten, dein Temperament für diese Zeit unter Kontrolle zu bringen und weder mich noch deinen Vater zu verfluchen oder zu töten. Wenn ich dich daran erinnern darf, dann war es auch deine Idee, dass ich mit Juri rede, um deinen Vater zu beruhigen!“

„Ja, aber …“, fing sie direkt an zu protestieren.

Juri legte beruhigend seinen Arm um sie und küsste sie auf die Schläfe - er war kein wirklich schöner Mann, aber mit seiner Ruhe und Ausstrahlung machte er weiteren Boden gut bei mir.

„Leonie, Schatz, sie hat recht, wenn wir wollen, dass sie mit deinem Vater redet, dann lass sie fragen, was immer sie fragen will!“

Intelligenter Kerl!

„Also los – du wirkst älter als Leonie, wieso studierst du noch?“

„Das ist leicht – ich habe mein Abi auf einer Gesamtschule gemacht, da hatten wir dreizehn Jahre bis zum Abi, dazu eine Ehrenrunde, ein freiwilliges soziales Jahr und dann noch ein Jahr intensiven ukrainischen Sprachkurs bei meiner Verwandtschaft in Odessa. Ich dachte, wenn ich die Möglichkeit habe, hier in Deutschland Medizin zu studieren, dann ist die Kenntnis einer weiteren Sprache neben Deutsch und Englisch sicher nicht verkehrt!“

„Gut, damit wären wir bei der zweiten Frage, die schließt sich hier direkt an - erzähl mir etwas über deine Familie.“

Ich sah, wie Leonie ansetzte zu protestieren und Juri sie einfach nur fester in den Arm nahm.

„Mein Vater ist Deutscher, er hat Ende der 80er als Ingenieur in Odessa gearbeitet und sich dort in meine Mutter verliebt. Sie war Krankenschwester und folgte ihm nach Deutschland. Die beiden sind seit 30 Jahren verheiratet, leben in der Nähe von Heidelberg und ich habe vier Geschwister, alle jünger als ich. Meine kleinste Schwester ist tatsächlich im Alter deiner Tochter.“

„Okay, letzte Frage, versprochen – erzähl mir was über deine Tattoos.“

„Wie soll ich das beantworten? Was willst du wissen?“

„Ich kenne Thomas ein bisschen. Eine seiner Ängste ist, dass Leonie sich auch tätowieren lässt und du der Grund dafür …“

Oh oh, die Blicke, die die beiden austauschten, ließen darauf schließen, dass ich mit dieser Frage wohl zu spät kam.

„Wo und wie groß?“, wollte ich dann wissen.

Leonie hatte den Anstand, ein bisschen rot zu werden.

„Am linken, inneren Oberarm – keine fünf Zentimeter.“

„Darf ich es sehen?“ Zugegeben, das war die reine Neugier, die aus mir sprach!

Sie zog sich wortlos ihr Shirt über den Kopf und ließ mich ihr Tattoo begutachten. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass auch Juri seinen Pulli auszog – okaaaayyyyy, das mit dem „nicht muskelbepackt“ nahm ich zurück, denn der Oberkörper schien nur aus Muskeln zu bestehen!

Er zwinkerte mir zu und zeigte mir seinerseits seinen rechten, inneren Oberarm.

Bei beiden sah man an der jeweils identischen Stelle einen Äskulapstab tätowiert, wobei Juris Schlangenende in einem geschwungenen „L“ und Leonies in einem „J“ endete.

Ich musste schlucken, diese Geste, dieses Symbol dieser beiden jungen Menschen beeindruckte mich. So etwas hatte nie jemand für mich oder mit mir gemacht. Es war süß, unschuldig, kein Wink mit dem Zaunpfahl, keine extreme Demonstration und doch – für Eingeweihte – ein klares Bekenntnis zu ihrer Profession und Liebe zueinander. Ich war eigentlich nicht besonders nah am Wasser gebaut, aber diese Aktion der beiden trieb mir die Tränen in die Augen.

Ich fuhr über Leonies Tattoo – bei Juri traute ich mich das nicht - und flüsterte: „Die sind wunderschön!“ Ich konnte nicht so genau sagen, ob ich die Tattoos oder die Gesten dahinter meinte.

Leonie nahm mich in den Arm.

„Die hat Juris Bandkollege Sascha entworfen und einer seiner Chefs hat sie gestochen. David ist einer der besten Tätowierer, hat man mir gesagt und ihr Studio „Mr. Van T.“ eines der angesagtesten hier in der Gegend. Falls du auch mal eins willst, dann können wir dir bestimmt einen Termin und einen guten Preis besorgen!“

Ja klar, ich mit Tattoo – dazu war ich zu alt und mein Leben zu spießig!

Um die - in meinen Augen – zu ernst gewordene Stimmung zu lockern, setzte ich meinen besten „Mutterton“ auf.

„So, Kinder, zieht euch mal lieber wieder an, bevor ihr euch noch erkältet. Deinem Vater erzählen wir von dem Partnertattoo erstmal nichts. Und dann werf ich euch jetzt raus, ich alte Frau brauche meinen Schlaf, sonst komme ich morgen nicht aus dem Bett!“

Ich brachte die beiden zur Tür. Dort schafften sie es tatsächlich noch mal, mich fast zum Weinen zu bringen.

Denn zuerst nahm mich Leonie in den Arm, drückte mich an sich und flüsterte: „Danke, du weißt gar nicht, wie viel mir deine Freundschaft und dein Urteil bedeuten!“ Als nächstes fand ich mich dann auch in Juris Armen wieder und auch der hatte eine kleine Botschaft für mich: „Danke, ich glaube nicht, dass du weißt, was du ihr bedeutest!“

Ich hoffte so sehr für die beiden, dass der Alltag sie nicht allzu schnell einholen würde und dass sie sich ihre Liebe und Sicht aufeinander noch lange, lange erhalten würden!

Ich hatte zwar den beiden gegenüber behauptet, dass ich ins Bett müsste, aber an Schlaf war im Grunde nicht wirklich zu denken.

Der Abend mit den beiden hatte mir jede Menge Stoff zum Grübeln beschafft. Sie waren so verliebt, so voller Träume und Hoffnungen, Ideale und Pläne. Und ich? Wann hatte ich all meine Pläne und Ziele aus den Augen verloren? Als junges Mädchen hatte ich von der großen Liebe geträumt und ich hatte auch gedacht, dass ich sie mit Peter gefunden hätte, aber das Leben hatte mich eines Besseren belehrt und dann hatte ich das Streben danach einfach aufgegeben.

Ich wusste, dass ich Thomas nicht liebte, zumindest nicht tief.

Ich wusste, dass er mich nicht liebte, zumindest nicht tief.

Ich wusste, dass ich ein ernstes Wort mit Peter reden musste wegen der Besuchsregelung der Kindern.

Ich wusste, dass ich zu jung war, um mein Leben nicht in vollen Zügen zu genießen.

Ich wusste, dass ich mehr für mich selber tun musste.

Ich wusste, …

Schön, dich gesehen zu haben

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