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Ein dreifaches Halleluja auf 5 Promille in der Birne
ОглавлениеIch hatte die Angewohnheit – eigentlich war es ein Ritual –, nach dem exzessiven Umgang mit mir selbst und anderen oder auch zwischendurch, was Saufen und Ficken anbelangte, mir ambulant eine Infusion im Universitätsspital stechen zu lassen mit dem Ziel, mich natürlich gestärkt schnellstmöglich wieder zu verpissen.
Ich erinnere mich noch gut an den Abend, als meine guten Vorsätze, ins Spital zu gehen, in die Hose gingen…
Ich sagte der geilen Barkeeperin Mary mit den dicken Titten, dass ich meinen Drink etwa in drei Stunden austrinken würde, ich müsse jetzt los.
“Ja, ja, ich komme wieder, gehe nur schnell ins Spital wegen der Infusion, see you after, I love you und God bless!”
Das Taxi fuhr mich in die Notfallaufnahme, ich stieg aus, schwankte hinein und bat um eine Natriumchlorid-Infusion. Sie nahmen mich auf, ich sprach mit dem Assistenzarzt Dr. Schiss und bekam meine Infusion. Ich hatte über fünf Promille, kein Scheiss! Ach ja, mir wurde jeweils ein lieber Gruss vom hiesigen Psychiater ausgerichtet. Sehr aufmerksam war das.
Die Oberärztin Dr. Rotz hatte an meinem Zustand keine Freude. Das kann ich jetzt gut nachvollziehen! Sie wies mich darauf hin, dass ich mit dieser unvorstellbaren Intoxikation sterbe könne und natürlich hier bleiben müsse. Ich entgegnete, das sei scheisse, das gehe heute aber ganz schlecht, da ich noch meinen Gin in der Bar austrinken müsse und überhaupt, ich hätte noch abgemacht…
Ich zog die Schläuche, machte einen blutigen Abgang wie so oft, obwohl ich wusste, dass die Oberärztin mich zur Fahndung ausschreiben würde. Das musste sie auch, nur schon wegen versicherungstechnischen Fragen, der Verantwortlichkeit, falls man mich tot im Strassengraben finden würde oder leblos auf der Barkeeperin mit den dicken Titten.
Die Eigenverantwortung, die man ja eigentlich haben sollte, hatte ich schon längst ausgekotzt.
Mittlerweile war es auch schon so gegen acht Uhr morgens, und ich beschloss, noch was trinken zu gehen. Ich musste zuerst eine Schenke finden, die mir noch was zu Saufen gab. Im Nachhinein war und ist das auch gut so. Ich ging dann mit dem Zug nach Hause, stieg aus, und da warteten schon zwei von der KAPO Zürich. Sie fragten mich höflich, ob ich derjenige sei mit den fünf Promille. Ich bejahte kleinlaut, scheisse, ich wusste ja, was mir bevorstand… Sie hätten eine FU–Anweisung (Fürsorgliche Unterbringung), und sie müssten mich in die Psychiatrie bringen. Die zwei Polizisten waren sehr nett. Das bin ich auch und vor allem verständnisvoll, ein pflegeleichter und charmanter Zeitgenosse.
Sie lieferten mich auf der geschlossenen Station ab. Drei Pfleger nahmen mich in Empfang. Ich musste den Alkoholtest machen, ich hatte immer noch respektable vier Promille! Die Vollidioten von Pfleger warfen mich danach in die Isolierzelle, obwohl ich nicht renitent gewesen war. Das war für die natürlich am einfachsten, aus den Augen, aus dem Sinn. Aber nicht mit mir! Ich drückte die Notfallklingel und wies das Fachpersonal höflich und sachlich auf meine beschissene Befindlichkeit hin, und dass sie mich doch bitte rund um die Uhr überwachen mögen.
Die Aussicht vom Isolierzimmer auf ein Asylzentrum und auf eine Feuerstelle, die von Dealern genutzt wurde, gab mir den Rest. Mir war klar, dass ich von hier nicht türmen konnte, also legte ich mich hin und betete. Wenn es sein sollte, dann, “Das war’s, tschüss, schönen Gruss nach Hause!”
Irgendwann verlegten sie mich in ein Patientenzimmer. Benzodiazepine gegen die Entzugserscheinungen gaben sie mir erst ab einem Promille wegen der Atemdepression, also erst am übernächsten Tag.
Die Tagesstruktur bestand aus Zigaretten rauchen, Schlafen, Duschen, Scheissen und dem Austausch mit anderen Patienten.
Mein körperlicher Entzug war heftig. Fünf Promille abzubauen ist ja wohl kein Pappenstiel. Nach vier Tagen konnte ich mir einen Eindruck von der Station, dem Personal und den Patienten machen. Wenn man etwas von der Station wollte, dann war fast immer die Türe zu. Wie es mir schien, war das Personal immer bei Kaffee und Kuchen. Faule Säcke!
Ich hatte in meinem Zimmer einen Patienten, den Rudi, der nachts immer wieder zu wixen begann, wenn er nicht schlafen konnte. Das störte mich eigentlich nicht, solange ich nicht am Morgen seine Sosse im Gesicht hatte. Das war ja schon ein lustiges Potpourri an Patienten, wie immer während meinen unzähligen Aufenthalten in der Psychiatrie.
Da war einer, der stand jeden Morgen in seiner Unterhose und in Gummistiefeln vor der geschlossenen Türe und wartete auf Regen.
Ein anderer war schizophren, den mochte ich am liebsten. Wir hatten Pläne, er malt, und ich schreibe die Texte dazu in seinem Atelier.
Wir haben’s nicht gemacht. Schade.
Tragische Fälle gab es auch.
Eine Patientin hatte am Morgen ihren Austritt und wurde am Abend mit über drei Promille mit der Ambulanz wieder eingeliefert.
Eine andere kam aus dem Knast, eine schöne junge Frau, eine Kurdin mit dem Namen Alysa. Sie war auf Bewährung. Ich habe mich oft mit ihr unterhalten, aber lange blieb sie nicht auf der Station. Sie griff eines Tages einen Pfleger an.
Ein Idiot, der Dragan, bedrohte nach dem Nachtessen eine Mitpatientin mit einem Messer. Der Alarm ging los, drei Pflegerinnen und ein, bald in Rente gehender Pfleger, standen auf der Matte. Die Polizei kam auch.
Sie nahmen ihn aber nicht mit.
Ich kam wieder raus, war aber ein paar Wochen später schon wieder irgendwo hospitalisiert. Klar, war das scheisse, ist es immer noch, wenn ich daran denke und darüber schreibe, aber das ist erst der Anfang meiner autobiografisch lyrischen Verluderung und Verwesung!