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3Das Kommunikationsmedium Sprache

Zwischenmenschliche Kommunikation ist in der Regel sprachliche Kommunikation. Üblicherweise sind es Wörter, die wir zur Bedeutungsvermittlung heranziehen, obwohl Kommunikation freilich keineswegs nur verbaler Natur ist. Allein der weite Bereich an Ausdrucksmöglichkeiten (wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung u. Ä.) verweist bereits auf die Existenz einer nonverbalen oder „extralinguistischen“ Dimension1 menschlicher Kommunikation. Es überrascht daher nicht, dass „alle sprachliche Kommunikation an nichtsprachliche Kommunikation gebunden ist“ (Merten 1977: 133).

Wenn in der Folge dennoch die verbale Kommunikation im Mittelpunkt steht, so deshalb, weil Sprache „als das für den Menschen allein typische und bei weitem am höchsten entwickelte Kommunikationsmittel“ (Griese 1976: 28) angesehen werden kann. Der Mensch gilt außerdem als die einzige Spezies, die im Laufe der Evolution die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation entwickelt hat (vgl. Soritsch 1975, Bouissac 1993). Man sollte deshalb auch nicht oder nur metaphorisch von „Tiersprache“ reden (Kainz 1961: 20 f.), denn der animalischen Kommunikation fehlt die Bezeichnungsleistung: „Die Lautäußerungen der Tiere sind keine nennenden und darstellenden Zeichen, sondern Ausdruckslaute“ (Kainz 1943: 215). So können z. B. Bienen zuverlässig „informieren über das ‚dass’, das ‚wieviel’ und das ‚wo’ (in Bezug auf Entfernung und Richtung), nicht hingegen über das ‚was’. Hier versagt die motorische Symbolik und muss den Stoffproben Platz machen“ (Kainz 1961: 21). Wir Menschen können dagegen mit sprachlichen Symbolen nicht nur Bedeutungen, sondern auch Bezeichnungen vermitteln (vgl. Schaff 1968a: 26 ff., Tomasello 2011: 112 ff.). Ohne diese Bezeichnungsleistung könnten wir uns „nur auf Gegenstände beziehen, die im Augenblick der Mitteilung im Wahrnehmungsraum von Sprecher und Hörer konkret anwesend sind“, jede Mitteilung „wäre gebunden an das Hier und Jetzt; die Dimensionen der Vergangenheit und der Zukunft wären ausgeschlossen“ (Pelz 2013: 18).

Was schließlich den Entwicklungsstand der uns Menschen zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel betrifft, so ist Sprache nicht nur die phylogenetisch jüngere Stufe2, sie erweist sich außerdem „allen anderen Medien der Kommunikation gegenüber unendlich überlegen“ (Döhn 1979: 206). Diese Überlegenheit kommt u. a. darin zum Ausdruck, dass sie uns ermöglicht, „aus einer begrenzten Anzahl von Lauten eine praktisch unbegrenzte Anzahl von Sätzen hervorzubringen“ (ebd.). Erst dadurch können wir „verschiedenartige Informationen übermitteln und miteinander verknüpfen“ (ebd.).

Das Interesse an Sprache konzentriert sich im vorliegenden Kapitel auf ihre kommunikative Leistung. Es geht also weniger um Sprache „an sich“, sondern um die Sprachlichkeit menschlicher Kommunikation. In ihrer Eigenschaft als Medium symbolisch vermittelter Interaktion kann Sprache als eine Instanz gesehen werden, mit deren Hilfe wir Inhalte (Gegenstände, Gedanken, Ideen, Gefühle etc.) anderen Menschen zugänglich machen können. Diese „dialogische Funktion“ (Kainz 1954: 172) gilt als die Hauptfunktion der Sprache.3 Damit steht Sprache als ein Instrument zur zwischenmenschlichen Verständigung im Mittelpunkt. Es gilt daher zunächst klarzustellen, wie sich Verständigung über den Weg sprachlicher Kommunikation überhaupt vollzieht.

3.1 Sprachliche Verständigung

Verständigung liegt (wie im Kap. 2 ausführlich diskutiert wurde) dann vor, wenn die Kommunikationspartner im Rahmen ihrer kommunikativen Interaktionen die zu vermittelnden Bedeutungen (wenigstens annäherungsweise) „miteinander teilen“. Mit Blick auf Sprache bzw. die sprachlichen Zeichen bedarf dieses Verständigungsereignis allerdings einer Präzisierung mit Hilfe der Semiotik4, der Lehre von den sprachlichen Zeichen.

Im Anschluss an Charles S. Peirce (1839–1914) kann man mit Morris (1938) bei sprachlichen Zeichen folgende drei Dimensionen unterscheiden:


Abb. 8: Dimensionen sprachlicher Zeichen (eigene Darstellung)

Die semantische Dimension meint die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den außersprachlichen „Gegenständen“ (Personen, Dingen, Zuständen, Ereignissen, Ideen etc.), auf die sie verweisen, die sie „bezeichnen“ sollen. Die Semantik untersucht demgemäß die Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen (vgl. Pelz 2013: 181 ff.). Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander. Der Untersuchungsgegenstand der Syntaktik sind die grammatikalischen Regeln, nach denen sprachliche Zeichen miteinander verknüpft werden können (vgl. Pelz 2013: 147 ff.). Die pragmatische Dimension schließlich meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benützern. Die Pragmatik als „Lehre von der Zeichenverwendung“ (Schlieben-Lange 1975a: 10) fragt nach der Art und Weise des Gebrauchs sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen; sie untersucht, was mit sprachlichen Zeichen(-Kombinationen) „gemacht“ wird, wozu sie benützt werden.

Sprache ist ohne Sprachbenützer nicht denkbar. Sätze – also nach bestimmten syntaktischen Regeln kombinierte, bedeutungsvolle sprachliche Zeichen – gewinnen erst dann (sinnlich wahrnehmbare) Realität und können daher erst dann eine kommunikative (Mitteilungs-)Funktion erfüllen, wenn sie zu Äußerungen eines Sprechers werden. Diese Tatsache macht die Bedeutung der pragmatischen Dimension sprachlicher Zeichen für sprachliche Kommunikationsprozesse erkennbar: Gesprochene (und natürlich auch geschriebene oder in irgendeine andere Form transponierte) Sprache ist stets eine zu irgendetwas „benützte“ Sprache. Diese Einsicht geht auf den englischen Sprachphilosophen John Langshaw Austin zurück, der als einer der ersten die Frage stellte, was wir mit Worten eigentlich tun.5 Austin erkannte, dass die Bedeutung einer sprachlichen Äußerung nicht schon allein dadurch feststellbar ist, „dass man die ‚Bedeutung’ der einzelnen Wörter ermittelt und sie zu einer Gesamtbedeutung der Wörter addiert“ (Hennig/Huth 1975: 114).

Diese Tatsache kann man sich an einer ganz alltäglichen Äußerung vergegenwärtigen: „Betrachten wir also Franz, der zu Fritz sagt: Morgen komme ich. Wie gebraucht er seine Äußerung? Was tut er damit, dass er den Satz äußert? Erstens, und das ist schon einmal wichtig, äußert er einen deutschen Satz, der sprachlich bedeutungsvoll ist und den jeder versteht, der nicht weiß, wann er geäußert wird, und nicht weiß, wer ihn äußert, und der vor allem nicht weiß, wozu der Sprecher ihn äußert, wie er ihn gebraucht. Ja mehr als das: Auch wer den Sachverhalt, um den es geht, genau kennt, wer z. B. weiß, dass Franz den Satz äußert, und zwar am Donnerstag, so dass es um den Sachverhalt geht, dass Franz am Freitag kommt, weiß noch nicht, was er mit der Äußerung tut. Franz kann mit der Äußerung ganz verschiedene Dinge tun: Er kann Fritz mitteilen, dass er morgen kommen werde. Er kann Fritz versprechen zu kommen. Er kann Fritz warnen oder drohen, indem er das sagt. Und so weiter. All das ist noch in keiner Weise bestimmt, wenn die sprachliche und inhaltliche Bedeutung der Äußerung schon längst festliegt“ (Savigny 1972: 8).

Die Bedeutung einer Äußerung wird also erst dann erkennbar, wenn man weiß, was der Sprecher mit den sprachlichen Zeichen eigentlich beabsichtigt, was er mit ihnen tut, d. h., wozu er die geäußerten Worte benützen will. Die von Austin (1972) begründete Sprechakttheorie basiert auf eben dieser Erkenntnis. Sie geht davon aus, dass das Sprechen einer Sprache eine Form des menschlichen Handelns darstellt.6 „Eine Sprache sprechen bedeutet, Sprechakte auszuführen – Akte, wie z. B. Behauptungen aufzustellen, Befehle zu erteilen, Fragen stellen, Versprechungen machen usw. […] Sprechakte […] sind die grundlegenden oder kleinsten Einheiten der sprachlichen Kommunikation“ (Searle 1971: 30).

Die Konsequenzen des bisher Gesagten für den hier zur Diskussion stehenden Verständigungsbegriff liegen auf der Hand: Das Verstehen einer sprachlich vermittelten Aussage, also das Erkennen dessen, was mit einer sprachlichen Äußerung tatsächlich gemeint ist, hängt sowohl vom Erkennen des Bedeutungsgehaltes der sprachlichen Zeichen(-folge) als auch von einer kommunikator·innengerechten Interpretation der gesetzten Sprechakte ab.

Verständigung zwischen zwei Gesprächspartner·innen setzt somit nicht nur eine Übereinstimmung von Sprecher·in und Hörer·in in Bezug auf den semantischen Gehalt sowie die syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten sprachlicher Zeichen voraus; Verständigung erfordert auch eine Einigung über den pragmatischen Verwendungssinn der jeweils geäußerten Zeichenkombinationen. Eine Verständigung zwischen Sprecher·in und Hörer·in erfordert also eine Begegnung auf zwei „Ebenen“ der Kommunikation (Habermas 1971: 105):

•auf einer Ebene der Gegenstände7, über die man sich verständigt. Hier wird Verständigung über den mitzuteilenden Sachverhalt herbeigeführt,

•auf einer Ebene der Intersubjektivität, auf der die Sprecher·innen/Hörer·innen miteinander sprechen. Hier wird Verständigung über den Typus des gesetzten Sprechaktes hergestellt.

Nur wenn beide Kommunikationspartner·innen im Moment der Kommunikation in gleicher Weise beide Ebenen betreten, kommt Verständigung zustande.

Zur Verdeutlichung diene die Äußerung: „Ich verspreche dir, dass ich morgen komme.“ Analysiert man diese Äußerung im Hinblick auf die beiden soeben eingeführten Ebenen der Kommunikation, so gelangt man zu folgendem Ergebnis: Mit dem Satzteil „Ich verspreche dir, dass …“ wird die intersubjektive Ebene betreten. Sprecher und Hörer stellen wechselseitig Klarheit darüber her, wie sie miteinander sprechen; d. h., sie einigen sich über den Typus des gesetzten Sprechaktes (hier: ein Versprechen) und damit über den pragmatischen Verwendungssinn der Äußerung. Im Fall von Verständigung besteht also Klarheit darüber, was der·die Sprecher·in mit den noch folgenden Worten tut, wozu er·sie die Worte benützt. Mit dem Satzteil „… ich morgen komme“ wird die gegenständliche Ebene betreten. Sprecher·in und Hörer·in stellen wechselseitig Klarheit über den mitzuteilenden Sachverhalt (hier: das Eintreffen des·der Sprecher·in am darauffolgenden Tag) her.

Die eben analysierte Äußerung war allerdings ein Beispiel für einen explizit verbalisierten Sprechakt. Das, was der·die Sprecher·in mit seiner·ihrer eigentlichen Aussage (= der Ankündigung seines morgigen Kommens) tut (nämlich: ein Versprechen geben), war ausdrücklich in Worte gekleidet („Ich verspreche dir, dass …“) und damit manifester Bestandteil der Äußerung. Tatsächlich sind solche Äußerungen aber eher die Ausnahme als die Regel. Es liegt nämlich in der eigentümlichen „Doppelstruktur umgangssprachlicher Kommunikation“ (Habermas ebd.), dass der eigentliche Sprechakt in der Regel nur impliziter Bestandteil der sprachlichen Äußerung ist, d. h. jener Satzteil, der den Hinweis auf den pragmatischen Verwendungssinn der sprachlich vermittelten Aussage enthält, wird gar nicht explizit formuliert. Völlig zu Recht weist Habermas darauf hin, dass diejenigen Bestandteile des Satzes, die den pragmatischen Verwendungssinn der Aussage deklarieren, selbst dann, wenn sie nicht ausdrücklich verbalisiert werden, im Sprechvorgang stets impliziert sind und daher in der Tiefenstruktur eines jeden Satzes auftreten müssen (ebd.: 104).

Die weiter oben zitierte Äußerung, in der Franz zu Fritz sagt: „Morgen komme ich“, wird in der alltäglichen Kommunikationspraxis also häufiger anzutreffen sein als Äußerungen wie „Ich verspreche dir, dass ich morgen komme“ oder „Ich warne dich, morgen komme ich“ oder „Ich gestehe dir, morgen komme ich“ u. Ä. Mit dieser Doppelstruktur umgangssprachlicher Kommunikation ist jedoch die Tatsache angesprochen, dass freilich auch solche Äußerungen wie „Morgen komme ich“, in denen nur die gegenständliche Ebene der Kommunikation sprachlich manifest wird, einen pragmatischen Verwendungssinn implizieren, d. h. Aussagen sind, mit denen der·die Sprecher·in etwas tut (sei es ein Versprechen geben, eine Warnung aussprechen, ein Geständnis ablegen usw.).

Die Schwierigkeit im Hinblick auf die herzustellende Verständigung besteht nun darin, dass der von dem·der Sprecher·in intendierte pragmatische Verwendungssinn einer Botschaft von dem·der Hörer·in auch dann erkannt werden muss, wenn dieser Sinn nicht in expliziter Form Bestandteil der jeweiligen sprachlichen Äußerung ist.

In der alltäglichen Kommunikationspraxis erfolgt diese Interpretationsleistung zumeist über den Kontext, in den eine Äußerung eingebettet ist. Kommunikative Handlungen bzw. sprachliche Äußerungen dürfen ja nicht als isolierte Geschehnisse betrachtet werden, sondern sind in der Regel Bestandteile konkreter sozialer Prozesse, in denen Menschen zueinander in Beziehung treten. Hier setzt Watzlawick (et al. 1969) mit der von ihm eingeführten Unterscheidung eines „Inhalts-“ und „Beziehungsaspektes“ von Kommunikation (ebd.: 53 f.) an und stellt damit eine Lösungsmöglichkeit der vorliegenden Problematik bereit. Man kann in dieser Trennung eine Parallele zu den oben genannten kommunikativen Ebenen sehen. In analoger Weise unterscheidet Watzlawick das, was eine Mitteilung enthält, von dem Hinweis darauf, wie ihr·e Sender·in sie von den Empfänger·innen verstanden haben will: „Der Inhaltsaspekt vermittelt die ‚Daten’, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind“ (Watzlawick et al. ebd.: 55). Wie diese Daten nun tatsächlich aufgefasst werden, das hängt nach Watzlawick davon ab, „wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht“ (ebd.: 53).

Zur Erläuterung wieder das Beispiel, in dem Franz zu Fritz sagt: „Morgen komme ich.“ Im vorliegenden Zusammenhang soll daran einsehbar gemacht werden, dass der pragmatische Verwendungssinn dieser sprachlichen Äußerung von der Art der Beziehung zwischen Franz und Fritz abhängt:

–Angenommen, Franz und Fritz sind Freunde, die sich für den darauffolgenden Tag ein Rendezvous vereinbart haben, dann wird die Äußerung als ein Versprechen zu werten sein, den morgigen Termin auch einhalten zu wollen.

–Angenommen, Franz ist ein Steuerprüfer des Finanzamtes, der bei Fritz eine Betriebsprüfung durchführen soll. In diesem Fall kann die Äußerung eine Warnung sein, allfällige Dinge noch ins rechte Lot zu bringen.

–Angenommen, Franz ist Lehrer, der Fritz Nachhilfe gibt. Hier kann die Äußerung vielleicht als eine Aufforderung interpretiert werden, bis morgen noch die gestellten Übungsaufgaben zu erledigen.

Die Art der Beziehung stellt also in gewissem Sinn einen Rahmen für mögliche Sprechakte bereit. Von außen betrachtet, hat ja jede·r dieser Interaktionsteilnehmer·innen bereits eine bestimmte soziale Position, in der er·sie in Erscheinung tritt (Lehrer·in, Schüler·in, Steuerprüfer·in, Firmeninhaber·in, Freund·in usw.). Soziologisch gesprochen greifen in jeder Interaktion eigentlich soziale Positionen ineinander (vgl. Wunderlich 1976: 17): Es treten nicht „bloße“ Personen zueinander in Beziehung, sondern die Person (A) als Lehrer·in mit der Person (B) als Schüler·in, die Person (X) als Steuerprüfer·in mit der Person (Y) als Firmeninhaber·in usw. Von innen betrachtet bieten diese sozialen Positionen den Gesichtspunkt, von dem aus das Verhalten der jeweiligen Interaktionspartner·in gedeutet werden soll. Man kann sogar behaupten, dass dieser Gesichtspunkt, von dem aus man seine Interaktionspartner·in sieht, in gewisser Weise auch einen Rahmen für die Inhalte potentieller Aussagen bereitstellt. Dieser Auffassung ist auch Watzlawick: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt …“ (Watzlawick et al. 1969: 56, Hervorhebung im Original).

So wird man sich mit seinem·seiner Nachhilfelehrer·in eher über entsprechende Schulprobleme unterhalten als über das neueste Computerspiel; der·die Firmenchef·in wird mit dem·der Steuerprüfer·in eher Finanzfragen erörtern als familiäre Probleme … etc.

Zusammenfassung

Mit dem bisher Gesagten wurde einsehbar gemacht, dass zum Verstehen einer sprachlichen Äußerung nicht bloß das Entziffern bedeutungstragender sprachlicher Zeichen genügt, sondern dass sprachliche Kommunikation stets auf zwei Ebenen verläuft.


Abb. 9: Dimensionen sprachlicher Kommunikation (eigene Darstellung)

Verständigung gelingt also nur dann, wenn beide Kommunikationspartner·innen sowohl die sprachlichen Zeichenkombinationen als auch die gesetzten sprachlichen Handlungen (wenigstens annäherungsweise) identisch interpretieren. Zweifellos ist aber – dazu bedarf es kaum empirischer Nachweise – ein derartiger Verständigungserfolg nicht unbedingt die Regel. Aber warum ist das so? Nachstehend ein kurzer Einblick in mögliche Ursachen in Form von Sprachbarrieren.

3.2 Sprachbarrieren

Sprachbarrieren (Badura 1971) sind sprachliche Gründe für nicht (oder ungenügend) erzielte Verständigung im Rahmen kommunikativer Prozesse. Sie bestehen entweder im Nichtverstehen oder im Missverstehen des Kommunikationspartners.

•Ein Nichtverstehen auf der gegenständlichen Ebene liegt dann vor, wenn Sprecher·innen und Hörer·innen über unterschiedliche sprachliche Zeichenvorräte verfügen. In diesem Fall verwenden die Sprecher·innen Wörter, die die Hörer·innen nicht kennen, weil sie aus einer Fachsprache (z. B. Medizin), einer ungewohnten Sondersprache (z. B. Dialekt) oder einer völlig fremden Sprache stammen.

•Ein Missverstehen auf der gegenständlichen Ebene liegt dagegen dann vor, wenn beide Kommunikationspartner·innen wohl mehr oder weniger gleiche Zeichenvorräte besitzen und den Hörer·innen daher auch die verwendeten Wörter bekannt sind, wenn beide Kommunikationspartner·innen aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern verbinden: Dabei kann es sich in der Regel um historisch gewachsene Differenzen im Bereich der semantischen Zeichendimension zwischen Sprecher·innen und Hörer·innen handeln, die v. a. unter Rekurs auf die individuelle Lebensgeschichte der jeweiligen Kommunikationspartner·innen begründet werden können. Darauf wird weiter unten noch näher einzugehen sein.

•Ein Nichtverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt dann vor, wenn sprachliche Äußerungen gar nicht als solche erkannt werden. Die Gründe dafür liegen entweder im (physischen oder psychischen) Unvermögen der Kommunikator·innen, sich angemessen zu artikulieren, oder im Unvermögen der Rezipierenden, die sprachlichen Manifestationen überhaupt als solche zu identifizieren – etwa weil Behinderungen der Sinneswahrnehmung (Blindheit oder Gehörlosigkeit) vorliegen.

•Ein Missverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt dagegen dann vor, wenn die beiden Kommunikationspartner·innen die gesetzten Sprechakte unterschiedlich interpretieren. Das bedeutet, dass der·die Hörer·in den vom·von der Sprecher·in intendierten pragmatischen Verwendungssinn der Aussage nicht erkennt – es handelt sich also um Differenzen im Bereich der pragmatischen Zeichendimension zwischen Sprecher·n und Hörer·in, wie vorhin erwähnt.

Versucht man nun, über die Ursachen derartiger Sprachbarrieren nachzudenken, so fällt dies für die beschriebenen Arten des Nichtverstehens leicht:

•Einerseits fehlt ein Mindestmaß an Deckungsgleichheit im Zeichenvorrat von Sprecher·in und Hörer·in (gegenständliche Ebene). Sprache kann ihre kommunikative Funktion schlicht nicht erfüllen, wenn der·die Sprecher·in Zeichen verwendet, über deren semantischen Gehalt der·die Hörer·in nicht verfügt. Dies gilt nicht nur interkulturell (Fremdsprache), sondern in gleicher Weise auch für den intrakulturellen Bereich (Fach- oder Sondersprache).

•Andererseits fehlen die Voraussetzungen, eine sprachliche Manifestation überhaupt als solche zu erkennen (intersubjektive Ebene), sei dies nun aus mangelndem Wissen heraus (anderer Kulturkreis) oder infolge einer physischen Behinderung (Störung des entsprechenden Rezeptionskanals).

•Weitaus weniger deutlich vor Augen liegen dagegen die Ursachen im Falle des Missverstehens: Hier gilt es einsehbar zu machen,

•warum trotz gleichem Zeichenvorrat zweier Kommunikationspartner·innen, Differenzen im Bereich der semantischen Zeichendimension auftreten und

•warum es trotz der Fähigkeit des·der Hörer·innen, Sprechakte zu identifizieren, zu keiner kommunikator·innengerechten Interpretation des pragmatischen Verwendungssinns der jeweiligen Aussage kommt.

Die Ursachen für Sprachbarrieren vom Typ Missverstehen werden erst dann einsehbar, wenn man bestimmte Besonderheiten der Sprache sowie des Spracherwerbes beim Menschen kennt. Solche Besonderheiten der menschlichen Sprache werden in der Folge grundsätzlich dargestellt und in ihrer Bedeutung für das zwischenmenschliche Kommunikationsgeschehen erläutert. Ihre Auswahl bemisst sich an ihrer Relevanz im Hinblick auf die kommunikative Funktion der Sprache als Medium der Verständigung.

3.3 Verständigungsrelevante Besonderheiten der menschlichen Sprache

3.3.1 Die verallgemeinernde Kraft der Sprache

Die Fähigkeit des Menschen, Zeichen in ihrer Symbolfunktion verwenden zu können, manifestiert sich im Fall der sprachlichen Zeichen auf ganz besondere Weise. Auf der einen Seite bezeichnen Wörter (außersprachliche) „Gegenstände“ und treten damit als Repräsentationszeichen8 auf; sie vertreten die bezeichneten Gegenstände im Rahmen zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse. Dadurch „gelingt es, die Objekte der Realität aus ihrer materiellen Existenzweise zu lösen, sie situations- und zeitunabhängig und damit zu Objekten geistiger Tätigkeit zu machen“ (Steinmüller 1977: 64). Diese (oben bereits angesprochene) Bezeichnungsleistung der menschlichen Sprache versetzt uns ja bekanntlich in die Lage, sowohl Objekte, die im Augenblick der Kommunikation nicht in unserem Wahrnehmungsraum vorhanden sind (z. B. einen Eiszapfen mitten im Sommer), als auch Bereiche der Realität, die als konkrete, sinnlich wahrnehmbare Gegenstände überhaupt nicht existierten (z. B. Werte, Demokratie, Religion), in unserem Bewusstsein zu aktualisieren.

Andererseits hält aber das Wort in seiner Bedeutung stets auch das Allgemeine der Dinge und Erscheinungen fest: „Jedes Wort verallgemeinert. Dieser Behauptung stimmen die verschiedenen Richtungen der Sprachtheorie zu“ (Schaff 1968c: 99). Eine derartige Verallgemeinerung gilt sowohl für die Bezeichnungen der Gegenstände (Tisch, Auto, Mensch) sowie ihrer Eigenschaften (blau, schnell, mutig).

So bezeichne ich beispielsweise mit dem Wort „Tisch“ nicht nur den konkreten Einrichtungsgegenstand, an dem ich sitze und mein Buch schreibe, sondern zugleich auch die Klasse ebensolcher Gegenstände, die mir als Summe von Vorstellungen (wie z. B. Tischfüße mit waagrecht aufgelegter Platte, die zum Abstellen diverser Dinge dient …) im Bewusstsein präsent sind.

Für diese durch das sprachliche Zeichen repräsentierte Abstraktion ist in der Sprachtheorie der Terminus Begriff gebräuchlich. „Begriffe sind Klassen von Umwelterfahrungen“ (Göppner 1978: 63), also Vorstellungen von der Realität, die aus der Summe individueller Erfahrungen verallgemeinert worden sind. Begriffe sind eine grundsätzlich dynamische Größe, d. h., es ist möglich und wahrscheinlich, dass „neue Erfahrungen in das Begriffssystem der bisherigen Erfahrungen eingeordnet werden, bzw. dieses Begriffssystem erweitern können“ (ebd.). Es erscheint plausibel, dass dieser Prozess ein lebensbegleitender Vorgang ist. Die Begriffsbildung ist bei einem Menschen im Grunde nie endgültig und abgeschlossen. Zweifellos kann man aber den Schwerpunkt der Begriffsentstehung in der Kindheit ansiedeln. Besonders für das Kind ist ein Begriff noch sehr stark mit einigen wenigen konkreten Wahrnehmungen verbunden.

Nach Wygotski (1969: 120 ff.) vollzieht sich Begriffsbildung in drei Stufen: Zunächst besteht die Bedeutung eines Wortes in der (1) Verkettung einzelner Gegenstände, dann kommt es zu einer (2) Gruppierung und einer Verbindung zwischen den konkreten Eindrücken aber erst (3) „im Prozess einer intellektuellen Operation“ entsteht der eigentliche Begriff: Zentral ist dabei „der funktionelle Gebrauch des Wortes als Mittel zur willkürlichen Lenkung der Aufmerksamkeit, der Abstraktion, der Herauslösung der einzelnen Merkmale, ihre Synthese und Symbolisierung mit Hilfe eines Zeichens“ (ebd. S. 164).

Sehr deutlich tritt der Zusammenhang zwischen Sprache und Erfahrung bei der Analyse der kindlichen Sprachentwicklung aus der theoretischen Perspektive des Symbolischen Interaktionismus9 hervor. Eine der Grundannahmen dieses Konzepts besagt ja, dass die Bedeutungen von Umweltobjekten „soziale Produkte“ (Blumer 2015: 27) sind, d. h., aus den sozialen Interaktionen abgeleitet werden, die man mit seinen Mitmenschen eingeht. Im Sinn des Symbolischen Interaktionismus ist daher beachtenswert, dass ein Kind mit dem Akt seiner Geburt nicht nur ein Teil der jeweils vorhandenen natürlichen Umwelt wird, sondern auch (und dies vor allem) „in einen bestimmten existenten Satz von sozialen Beziehungen“ (Stryker 1976: 264) hineingeboren wird.

Im Moment des Eintritts in seine soziale Umwelt zeigt das Kind noch rein zufällige Bewegungsabläufe. Erste Reaktionen von Erwachsenen (Füttern, Hin- und Herwiegen, Trockenlegen u. Ä.), die noch mehr oder weniger dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“ gehorchen, führen allmählich zu einer Abfolge von bestimmten Verhaltensweisen und Ereignissen, an die sich das Kind gewöhnt. „Wird diese Gewohnheit plötzlich unterbrochen (etwa beim Nichterscheinen der Mutter, wenn das Kind hungrig ist), so entsteht in seinem Bewusstsein eine Vorstellung von der unvollendeten Handlung. Indem es dann diese Vorstellung mit einem Wort oder Worten bezeichnet (vielleicht zuerst nicht mit Worten der Umgangssprache, aber später doch ihr angepasst), kann sich das Kind diese Vorstellung von da an ins Bewusstsein rufen, auch wenn es nicht in seiner Gewohnheit ‚blockiert’ wird. In unserem Beispiel besteht diese Vorstellung aus dem Bild der Mutter, die das Kind füttert. Nach zahlreichen ähnlichen Ereignissen kann es dann ‚Mutter’ als ein durch ein Symbol bezeichnetes Objekt unterscheiden“ (Rose 1967: 276).

Für die Bildung von Begriffen und deren spätere Symbolisierung durch sprachliche Zeichen erweisen sich somit gerade die ersten Umwelterfahrungen des heranwachsenden Kindes als besonders bedeutsam. Sprachliche Zeichen/Symbole und deren Bedeutungen dürfen niemals losgelöst von ihrer Umwelt, in der sie existieren (und entstanden sind), betrachtet werden. Infolge der verallgemeinernden Kraft der Sprache drücken Wörter stets eine Summe klassifizierter Vorstellungen (= Begriffe) über diese Umwelt aus, die ihre Wurzel in den individuellen Erfahrungen der jeweiligen Sprachbenützer besitzen.

Das Wissen um die verallgemeinernde Kraft der Sprache führte bislang also zur Einsicht, dass wir mit sprachlichen Zeichen nicht bloß Objekte der Realität raum- und zeitunabhängig zum Gegenstand unserer geistigen Tätigkeit machen können, sondern dass wir mit Wörtern immer auch auf Begriffe rekurrieren, die als mehr oder weniger individuell verallgemeinerte Umwelterfahrungen Bestandteil unseres Bewusstseins sind. Die Bedeutung sprachlicher Symbole ist also wesentlich von der Qualität der Erfahrung abhängig, die der jeweilige Sprachbenutzer mit den „Gegenständen“ machen konnte, auf welche die jeweiligen Wörter verweisen. Mit diesem Hinweis auf die bedeutungsprägende Kraft der Erfahrung ist auch das Verhältnis der Sprache zur Wirklichkeit angesprochen. Dieses Verhältnis impliziert weitere Besonderheiten der menschlichen Sprache, die für ihre kommunikative Funktion relevant sind.

3.3.2 Sprache und Wirklichkeit

Ausgangspunkt ist abermals der theoretische Ansatz des Symbolischen Interaktionismus – diesmal mit seiner zentralen Annahme, wonach wir nicht nur in einer natürlichen, sondern auch in einer symbolischen Umwelt leben (Rose 1967: 267). Darin kommt zum Ausdruck, dass der Mensch (im Gegensatz zum Tier) imstande war, eine Welt bedeutungsvoller Zeichen zu schaffen, die neben der (größtenteils ohne sein Zutun vorhandenen) Natur auch ein Teil seiner äußeren Umgebung geworden ist. Der Mensch gilt als ein „animal symbolicum“ (Mühlmann 1966: 16, Rath 2014: 66), das mit seiner Umwelt nicht direkt und unmittelbar, sondern vermittelt durch künstliche Symbolsysteme in Verbindung steht.10


Abb. 10: Die symbolische Umwelt des Menschen (nach Lindersmith/Strauss 1974: 85, eigene Darstellung)

Der unmittelbare Zugang zur natürlichen Umgebung ist (wie Abb. 10 verdeutlicht), gleichsam durch Symbole gebrochen. Man kann diese symbolische Umwelt als eine Art Ersatz-Umgebung denken, die gewissermaßen einen Filter zur natürlichen Umwelt bereitstellt, durch den wir die uns umgebende Realität erst betrachten und über sie verfügen können. Dabei ist allerdings „wichtig zu bemerken, dass diese Umgebung keine bloße Reproduktion oder Reflexion der Außenwelt ist. Sie ist eher eine Rekonstruktion der Welt im Sinne der Erfordernisse der menschlichen Lebensführung“ (Lindesmith/Strauss 1974: 85). Oder wie es Cassirer (ganz ähnlich wie G.H. Mead) formuliert hatte: Der Mensch lebt nicht mehr wie das Tier „in einem bloß physikalischen, sondern in einem symbolischen Universum“ (Cassirer 1996: 50). Und wenn er es mit den Dingen seiner Umwelt zu tun hat, dann hat er es im Grunde „ständig mit sich selbst zu tun“ (ebd.). Der Mensch ist eben „das Wesen, das sich seine Welt symbolisch erschließt, ja dem die Welt nur und ausschließlich in Symbolen erscheint. Er ist das animal symbolicum“ (Rath 2014: 69).

Im Hinblick auf sprachliche Zeichen verweist dieser Umstand v. a. auf zwei fundamentale Aspekte sprachlicher Zeichen, die als semantische Grundpostulate auf den Sprachwissenschaftler Alfred Korzybski (Schaff 1968: 97) zurückgehen11:

•Das Postulat der Unvollständigkeit: Das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze. Der Satz „eine Landkarte stellt nicht das ganze Gelände dar“ macht darauf aufmerksam, dass man (gleichgültig, wie detailliert die Landkarte ist) niemals alles von diesem Gelände darstellen kann. So wie eine Landkarte von Einzelheiten des Territoriums absehen muss, genauso wird auch die sprachliche Darstellung immer unvollständig bleiben. „In die gewöhnliche Sprache übertragen bedeutet dies, dass gleichgültig, wie viel man über irgendeine ‚Sache’, ‚einen Vorgang’, eine ‚Eigenschaft’ oder irgend etwas anderes aussagt, man nicht alles darüber aussagen kann“ (Rapoport 1968: 16). Wie sehr man sich auch bemüht, mit Hilfe von sprachlichen Symbolen die Wirklichkeit darzustellen, die Darstellung wird stets weniger sein als das Darzustellende.

•Das Postulat der Nicht-Identität: Das Wort ist nicht die Sache, die es bezeichnet. Wenn schon die Landkarte „nicht einmal alles von dem Gelände darstellt, dann ist klar, dass sie nicht das Gelände sein kann“ (ebd.: 17). Wenn man ebenso mit Hilfe von Worten nicht alles über die Wirklichkeit aussagen kann, dann können die Worte ja auch wohl niemals die „Gegenstände“ sein, die sie bezeichnen. Das Postulat der Nicht-Identität bezieht sich auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen Sprache und Realität, der niemals aufgehoben werden kann.12

Erwähnenswert ist in diesem Kontext das Zeichenmodell von de Saussure, das letztlich in alle Modelle sprachlicher Zeichen mit eingegangen ist (Pelz 2013: 44). Im Sinn de Saussures ist ein sprachliches Zeichen nämlich im Grunde psychischer Natur: Es verbindet nicht eine Sache (z. B. einen Stuhl) und einen Namen miteinander, sondern eine bzw. mehrere (gedankliche) Vorstellung(en) – also: den Begriff von einem Stuhl – und ein Lautbild. Dieser Begriff ist (wie bereits ausgeführt wurde) aber seinerseits eine Abstraktion aus einer Reihe von „wirklichen“ Stühlen, die irgendwann einmal wahrgenommen worden sind.

3.3.3 Sprachliche Relativität

Indem Sprache die Realität also nicht (einem Spiegel gleich) reflektiert, sondern diese immer rekonstruiert, kann man davon ausgehen, dass Symbole bzw. deren Bedeutung niemals rein zufällig entstehen. Vielmehr ist die Art und Weise, wie die Umwelt mit Hilfe eines Symbolsystems rekonstruiert wird, immer von der Qualität der Auseinandersetzung des jeweiligen Menschen mit seiner Umwelt beeinflusst. Für sprachliche Symbolsysteme bedeutet dies, dass Menschen in unterschiedlichen Regionen nicht nur unterschiedliche Sprachen ausbilden, sondern dadurch auch die Wirklichkeit unterschiedlich rekonstruieren. Diese These von der sprachabhängigen Weltsicht ist in der Sprachwissenschaft v. a. mit den beiden Ethnolinguisten13 Edward Sapir (1951) und dessen Schüler Benjamin Lee Whorf (1963) verbunden.14

Das von ihnen formulierte (auch als Sapir-Whorf-Hypothese bekannte) linguistische Relativitätsprinzip besagt, dass verschiedene Sprachgemeinschaften die außersprachliche Realität auf unterschiedliche Weise erfassen. Danach ist Sprache einem Netz ähnlich, „das über die Wirklichkeit geworfen wird; die Maschen dieses Netzes sind nicht in allen Sprachgemeinschaften (und auch nicht für alle Teilbereiche der Wirklichkeit) gleich groß und verlaufen nicht überall gleich“ (Pelz 2013: 35). Als Konsequenz dieses bemerkenswerten Umstandes kann man eine Nichtdeckungsgleichheit im Wortschatz von verschiedenen Sprachen („lexikalische Inkongruität“) beobachten. So besitzen beispielsweise die Inuit viel mehr Bezeichnungen für „Schnee“, als dafür etwa das Englische oder Deutsche bereitstellt; ähnlich verhält es sich, wenn man das deutsche Wort „Reis“ mit der Anzahl der dafür vorhandenen verschiedenartigen Wörter im Japanischen vergleicht:


Abb. 11: Lexikalische Inkongruität (nach Pelz 2013: 35, eigene Darstellung)

Wohl nicht zufällig haben sich gerade im Japanischen und nicht in einer der europäischen Sprachen so viele unterschiedliche Bezeichnungen für „Reis“ entwickelt: In keiner europäischen Gesellschaft ist Reis ein so zentrales Element der Lebensführung wie in der japanischen (die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Anbaufläche ist dem Reis gewidmet); in keinem europäischen Land wurden daher im Laufe von Jahrhunderten so viele verschiedene Erfahrungen mit Reis gesammelt; für keine der europäischen Gesellschaften war es somit (über-)lebensnotwendig (und auch gar nicht möglich), so viele unterschiedliche Begrifflichkeiten von Reis auszubilden und die Summe dieser klassifizierten Umwelterfahrungen auch noch sprachlich manifest zu machen. Gleiches gilt für die Inuit und ihre verschiedenen Bezeichnungen für Schnee.

Mit Blick auf das symbolische Netz, das wir mit Sprache über die Wirklichkeit werfen, weisen diese Beispiele somit darauf hin, dass für jene Lebensbereiche, die in einem Kulturkreis von zentraler Bedeutung sind, auch entsprechende sprachliche Differenzierungen entstanden sind, die sich für die jeweiligen Lebensumstände als passend erwiesen haben.15 Der Zusammenhang zwischen Sprache und Realität16 scheint sich nun, nach Kenntnis des Prinzips der sprachlichen Relativität, als ein wechselseitiger zu erweisen:


Abb. 12: Sprachliche Relativität (eigene Darstellung)

Einerseits prägen Umwelt und Erfahrung die Sprache. Eine Sprache stellt nicht zufällig vorhandene Differenzierungsmöglichkeiten von Realität bereit. Vielmehr entwickelt sich ein sprachliches Symbolsystem, das diejenigen Aspekte der Wirklichkeit rekonstruiert, die den Erfordernissen der jeweiligen menschlichen Umwelt entsprechen. Andererseits beeinflusst aber auch die Sprache die menschliche Erfahrung und damit das Erkennen der Umwelt. Damit ist gemeint, dass eine bestimmte Sprache stets auch eine bestimmte Perspektive auf die Realität in sich trägt. Mit dem Erlernen einer Sprache erwirbt man also auch einen ganz bestimmten „Zugang“ zur Wirklichkeit.

3.3.4 Sprachliche Reflexivität

Eine weitere für Verständigung relevante Besonderheit der menschlichen Sprache besteht in ihrer „Selbstreflexivität“:17 Man kann mit Sprache über Sprache sprechen, d. h., man kann sprachliche Aussagen selbst wieder zum Gegenstand von Aussagen machen. Für diese beiden Arten von sprachlichen Aussagen sind auch die Bezeichnungen „Objektsprache“ und „Metasprache“ gebräuchlich.

Unter Objektsprache versteht man die Ebene der Sprache, „in der Aussagen zu außersprachlichen Gegenständen und Sachverhalten (Objekten) gemacht werden“ (Glück/Rödel 2016: 477).

Z. B.: „Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zwölf Mitglieder an.“

Als Metasprache gilt dagegen die Ebene der Sprache, in der etwas über objektsprachliche Sätze gesagt wird. Gegenstand der Aussage ist also nicht die außersprachliche Realität, sondern die Sprache selbst (vgl. ebd.: 429).

Z. B.: „Der Satz: ‚Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zwölf Mitglieder an’, ist richtig.“

Freilich kann auch dieser metasprachliche Satz abermals Gegenstand einer Aussage werden, die dann als „metametasprachliche“ Aussage zu bezeichnen wäre.

Z. B.: „Der Satz, in dem festgestellt wird, dass die Aussage: ‚Dem Gemeinderat von Siebenkirchen gehören zur Zeit zwölf Mitglieder an’, richtig ist, stellt nur ein Urteil über dessen grammatikalische Richtigkeit“ dar.“

Manche Sprachwissenschaftler·innen sehen in der sprachlichen Reflexivität eine Grundfunktion der Sprache überhaupt, weil sie deren zentrale Bedeutung in sprachlichen Grenzsituationen zu erkennen glauben: So vollzieht sich beispielsweise der Spracherwerb beim Kleinkind „weithin metasprachlich, nämlich durch Feststellungen der Art, dass Verfahren und Bedeutungen im eigenen Gebrauch nicht mit dem der Erwachsenen übereinstimmen“ (Schlieben-Lange 1975b: 192).18 Sprachliche Kommunikation selbst wird danach eigentlich erst durch grundsätzliche metasprachliche Fähigkeiten der Beteiligten möglich; dieses „Wissen“ der Sprecher·innen (und Hörer·innen) um ihre Sprache (das sogenannte „metasprachliche Begleitbewusstsein“) besteht in der impliziten Einsicht, dass Sprache etwas ist, das jederzeit Gegenstand einer Reflexion werden kann. Explizit wird dieses Wissen eben dann in metasprachlichen Äußerungen (vgl. ebd.: 193 f.).

Dieses Reflexivitätspotential der menschlichen Sprache, welches in Form von metasprachlichen Aussagen manifest wird, besitzt v. a. für nicht erfolgreich ablaufende kommunikative Interaktionen besondere Bedeutung: Gerade dann, wenn Verständigung ausbleibt, d. h., wenn ein Missverständnis als Konsequenz kommunikativen Handelns zu diagnostizieren ist, erwächst aus der Fähigkeit des Menschen, über seine Sprache und sein Sprechen sprechen zu können, die Möglichkeit, Metakommunikation in Gang zu bringen.

Metakommunikation ist Kommunikation über bereits stattgefundene oder soeben stattfindende Kommunikation. Als Kommunikation über Kommunikation unterscheidet sie sich von anderen Formen der Kommunikation nur durch ihren Gegenstand: „Metakommunikation ist die Form menschlicher Kommunikation, die sich selber thematisiert, und zwar auf der Inhalts- und Beziehungsebene“ (Bock 1978: 207).

Gerade die Fähigkeit zur Metakommunikation versetzt uns also in die Lage, missverständliche bzw. missverstandene sprachliche Äußerungen (sowie deren nonverbale Begleitphänomene) selbst zum Gegenstand einer Aussage und damit zum Objekt einer kommunikativen Interaktion zu machen. Dies gilt sowohl für die gegenständliche als auch für die intersubjektive Ebene von Kommunikation: Man kann die Metakommunikation als Mittel einsetzen, um Verständigung über den mitzuteilenden Sachverhalt herbeizuführen; man kann Metakommunikation aber auch einsetzen, um Verständigung über den Verwendungssinn der geäußerten Sätze (d. h. zumeist über die Art des Sprechaktes) herbeizuführen.

In Anlehnung an den vorher verwendeten Demonstrationssatz gehen wir von folgender Äußerung eines Siebenkirchner Gemeindrates aus: „Ich finde den Bürgermeister nicht länger tragbar.“

Hier könnte z. B. klärungsbedürftig sein, welcher Bürgermeister denn gemeint sei. Eine eventuelle Frage an den Sprecher „Meinst du den Bürgermeister von Siebenkirchen?“ wäre dann ein metakommunikativer Versuch, Verständigung auf der gegenständlichen Ebene der Kommunikation (also über den mitzuteilenden Sachverhalt) herbeizuführen.

Klärungsbedürftig könnte aber auch die Art des Sprechaktes sein. Eine eventuelle Frage an den Sprecher könnte daher lauten: „Ist das eine Feststellung, oder kündigst du damit einen Misstrauensantrag an?“ und wäre ein metakommunikativer Versuch, Verständigung auf der intersubjektiven Ebene der Kommunikation (über den pragmatischen Verwendungssinn der mitgeteilten Aussage) herbeizuführen.

3.4 Exkurs: Wissenschaftssprache

Institutionalisierte Versuche, Missverständnisse zwischen Kommunikationspartnern zu verhindern oder wenigstens zu minimieren, sind in praktisch allen Wissenschaftssprachen anzutreffen. Die Sprache einer Wissenschaft unterscheidet sich von der gängigen Alltagssprache vor allem dadurch, dass sie über eine sogenannte Terminologie verfügt, d. h. über eine Anzahl von Symbolen (Termini), deren Bedeutung möglichst eindeutig feststeht. Auf diese Weise wird versucht, insbesondere jene Sprachbarrieren, die auf der gegenständlichen Ebene von Kommunikation anzusiedeln sind, zu vermeiden bzw. gering zu halten. „Die Termini einer Wissenschaft sind Wörter oder zusammengesetzte Ausdrücke, die der eigenen oder einer fremden natürlichen Sprache entnommen oder künstlich geschaffen sind und deren Bedeutung und Gebrauch innerhalb dieser Wissenschaft durch Festsetzungsdefinitionen eindeutig festgelegt ist“ (Segeth 1972: 1082).

Sieht man von den Formalwissenschaften ab (wie Logik, Mathematik, Informatik), die sich einer künstlich entwickelten Zeichen- bzw. Formelsprache bedienen, dann begegnet man – insbesondere in den Sozialwissenschaften – recht häufig dem Umstand, dass ein und dasselbe Wort (das womöglich auch noch aus der Alltagssprache stammt) in verschiedenen Disziplinen als „Terminus“ für ganz unterschiedliche Bedeutungen anzutreffen ist.

So bedeutet etwa das aus der deutschen (Alltags-)Sprache stammende Wort Arbeit als Terminus der Physik etwas anderes als im Rahmen einer soziologischen Terminologie. Ähnlich verhält es sich mit dem Terminus Medium: Wird etwa in der Chemie als Medium eine Trägersubstanz innerhalb chemischer Prozesse bezeichnet, so versteht man darunter in der Kommunikationswissenschaft das Ausdrucksmittel einer kommunikativen Aktivität.

In solchen und ähnlichen Fällen wurde also ein und dasselbe Wort mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt und repräsentiert daher auch unterschiedliche Begriffe (und natürlich auch verschiedene Realitäten). Das Verfahren, mit dem derartige Bedeutungszuweisungen erfolgen, nennt man den Vorgang des Definierens. Eine Definition „ist eine Entscheidung darüber […], dass ein bestimmtes sprachliches Zeichen nur noch in einer bestimmten Weise verwendet werden soll“ (Prim/ Tilmann 1997: 28) – also eine „Konvention über die Verwendung von Zeichen“ (Opp 2014: 121). Mit einer Definition wird ein Wort (oder Zeichen bzw. eine Zeichenkombination) einer Summe von Vorstellungsinhalten (einem Begriff) zugeordnet. Damit wird nicht nur für intersubjektiv klare Begriffe gesorgt, es werden dadurch in der Regel auch kürzere Aussagen möglich, denn eine Reihe von Vorstellungsinhalten oder Einzelmerkmalen (= Definiens) werden auf ein Symbol bzw. eine Symbolkombination (= Definiendum) übertragen. Üblicherweise beansprucht das Definiendum eine geringere Zeichenanzahl als das Definiens.

So wurde z. B. im Rahmen dieses Buches der komplexe Begriff von dem zwischen (mindestens) zwei Menschen ablaufenden Prozess, in dem diese unter Benützung eines Mediums Bedeutungsinhalte miteinander teilen (= Definiens), mit dem Terminus Kommunikation (= Definiendum) gleichgesetzt.

Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit Definitionen immer wieder stellt, ist die Frage nach ihrer Gültigkeit. Worin bestehen die Kriterien, nach denen diese Gültigkeit beurteilt werden kann, oder (genauer gefragt) wie kann man entscheiden, ob eine Definition zu akzeptieren oder zu verwerfen ist? Insbesondere in den Sozialwissenschaften ist mit dieser Frage ein wichtiger Aspekt wissenschaftlichen Arbeitens angesprochen, weil wir es in der Regel mit Begriffen zu tun haben, die nur über einen indirekten empirischen Bezug verfügen. Vielfach handelt es sich um theoretische Konstrukte, die nicht unmittelbar beobachtbar, sondern nur über Indikatoren empirisch erfassbar sind.19 Die Auffassungen zur Beantwortung dieser Frage sind zwei grundsätzlich divergente.

•Zunächst gibt es die Befürworter·innen der sogenannten Realdefinition. Realdefinitionen zielen darauf ab, „das ‚Wesen’ oder die ‚Natur’ von irgendwelchen Tatbeständen zu beschreiben“ (Prim/Tilmann 1997: 30) und können her wahr (wenn diese Beschreibung auf die Realität voll zutrifft) oder falsch (wenn dies nicht der Fall ist) sein.

•Im Gegensatz dazu stehen die Befürworter·innen der sogenannten Nominaldefinition. Nominaldefinitionen nehmen nicht für sich in Anspruch, das Wesen einer Sache, eines Prozesses (etc.) voll darzustellen, sondern sind bloß eine Festsetzung über die Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks (Prim/ Tilmann ebd.: 31). Nominaldefinitionen behaupten also nichts über die Realität (Opp 2014: 121), denn sie sind nichts anderes als Konventionen, von nun an mit bestimmten Symbolen bestimmte Begriffe zu verbinden. Nominaldefinitionen können daher weder wahr noch falsch sein. Die Beurteilung ihrer Gültigkeit hängt davon ab, ob man sie als angemessen (auch: zweckmäßig) oder unangemessen (unzweckmäßig) betrachtet.

So wäre etwa die oben angeführte Definition von Medium als Trägersubstanz innerhalb chemischer Prozesse für die Kommunikationswissenschaft nicht angemessen, weil sie für ihr Untersuchungsobjekt (die zwischenmenschliche oder auch die öffentliche Kommunikation) unzweckmäßig ist, d. h. ihren Forschungsperspektiven nicht entspricht. Die chemische Definition von Medium ist deswegen aber nicht als falsch zu bezeichnen, sie entspricht vielmehr einem anderen Realitätsbereich und erscheint daher wieder für die Forschungsinteressen der Chemie zweckmäßig, weil sie ihrem Untersuchungsobjekt (den chemischen Vorgängen) gerecht wird. Hier insgesamt nach dem Wesen des Mediums zu fragen, scheint irrelevant zu sein.20

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sämtliche in diesem Buch präsentierten Begriffsbestimmungen als Nominaldefinitionen zu begreifen sind. Sie wollen also ausschließlich für den kommunikationswissenschaftlichen Forschungsbereich angemessen bzw. zweckmäßig sein und beanspruchen nur für diesen Gültigkeit.


1Eine systematische Auflistung nichtsprachlicher Momente von Kommunikation gibt Graumann (1972: 1219 ff.). Er zählt zum Bereich außersprachlicher Medien neben den körperbezogenen Ausdrucksmitteln auch Kommunikationsräume (wie die Landschaft, das Klima, die Stadt, das Gebäude) und Kommunikationsobjekte (etwa alltägliche Gegenstände wie einen Tisch, Blumen, ein Streichholz usw.). Alles, was uns umgibt, kann als Medium auftreten und damit Bedeutungen vermitteln. – Als ein Standardwerk zur nonverbalen Kommunikation gilt: Argyle (2013), vgl. aber auch: Röhner/Schütz (2012: 57 ff.).

2Merten (1977: 122 ff.) zeigt anhand vieler Befunde auf, dass sich die verbale Kommunikation aus der nonverbalen Kommunikation entwickelt haben muss, wobei diese durch die verbale Kommunikation allerdings „nicht abgelöst, sondern nur ergänzt worden ist“ (ebd.: 82).

3Es soll nicht übersehen werden, dass Sprache auch andere Funktionen als die des Mitteilens erfüllen kann. So lässt sich dieser dialogischen z. B. eine monologische Sprachfunktion (ebd.: 185, Pelz 2013: 29) gegenüberstellen: Gemeint ist die Leistung der Sprache als Denkhilfe oder auch als Möglichkeit, eigene Gefühle vor sich selbst manifest werden zu lassen (= emotionell-expressive Leistung). Zu denken ist z. B. an einen spontanen „Au-Schrei“ oder an einen im Affekt geäußerten Fluch. Erwähnt sei außerdem die phatische Sprachfunktion: Sie besteht im bloßen Kontakthalten oder auch im „Herstellen, Verlängern oder Unterbrechen eines sprachlichen Kontakts“ (Pelz ebd.). Sie ist z. B. als small talk auf Partys und in vielen Alltagssituationen beobachtbar, wenn „Geräusch um des Geräusches willen“ gemacht wird – in Äußerungen wie: „Schöner Tag heute“, „Na, auch mal wieder in der Stadt?“ etc. Hier geht es also weniger um mitzuteilende Inhalte, vielmehr um die Kontaktfunktion von Sprache: um das Herstellen oder Aufrechterhalten von Gemeinsamkeit oder auch um „das Vermeiden von Schweigen“ (ebd.: 30).

4Zur Semiotik vgl. u. a.: Bentele/Bystrina 1978, Eco 2002, Glück/Rödel 2016: 609 ff., Pelz 2013: 39 ff.

5Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang freilich das von Karl Bühler (1934) noch früher entwickelte „Organon-Modell“ der Sprache, das auch bereits neben der Darstellungs- bzw. Symbolfunktion eine (auf den Sender bezogene) Ausdrucks- bzw. Symptomfunktion und eine (auf den Empfänger bezogene) Appell- bzw. Signalfunktion unterscheidet (vgl. oben: Kap. 2.5).

6Die Lehre vom sprachlichen Handeln – daher oft auch: Sprechhandlungstheorie – entwickelte Austin in seinen berühmten Vorlesungen an der Harvard University im Jahre 1955, die erst nach seinem Tode veröffentlicht wurden (in deutscher Übersetzung: Austin 1972). Eine knappe Einführung in sprechakttheoretisches Denken bzw. eine Darstellung der verschiedenen Sprechhandlungstypen geben Hennig/Huth (1975: 112–129). Als wichtige Vertreter der Sprechakttheorie sind v. a. John Searle (1971), ein Schüler Austins, und Dieter Wunderlich (1976) zu nennen.

7Als „Gegenstände“ werden hier sowohl Dinge, Ereignisse, Zustände, Personen, als auch Äußerungen oder Zustände von Personen verstanden (vgl. Habermas ebd.).

8Zum Zeichenbegriff siehe Kap. 2.5.

9Zum Symbolischen Interaktionismus vgl. ausführlich weiter oben (Kap. 2.5) die Überlegungen anlässlich der Klärung des Symbolbegriffes sowie dessen breitere Darstellung als Sozialisationskonzept weiter unten (Kap. 4.2.3).

10Ein Gedanke, den übrigens auch der deutsche Philosoph Ernst Cassirer umfassend in seiner zwischen 1923 und 1929 publizierten (dreibändigen) „Philosophie der symbolischen Formen“ entwickelt hatte. „Ein Schlüssel zum Wesen des Menschen“ – so Cassirer (1996: 47) – ist „das Symbol“.

11„Sprachliche Selbstreflexivität“ ist ein drittes Postulat von Korzybski – darauf wird weiter unten (Kap. 3.3.4) näher eingegangen.

12Der belgische Maler René Magritte (1898–1967) hat mit dem perfekt gemalten Bild einer Pfeife und dem darunter geschriebenen Text („Ceci n’est pas une pipe“) dieses Postulat kunstvoll in Szene gesetzt (vgl. dazu auch Foucault 1997).

13Ethnolinguistik ist eine Richtung der Sprachwissenschaft, die Zusammenhänge zwischen Sprache und soziokulturellen Gegebenheiten untersucht.

14Die erste explizit sprachtheoretische Formulierung dieser These stammt von Wilhelm von Humboldt, eine Weiterentwicklung leistete Leo Weisgerber mit seiner Lehre von den „sprachlichen Weltbildern“; der Gedanke selbst lässt sich bis ins 15. Jh. zurückverfolgen (vgl. Roth 2004).

15An dieser Stelle scheint das Quasi-Bonmot des Sprachwissenschaftlers Leo Weisgerber erwähnenswert: „Ob in einem Land Unkraut wächst, hängt von der Sprache seiner Bewohner ab“ (zit. n. Pelz 2013: 37).

16Die Sapir-Whorf-Hypothese ist nicht unbestritten, nach Pelz (2013: 37) v. a. mit Blick auf einen sprachlichen Determinismus, dem sie in der 1970er Jahren noch zugerechnet wurde. Neuere Auffassungen reden eher von einem Wechselverhältnis zwischen Sprache und Denken (Glück/Rödel 2016: 582), diese Position wird auch hier vertreten.

17Mit der sprachlichen Selbstreflexivität ist zugleich das dritte (und letzte) semantische Grundpostulat nach Korzybski angesprochen; zu den ersten beiden Grundprinzipien vgl. weiter oben Kap. 3.3.2.

18Ähnliches gilt ja auch für das Erlernen einer Fremdsprache.

19Wörter wie Baum, Haus, Hund (u. Ä.) verweisen auf Begriffe, die sinnlich wahrnehmbar (erfahrbar) sind, also über einen direkten empirischen Bezug verfügen. Begriffe mit indirektem empirischem Bezug (wie sie z. B. in Wörtern wie Verständigung, Interaktion, Intentionalität, Gesellschaft, Integration u. Ä. zum Ausdruck kommen), verweisen dagegen auf Phänomene, deren unmittelbare sinnliche Wahrnehmbarkeit gar nicht gegeben ist. „Aber es gibt Phänomene, die anzeigen (indizieren), dass der gemeinte Vorstellungsinhalt eine reale Basis hat“ (Prim/Tilmann 1997: 35). Über derartige „Indikatoren“ kann man sie operationalisieren, d. h. messbar machen (vgl. ebd.: 45 ff.).

20Nach Opp (2014: 124 f.) sind solche Wesensbestimmungen ohnehin oft als Nominaldefinitionen zu klassifizieren (weil sie Vorschläge machen, wie ein bestimmtes Wort zu verwenden ist).

Kommunikationswissenschaft

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