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Am nächsten Morgen saßen Reinhard Stabau und Verena Bramberger dem Chef Xaver Ludendorfer in seinem Office am Schreibtisch gegenüber.

„Der Anrufer kam leider nicht“, schloss Bramberger den ersten Teil ihres Berichtes über die Ereignisse der letzten Nacht. „Offenbar hatte er Lunte gerochen.“

Das Telefon klingelte. Ludendorfer nahm den Hörer ab und meldete sich. Er hörte mehr als eine Minute zu und legte dann auf, ohne mehr als ein „Dankeschön!“ gesagt zu haben. Sein Gesicht hatte einen nachdenklichen Zug angenommen.

„Das war das Labor“, informierte er die beiden Beamten. Sie haben eine Prüfung des Falschgeldes gemacht. Alle Scheine sind falsch, nicht nur das eine Päckchen mit der auffälligen Farbabweichung. Das sind anscheinend Probedrucke, bei denen eine Technik verwendet wurde, mit der man nicht zufrieden war.

Das restliche Geld, das gestern in Flehmigs Wohnung gefunden wurde, ist – laut Laborbericht - nach einem völlig neuen Verfahren bedruckt worden. Das Falschgeld ist das Produkt einer technischen Meisterleistung. Das Papier hat dabei seine Struktur nicht verändert. Es fühlt sich durchaus echt an. Der Druck selbst ist makellos, es gibt keine erkennbaren Abweichungen, keine Fehler. Nur unter der Quarzlampe ist zu erkennen, dass die Noten auf alten Geldscheinen gedruckt worden sind. Das Labor und die Männer vom Falschgelddezernat sagen übereinstimmend aus, dass es sich um die ausgereiftesten Fälschungen der letzten Jahre handelt. Die Spezialisten sind der Meinung, dass sich dahinter ein ungeheures technisches Können verbirgt. Sie vermuten, dass ein Team ausländischer Spezialisten die Arbeit leistet, und dass man diese erste Sendung gleichsam als Versuchsballon hat aufsteigen lassen.“

„Haben wir keine inländischen Spezialisten mehr?“, meinte Reinhard.

„Es geht eher darum, dass man die Ware von weiß Gott wo hier bei uns testet und schaut, ob wir in der Provinz die Blüten erkennen.“

Reinhard und Bramberger blickten einander an. Es bedurfte nicht vieler Worte, um die Bedeutung der aufgeführten Fakten zu erkennen.

„Angesichts der akuten Gefahren, die eine unbekannte Gruppe von Verbrechern unserer Wirtschaft und unserer Währung zufügen kann, möchte ich Sie bitten, den Fall unverzüglich zu übernehmen und mit Vorrang zu behandeln“, sagte Ludendorfer. „Sie sind dabei der Unterstützung des Falschgelddezernates und aller anderen Dienststellen sicher. Alle diese Ermittlungen unterliegen bis auf weiteres der Geheimhaltungspflicht. Es hat keinen Zweck, die Bevölkerung aufzuschrecken, solange wir nicht wissen, ob das Geld überhaupt in Umlauf gelangt ist.“

„Ein Glück, dass Kommissar Philipps den Reportern gegenüber das Falschgeld verschwiegen hat“, sagte Bramberger.

„Kommissar Philipps ist ein tüchtiger Mann. Er hat eine Nase für kluge Entscheidungen“, meinte Ludendorfer. „Ich bin sicher, dass Sie in Zusammenarbeit mit seiner Abteilung schnell zu brauchbaren Ergebnissen kommen werden.“

„Wenn ich die Situation richtig beurteile, stellt sich zunächst die Frage nach der Herkunft des Geldes“, meinte Reinhard. „Flehmig können wir leider nicht mehr fragen. Seltsam ist nur, dass der Täter das Geld ignoriert hat.“

„Es lag im Kühlschrank, und zwar im Tiefkühlfach“, sagte Bramberger. „Harald Diemer stolperte darüber, als er sich etwas zum Trinken aus dem Kühlschrank holen wollte.“

„Alban Flehmig als Falschgeldverteiler“, murmelte Ludendorfer. „Das will mir nicht in den Kopf. Er muss mit seinen Artikeln doch eine Menge Geld verdient haben!“

„Das ist die Frage“, sagte Bramberger.

Ludendorfer und Reinhard blickten die Kommissarin an. Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn es stimmt, was Emma Guhl sagte, dann hat Flehmig dreimal wöchentlich seine Kolumne abgeliefert. Er hat sie selbst getippt, ohne Sekretär, und zwar auf einer alten Olympia, von der er sich angeblich aus Gefühlsgründen nicht trennen wollte.“

„Na, und?“, fragte Reinhard.

„Diese Maschine ist seit Jahren nicht mehr benutzt worden“, eröffnete Bramberger ihnen.

„Nanu, wie haben Sie das ermittelt, Verena?“, fragte Ludendorfer.

„Ich habe ein paar Anschläge versucht. Das ‘e’ ist abgebrochen. Es ist ein alter Bruch. Er kann ein paar Monate, oder auch einige Jahre zurückliegen. Ohne das ‘e’ lässt sich beim besten Willen kein Artikel tippen. Natürlich werde ich mir bei seiner Zeitung einige Manuskripte ansehen, um festzustellen, ob er das ‘e’ doch handschriftlich beigefügt hat, oder ob er in letzter Zeit besprochene oder doch elektronische Artikel abgeliefert hat.“

„Du hältst es für möglich, dass die Artikel, die unter seinem Namen erschienen sind, gar nicht von Alban Flehmig stammen?“, fragte Reinhard.

„Wer weiß. Jedenfalls hat er sie wohl nicht auf der alten Maschine geschrieben.“

„Das beweist aber noch gar nichts. Vielleicht hat er bei Emma Guhl lediglich Eindruck schinden wollen.“

Bramberger blickte ihren Chef für einen Moment richtig fassungslos an, dann schüttelte sie den Kopf. „Das können sie nicht im Ernst behaupten!“, sagte sie. „Heutzutage schafft es niemand mehr, mit einer antiquarischen Schreibmaschine bei jungen Mädels Eindruck zu schinden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Emma Guhl dem alten Herrn nur etwas vorgespielt hat.“

„Vielleicht hatte Emma da etwas falsch verstanden“, meinte Reinhard.

„Ja, dass er sie für eine Hauptrolle beim Film unterbringt. Und was hat sie da wohl als Gegenleistung erbringen sollen? Sie hat, ohne nachzudenken, alles toll gefunden, was der alte Herr da behauptet hat. Und uns hat sie das brühwarm so erzählt. Ich gebe nichts darauf.“

„Also überprüfen wir beim Verlag die Originalmanuskripte“, lenkte Reinhard ein.

„Möglicherweise existiert ein Ghost Writer“, meinte Ludendorfer, „ein Mann, der die Artikel für Flehmig geschrieben hat. Die Nachricht von Flehmigs Ermordung machte heute Morgen in allen Zeitungen Schlagzeilen. Wie üblich, wurde die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise gebeten. Ich habe vor einer halben Stunde mit Kommissar Philipps telefoniert. Er hat eine Menge Anrufe bekommen. Es war allerdings niemand darunter, der sich als sein Ghost Writer vorgestellt hat.“

„Davon kann ihn eine gewisse Pietät abgehalten haben“, sagte Reinhard. „Eine solche Nachricht würde das Andenken des Ermordeten schädigen. Die Presse beklagt Flehmigs Tod noch immer als einen Verlust für die Filmkritik. Wenn herauskäme, dass Flehmig gar nicht der Autor der gelobten Artikel war, würde ihn die Presse mitleidlos als ermordeten Betrüger abstempeln.“

Ludendorfer nickte und schaute uns an. „Unter anderem werden Sie herausfinden müssen, ob dieser hässliche Vorwurf berechtigt ist“, sagte er.

Verbrechen zieht weite Kreise: Kommissarin Bramberger ermittelt

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