Читать книгу Verbrechen zieht weite Kreise: Kommissarin Bramberger ermittelt - Roland Heller - Страница 9
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Diemer ging voran. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein Paket von der Größe eines Ziegelsteins. „Das ist es, Kommissarin Bramberger“, sagte er und schaute sie erwartungsvoll an, als würde sie bereits beim bloßen Anblick den Fall gelöst haben.
Sie ahnte, welche Reaktion er erwartete. „Rauschgift“, sagte sie schlicht.
„Das habe ich zuerst auch geschätzt“, sagte Diemer.
Von Übersee eingeschleustes Rauschgift wurde häufig in einem orangefarbenen Ölpapier angeliefert. Bramberger schälte das Papier behutsam ab und stellt fest, dass das Paket zwölf dicke Bündel Fünfzig-Euro-Noten enthielt.
„Und wie sind sie draufgekommen, ohne das Papier zu lösen?“
„Das Gewicht. Aber ich habe nur vermutet, dass es kein Rauschgift ist. Worum es sich tatsächlich handelte, konnte ich nicht feststellen.“
Das obere Bündel war brandneu. Die Farbe wirkte ein wenig fad und blass. Es gab keinen Zweifel, dass es sich um Fälschungen handelte. Die gebündelten Scheine, die darunter lagen, machten einen echten Eindruck, die Farbe stimmte.
„Falschgeld!“, sagte Diemer. „Dreißigtausend Euro in gefälschten Fünfzigern!“
„Verstehen Sie etwas davon, Diemer?“, fragte Bramberger zurück.
„Das sieht man doch“, meinte er.
„Nur beim oberen Bündel. Bei den anderen bin ich nicht so sicher.“
Im Arbeitszimmer klingelte ein Smartphone. Die Kommissarin ging zurück. Kommissar Philipps hatte inzwischen das Smartphone in der Hand und studierte das Display. Unbekannter Teilnehmer, verkündete es. Schließlich nahm er das Gespräch an, „Ja?“, fragte er.
„Ist alles okay? Kann ich das Zeug abholen?“, hörte Philipps schwach die Stimme aus dem Hörer.
Philipps befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. „Gewiss“, sagte er. „Ich bin zu Hause.“
„Allein?“
Philipps schaute Bramberger an. Er dachte an die Neugierigen auf der Straße und im Haus, er dachte an die Polizeiwagen und an die Journalisten, die auf Informationen warteten. „Nicht jetzt“, sagte der Kommissar. „Wie wäre es in zwei Stunden? Ich habe noch Besuch.“
„Ihre Stimme klingt verändert, Alban.“
„Finden Sie? Ich habe ein paar Gläschen getrunken. Das wird der Grund sein.“
„Also gut, ich kreuze in einer Stunde auf. Nicht später. Sie können nicht erwarten, dass ich mir noch zwei Stunden um die Ohren schlage.“ Der Teilnehmer hatte aufgelegt.
Emma Guhl starrte den Kommissar großäugig an. Philipps legte das Smartphone auf den Tisch. „Da ist jemand, der etwas abholen möchte. In einer Stunde. Ich möchte den Burschen kennenlernen. Wir müssen es erreichen, dass die Luft rein ist, wenn er kommt. Entschuldigen Sie mich, bitte. Ich spreche mit den Reportern. Wenn die erst einmal verschwunden sind, wird es draußen schnell ruhig werden.“ Er stand auf und verließ das Zimmer.
„Ich verstehe das alles nicht“, sagte Emma nervös. „Wer war der Anrufer, und was will er abholen?“
Die Frage verzieh ihr die Kommissarin, denn den Falschgeldfund hatten sie nicht öffentlich verbreitet.
Bramberger ignorierte deshalb die Frage und erkundigte sich bei der jungen Schauspielerin, ob Flehmig noch Besuch erwartet hatte. „Mir ist davon nichts bekannt“, erwiderte das Mädchen.
„Gehörte es zu Flehmigs Angewohnheiten, mit Geld sehr leichtsinnig umzugehen?“
„Er war sehr großzügig, falls Sie das meinen sollten. Das bedeutet nicht, dass er sich übers Ohr hauen ließ. Er achtete auch darauf, dass niemals Geld in der Wohnung herumlag.“
„Warum sagen Sie das? Danach habe ich nicht gefragt.“
„Es fiel mir gerade so ein“, meinte das Mädchen erstaunt.
Bramberger trat plötzlich an die Schreibmaschine und schlug ein paar Buchstaben an. „Wann hat Flehmig seinen letzten Artikel geschrieben?“, wollte sie wissen.
„Das weiß ich nicht. Mir ist nur bekannt, dass er verpflichtet war, dreimal in der Woche seine Kolumne abzuliefern.“
„Besitzt er eine zweite Maschine?“
„Davon weiß ich nichts. Ich habe ihn schon ein paarmal wegen des alten Klapperkastens geneckt, aber Alban sagte, er könne gar nicht auf einer anderen Maschine schreiben. Mit diesem Monstrum wäre er groß und berühmt geworden. Das stimmte ihn dankbar und ein wenig sentimental. Für ihn war diese Maschine ein Talisman, ein Gefährte aus harten, entbehrungsreichen Jahren. Er hätte sich wohl niemals von ihr getrennt.“
„Das verstehe ich“, sagte Bramberger.
Philipps kam zurück. „Das wäre erledigt“, meinte er und wandte sich an das Mädchen. „Sie können jetzt nach Hause fahren, Frau Guhl. Natürlich werden wir Sie noch brauchen.“ Er äußerte ein paar verbindliche tröstende Worte und brachte das Mädchen hinaus.
„Kommissarin, wie gefällt sie Ihnen?“, erkundigte er sich, als er eine Minute später am Schreibtisch Platz nahm.
„Sie ist sehr hübsch, und sehr karrierehungrig“, erwiderte Bramberger.
„Gute Grundlagen, um in ihrer Branche voranzukommen“, sagte Philipps und steckte sich eine Zigarette an. „Was sagen Sie zu dem Falschgeld?“
„Bleiben wir noch einen Moment bei Emma Guhl. Lassen Sie sie allein nach Hause fahren?“
Der Kommissar lächelte dünn. „Das schon, aber einer meiner Leute wird ihr unauffällig folgen und ihre Wohnung im Auge behalten. Der Mörder weiß, dass er von Emma gesehen worden ist. Das könnte ihn noch nachträglich zu einer Kurzschlusshandlung bewegen. Ich möchte in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen.“
Sein Lächeln vertiefte sich, aber es wirkte nicht heiter, sondern eher traurig. „Emma Guhl soll dem Theaterleben erhalten bleiben!“ Er blickte auf die Uhr. „In fünfzig Minuten erwarten wir einen Besucher, Bramberger. Er wird das Geld abholen wollen. Ich bin neugierig, wie er auf unsere Anwesenheit reagiert!“