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Kapitel 2 - Anindos Freund ist sehr krank

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Kinder, Brief, schmerzen, lesen, sicher, gerade

Anindo besitzt nur wenige Freunde. Sein bester Freund ist Ramesh. Ramesh ist 10 Jahre alt und erfahrener als Anindo, der erst acht ist. Ramesh hat Anindo einiges beigebracht, z. B. wie man beim Betteln den richtigen verzweifelten Gesichtsausdruck macht, um etwas zu bekommen. Sie haben das tagelang geübt, bis Ramesh zufrieden war. Ramesh lehrte Anindo: „Du musst die Mundwinkel ein ganz klei­nes Stück nach unten ziehen. Schließe die Augen ein klein wenig und sieh die Person nicht an, sondern stelle dir vor, du siehst durch sie hindurch. Wenn du die Augen nicht bewegst, werden sie von ganz al­lein ein wenig feucht und es sieht aus, als würdest du gleich weinen. Wenn nicht, stellst du dir was sehr Trauriges dabei vor. Gleichzeitig legst du deine Hände zu einer Schale zusammen und bewegst sie bittend auf und ab. Du erzählst, du hast Hunger und schon zwei Tage nichts mehr gegessen. Wenn die Leute weggehen, folgst du ihnen. Viele nervt das und sie geben dann etwas. Versuche es besonders bei Touristen. Sie sollten nicht zu reich aussehen. Wenn sie mit ihren Kindern unterwegs sind, bekommst du sicher eine großzügige Spen­de. Kinder möchten nicht, dass Kinder leiden. Deshalb überreden sie ihre Eltern, zu helfen. Bedanke dich mit mehreren tiefen Verbeugun­gen und wünsche dem Spender ein langes glückliches Leben!“ Meis­tens gehen Anindo und Ramesh zusammen ins Dorf, trennen sich aber dann, um an verschiedenen Plätzen des Dorfes ihr Glück zu ver­suchen.

Die letzten vier Tage ist Anindo allein ins Dorf gegangen. Ramesh ging es nicht gut. Er lag geschwächt auf seinem Ruheplatz und war oft schweißnass. Dann wieder lag er da und schüttelte sich wild, als hätte er in eine Steckdose gefasst. Trotz der unerträglichen Hitze sagte er: “Ich friere fürchterlich und mein Magen schmerzt schreck­lich.“ Wenn Anindo vom Betteln zurückkam, ging er immer sofort zu Ramesh, um zu sehen, wie es ihm geht. Er streichelte seine dürren Ärmchen und sprach tröstende Worte. Rameshs Gesichtszüge ent­spannten sich dabei und manchmal schlief er vor Erschöpfung ein. Anindo blieb dann immer noch ein bisschen sitzen und dachte daran, was ihm diese Freundschaft bedeutete und was er von Ramesh alles gelernt hatte. Er trottete missmutig und besorgt nach Hause zu seinen Eltern und gab ihnen das erbettelte Geld. Als Rameshs Zustand nach einer Woche immer noch nicht besser ist, nimmt Anindo einen Teil von seinen Ersparnissen und geht zu einer alten Frau, die schon bei manchen Krankheiten mit speziellen Kräutern helfen konnte. Sie hat keine medizinische Ausbildung, hilft aber seit vielen Jahren mit ihrem Wissen über die Wirkung von Kräutern und Pflanzenteilen den Kranken, die sich keinen Arztbesuch leisten können.

Die Frau, manche nennen sie boshaft Kräuterhexe, wohnt am Rande des Dorfes in einer kleinen Hütte, deren Mauern aus lose übereinan­der gestapelten Steinen bestehen. Auf den Mauern stützen mehrere armdicke Äste ein Dach aus Palmwedeln als Schutz gegen Regen und Sonne. Aus der Hütte dringt ein ungewohnter Duft, den Anindo zuvor noch nie gerochen hat. Über dem Eingang hängt ein handge­maltes Schild, auf dem ist zu lesen: Heilerin. Die Alte sitzt den ganzen Tag vor der Hütte und wartet auf Kunden. Wer vorbeigeht, wird von ihr freundlich begrüßt und über die neuesten Heilmittel und die dazu­gehörigen Krankheiten informiert.

Als Anindo dort ankommt, sieht sie verwundert auf. „Anindo, was treibt dich hierher? Bist du etwa krank?“ Sie sieht ihn mitfühlend an. Anindo spürt einen dicken harten Kloß im Hals und das Sprechen fällt ihm schwer. Er berichtet von den Schweißausbrüchen und dem Schüttelfrost von Ramesh. „Kannst du Ramesh helfen, ich glaube er erholt sich nicht mehr. Er ist seit einer Woche krank und wird jeden Tag schwächer. Essen behält er auch nicht im Magen?“ Er fügt hinzu: „Ich habe auch Geld dabei.“ Die Alte sieht Anindo lange gütig und schweigend an. Ihre Miene scheint besorgt.

Anindo, das ist ein sehr großes Problem. Ramesh ist von dieser ver­fluchten Mücke gestochen worden.“ „Was meinst du damit? Mich ha­ben schon oft Mücken gestochen und ich bin nicht krank geworden.“ „Diese Mücke ist keine normale Mücke. Sie trägt den Tod in sich.“ An­indo schossen die Tränen in die Augen. „Muss Ramesh jetzt ster­ben?“ „Nein Anindo. Die Krankheit bleibt lange im Körper und wird Ramesh immer wieder heimsuchen. Wenn Buddha ihm Glück schenkt, muss er nicht sterben und wird noch viele Jahre leben.“Woher weißt du das alles?“, will Anindo wissen. Die Heilerin spricht weiter: „Die Krankheit heißt Malaria, Malaria ist unheilbar. Auch die Doktoren in den reichen Ländern haben keine Medizin dagegen.“ „Woher weißt du das alles?“, bohrt Anindo erneut nach. „Anindo, ich habe in meinem langen Leben schon vielen Menschen geholfen. Ich weiß es aus Erfahrung. Ich bekomme auch immer wieder Briefe von Menschen, die sich für die Heilung bedanken.

Die Heilerin greift in eines von vielen Gläsern mit Kräutern und fährt fort: „Ich gebe dir eine Medizin mit, die Ramesh kräftigt und das Fie­ber senkt. Aus dem, was ich dir mitgebe, muss morgens und abends ein Sud mit heißem Wasser gemacht werden. Den muss Ramesh in kleinen Schlucken trinken.“ Anindo ist besorgt aber trotzdem einiger­maßen beruhigt und voller Hoffnung. Kann er doch zumindest versu­chen, Ramesh zu helfen. „Was bekommst du für die Medizin?“ will Anindo wissen. „Gehe zu Ramesh und sorge dafür, dass er regelmä­ßig die Medizin trinkt! Komme in drei Tagen wieder zu mir! Wenn es Ramesh wieder besser geht, gebe mir was du willst. Wenn nicht, be­komme ich nichts.“ Anindo bedankt sich und läuft so schnell er kann zu Ramesh.

Ramesh liegt bleich und heiß vom Fieber reglos auf seiner Schlafstät­te. Anindo schüttelt ihn aufgeregt und redet auf ihn ein, dass er Medi­zin für ihn habe und dass jetzt alles wieder gut wird. Ramesh öffnet mühsam die Augen und sieht Anindo gequält an. „Ich gehe jetzt zu deinen Eltern, damit sie den Sud aus der Medizin machen“, erklärt Anindo. „Bleib wach, ich bin gleich zurück!“ Die Eltern, die vor der Hütte mit Nachbarn reden, hören das Gespräch mit an und Rameshs Mutter macht sofort Wasser heiß, um die Medizin zuzubereiten. Nach 10 Minuten, die Anindo endlos vorkommen, ist der Sud fertig und er führt den Becher mit dem Sud vorsichtig an Rameshs Mund, damit er davon einen kleinen Schluck trinkt. Das wiederholt er so oft, bis der Becher geleert ist. Ramesh schläft kurz darauf sehr erschöpft ein. An­indo verabschiedet sich von den Eltern und bittet sie, am nächsten Morgen diese Prozedur zu wiederholen, da er ja erst abends kommen kann. Anindo eilt nach Hause und legt sich sofort auf seine Schlafstel­le. Er kann von all den Erlebnissen gar nicht einschlafen, obwohl er sehr müde ist. Anindo spricht noch ein kurzes flehendes Gebet und bittet Buddha, Ramesh wieder gesund zu machen, dann fallen ihm die Augen zu.

Am nächsten Abend, als er bei Ramesh ankommt, sitzt der auf der Schlafmatte und erwartet Anindo bereits. Er hat eine Banane geges­sen und das Fieber ist nicht mehr so hoch. Nach zwei weiteren Tagen wirkt Ramesh deutlich erholt, so dass er herumlaufen kann und wieder problemlos Essen im Magen behält. „Morgen gehen wir wieder zusammen ins Dorf“, strahlt Ramesh und drückt fest Anindos Hände. Anindo geht am nächsten Abend zur Heilerin und gibt ihr alles Geld, das er an diesem Tag bekommen hat. „Das war ja gerade noch rechtzeitig für Ramesh“, sagt die Heilerin. „Gut, dass du zu mir ge­kommen bist.“ Es war ein guter Tag für Anindo, die Spender waren sehr großzügig. Vielleicht sah Anindo wegen der Angst um Ramesh ja noch verzweifelter aus als sonst, wenn er es nur spielte.

Anindos 134. Leben

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