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Оглавление4 Erste Lichtblicke
Cornelia sass auf der Bank und liess ihren Blick in die Ferne schweifen, aber nicht irgendwohin, denn sie hielt ungeduldig Ausschau nach Reto. Endlich kam er! Sie packte rasch ihre Sachen zusammen und eilte ihm entgegen.
„Das kann er doch nicht tun!“, rief sie ihm schon von weitem, das Zeugnis in der Luft schwenkend, zu. Sie fiel Reto buchstäblich in die Arme. Erneut kullerten Tränen über ihre Wangen.
„Komm, zeig mir mal das Zeugnis. Ich will es lesen.“
Als er das Zeugnis überflog, sah Cornelia, wie er von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte.
„Na, habe ich Recht? Das darf er doch nicht, oder?“, sagte sie, wieder mit den Tränen kämpfend.
Reto nahm sie in seine Arme, drückte sie und sprach lächelnd zu ihr: „Ja, so geht das wirklich nicht! Und nach allem, was du für diese Firma getan hast, erst recht nicht!“
Bei diesen Worten fühlte sie sich fürs Erste erleichtert, auch wenn in ihrem Kopf noch so viele Gedankenblitze hin und her zuckten. Die von Reto ausgehende Ruhe schien auf sie überzugehen.
„Und, was kann ich nun tun? Welche Rechte habe ich und wie kann ich diese einfordern?“
Ihr Blick war auf das Arbeitszeugnis in Retos Hand gerichtet. Als sie zu ihm aufblickte, war er dabei, eine gespeicherte Nummer auf seinem Handy anzurufen.
„Hallo Roland!“
„Ah, du bist es, Reto, Wie geht’s denn so?“
„Ach, ganz gut. Du, Roland, entschuldige, dass ich dich während der Arbeit störe. Hast du zwei Minuten Zeit?“
„Sicher. Aber du klingst irgendwie aufgeregt. Was ist geschehen?“
„Wir, das heisst Cornelia und ich, brauchen deine Unterstützung und deinen Rat. Cornelia hatte ja heute ihren letzten Arbeitstag in ihrer Firma.“
„Ja, stimmt, du hast mir davon erzählt. Das war schon heute? Ich dachte erst in einem Monat.“
„Sie hat heute ihr Arbeitszeugnis erhalten und wir haben den Eindruck, dass einiges darin nicht stimmt. Da habe ich natürlich sofort an dich gedacht. Du beschäftigst dich ja sehr intensiv mit Arbeitszeugnissen.“ „Ja, richtig. Erst letzte Woche habe ich wieder ein Seminar darüber abgehalten. Aber was glaubst du, stimmt denn nicht?“
„Das Zwischenzeugnis ihres ehemaligen Chefs, der im letzten Jahr in Pension ging, ist mit keiner Silbe im Arbeitszeugnis erwähnt. Ausserdem wurde Cornelia dieses Zeugnis einfach so von der Sekretärin ausgehändigt, ohne Besprechung.“
„Ja, das klingt allerdings interessant. Solche Fälle habe ich sehr gerne! Aber wie kann ich euch beiden helfen?“
„Könntest du nicht mal die beiden Zeugnisse, ich meine das Zwischenzeugnis und das Arbeitszeugnis, unter die Lupe nehmen und uns deine Meinung darüber sagen?“
„Sicher, mach‘ ich sehr gerne. Wann ginge es bei euch denn?“
„Hast du Lust auf eine Cholera bei uns?“ (Speise aus dem Goms/VS)
„Natürlich, du weisst ja, das ist eine meiner Leibspeisen, vor allem wenn sie aus eurer Küche kommt.“
„Schön, das freut mich sehr! Geht es morgen Abend?“
„Ja, das passt sehr gut. Gegen Sieben?“
„Ja, wir freuen uns! Tschüss Roland.“
Cornelia hatte ungeduldig daneben gestanden und versucht, jedes Wort aufzuschnappen, was ihr auch gelungen ist. So musste Reto ihr nichts mehr über das Gespräch erzählen. Stattdessen lud er sie zu einem Apéro und einer Pizza ein.
„Um deinen Abschluss einer schwierigen Zeit zu feiern und auf eine bessere berufliche Zukunft anzustossen!“, unterstrich er seinen Vorschlag. Sie lächelte, hakte sich bei ihm ein und gemeinsam verliessen sie den Stadtpark. Den ganzen Abend über erzählte Cornelia von ihrer Arbeitsstelle, von den Schwierigkeiten, die nach dem Chefwechsel aufgetreten waren, und vom Arbeitszeugnis. Reto hörte geduldig zu und stellte zwischendurch Fragen. Er wusste, dass dies Cornelias Art war, Dinge zu verarbeiten.
Es war sieben Uhr am darauffolgenden Abend. Fast auf die Sekunde genau klingelte Roland an Cornelias und Retos Tür. Beim Apéro im stilvoll eingerichteten Wintergarten hielt es Cornelia vor Spannung kaum aus. Sie platzte heraus: „Das ist ein codiertes Zeugnis! So geht das einfach nicht! Dem werde ich es noch zeigen!“
Die ganzen Emotionen kamen wieder hoch. Roland lächelte. Solche Situationen kannte er aus seiner Beratertätigkeit sehr gut. Er fragte sie nach beiden Zeugnissen, dem Zwischenzeugnis und dem Arbeitszeugnis. Nach dem Lesen schaute er in Cornelias erwartungsvolle Augen und bemerkte: „Ja, da können wir wohl etwas machen.“
„Was heisst eigentlich genau ‚codiert‘?“, wollte Reto wissen. Roland beantwortet diese Frage jeweils sehr gerne.
„Viele sprechen von Codierung, ohne genau zu wissen, was damit gemeint ist“, begann er.