Читать книгу Generation der gewonnenen Jahre - Rolf W. Meyer - Страница 10
5. Mit dem Alter steigt der Anspruch an den Partner
ОглавлениеDer Junggeselle und Silberhaarträger Maximillian Hohen, der in seinem Freundeskreis „Maxi“ genannt wird, fühlt sich mit seinen 58 Jahren noch im besten Mannesalter. In seinem Beruf als Designer für visuelle Kommunikation wird er sehr gefordert. Die Konkurrenz im beruflichen Aktionsbereich der zwischenmenschlichen Mitteilungswege in Form der nonverbalen Kommunikation ist enorm. Auf Maxi lastet der Erwartungsdruck seines beruflichen Umfeldes, immer neue und außergewöhnliche Ideen entwickeln zu müssen, mit denen er sich von dem Ideenpool der Nebenbuhlerschaft in dem Wettbewerb um Marktanteile deutlich abheben kann. So bleibt es nicht aus, dass die Angst vor dem Scheitern sein ständiger Begleiter ist. Denn er weiß, dass Niederlagen, Misserfolge oder berufliche Pleiten tiefe Spuren im seelischen Gefüge hinterlassen können. Auf der anderen Seite ist ihm bewusst, dass in Zeiten, in denen Entwicklungstendenzen innerhalb der Gesellschaft nicht vorhersehbar sind, ein Sachverstand für den Umgang mit Rückschlägen sehr vorteilhaft ist.
Um auf solche Situationen besser vorbereitet zu sein, wendet er sich an die Psychotherapeutin Elise Seelfried. Nachdem er sein Problem vor ihr ausgebreitet hat, wartet er gespannt auf die Reaktion seiner Gesprächspartnerin. „Herr Hohen“, hört er ihre sanfte Stimme, „wir erleben schon seit langem eine ‚Kultur des Scheiterns‘ in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Aber betrachten Sie Ihre Situation einmal aus einer anderen Perspektive. Wenn es darum geht, ein Problem zu lösen, dann versucht man mit Hilfe der Versuch und Irrtum-Methode so lange Lösungsmöglichkeiten auszuprobieren, bis die gewünschte Lösung gefunden wird. Dabei werden bewusst Misserfolge in Kauf genommen. Dadurch aber bieten sich auch Chancen für einen Neubeginn und neue Möglichkeiten, sein Ziel zu erreichen. Es ist wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass wir als Mitglieder einer offenen Gesellschaft auf allen Ebenen und in allen Lebenslagen scheitern können.“
„Wovon hängt es denn ab, dass wir letztlich scheitern?“, will Maxi wissen. Elise Seelfried geht sofort auf seine Frage ein. „Warum und auf welche Art und Weise wir scheitern, hängt von vielen Faktoren ab. Dabei spielen der Charakter und damit verbunden die persönlichen Kompetenzen sowie auffällige Verhaltensgewohnheiten eine Rolle. Entscheidend sind aber auch die Kultur, die Religion, die Generationszugehörigkeit, die Denkweise und die genetische Disposition. Das Phänomen ‚Scheitern‘ muss aus sehr vielen Blickwinkeln betrachtet werden.“
Damit ihr Gesprächspartner zu seiner inneren Stärke zurückfindet und gelassener in Stresssituationen reagiert, entwickelt Elise Seelfried für ihn eine Strategie zur Bewältigung des Berufsalltages. „Wichtig ist zu wissen“, erläutert sie, „dass der Körper Stresshormone produziert, zu denen auch Adrenalin zählt. Diese organischen Stoffe, die in der Nebenniere gebildet werden, bewirken als biochemische Botenstoffe die Anpassungsreaktionen des Körpers bei besonderen Belastungen. Die Funktion der Stresshormone besteht darin, eine schnelle Freisetzung von Energiereserven des Körpers in Stresssituationen zu ermöglichen. Hierdurch wird der Organismus auf einen bevorstehenden Kampf oder eine Flucht vorbereitet. Man spricht auch von einer Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Kurzfristig wird die Leistungsfähigkeit gesteigert. Hält aber die Stress-Situation langfristig an, dann kann es zu Ausfallserscheinungen des Organismus kommen. Aus Erfahrungen wissen wir, dass Menschen, die die Fähigkeit besitzen, auf Stress gelassen zu reagieren, gesünder und glücklicher leben. Entscheidend ist die psychische Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt. Sie hilft, mit Druck und persönlichen Krisen umzugehen.“
Für Maxi klingt das überzeugend. „Kann man denn seine innere Widerstandsfähigkeit auch trainieren?“, will er von seiner Gesprächspartnerin wissen. „Durchaus“, ist ihre Antwort. „Mehr Bewegung ist im wahrsten Sinn des Wortes ein entscheidender erster Schritt in die richtige Richtung. Wissenschaftlich lässt sich nachweisen, dass beispielsweise Laufen, in Maßen und mit der richtigen Einstellung betrieben, Fehlfunktionen des Abwehrsystems, des Kreislaufs und des Stoffwechsels ebenso günstig beeinflussen kann wie seelische Verstimmungen. Deswegen empfehle ich Ihnen einen ausgedehnten Spaziergang mit zügiger Schrittabfolge nach der Arbeit, bei dem sie sich die Situationen, die sie gestresst haben, bewusst machen. Wichtig ist auch, dass Sie Selbstreflexion betreiben. Sie müssen nicht jedem Druck von außen standhalten. Entwickeln Sie ein Bewusstsein für Ihre eigenen Bedürfnisse. Dazu gehört auch, dass Sie auch einmal ‚Nein‘ sagen können. Noch eine Empfehlung möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben: Neben einer Verhaltensänderung kann ein gesunder Lebensstil ihre psychische Widerstandsfähigkeit mit unterstützen.“
Nach dieser Ausführung von Elise Seelfried fühlt sich Maxi sichtbar wohler. Er schöpft wieder Hoffnung, im beruflichen Alltag bestehen zu können. Allerdings fehlt ihm im „Rundum-Wohlgefühl“ – Gesamtpaket für seine seelische Stabilität noch eine Partnerin. Um im fortgeschrittenen Alter eine geeignete Partnerin finden zu können, ist allerdings ein Paradigmenwechsel erforderlich. Es genügt heutzutage nicht mehr, an Tanzveranstaltungen der „einsamen Herzen“ oder an Kaffeefahrten der Ü50 – Generation teilzunehmen. Die Such- und Kontakt-Strategie muss auf einem wesentlich höheren Standard umgesetzt werden, und zwar mit Hilfe der elektronischen Technik. Dafür bieten sich Kontaktbörsen im Internet an. Der Silberhaarträger wird zum Internetsurfer, der sich auf diesem Pfad auf Partnersuche begibt.
Die Psychologin Magdalene Schubert von der Partnervermittlungsbörse „Adulte-Herzen-der- Hoffnung“ ist eine weitere Vertreterin für „Life Coaching“, an die sich Maxi gewandt hat. Sie erklärt ihm, warum für ältere Mitmenschen die elektronische Partnersuche im Internet vorteilhafter ist als Veranstaltungen in konservativen Begegnungsstätten. Dazu Magdalene Schubert: „Bei Kaffeefahrten oder Tanzveranstaltungen kommt das Zufallsprinzip zur Wirkung. Ob sich damit immer der geeignete Lebenspartner oder die geeignete Lebenspartnerin finden lassen, bleibt zu bezweifeln. Bei einer Online-Partnervermittlung hingegen lassen sich gezielter Lebenspartner mit langfristigen Bindungsabsichten suchen. Dabei ist die Art der Vermittlung, das sogenannte ‚Matching‘, entscheidend. Denn nach einem Persönlichkeitstest werden automatisch Partnervorschläge angeboten. Man muss aber fairerweise sagen, dass Online-Dating-Angebote keine Erfolgsgarantie geben.“
Nach dieser Information denkt Maxi bei sich: „Warum sollte man nicht ein Risiko eingehen? Vielleicht ergibt sich eine Win-Win-Situation.“ Seine Gedanken werden durch die Stimme von Magdalene Schubert unterbrochen. Als ob sie seine Überlegungen erahnt hat, sagt sie eindringlich: „Herr Hohnen, bedenken Sie, dass mit zunehmendem Alter auch der Anspruch an den Partner steigt – zumindest bei Frauen. Die Ansprüche an eine Beziehung sind bei Frauen zwischen 30 und 50 Jahren am höchsten. Interessant ist, dass die Ansprüche bei Männern ein Leben lang in der Regel auf dem gleichen Niveau bleiben. Bei Frauen ab 50 Jahren nehmen erfahrungsgemäß die Erwartungen an den künftigen Partner ab. Das liegt darin begründet, dass Männer ab 50 Jahren Mangelware sind. Denn immer wieder kommt es vor, dass Frauen um die 30 Männer der Altersklasse 50 besonders bevorzugen. Aufgrund dieser ‚Mangelsituation‘ müssen Frauen ab 50 Jahren auf allen Ebenen der Kommunikation aktiv werden. In einer wesentlich besseren Altersposition sind Männer um die 50, weil sie für eine breitere Altersspanne bei Frauen interessant sind. Für die weibliche Ü50-Generation wird die Partnersuche aufgrund der jüngeren Konkurrenz schwerer. Wie Untersuchungen ergeben haben, sind Frauen des mittleren Alters die relativ gesehen glücklichsten Singles. Frauen in den Vierzigern besitzen die größte ‚Single-Kompetenz‘. Sie verstehen es, auch ohne einen Partner zufrieden zu leben. Außerdem pflegen sie viele enge Freundschaften, die ihnen Geborgenheit vermitteln.“
Nach dieser Ausführung von Magdalene Schubert schöpft Maxi Hoffnung, doch noch auf dem Markt des Online-Datings eine geeignete Partnerin zu finden. Um aber in seiner Altersklasse dem Wettbewerbsdruck standzuhalten sowie punkten zu können und um seine Chancen zu erhöhen, im Internet entdeckt zu werden, muss er sein Augenmerk auf ein Kriterium besonders ausrichten: die Optimierung seines Persönlichkeitsprofils. Viel Zeit dazu bleibt ihm allerdings nicht mehr.