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Sterben als Lebensprozess
ОглавлениеSterben ist, das wissen wir, untrennbarer Bestandteil jeden Lebens. So wie jeder Mensch sein einzigartiges Leben lebt, so stirbt auch jeder Mensch seinen einzigartigen Tod. Die Situationen Sterbender sind stets individuell, je nach Alter, Lebensgeschichte, Erfahrungen, erlernten Strategien, sozialem, kulturellen und religiösen Umfeld, Art der Erkrankung, Symptomen und Krankheitsstadium. Bei der Begleitung, Betreuung und Pflege von Menschen in der letzten Lebensphase ist es notwendig, Sterben als Lebensprozess anzuerkennen. Die Selbstbestimmung der Betroffenen muss so lange wie möglich aufrechterhalten werden, Sterbende dürfen nicht entmündigt werden. Damit sie sich nicht als hilflos in ihrer Abhängigkeit fühlen, ist es wichtig, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und zu erhalten. Professionell Pflegende ermöglichen es ihren Patienten, ihre Eigenarten zu bewahren und respektieren Sonderwünsche. Sie nehmen Gefühlsausbrüche, Wut oder Aggression nicht persönlich, sondern betrachten diese Gefühle als Ausdruck der Auseinandersetzung des Sterbenden mit dem nahenden Tod. Besonders in den letzten Stunden berücksichtigen die Pflegenden die Wünsche der Sterbenden, beispielsweise die Benachrichtigung von Angehörigen oder die Erfüllung religiöser Bedürfnisse.
Die Betreuung und Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden in einer Institution des Gesundheitswesens erfordert vom Personal nicht nur die nötige fachliche Kompetenz, Engagement und reibungslos funktionierende Teams, sondern vor allem menschliche Qualitäten. Wir brauchen nicht nur eine fundierte Ausbildung, sondern auch Lebens- und Berufserfahrung, Mut, genügend Zeit, die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit, Mitgefühl und echtes Interesse an unseren Mitmenschen, wenn wir Sterbenden hilfreich beistehen wollen. Welchem Patienten nützt schon der fachlich erstklassig qualifizierte Mitarbeiter, egal ob Arzt, Pflegender, Seelsorger oder Therapeut, wenn dieser menschlich gesehen wenig zu geben hat? Wenn jemand schwerkrank ist, Schmerzen und Angst hat, vielleicht sogar um sein Leben fürchtet, sind vor allem menschliche Qualitäten von der Gruppe der medizinischen Helfer gefordert. Medizinisches und pflegerisches Wissen alleine reichen hier nach meiner Ansicht nicht aus.