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Einleitung

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Liebe Leser*innen,

jedes Projekt, jede Doktorarbeit, jede Vereinsgründung, jeder Einkauf usw. haben einen Grund, warum sie entstehen durften oder ausgeführt wurden. So auch dieses Buch. Es ist keine Erzählung, eher eine Art von Erzählung; ein Gespräch mit mir selbst, dem ich das Leben meiner herzkranken Tochter widme, die nach siebeneinhalb Monaten diese Erde verlassen musste. Sie ist der Grund für die Entstehung dieses Buchs. So, wie die operativen Eingriffe Narben in ihrem Körper und ihrer Seele hinterlassen haben, bleiben Narben in mir gezeichnet. Mehr noch als dies verbindet uns etwas ganz Besonderes, das mit Sprache wohl kaum greifbar wird. Trotzdem empfinde ich eine heilende Kraft in der Verschriftlichung meiner Gedanken und Erinnerungen. Es hilft mir, Ordnung in das Leben zu bringen, auch wenn sich „danach“, sei es mit Abschluss einer nachdenklichen Phase oder mit dem Ende dieses Buchs, nichts dauerhaft an Ort und Stelle befindet, nichts endgültig aufgeräumt ist. Diese vorübergehende Ordnung erlaubt es mir vielmehr, anders auf wiederholte Erinnerungen zu schauen und einen möglicherweise tieferen Sinn zu ergründen. Diese Form des Ausdrucks hilft mir um zu verstehen. Und Verständnis: darum geht es mir auch in diesem Buch auf vielen Ebenen. Ich möchte Sie einladen, einen Moment inne zu halten und über scheinbar Unwesentliches oder auch Unbequemes, über Alltägliches und Bedeutungen nachzudenken.

Leonies Geschichte - Leonie war der Name meiner Tochter, und ich werde ihn im Buch nennen, weil mir das für eine aufrichtige Beziehung sehr wichtig erscheint - soll nicht auf einer medizinischen Ebene beschrieben werden. Ihr Leben, mit dem Tod zusammen, ist der Motor dieses Buchs, einer der Impulse. Gleichzeitig wird es viel um mich und um andere Menschen gehen, um einzelne Worte, Symbole und ganz neue Erfahrungen. Einer Chronologie entbehrt dieses Buch jedoch. Es folgt der Ordnung meiner Gedanken, einer emotionalen Struktur; nicht der eines Kalenders.

Dieses Buch soll Mut machen, keine Angst. Es soll aufzeigen, nicht aufschrecken. Und es darf auch unterhalten. Es soll die Leser*innen auf eine kleine Reise schicken, Neues zu entdecken und Widersprüchliches zu enttarnen, eigene Sichtweisen zu erfassen. Angehörige, die uns in der Zeit von Leonies Geburt bis zum Tod und auch darüber hinaus begleitet, unterstützt, nicht verstanden, nicht angesprochen haben, dürfen die geschriebenen Worte als Erklärung auffassen. Ich möchte mich in diesem Buch erklären, Menschen aufklären, ohne dabei zu belehren. Im Niederschreiben und Offenlegen meines sehr persönlichen Gedankenguts wünsche ich mir zudem ein Stückchen Respekt und Achtung. (Unausgesprochene) Zustimmung, in Form eines stillen Kopfnickens oder geäußerter Reaktionen, erfreut mich, aber ich erwarte nicht, dass alle Leser*innen uneingeschränkt meine Empfindungen gutheißen. Schließlich bleiben es meine Worte, meine Gefühle und damit einzigartige Erlebnisse. Je länger ich geschrieben und nachgedacht habe, umso deutlicher wurde mir dabei: es wird keinen einzigen Menschen auf dieser Welt geben, der exakt so fühlt und spricht wie ich. Und doch fühle ich mich berechtigt dazu mich mitzuteilen. Jede*r hat die Berechtigung, ihr / sein Leben ganz individuell und exklusiv zu führen.„Vom Leben verletzt“ stellt keine Fragen, auf die ich mir eine Antwort erhoffe; erwartet nichts; antwortet nur. Vom Leben verletzt - oder wem denn? Es scheint eine so nichtige Feststellung, ein Buch-Titel, der doch sehr umfassend und heftig in seiner Bedeutung zu sein scheint. Das Leben - kann es verletzen? Mit dem Buch unternehme ich einen Versuch, die Frage nach der/m/n Verletzten und Verletzenden zu ergründen. So spezifisch und einzigartig dabei unsere Geschichte mit Leonie verlief, so eigensinnig auch ich damit umgegangen bin, so sehr versuche ich, auf Grundlegendes zu schauen: auf Muster, die ich in anderem Verhalten wiedererkenne, auf gesellschaftliche Gepflogenheiten, allgemeine Strukturen usw. Ich vergleiche und gebe Beispiele, oft auch metaphorisch gemeint, aber so, dass sie verständlich werden und Verständnis anregen sollen. Dennoch ist dieses Buch aus meiner Sicht kein Ratgeber, kein Buch über Trauer und den Umgang mit ihr, keine Biographie, kein Roman, keine wissenschaftliche oder philosophische Abhandlung. Nichts davon in einer Reinform. Vielleicht von allem etwas? Wenn Sie gefragt werden, was für ein Buch Sie lesen, werde ich Ihnen die Antwort darauf nicht geben - das dürfen Sie selbst entscheiden.

Schließlich aber bleiben die hier festgehaltenen Worte ein Einblick in eine Geschichte, die für mich keinen Anfang und kein Ende besitzt. Ja, anhand von Daten weiß ich diese und jene Zeit, Tage und Monate festzulegen; nicht aber auf einer emotionalen Ebene. Damit scheint das Buch viel zu wollen, zu fordern, doch bleibt dabei bescheiden. Das ist ganz in meinem Sinne. Ich danke mit diesem Buch auch jenen Menschen, die unseren Weg mitgegangen sind, lang oder kurz, hier oder da… Ich tue dies ohne konkrete Namen zu erwähnen; diejenigen Personen werden sich an der jeweiligen Stelle angesprochen fühlen und wiederfinden. Als aufrechten Zuhörer*innen gilt allen Leser*innen mein Dank.

Vom Leben verletzt

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