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Vorwort zur ersten Auflage
ОглавлениеDa jeder in unserer Gesellschaft während seines Lebens Erfahrungen mit eigenen Familienproblemen sammeln kann (zumeist als Kind und als Erwachsener) und jeder das Familienleben von Verwandten und Freunden kennt, stehen Familiensoziologen und -soziologinnen, wenn sie über ihr Wissenschaftsgebiet sprechen oder schreiben, vor dem Dilemma, dass ihre Ausführungen mit diesen persönlichen „Wissensbeständen“ konfrontiert werden. Um ein Dilemma handelt es sich hierbei deswegen, weil bei Übereinstimmung von wissenschaftlichen Ergebnissen und Alltagserfahrung in der Wahrnehmung der Adressaten eigentlich nur Bekanntes präsentiert, bei Nicht-Übereinstimmung Zweifel an der Forschung ausgelöst wird, da man persönliche Erfahrungen nicht gerne zu Ausnahmefällen „stempeln“ lässt und familiale Erlebnisse zumeist mit starken Emotionen besetzt sind. Ich kenne leider keinen „Königsweg“ aus diesem Dilemma, aber habe die Hoffnung, dass die in den folgenden Kapiteln präsentierten Forschungsergebnisse den Leser oder die Leserin dennoch überzeugen werden.
Das gesellschaftliche Alltagswissen enthält im Übrigen gerade in Bezug auf die Familie – sowohl über die historische als auch über die gegenwärtige – eine Reihe von falschen Generalisierungen, von „Mythen“, wie sie der bekannte Familienhistoriker Mitterauer benannte. Beispielhaft sei nur an die Vorstellung erinnert, dass die vorindustrielle Familie überwiegend eine Drei-Generationen-Familie und eine „Großfamilie“ gewesen sei. In der Realität war diese jedoch – z.B. wegen der geringen Lebenswahrscheinlichkeit im Alter, der höheren Säuglings- und Kindersterblichkeit, aus ökonomischen Gründen – sehr selten. Zu fragen wäre ferner, ob heute neue Mythen über die gegenwärtige Familie, vor allem auch durch die Sensationsmeldungen der Boulevardzeitungen „produziert“ werden, in denen nur von Scheidungen, häufigen Wiederverheiratungen, neuen Liebesbeziehungen u.a.m. berichtet wird. Handelt es sich bei diesen Berichten de facto um einen allgemeinen Trend oder sind der häufige Wechsel von Ehepartnern, die Zusammensetzung der Geschwistergruppe aus „meinen, deinen, unseren Kindern“ nur Entwicklungstendenzen in einem bestimmten kulturellen Milieu unserer Gesellschaft? Werden hierbei nicht die zahlreichen Ehepaare vergessen, die ihre Goldene Hochzeit gemeinsam feiern? Hat demgegenüber aber nicht jeder im Verwandten- und Freundeskreis zumindest eine Partnertrennung unmittelbar miterlebt? Handelt es sich bei dieser selbst erlebten Alltagserfahrung wirklich nur um Ausnahmen?
Im vorliegenden Buch soll zunächst auf diese Fragen eingegangen werden, weil mit den Begriffen „Wandel der Familienstrukturen“ im Titel eine derartige Entwicklung assoziiert wird. Zudem behandeln viele Autoren dieses Thema, ohne die gleichzeitig veränderten gesamtgesellschaftlichen und vor allem lebenslaufspezifischen Prozesse mit einzubeziehen, mit der Folge, dass undifferenzierte Bewertungen über den Ablauf der familialen Veränderungen die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion bestimmen. Vorrangiges Ziel dieses Buches soll es daher sein, diesen – häufig klischeehaften – Vorstellungen über die heutige Familie entgegenzuwirken.
Insgesamt war der familiale Strukturwandel viel umfassender und in manchen Dimensionen des familialen Lebens viel tiefgreifender als es in der Diskussion über die These der heutigen Pluralität von Familienformen zum Ausdruck kommt. Diese innerfamilialen Veränderungsprozesse, ihre verursachenden Bedingungen und ihre Folgen für die Erziehung und Bildung der Kinder stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Buches.
Es ist mir ein Anliegen und keine Pflicht, mich bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Fertigstellung des vorliegenden Buches beigetragen haben, zu bedanken: Als Erstes gilt mein Dank meiner Sekretärin, Frau Marion Meiners; wir arbeiten nunmehr fast 20 Jahre zusammen und sind zu einem „richtigen Gespann“ geworden. Alle meine Leistungen beruhen auch auf ihrem Können, ihrer Zuarbeit und ihrer Unterstützung. – Des Weiteren hat Frau Monika Schlegel bei der technischen Herstellung des Manuskriptes, bei der Zusammenstellung von Tabellen, durch Literaturrecherchen und schließlich beim mühseligen Korrekturlesen geholfen. Unterstützt wurde sie bei diesen Arbeiten von Frau Melanie Bind. – Herr Dr. Rainer Fabian hat das Manuskript kritisch durchgelesen; auf ihn sind manche Verbesserungen und Ergänzungen zurückzuführen. Allen sei für ihre Hilfeleistungen herzlichst gedankt.
Das Buch widme ich meinem Sohn Klaus-Armin und meiner Tochter Rosegret: Möge ihnen ihre Aufgabe als Eltern nicht nur gelingen, sondern auch Freude bereiten!
Oldenburg, im März 1994 Rosemarie Nave-Herz