Читать книгу Blindenführhund Tessy - Mein Leben auf der Gerstlfarm - Rosmarie Gerstl - Страница 6
ОглавлениеUnser neues Zuhause die Gerstlfarm in Wyhl am Kaiserstuhl
Es ist jetzt Anfang Mai 2003 und wir zwei Schlappohren haben uns schon ganz gut eingewöhnt hier auf der Gerstlfarm. Heute Morgen war ich mit Rosi und ihren Hundefreundinnen schon auf dem Feld, wie man hier am Kaiserstuhl so schön sagt. In dieser Gegend wird vor allem Obst und Gemüse angebaut und es gibt unendliche Wiesen und Felder, auf denen ich mit meinen Freunden so richtig herrlich toben kann. Vor allem mit Sanjo, einem Golden Retrievermix verstehe ich mich supergut. Er ist ganz auf meiner Wellenlänge, aber auch die anderen sind ganz okay.
Timba ist mit Joe gegen Mittag zum Falkensteiner gelaufen. Dort hat Joe ein großes Gartengrundstück. Es ist riesengroß mit vielen Bäumen und Sträuchern und einer geräumigen Hütte. Dort bleiben die beiden auch manchmal über Nacht.
Ich bin mit Rosi eher Zuhause und wir beide erledigen den Haushalt und das Organisatorische. Gestern beispielsweise führte ich mein Frauchen zur Bank und danach zum Edeka. Dort gehe ich am liebsten hin. Erst kaufen wir vorne gleich beim Bäcker frisches Gebäck, aber dann spurte ich ganz schnell, gerade so, dass Frauchen noch mitkommt, ganz nach hinten zur Fleischtheke. Dort riecht es unverschämt gut für meine Labbinase. Mann oh Mann, das ist ja kaum zu ertragen, was da für gute Sachen hinter der Glasscheibe liegen, aber ich muss „Platz“ machen, weil Frauchen das so will. Sehen kann ich das gute Zeug von da unten zwar nicht mehr so gut, aber riechen. Ja und zu guter Letzt bekomme ich dann doch noch eine Wurst geschenkt von der netten Verkäuferin. Sie begleitet uns dann noch durch das Geschäft, bedient Rosi beim Gemüse und holt uns noch einige Sachen, was wir so brauchen aus den Regalen. Rosi bedankt sich für die Hilfe und auf das Hörzeichen „Tessy zum Schalter“ gehen wir beiden zügig zur Kasse. Rosi bezahlt, packt ihren Einkauf in den Rucksack und wir gehen zurück nach Hause.
Manch einer von euch hat sich nun sicherlich gefragt, wie bezahlt denn ein Blinder an der Kasse, wie kann man denn ohne zu sehen das Geld erkennen? Ich werde es Euch erklären:
Also bei den Euromünzen ist das ganz einfach. Die haben unterschiedliche Riffelungen am Rand. Rosi fährt mit dem Fingernagel am Rand der Münze entlang und weiß sofort, welche es ist. Außerdem haben die ja auch unterschiedliche Größen. Bei den Scheinen ist das schon etwas schwieriger. Die haben zwar auch unterschiedliche Größen, aber der Unterschied ist minimal. Rosi sortiert mit Hilfe einer Schablone zu Hause ihre Scheine und faltet diese dann unterschiedlich. So kann sie dann an der Kasse sofort erkennen, welchen Schein sie in der Hand hat. Tja und beim Wechselgeld, da muss Frauchen dann einfach Vertrauen haben in ihre Mitmenschen, dass das stimmt. Aber bis jetzt ist sie noch nie betrogen worden, sie hat es jedenfalls noch nie bemerkt. Das wäre ja auch allerhand, wenn jemand solch eine Situation ausnützt.
So, nun aber zurück zur Gerstlfarm. Hier ist es ja so interessant. Ich muss euch unbedingt erzählen, was es hier noch alles gibt. Zuerst werden wir von Max dem großen Ziegenbock begrüßt. Er läuft hier frei auf dem Hof herum. Wenn ein Fremder beim Hoftor reinkommt, bleibt Max erst mal stehen, begutachtet den Besucher und stampft mit seinen Hufen. Er wirkt schon beeindruckend mit seinen großen Hörnern. Max ist Timbas bester Freund. Die beiden können stundenlang im Hof fangen spielen. Das macht einen Riesenspaß zuzusehen, aber mitmachen tu ich da nicht. Das ist mir dann doch zu wild. Nicht dass ich da unter die Räder, bzw. unter die Hörner komme.
Dann sind da noch die drei Katzen Murli, Minki und Miezi und im Esszimmer unser Lisele, ein Graupapagei. Wer jetzt denkt ich bin schon fertig, der hat sich getäuscht. Im Stall hat Joe noch zwei Schweine, Stallhasen und draußen in einem großen Gehege sind die vier Zwergziegen. Im Gehege beim Pfirsichbaum wohnen dann noch die Eierlieferanten der Gerstls, die 10 Hühner und ein stolzer Hahn.
Bildbeschreibung: Joe mit Zwergziege Nanni
Bildbeschreibung: Ziegenbock Max und Labrador Timba
Normalerweise ist das Zusammenleben der einzelnen Tiere untereinander recht harmonisch. Doch erst letzte Woche gab es einen kleinen Zwischenfall mit mir und der kleinen schwarzen Miezi. Wir kamen, gerade vom Einkaufen. Rosi lobte mich an der Eingangstür für meine gute Arbeit und zog mir das Führgeschirr aus. Das heißt also: ich habe jetzt Freizeit!
Ich wollte gerade zu meinem Wassernapf, da sitzt das kleine Kuschelmonster und animiert mich zum Flinterherdüsen. Na also, nichts wie ab, ich bekomm Dich schon, Du kleines Miststück. Oh je, ein Schrei und der Flaustürschlüssel kam schon geflogen. So schnell konnte ich überhaupt nicht schauen. Ich dachte mir, Frauchen sieht nichts, aber jetzt hat sie mich fast getroffen. Das war knapp daneben. Na ja, eigentlich weiß ich ja, dass ich keine Katzen jagen darf, aber da ging mein jugendliches Temperament mit mir durch. Der kleine Frechdachs weiß aber auch genau, wie sie uns Hunde provozieren kann. Sie ist mit unseren Vorgängern Kai und Boris aufgewachsen und hat schon von klein auf gelernt, wie man uns aus der Reserve locken kann. Na ja, aber ich lass das jetzt lieber mal bleiben - wer weiß, welche unbekannten Flugobjekte das nächste Mal geflogen kommen. Und Frauchen ist mir auch lieber, wenn sie nett und freundlich ist.