Читать книгу Seewölfe Paket 22 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 49

6.

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Muddi – so hieß der Mann, der sich an diesem Nachmittag des 5. Oktober im Hauptmars der „Caribian Queen“ befand und aufmerksam nach allen Seiten Ausschau hielt. Daß er da oben war, wurde von allen begrüßt, nicht nur von Siri-Tongs Crew, sondern auch von den Männern der „Isabella“ und der Mannschaft Jean Ribaults.

Sehr viel schlechter wäre es gewesen, wenn er beispielsweise die Kombüse betreut hätte. Höchstwahrscheinlich hätte dann keiner mehr auch nur einen Bissen heruntergewürgt, denn allein beim Anblick Muddis konnte einem schlecht werden. Ja, hätte man ihn zum Kombüsendienst eingeteilt, dann wäre er mit Sicherheit von den versammelten Crews per Fangleine ins Wasser getunkt oder mit dicken Tampen durchgeklopft worden, damit der Dreck abfiel.

Muddi, der eigentlich Robinson hieß oder sich so nannte, war nämlich die dreckigste Ratte, die an Bord dieses Schiffes herumlief. Er wusch sich so gut wie nie, daher rührte auch sein Beiname, der im Englischen soviel wie „Dreckiger“ bedeutet.

Er behauptet von sich, ein „waschechter“ Engländer zu sein, aber das nahm ihm keiner wirklich ab. Er war entsetzlich schmierig, kratzte sich ständig und verbreitete einen höchst unangenehmen Geruch, so daß man es in seiner Nähe kaum aushielt.

Die Haare wuchsen ihm nicht nur auf dem Schädel und am Kinn, sie sprossen ihm auch aus den Ohren und aus der Nase. Seine grauenhaften Finger waren ebenfalls von schwarzen Haaren übersät, so daß man das Gefühl hatte, eine Vogelspinne krieche auf einen zu, wenn er sich bewegte.

Aus allen diesen Gründen schlief Muddi stets allein, irgendwo an Deck. Das war auch damals, zu den Zeiten des „Roter Drache“, schon so gewesen. Weiterhin hatte die Crew der Roten Korsarin einen alten Brauch bewahrt, der von Zeit zu Zeit wie ein Ritual wiederholt wurde: Dann griff man sich diesen Dreckspatz Muddi und warf ihn unter allgemeinem Johlen und Pfeifen ins Wasser, und zwar in die See. Er durfte am Tau zappeln, und alles Fluchen und Flehen nutzte ihm nichts – er wurde gewaschen. Man zerrte ihn wieder an Deck und schrubbte ihn kräftig ab, bis er sauber war und nicht mehr stank.

Aber das hielt immer nur kurze Zeit vor. Muddi fühlte sich nur im Dreck wohl, die Körperpflege war nichts für ihn, und er hielt es mit den Leuten des Mittelalters. Seinerzeit, so hatte er vernommen, war das Waschen und Baden verboten gewesen – wegen der Wasservergeudung. Das, so fand er, war ein sehr vernünftiges Gesetz gewesen.

So stand Muddi also nun im Hauptmars und verschonte die Mannschaften vor seinen unangenehmen Düften. Mal kratzte er sich geschäftig, mal bohrte er in der Nase oder in den Ohren, aber nie vergaß er, durchs Spektiv zu blicken und die Kimm zu beobachten.

Er hatte fast immer schlechte Laune, klaute gelegentlich schon mal, soff gern und hatte es auf der Lunge. Aber die Gründe, warum Siri-Tong ihn in ihrer Crew behielt, waren eben doch mannigfach. Er war ein ausgezeichneter, erfahrener Seemann, der immer seinen Dienst versah, wie es sich gehörte. Zudem war er ein harter und mutiger Kämpfer und – trotz all seiner Fehler – ein Kerl, mit dem man durch dick und dünn gehen konnte.

Am späten Nachmittag unterbrach Muddi seine Kratz- und Bohrtätigkeit, weil er etwas entdeckte, was seine Aufmerksamkeit erregte.

„Hoppla“, brummelte er. „Da sind ja Mastspitzen. Soll der Teufel mich holen – das sieht mir ganz nach diesem Admiral aus.“ Er kniff das Auge, mit dem er durch das Rohr spähte, noch ein bißchen zusammen, dann war er sich seiner Sache sicher.

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und beugte sich über die Umrandung des Marses.

„Deck!“ brüllte er. „Mastspitzen achteraus! Es ist die letzte der drei verdammten Schaluppen!“

„Gut, Muddi!“ rief die Rote Korsarin. „Behalte ihn auch weiterhin im Auge!“

„Aye, Madam!“

„Also, das ist ja wohl der dickste Hund, den es je gab“, sagte Big Old Shane. „Ist der Bastard schon wieder da?“

Sie blickten mit dem Kieker nach achtern, und Jean Ribault konnte seinen Mund wieder einmal nicht halten.

„Da haben wir ihn ja, deinen liebestollen Admiral“, sagte er zu Siri-Tong. „Findest du das nicht rührend? Daß er so anhänglich ist, meine ich?“

Sie ließ das Spektiv sinken und sah ihn aus zornfunkelnden Augen an. „Fängst du schon wieder damit an?“

„Stell dir mal vor, er hätte dich bei dem Bad beobachtet, das du in dem Lagunensee der Insel von Grand Cay genommen hast“, sagte Ribault. „Ich glaube, da wäre er völlig übergeschnappt.“ Er spielte auf die List an, mit der es ihr gelungen war, die wilden Kerle der „Lady Anne“ anzulocken und zu überwältigen. Diese Begebenheit lag jetzt schon über einen Monat zurück, aber sie alle mußten immer wieder daran denken – nicht nur wegen Siri-Tongs Nacktbad.

„Mister Ribault“, sagte sie scharf. „Jetzt ist aber Schluß! Ich dulde keine Respektlosigkeiten auf meinem Schiff. Hör endlich auf, oder es gibt wirklich Ärger.“

„Aua“, sagte er. „Da bin ich wohl doch zu vorlaut gewesen. Ich bitte um Verzeihung.“

„Schon gut.“ Sie spähte wieder zu der Zweimastschaluppe, die inzwischen bereits mit dem bloßen Auge gut zu erkennen war.

„Dieser Affenarsch von Admiral!“ wetterte auf dem Hauptdeck Carberry. Er stand am Schanzkleid und sah wütend achteraus. „Hat der denn immer noch nicht die Schnauze voll?“

„Offenbar nicht“, sagte Dan O’Flynn. „Sonst hätte er kapituliert. Das sagt einem doch der logische Verstand, nicht wahr, Ed?“

„Fang du jetzt nicht mit deinen schlauen Sprüchen an.“

„Er hat einen weg“, sagte Matt Davies.

„Wer? Ich?“ Der Profos drehte sich um und fixierte ihn drohend. „Paß bloß auf, was du sagst, Mister Davies, sonst stopfe ich dir dein Maul mit ein paar Belegnägeln.“

„Ich meine den Admiral“, sagte Matt seelenruhig. „Ihm muß doch aufgegangen sein, daß sich seine Chancen, uns zu entern, noch mehr vermindert haben, seit die andere Schaluppe versenkt worden ist. Ist der lebensmüde?“

„Ein Verrückter, der gefährlich ist“, sagte der Seewolf, der bisher die Zweimastschaluppe nur schweigend, durch den Kieker betrachtet hatte. Mehr äußerte er nicht, aber auch ihm war klar, daß dieser Luis Campos, der sich selbst den Admiralsrang verliehen hatte, es tatsächlich auf Siri-Tong abgesehen hatte.

Jean Ribault, von dem ihm die Szene in der „Schildkröte“ auf Tortuga erzählt worden war, hatte verächtlich gemeint, der Admiral wäre weiter nichts als ein Weiberheld, der sich einbildete, ein großer Verführer zu sein und alle Frauenherzen zum Schmelzen zu bringen. Das mochte stimmen, aber dann gehörte er nach Hasards Meinung zu jenen Typen unter den Weiberhelden, die tückisch wurden, wenn sie eine Abfuhr erhielten – tückisch und gewalttätig.

Für sich allein waren solche Kerle schon übel genug, aber wenn sie dann auch noch einen Haufen von Schnapphähnen um sich versammelt hatten, war noch mehr Vorsicht geboten, zumal sie auch rücksichtslos genug waren, zur Erreichung ihres Zieles ihre Kumpane zu verheizen. Das zeichnete sich hier deutlich ab. Der Admiral handelte wie ein blindwütiger Fanatiker und trieb seine Kerle in den Tod.

Fragt sich nur, dachte Hasard, wieweit diese letzten Kerle mit ihrem Admiral mitziehen und bei der Stange bleiben.

„An sich müßten sie doch abgeschreckt sein“, sagte Siri-Tong. „Ich meine die Kerle. Schön, dieser Admiral hat sich in seine Idee verrannt und will sich an uns rächen, aber warum machen seine Kerle nach so vielen Verlusten noch mit?“

„Das spricht auch für sich“, erwiderte der Seewolf. „Daß sie wieder achteraus herumhängen, deutet ganz klar darauf hin, daß der Admiral sie fest im Griff hat.“

„Hast du einen Vorschlag?“ fragte sie erbittert.

„Es gibt drei Möglichkeiten“, entgegnete er. „Die erste: Wir halten es wie in der vergangenen Nacht, verlassen uns auf unsere guten Ausgucks und eröffnen das Feuer, sobald wir die Schaluppe entdecken, wenn sie zum Entern aufschließt.“

„Und die zweite? Eine List, oder?“

„Ja. Wir tun so, als hätten wir sie nicht entdeckt.“

„Und dann lassen wir sie längsseits gehen“, murmelte die Rote Korsarin.

„Wir fallen erst über sie her, wenn sie an Bord entern“, fuhr Hasard fort. „Blindwütig, wie er ist, geht der Admiral mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit in diese Falle. Eine dritte und letzte Möglichkeit wäre, ihn auf andere Weise zu täuschen.“

„Wir ändern unseren Kurs, das meinst du doch, nicht wahr?“

„Ja“, erwiderte Hasard. Die anderen hatten sich um sie versammelt und hörten aufmerksam zu, während sie sprachen. „Wir gehen sofort bei Dunkelheit etwa auf Nordkurs, wenn sie also noch nicht weit genug aufgeschlossen haben. Wir schlagen einen Bogen über Osten und setzen uns dann in ihr Kielwasser.“

Sie lächelte plötzlich hart. „Sehr gut. Dann haben wir sie vor uns und befinden uns somit in der Luvposition.“

„Aus der heraus wir zuschlagen können“, sagte Jean Ribault. „Sobald wir sie wieder sichten.“

„Das hört sich gut an“, sagte Ben Brighton. „Wie auch immer bei dieser dritten Möglichkeit – wir sitzen ihnen im Genick, und sie können sich lediglich in Richtung Südwesten absetzen, also weg von uns.“

„Ja“, sagte der Seewolf. „Auf allen anderen Kursen sollte es uns möglich sein, ihnen den Weg abzuschneiden.“

„Letzteres stimmt“, sagte die Rote Korsarin. „Aber was ist, wenn sie begreifen, daß sie uns verloren haben und jetzt nach Norden oder Süden die See absuchen?“

Hasard grinste. „Dann sind wir sie vermutlich los.“

„Und das wäre als Lösung auch nicht zu verachten“, sagte Ferris Tucker.

„Ich bin für den Kampf“, sagte Barba. „Sie müssen ihr Fett kriegen.“

„Dabei besteht aber das Risiko, daß auch wir Verluste haben“, sagte Roger Brighton.

„Na und?“ Barba lachte grollend. „Sind wir aus Zucker?“

„Sind wir nicht!“ rief Carberry. „Und ich möchte den Admiral zu gern ein bißchen hüpfen lassen.“

„Laßt uns beraten, welche der drei Möglichkeiten die beste ist“, sagte Siri-Tong.

„Ich finde, die dritte ist die beste“, sagte Ben Brighton. „Die anderen haben wir auch oft genug ausprobiert.“

Shane stimmte ihm sofort zu. „Das ist richtig. Diese dritte Sache ist mal was anderes.“

„Eine neue Variante“, sagte auch Dan O’Flynn. „Sie gefällt mir.“

Hasard grinste wieder, denn Barba rief in diesem Augenblick: „Ich will kämpfen! Ich lasse die Kuh fliegen, und der Admiral sackt ab wie ein Bleiklotz!“

„Nun laß doch die Kuh in Frieden“, sagte Jean Ribault. „Das arme Tier.“

„Zurück zur Abstimmung“, sagte die Rote Korsarin. „Werden wir uns jetzt einig?“

„Ich bin auch für Plan drei“, sagte Karl von Hutten. „Damit haben wir die größten Chancen, das idiotische Spiel endlich zum Abschluß zu bringen.“

„Außerdem läuft das Unternehmen sogar noch auf ein Schnippchen hinaus“, sagte Dan.

„Vorschlag zwei birgt Risiken“, sagte Ben. „Jemand von uns könnte beim Kampf Mann gegen Mann verletzt oder gar getötet werden. Wollen wir das?“

„Trotzdem bin ich auch für Kampf“, sagte der Profos vom Hauptdeck. „Warum zeigen wir es diesen Hunden nicht endlich gründlich? Zwei ihrer Kähne haben wir versenkt, jetzt ist der dritte dran.“

„Zurück zu Vorschlag eins“, sagte Hasard. „Der birgt, wenn ich es mir recht überlege, einige Unwägbarkeiten. Zum Beispiel diese, daß der Admiral von achtern aufsegelt und uns mit seinen Drehbassen das Ruder zerschießt.“

„Das ist wahr“, sagte Dan. „Daran habe ich auch schon gedacht.“

„Klar“, sagte Ferris, „liegt ja auf der Hand. Die Tour haben wir selbst oft genug mit Erfolg angewandt.“

„Aber wir lassen uns das Ruder nicht beschädigen“, sagte Siri-Tong. „Das wäre dann wirklich ein Hohn. Wenn wir erst manövrierunfähig sind, hat er uns beim Wickel. Dann entert er. Selbst wenn wir im Handgemenge siegen, müssen wir mit Toten und Verletzten rechnen.“

„Also Abstimmung“, sagte Hasard. „Wer ist für die erste Möglichkeit?“

Nur ein paar Männer hoben die Hände und ließen sie schnell wieder sinken. Plan eins taugte nicht viel, das sahen auch sie ein.

„Vorschlag zwei“, sagte Hasard.

Ein paar mehr Arme hoben sich, darunter auch die von Carberry und Barba, die unbedingt kämpfen wollten. Aber auch dieses Mal wurde die erforderliche Mehrheit nicht errungen.

„Plan drei“, sagte der Seewolf – und jetzt flogen die Hände hoch. Es war auch ohne genaues Abzählen klar, daß die Wahl entschieden war.

„Fein“, sagte die Rote Korsarin. „Dann laßt uns nur noch die Dunkelheit abwarten. Sobald es Nacht ist, werden wir versuchen, diesen Bastarden ein Schnippchen zu schlagen.“

Muddi hatte unterdessen die Zweimastschaluppe unablässig beobachtet. Er sah, daß sie noch nicht aufschloß. Er schaute zum Himmel auf und dachte: Nun beeil dich schon. Wird’s bald mit der Dämmerung, oder was ist los?

Lange dauerte es nicht mehr, und der Wunsch ging in Erfüllung. Aber es war noch die Frage, ob der Plan wirklich gelingen würde. Man durfte den Admiral nicht unterschätzen. Er war zornig und sann auf Rache, aber er war auch intelligent. Sehr leicht konnte er, wenn er etwas von der Kursänderung der „Caribian Queen“ bemerkte, erkennen, daß man ihn hereinlegen wollte.

Seewölfe Paket 22

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