Читать книгу Seewölfe Paket 5 - Roy Palmer - Страница 49
4.
ОглавлениеDie Amazonen waren etwas unaufmerksam geworden, weil sie sich einfach nicht vorstellen konnten, daß sich ein Feind aus dem Dunkel anschleichen würde, solange sich Hasard, der Günstling des Regengottes und aller anderen Götter, im Dorf befand.
Nur deshalb hatten sich Hermano Falla-Pueblos und Augusto de Guaramas unbemerkt bis an den Rand des Dorfes schleichen können. Und sie lauerten nicht allzu weit entfernt im Dickicht, als Hasard mit der Roten Korsarin sprach.
Schweigend warteten die Spanier, bis der Seewolf und die schöne Eurasierin sich wieder entfernt hatten.
Falla-Pueblos stieß den Komplicen mit dem Ellbogen an. Auf seinen Wink hin zogen sie sich tiefer in den Busch zurück.
„Hast du das gehört?“ wisperte der erste Offizier der Karavelle.
„Ja, aber ich hab kein Wort verstanden“, erwiderte de Guaramas wütend. „Warum sind wir nicht über die beiden hergefallen? Das wäre eine Gelegenheit gewesen, das ganze Dorf zu übertölpeln.“
„Nein.“
„Ich habe Hunger, Hermano. Und Durst. Und ich will ’raus aus diesem verteufelten Urwald.“ De Guaramas’ Stimme wurde schon wieder weinerlich.
„Du Memme“, fuhr Falla-Pueblos ihn an. „Reiß dich doch zusammen. Sind wir nun Partner oder nicht?“
„Ja.“
„Na also. Du wirst dich daher noch ein bißchen gedulden müssen, bevor wir dem Amazonas den Rücken kehren. Hast du denn kein einziges Wort verstanden?“
„Doch. El Dorado.“
„Und das sagt dir nichts? Gar nichts? Hombre, du bist ja nicht bei Verstand. Ich übersetze dir jetzt, was El Lobo del Mar und seine Companera gesagt haben – dir werden die Augen übergehen.“
Am Ende von Falla-Pueblos’ kurzem Bericht leckte sich der übergewichtige Steuermann die Lippen. Der Funke war auch auf ihn übergesprungen, El Dorado schlug ihn in seinen Bann.
„Das Goldland. Das Paradies. Der Seewolf kennt den Weg dorthin“, stammelte er. „Er führt seine Männer hin.“ Sein flackernder Blick richtete sich auf Falla-Pueblos. „Und wir?“
„Wir folgen ihnen“, sagte dieser.
Die Stunde des großen Aufbruchs wurde glücklicherweise nicht von einem neuen Regenguß getrübt. An diesem Morgen im Mai 1583 schien sogar die Sonne, und Hasards Expediton brach mit einem Gefühl der Zuversicht und Heiterkeit auf.
Der Konvoi, der bis auf den großen Strom vorstieß, zwischen den Sandbänken hindurchlavierte und stromaufwärts zog, bestand wieder aus den Beibooten der „Isabella“ und des schwarzen Seglers sowie zwei Einbäumen der Amazonen. Schaki, Sarana und sechs andere Amazonen waren die Führerinnen des Trupps. Nabona, Marita und der Rest des Stammes der Frauen blieben im Dorf zurück.
Es hatte nur eine kurze, undramatische Abschiedsszene gegeben. Hasard hielt nichts von großen Auftritten dieser Art, außerdem hatte er ja vor, wieder in das Dorf zurückzukehren, bevor er später dann auf dem Amazonas stromabwärts segelte.
Bald würde das Dorf dank des Regens reiche Ernte halten können. Endlich hatten die Pflanzungen der Amazonen die erforderliche Bewässerung und Düngung, sie gediehen, daß es eine Pracht war – Maniok, Kartoffeln, Yamswurzeln, Mais und Kürbisse.
Immer noch waren die eingeborenen Frauen davon überzeugt, daß sie das so sehnsüchtig erwartete Einsetzen des großen Regens nur Hasard zu verdanken hatten. Schaki, die von Hasard vor einem Schwarzalligator gerettet worden war, war die eifrigste Verfechterin dieser Idee. Sie hatte Nabona und Marita aufgetragen, die im Dorf verbliebenen Weißen zuvorkommend zu behandeln und in jeder Weise zu unterstützen.
So hatte der Seewolf keine Bedenken, Dan, den Kutscher und vier Männer der Siri-Tong-Crew zurückzulassen. Die Amazonen handelten gegen ihre Prinzipien, sie duldeten sonst keine Männer und schon gar keine fremde Frau in ihrer Nähe. Aber für die, denen der Regengott hold war, brachten sie jedes erdenkliche Opfer. Ohne dieses „Idealklima“ wäre Hasards Vorhaben zum Scheitern verurteilt gewesen.
Die „Isabella“ und das schwarze Schiff waren vor dem Aufbruch der Expedition noch tiefer in den Urwald bugsiert worden. Sie lagen in einem Seitenarm ganz in der Nähe des Dorfes, unsichtbar für jeden Uneingeweihten, der sich bis hierher verirrte.
Dan, der Kutscher, Jonny, Hilo und die beiden anderen Siri-Tong-Männer, deren Namen Hasard nicht geläufig waren, würden wie die Schießhunde auf die Schiffe aufpassen. Und außerdem waren da noch die rund um das Dorf verteilten, inzwischen wiederhergerichteten Fallen der Amazonen.
Der Amazonas, der „Wolkenwasserlärm“ der Indianer, nahm die Expedition gefangen und setzte ihr zu. Mühsam arbeiteten sich die Ruderer und die Paddlerinnen voran. Die Strömung drückte gegen die Boote an und brachte sie sofort zum Stillstand und in Rückwärtsbewegung, sobald mit dem Pullen auch nur für Sekunden ausgesetzt wurde.
Im Dorf hatten die Seewölfe und die Männer der Roten Korsarin die Hitze nicht so stark gespürt, aber jetzt setzte sie ihnen wieder mit unverminderter Heftigkeit zu. Sie brütete über ihnen wie eine unsichtbare Zentnerlast und trieb ihnen den Schweiß aus den Poren.
„Verdammt und zugenäht“, sagte Matt Davies, der bei Carberry und fünf anderen Männern der „Isabella“ im Boot saß. „Dan und der Kutscher haben’s gut. Ich frag mich, warum mich das Los nicht treffen konnte, im Dorf bleiben zu können.“
Carberry saß auf der Heckducht und hielt die Ruderpinne. Sir John, der karmesinrote Ara, hockte auf seiner Schulter. Er betrachtete die Besatzung aus schläfrigen Augen, wechselte ab und zu das Standbein und brabbelte hin und wieder: „Himmel, Arsch und Zwirn.“
„Matt“, sagte der Profos drohend. „Du weißt, warum die Wahl auf Dan und den Kutscher gefallen ist.“
„Das schon, aber ich sehe nicht ein, daß wir uns hier abrackern müssen, für nichts und wieder nichts, während die beiden Burschen zusammen mit Jonny, Hilo und den anderen zwei Knaben vom schwarzen Segler ein Leben wie Gott in Frankreich haben …“
„Matt“, sagte Carberry. „Halt’s Maul. Ruhe an Bord, verstanden?“
„Himmel, Arsch und Zwirn“, krähte Sir John.
Siri-Tong saß bei Hasard im Boot und hatte die Ruderpinne übernommen, während er sich auf der Ducht ihr gegenüber niedergelassen hatte und mit Ben Brighton als Nachbarn sowie Ferris, Smoky, Shane, Old O’Flynn, Stenmark und Blacky im selben Boot zügig pullte.
Siri-Tong warf gelegentlich besorgte Blicke zu ihrer Crew in den anderen Beibooten hinüber.
„Wie lange sie das mitmachen, weiß ich nicht“, sagte sie. „Schön, ich habe im Boston-Mann, Thorfin Njal und den anderen vier Wikingern einen harten Kern der Mannschaft, aber für die anderen, besonders für die neuen, würde ich nicht unbedingt die Hand ins Feuer legen.“
„Woran denkst du? An eine Meuterei?“ fragte Hasard.
„Nicht direkt. Aber Leute wie Juan, Muddi oder Mike Kaibuk haben noch nicht begriffen, um was es genau geht. Ich habe ihnen erklärt, daß wir El Dorado besuchen, aber nicht ausrauben wollen – und das will ihnen wohl nicht in den Kopf.“
Ben lächelte. „Sie sind Piraten. Sie denken anders als Korsaren, das haben wir ja schon mehrfach erlebt.“
„Meinetwegen“, entgegnete die Rote Korsarin. „Aber sie haben zu parieren, oder es knallt. Wer den Rebellen markiert, wird standrechtlich erschossen.“
„Genau“, bestätigte Hasard. „Das ist die einzige Einstellung, die zählt.“
Er wußte, daß er seinen Männern viel abverlangte, die Entbehrungen seit dem Beginn ihrer Amazonas-Abenteuer waren mannigfach gewesen. Andererseits aber mußte eine disziplinierte Crew ihm notfalls bis in die Hölle folgen. Als Kapitän ließ er sich nicht in seinen Entscheidungen beeinflussen, und gegen seine Befehle gab es nichts zu mucken. Er gab den Ton an, sein Wort war Gesetz an Bord der „Isabella“, und auch Siri-Tong, die an sich eigenständig und mit eiserner Hand ihre Crew dirigierte, mußte sich bei gemeinsamen Operationen seinem Kommando unterwerfen.
Gegen die Order des Seewolfs hatte keiner „anzustinken“, wie Carberry sagte – und wenn einige auch tausendmal am Erfolg des Unternehmens zweifeln mochten.
Carberry in seiner Funktion als Profos war der Inbegriff der Disziplin. Er hatte den anderen mit gutem Beispiel voranzugehen. Nur einmal hatte er unter vernichtender Hitze und großen Verwirrungen gegen diese seine Prinzipien verstoßen – als er eigenmächtig hinter den Amazonen hergejagt war. Diesen Ausrutscher hatte er bitter bereut und sich geschworen: Es würde nie wieder passieren!
Gegen Mittag machte sich der Gezeitenstrom bemerkbar. Die Flut preßte vom Atlantik bis hierher gegen die Süßwassermassen des Stromes an und neutralisierte die Strömung.
Die Boote gelangten nun schneller voran.
„Wenn doch jetzt die Pororoca hinter uns herrauschen würde“, sagte Ben Brighton. „Einmal haben wir sie erlebt. Genausogut könnte sie wiederkehren und uns diesmal einen Dienst erweisen, indem sie uns ohne unser Zutun ein ordentliches Stück voranbefördert.“
„Das Große Brüllen?“ Hasard schüttelte den Kopf. „Darauf können wir lange warten. Wir haben die Springflut bei Vollmond erlebt, und sie wird erst wieder bei Mondwechsel, also bei Neumond, in Erscheinung treten.“
„Bis dahin ist noch Zeit“, meinte Big Old Shane.
„Hasard“, sagte Siri-Tong. „Schaki gibt uns ein Zeichen. Sie will in einen Nebenarm abbiegen – oder ist es ein Seitenfluß?“
„Das weiß man hier nie genau“, sagte Ferris Tucker. „Ich hab noch nie ein solches Gewirr von Wasserstraßen gesehen.“
Unter der sicheren Führung der acht Amazonen schob sich der Bootsverband in den schmaleren Seitenarm. Meile um Meile glitt er wie ein großer Wurm in vielen Windungen zunächst nach Westen, später nach Nordwesten. Als der willkommene Druckausgleich durch das auflaufende Wasser nachließ, stemmte sich die Strömung mit noch größerer Macht als zuvor gegen die Gefährte, als wolle sie das weitere Vordringen der Fremden verhindern.
Am späten Nachmittag wurde das Wasser sehr flach. Vereinzelt ragten Sandbänke und Steine über die Oberfläche hinaus. Die Strömung verlieh den voraneilenden Wassermassen zunächst einen summenden, dann einen gurgelnden und rauschenden Beiklang.
„Verflixt“, sagte Hasard. „Weiter oberhalb werden wir auf Stromschnellen stoßen.“
Er sollte recht behalten. Im Dämmerlicht mußten sie sich dem Nordostufer nähern und schließlich ganz landen, um nicht von der zunehmenden Strömung in die Richtung getragen zu werden, aus der sie gerade gekommen waren. Mit Tauen schleppten sie die auf dem Wasser verbliebenen Einbäume und Boote nach, während sie selbst hart am Ufer entlangmarschierten.
So passierten sie die erste sprudelnde Wasserbarriere – Stromschnellen, deren Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen war. In angemessenem Abstand weiter flußaufwärts gab Hasard den Befehl, wieder in die Boote zu steigen und abzulegen.
Aber das Wasser war immer noch nicht ruhig genug. Das Boot, in dem Thorfin Njal, Eike, Oleg, Arne und der Stör, Tammy, Missjöh Buveur und Pedro Ortiz saßen, wurde plötzlich gepackt und mit einem Ruck flußabwärts befördert.
„Beim Odin!“ schrie Thorfin Njal. „Pullt, Männer! Bei allen Göttern, legt euch ins Zeug, verdammt noch mal!“
Da half kein Fluchen, kein Pullen, kein Arbeiten mit der Ruderpinne, das Boot wurde abgetrieben und schließlich regelrecht von der zunehmenden Strömung mitgerissen. Hasard unternahm einen waghalsigen Versuch, den Siri-Tong-Männern zu Hilfe zu eilen, aber er geriet selbst in äußerste Bedrängnis und konnte sich mit knapper Not wieder zum Ufer retten, bevor es ihn auf die Felsen trieb, die zwischen den Stromschnellen aufragten.
Der Wikinger und seine Begleiter brüllten auf. Pfeilschnell schoß ihr Boot zwischen den Felsen dahin, dann gab es einen dumpfen Laut, und er kenterte. Hasard, gefolgt von Siri-Tong, Ben Brighton und den anderen Männern aus seinem Boot, rannte am Nordostufer entlang und hielt verzweifelt nach einer Möglichkeit Ausschau, den Schiffbrüchigen helfen zu können.
Unter viel Gebrüll und lästerlichen Flüchen gelangten die Wikinger, Tammy, Missjöh Buveur und Pedro Ortiz schließlich auch an Land. Sie schüttelten sich wie nasse Hunde, und Thorfin Njal rief: „Das Boot! Himmel und Hölle, wir müssen das Boot bergen!“
„Das Boot bergen“, schrie auch der Stör, der die Angewohnheit hatte, immer den letzten Satz seines Steuermanns nachzuplappern.
Kostbare Zeit ging verloren, als sie nun stromab liefen und das weitertreibende Boot begleiteten. Endlich konnten sie es an einer Biegung pakken. Thorfin Njal, Eike und der Stör schleppten es mittels eines Taus wieder zum Ausgangspunkt zurück.
„So ein Mist“, schimpfte Thorfin Njal. Das Wasser lief ihm aus dem Kupferhelm, er setzte ihn auch jetzt nicht ab. Er nahm das Ding überhaupt nie vom Kopf. „Aber wir können noch von Glück sagen, daß das Boot aus so hartem Holz gebaut und nicht zerschellt ist.“
„Und nicht zerschellt ist“, echote der Stör.
„Verdammt und zugenäht, du sollst nicht dauernd nachquatschen, was ich sage“, fuhr Thorfin ihn an.
„Seid froh, daß euch keine Piranhas oder andere Biester angegriffen haben“, sagte Hasard. „Man weiß nie, was im Fluß auf einen lauert, wenn man ein unfreiwilliges Bad nimmt.“
„Was tun wir jetzt?“ erkundigte sich Old O’Flynn.
„So können wir uns nicht weiter fortbewegen“, sagte Hasard. „Wir schlagen unser Nachtlager auf und setzen unseren Weg morgen früh zu Fuß fort. Die Einbäume und Boote müssen wir hier zurücklassen.“
Die Nacht war voll seltsamer, deprimierender Fragen und brachte wenig Schlaf. In aller Frühe schulterte die fünfzigköpfige Gruppe ihr Gepäck und brach unter Schakis Führung wieder auf. Drei Amazonen blieben als Aufpasserinnen bei den Einbäumen und Booten zurück.
Hasard, Siri-Tong und Ben Brighton schritten neben Schaki, Sarana und den anderen drei Amazonen an der Spitze des Trupps.
Sie folgten dem Verlauf des Flußarmes.
„Wie heißt dieser Fluß?“ fragte Hasard Schaki.
„Die Spanier nennen ihn Tombetas. Die Viracochas, die Männer mit den Bärten, haben schon vielen Flüssen Namen gegeben.“
„Hast du jemals etwas von einem Weißen namens Francisco de Orellana gehört?“
„Nein“, antwortete Schaki.
„Sagst du auch wirklich die Wahrheit?“
Sie schaute den Seewolf aus geweiteten Augen an. „Warum fragst du mich das?“
„Nur so. Orellana unternahm 1542 eine verhängnisvolle Expedition auf ungefähr der gleichen Route wie wir. Stromaufwärts. Er taufte die ersten Seitenflüsse und nannte den großen Amacunu immer noch so, wie Amerigo Vespucci und Kolumbus’ Freund und Begleiter Vicente Yanez Pinzon den Strom bezeichnet hatten, als sie um die Jahrhundertwende seine Mündung entdeckt hatten – Santa Maria do Mar Dulce.“
„Warum erzählst du mir das?“ wollte Schaki wissen.
„Orellana kehrte von seiner Expedition nie zurück. Er war aber der erste, der nach einer vorangegangenen, acht Monate dauernden Reise durch den Urwald von den weiblichen Kriegern am Fluß zu berichten wußte. Von den Amazonen.“
„Ich verstehe dich nicht …“
„Viele weiße Männer sind hier verschollen, und viele von ihnen sind Opfer eurer Fallen und eurer Feindlichkeit geworden“, sagte der Seewolf unumwunden.
Schaki nahm es schulterzuckend hin. „Ja, aber die Amazonen sind nicht die einzige Gefahr des Amacunu. Wer sich zu weit vorwagt, der muß untergehen. Ich habe auch dich gewarnt, Hasard, Günstling der Götter. Aber du willst die Schwelle zum verbotenen Land übertreten.“
„Was erwartet uns dort?“ fragte Hasard.
„Großes Unheil kommt über die, die die Ruhe des großen Sees und seiner Bewohner stören.“
„Du weichst mir aus. Sag doch mal konkret, gegen wen und was wir dort zu kämpfen haben“, erwiderte Hasard. „Bin ich der Freund der Götter oder nicht?“
„Konkret“, wiederholte Schaki. Ihr Blick huschte dabei immer wieder zu Siri-Tong hinüber. „Ich verstehe das Wort, ‚konkret‘ nicht.“
„Du redest um den heißen Brei herum“, erwiderte Hasard frostig. „Aber ich kann dich nicht dazu zwingen, völlig aufrichtig zu sein.“
„Sie kann mich nicht leiden“, sagte Siri-Tong auf englisch. „Sie traut mir nicht so ganz über den Weg und ist eifersüchtig. Jede fremde Frau ist den Amazonen ein Dorn im Auge.“
„Mir wird das bald zu bunt“, entgegnete der Seewolf. „Noch muß ich eine gute Miene zu diesem Spielchen machen, aber ewig kann das nicht so weitergehen.“
Später, als es auf die Mittagsstunde zuging und die Sonne bis zum Zenit aufstieg, veränderte sich der Untergrund unter den Füßen der voranschreitenden Frauen und Männer. Er wurde immer fester, bald felsig und schroff. Die Vegetation blieb üppig, aber sie war jetzt anders beschaffen. In sanfter, aber beständiger Steigung hob sich das Land und führte sie hoch über den rauschenden Fluß hinaus.
Dann klang ein Geräusch unterschwellig an und wuchs mit jedem Schritt. Die Gruppe stapfte unter einer Haube aus Schwüle und lähmendem Druck weiter voran, immer weiter, und das verhaltene Dröhnen wurde zu einem Donnergrollen. Der Untergrund bebte.
Sarana redete aufgeregt auf Schaki ein. Hasard verstand kein Wort, aber er wußte, daß das Mädchen Angst hatte. Auch die anderen drei Amazonen zeigten sich erregt.
Hasard drängte voran, er gönnte sich und seinen Begleitern keine Verschnaufpause.
„Das kann nur der Wasserfall sein, von dem Montanelli gesprochen hat!“ rief er Siri-Tong durch das ohrenbetäubende Brausen und Grollen zu.
Wenig später öffnete sich der triefende Regenwald vor ihnen. Sie blieben stehen und blickten wie gebannt auf die weiße Wolke aus niederstürzendem Wasserstaub, eine gigantische Erscheinung, die sie durchnäßte und ihnen den Atem raubte.
Hasard blickte mit weit in den Nacken gelegtem Kopf nach oben und entdeckte die Stelle hoch über ihnen, an der der Fluß aus Busch und Felsen hervorbrach und sich donnernd in die Schlucht ergoß, in der sie standen.
Wie hoch? Hundert Yards? Zweihundert? Wer konnte das schätzen?
Die Welt schien hier zu Ende zu sein. Es ging nicht mehr weiter.
Hasard mußte schreien, um sich in dem Lärm zu verständigen. „Schaki, du weißt, wie wir nach oben gelangen?“
Sie traf keine Anstalten, ihn und den Trupp weiterzuführen, darum griff er nach ihrem Arm und zog sie dicht zu sich heran. Ihr fester schlanker Körper, ihre Brüste preßten sich gegen ihn, und er spürte, daß sie zitterte.
Er ließ sich davon nicht beirren. „Hör zu, du führst uns weiter, verstanden? Deine Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Der Regengott wird euch verfluchen, wenn du mir nicht hilfst!“
Schaki entwand sich seinem Griff. Ihr Gesicht hatte sich zu einer gequälten Grimasse verzogen, ihr Blick auf den Seewolf war leidend. Aber sie zeigte ihm doch, wie und wo der Pfad weiter verlief.
Etwa zehn Yards rechts neben der. brüllenden Wasserwand trat sie dicht an den Felsen. Sie bog die Zweige von Büschen auseinander, die die steile Barriere bewucherten.
Der Eingang einer Höhle wurde frei und gähnte die Seewölfe und Siri-Tongs Männer an.