Читать книгу Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 10
6.
ОглавлениеDer Schweiß rann. Don Marcello Struzzo in Strömen über die nackte Haut. Er hatte sein Wams und das Hemd aus weichem Leder abgestreift, um sich höchstpersönlich als Folterknecht zu betätigen.
Keuchend erhob er sich von der großen Handkurbel, mit der er den Gefangenen ein Stück höher gehievt hatte.
Blacky hing kopfüber an einem Deckenbalken der Folterkammer. Seine Handgelenke waren durch Eisenschellen und Ketten mit in den Fußboden eingelassenen Stahlringen verbunden.
Er hatte das Gefühl, schon jetzt um einen Inch gewachsen zu sein. Dabei war Don Marcello noch nicht einmal bis zum Äußersten gegangen. Ihm fehlte schlicht die Ausdauer eines routinierten Henkersknechts, der mit den teilweise mühsam zu bedienenden Marterinstrumenten Tag für Tag umging.
Struzzo hatte es anfangs gemeinsam mit Cóstola versucht. Sie hatten den breitschultrigen Engländer – auf alle nur erdenkliche Weise gepiesackt – von den Nagelschuhen bis hin zur glühenden Kohle.
Nichts hatte Blacky dazu bewegen können, auch nur einen Schmerzenslaut von sich zu geben.
Struzzo und Cóstola waren drauf und dran gewesen, an ihrem Verstand zu zweifeln. Dann war Struzzo auf die teuflische Idee verfallen, den Gefangenen kopfüber aufzuhängen und zu strecken.
Nach der letzten gemeinsamen Anstrengung, dem Engländer die Fußschellen mit den speziellen Haken anzulegen und ihn Stück für Stück in die Senkrechte zu kurbeln, hatte sich Cóstola zurückgezogen und auf einem Schemel in der Nähe der Tür niedergelassen, um wieder zu Kräften zu gelangen. Fortwährend wischte er sich mit einem großen weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Blacky wandte alle innere Energie auf, um sich von einem möglichen Blutstau im Gehirn nicht unterkriegen zu lassen. Die Schultergelenke schienen ihm der verletztlichste Teil seines Körpers zu sein. Er war sicher, daß es dem Schweinehund Struzzo über kurz oder lang gelingen würde, ihm die Arme auszureißen.
Für ihn stand Struzzo auf dem Kopf.
Und Cóstola schien mit seinem Schemel unter der Decke zu kleben.
Don Marcellos Schnallenschuh fuhr auf ihn zu.
Blackys Reflexe funktionierten noch. Er zog den Kopf zur Seite. Die vergoldete Messingschnalle riß sein Ohrläppchen blutig. Don Marcello stieß einen Fluch aus, unternahm aber keinen zweiten Versuch, dem Gefolterten das Gesicht zu verunstalten.
Blacky fühlte die Wärme des Bluts, wie es in seine Ohrmuschel lief. Er hätte in diesem Augenblick etwas darum gegeben, sich bei dem Hundesohn mit einem Tritt in den Allerwertesten zu bedanken. Aber dieser Wunsch würde kaum in Erfüllung gehen.
Die Aussichten standen ausgesprochen schlecht.
Don Marcello wandte sich ab und holte etwas, das an der Wand neben der Tür aufgehängt war. Emiliano Cóstola ließ einen anerkennend-staunenden Laut hören. Don Marcello kehrte mit dem Ding zurück. Blacky sah jetzt, daß es eine Lanze war.
Struzzo legte ihm die Spitze von oben auf die Unterseite der Kinnlade. Langsam hob er die Lanze an, bis der Schaft fast senkrecht war.
„Was glaubst du“, sagte er höhnisch, „wieviel Eigengewicht so ein Landsknechtsinstrument hat?“
„Es würde reichen“, antwortete Blacky, „um mich selbsttätig zu töten.“
„Oho!“ rief Struzzo ölig. „Du hast deine Lage verteufelt gut erkannt, Engländer. Wie wäre es, wenn du die Konsequenzen daraus ziehst und endlich redest?“
Blacky überlegte nur noch einen Moment. Struzzo konnte die Quälerei noch stundenlang fortsetzen, bevor er ihn umbrachte oder umbringen ließ. Andererseits zeigte der Don deutlich Anzeichen von Erschöpfung. Vielleicht legte er eine Pause ein. Unter solchen Umständen konnte er, Blacky, neue Kräfte schöpfen. Allerdings nur dann, wenn er sich in einer bequemeren Lage befand.
„Einverstanden“, sagte Blacky. „Ich rede. Es geht aber flüssiger, wenn ich wie ein normaler Mensch auf meinen Füßen stehe.“
Don Marcello Struzzo lachte zufrieden und erleichtert. Er schnaufte und nahm die Lanze weg. „Gut, gut. Unsereins ist kein Unmensch.“ Er wandte sich um. „Emiliano! Los, hilf mir noch mal!“
Sie kurbelten ihn abwärts, bis er auf dem Fußboden lag. Dann stellten sie ihn an die Wand, der Tür gegenüber, wo sich eiserne Ösen befanden, an denen sie seine Hand- und Fußgelenke befestigten.
Cóstola hatte die Lanze an ihren Platz zurückgebracht.
Erwartungsvoll standen die beiden Männer dem Gefangenen gegenüber. Struzzo zog seinen Dolch, um Blacky damit zu kitzeln. Der Mann mit dem kantigen Gesicht setzte einen boshaften Gesichtsausdruck auf und fuhr mit der Daumenkuppe, über die Klinge, die scharf wie ein Rasiermesser zu sein schien.
„Ich höre“, sagte Don Marcello.
Blacky räusperte sich, um den trockenen Kloß loszuwerden, der sich in seinem Hals gebildet hatte.
„Ich bin der Kaiser von China“, sagte er.
Struzzo und Cóstola kriegten eine Art Maulsperre. Ihre Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen.
„Ich bin heimlich nach Sardinien gereist“, fuhr Blacky fort, „um mir hier die Mittelmeersonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Bis vor ein paar Stunden hat es mir ganz gut gefallen, aber jetzt ist es ungemütlich geworden.“
Don Marcello trat mit einem schnellen Schritt auf ihn zu, stieß den Dolch senkrecht hoch und drückte die Plattseite der Klinge auf Blackys Nasenspitze.
„Interessant!“ zischte er mit mühevoller Beherrschung. „Und deine Schlitzaugen? Hat dir die ein Quacksalber im Reich der Mitte wegoperiert?“
„Ich wollte nicht extra darauf hinweisen“, erwiderte Blacky. „Aber Sie haben es natürlich glasklar erfaßt, Don Marcello. Meine Tarnung als Ihresgleichen ist einfach perfekt, nicht wahr? Sogar die Hautfarbe habe ich …“
„Halt den Mund, Hurensohn!“ brüllte Struzzo unvermittelt. „Jetzt reicht es!“ Sein Knie ruckte hoch.
Furchtbarer Schmerz explodierte von Blackys Körpermitte aus.
Der nächste Hieb, der seinen Kopf traf, erlöste ihn davon. Abermals versank er in den schwarzen Abgrund der Bewußtlosigkeit.
Die Bewegungen eines Bootes, verursacht durch schwachen Wellengang, holten ihn in die Wirklichkeit zurück. Er wollte die Augen öffnen, doch die Sonne blendete ihn. Nach und nach drangen Geräusche in sein Ohr.
Poltern.
Es rührte von harten Stiefelsohlen her.
Und von schweren Lasten, die geschleppt und abgesetzt wurden.
Es war also nicht nur der Wellengang, der die Bewegungen des Bootes hervorrief. Blacky spürte die Spanten und Planken, auf denen er lag. Seine Arme waren auf dem Rücken zusammengeschnürt. Statt der Ketten aus der Folterkammer hatten sie ihn mit Stricken gefesselt. Auch die Fußgelenke waren aneinandergebunden.
Es gelang ihm, den Kopf ein Stück zur Seite zu drehen und die Lider einen Spaltbreit zu öffnen.
Er lag vor einer Ducht und konnte darunter hervorspähen.
Das Poltern war hinter seinem Rücken. Jemand wuchtete seine Lasten auf der Bugplattform auf und ab. Daß es sich um eine Plattform handelte, folgerte Blacky aus dem hohlen Klang der Geräusche.
Auf der Achterducht saßen Don Marcello Struzzo und Emiliano Cóstola in trautem Beieinander. Beide grinsten in zufriedener Eintracht und betrachteten das Bild, das sich ihnen bot.
Weitere Bestandteile dieses Bildes waren zwei ebenfalls Gefesselte, die zwischen den beiden Duchten vor Struzzo und Cóstola angebunden waren. Dunkelhaarige Männer, die das Geschehen hinter Blacky mit vor Entsetzen geweiteten Augen beobachteten.
„Welch eine Freude!“ rief Don Marcello höhnisch. „Unser hochwohlgeborener Gast, der Kaiser von China, weilt wieder unter uns!“
Cóstola stimmte ein albernes Kichern an.
Don Marcello brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. „Vor Antritt Ihrer letzen Reise, Majestät, darf ich Ihnen die Einzelheiten erläutern“, sagte er salbungsvoll. „Vor sich sehen Sie zwei Gefangene, die wir schon vor längerer Zeit geschnappt haben. Sie stammen aus der Gefolgschaft eines gewissen Don Cesare di Montepulciano, den Sie natürlich nicht kennen werden.“ Er grinste breiter und räusperte sich. „Es spielt aber für den weiteren Verlauf des Geschehens keine Rolle. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, daß sowohl wir, die Beteiligten, als auch gewisse Unbeteiligte ihre Freude an dem besagten Geschehen haben werden. Zu den Unbeteiligten zählt in erster Linie der schon erwähnte Don Cesare. Aber auch sein gesamter Freundeskreis wird nicht wenig erbaut sein über das, was man ihm berichten wird.“ Struzzo deutete auf die beiden Gefangenen vor ihm. „Diese werten Signori haben die ausschließliche Aufgabe, ihrem Dienstherrn Montepulciano zu berichten, was sie gesehen haben. Und das, hochverehrte Majestät aus dem Reich der Mitte, wird in wenigen Minuten beginnen. Mehr verrate ich Ihnen im Moment nicht. Schließlich soll es auch für Sie eine nette kleine Überraschung werden.“
Cóstola kicherte abermals. Diesmal ließ Struzzo ihn gewähren.
Das Poltern hinter Blacky hörte auf.
Statt dessen schwankte das Boot stärker.
Die Seestiefel eines stämmig gebauten Mannes wurden neben ihm sichtbar. Gleich darauf der ganze Kerl. Er sah aus wie ein Henkersknecht. Außer den Seestiefeln war er nur mit einer speckigen Hose bekleidet. Der Mann hatte eine Glatze und zum Ausgleich der fehlenden Haarpracht einen Vollbart.
„Fertig, Don Marcello“, sagte er, wobei er einen halben Schritt vor Blacky stehenblieb.
„Gut, gut“, antwortete Struzzo mit gönnerhaftem Nicken. „Dann wollen wir in aller Ruhe beginnen. Jegliche Eile ist überflüssig. Schließlich haben wir alle ein Interesse daran, das Ereignis zu genießen – einschließlich derjenigen, die nur mittelbar beteiligt sein können.“ Mit der gelassen herrischen Handbewegung eines römischen Imperators forderte er den Bärtigen auf, sein Werk fortzusetzen.
Blacky wurde von zwei kräftigen Fäusten gepackt und auf die Beine gestellt. Der Henkersknecht drehte ihn um, so daß er die Bugplattform sehen konnte. Die starken Planken bildeten eine große dreieckige Fläche von schätzungsweise zwei Quadratyards Ausmaß.
Blacky hatte das Gefühl, daß das Blut in seinen Adern zu Eis erstarrte. Auf der Plattform lagen zwei Felsbrocken von jeweils mindestens zwei Fuß Durchmesser.
Die Felsbrocken waren in der oberen Hälfte durchbohrt. Durch die Löcher waren Eisenstangen geschoben, an deren zu Ösen gebogenen Enden Ketten befestigt waren. Lange Ketten. Der Henkersknecht hatte sie ordentlich aufgerollt.
Blacky versteifte sich.
Der Bärtige spürte es.
„Wenn du dich wehrst“, knurrte er, „kriegst du eins auf die Rübe. Es hilft dir alles nichts. Klar?“
Blacky nickte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er mußte bei Bewußtsein bleiben. Vielleicht gab es noch eine Chance – in letzter Minute. Oder in letzter Sekunde. Wenn er diese Chance erhalten sollte, dann würde er sie nutzen. Und lieber durch eine Kugel oder eine Klinge sterben als auf diese grauenhafte Weise, die Struzzo für ihn vorgesehen hatte.
„Eine wahrhaft kaiserliche Seebestattung!“ rief der Don mit hohntriefender Stimme.
Cóstola stimmte von neuem sein kindisches Kichern an.
Der Bärtige stieß Blacky auf die Bugplattform.
Blacky sah sich um. Eine Küstenlinie war nirgendwo zu sehen. Struzzo war also weit genug hinausgefahren, um keine unerwünschten Zeugen zu haben. Der Zweimaster, der sein Schiff sein mußte, lag etwa eine Kabellänge entfernt vor Anker. Auch Fischerboote waren nirgendwo in der Nähe zu sehen.
Die Eisenglieder klirrten, als der Henkersknecht die erste Kette hochhob und das Ende um Blackys Hüfte schlang.
Unter Vollzeug rauschte die Schebecke auf die offene See hinaus.
Der Tag war zu schön zum Sterben.
Der Himmel leuchtete azurblau, von keinem Wolkenstreifen getrübt. Die Sonne stand fast im Zenit. Und bei dem verläßlichen ablandigen Wind hätte die Fahrt mit dem dreimastigen Segler ein reines Vergnügen sein können, wenn nicht der Gedanke an Blackys Schicksal wie eine unausgesprochene Drohung über den Arwenacks geschwebt hätte.
Hasard und Ben Brighton suchten die südöstliche Kimm laufend mit ihren Spektiven ab. Bislang hatten sie nicht einmal ein Fischerboot gesichtet. Die Fischgründe waren woanders. Don Marcello Struzzo wußte, warum er jene bestimmte Position festgelegt hatte, an der er seine Opfer umzubringen pflegte.
Es gab dort so gut wie niemals Zeugen.
Die beiden Männer aus den Reihen Don Cesare di Montepulcianos hatten ausführlich darüber berichtet: Wer in die Gewalt Struzzos geriet, mußte das Allerschlimmste befürchten, das unvorstellbar Grauenhafte.
Don Marcello verpaßte seinen Opfern „Felsfüße“.
Und damit versenkte er sie bei vollem Bewußtsein.
Ihr Todeskampf mußte furchtbar sein. Don Marcello Struzzo gewährte seinen Opfern nicht das Recht eines jeden Seefahrers, bis zum Schwinden seiner Sinne gegen die Elemente kämpfen zu können. Struzzo weidete sich an den Höllenqualen, die die hilflosen Gefangenen litten, bevor er sie umbrachte.
Nein, bevor er sie umbringen ließ.
Denn er selbst beschmutzte sich nicht die Hände. Dafür hatte er seine Schergen.
Womit nicht gesagt war, daß sich Don Cesare di Montepulciano von Don Marcello auch nur um einen Deut unterschied. Etwas Derartiges hatten die beiden Verwundeten von Anfang an nicht behauptet.
Die Stimmung an Bord der Schebecke war gedrückt. Nur das Notwendigste wurde gesprochen.
Dan O’Flynn blickte von seinen Berechnungen auf. Mittels des Jakobsstabs hatte er soeben die exakte Position der Schebecke festgestellt.
„Jetzt müßten wir ihn sehen können!“ rief er alarmiert.
Hasard ließ den Kieker sinken und wandte sich zu Dan um. „Struzzos Zweimaster?“
Dan nickte und lief bereits los. Mit langen, federnden Sätzen erreichte er das Vorschiff. Unmittelbar am Bug setzte er sein Spektiv ein. Allein mit bloßem Auge war er jedem in der Crew des Seewolfs an Sehkraft überlegen.
In seiner gelegentlichen Funktion als Ausguck hatte Dan die Arwenacks vor manchem verhängnisvollen Geschehen bewahrt. Mittlerweile hatte er sich auf die Tätigkeit des Navigators spezialisiert, was aber nicht bedeutete, daß er in Ausnahmesituationen nicht doch noch die unübertroffene Schärfe seiner Augen einsetzte.
Dans Ruf ertönte bereits nach zwei, drei Sekunden.
„Zweimaster voraus!“
Hasard und Ben hoben wieder die Spektive.
Die Mastspitzen waren nur eben zu erkennen.
Der Seewolf ordnete Gefechtsbereitschaft an. Wenn es sein mußte, würde er Struzzos Schiff zu den Fischen schicken – erbarmungslos. Es mußte dann sein, wenn es für Blacky keine Hilfe mehr gab.
Und sollte Struzzo versuchen, Blacky als Faustpfand einzusetzen, dann würde Hasard sein eigenes Leben dafür in die Waagschale werfen. Dazu war er entschlossen. Blacky war ohne eigenes Verschulden in diese teuflische Situation geraten. Struzzos Schergen hatten ihn verwechselt, und auch der Don selbst hielt ihn noch immer für jemanden, der er nicht war – nicht sein konnte.
Für Hasard bestand kein Zweifel darüber, warum diese Verwechslung entstanden war.
Mit seinem Äußeren wirkte Blacky wie ein Südländer. Eben deshalb wurde er ja auch seit jeher Blacky genannt.
Don Marcello Struzzo mußte ein ungeheures Mißtrauen gegen alles Fremde hegen – zugleich aber mußte er die Hosen voll haben. Anders als durch Angst war dieses Mißtrauen nicht zu erklären.
Sein Widersacher Montepulciano mußte ihm mächtig zusetzen.
Unter Al Conroys Anleitung wurden an Deck jene Vorbereitungen getroffen, die die Arwenacks mit schlafwandlerischer Sicherheit beherrschten. Während die Männer Kartuschen und Geschosse an Deck schafften, streuten die Zwillinge Sand auf den Decksplanken aus und stellten Pützen mit Seewasser bereit – um etwaige Brandherde rasch ersticken zu können.
Man brauchte nicht damit zu rechnen, daß Don Marcello mit einem nur schwach oder überhaupt nicht armierten Zweimaster durch die Küstengewässer kreuzte. Spätestens seit er durch seinen Gegner Don Cesare bedrängt wurde, mußte er ständig auf der Hut sein.
In der Kombüse stellte der Kutscher die Eisenbecken mit glühender Kohle bereit, die zum Zünden der Lunten gebraucht wurden.
Nachdem die Culverinen geladen waren, nahm sich Al Conroy die Drehbassen vor. Nach den jeweils genau bemessenen Schwarzpulvermengen setzte er die Ladungen aus gehacktem Blei in die Rohre der kleinen Geschütze auf ihren schwenkbaren Gabellafetten.
Konturen tauchten für die Männer mit den Spektiven auf. Bald darauf konnten alle an Bord der Schebecke bereits mit bloßem Auge erkennen, was sich abspielte.
Sie verharrten im stummen Zorn.
Und jeder – vom Seewolf bis zum Jüngsten – hatte nur den einen Wunsch, daß der Wind noch einmal kräftig zulegen möge. Aber der handige Geselle tat ihnen den Gefallen nicht. Sie mußten Sekunden und Minuten in ohnmächtiger Tatenlosigkeit verstreichen lassen.
Die Kerle im Beiboot des Zweimasters bemerkten die heranrauschende Schebecke nicht sofort. Zu sehr waren sie offenbar von der Vorfreude auf die grausige Hinrichtung erfüllt.
Aus dem grellen Licht der Sonne heraus stieß der Seewolf auf Struzzo und seine Schergen zu.
Sie sahen, wie der Don und sein Rechtsberater Cóstola auf der Achterducht zusammenzuckten.
Blacky stand auf der Bugplattform und schien keinerlei Hoffnung mehr zu hegen.
Deutlich war zu sehen, wie der glatzköpfige Kerl mit dem nackten Oberkörper die Muskeln anspannte. Er wartete auf das Zeichen Don Marcellos, die Exekution durch einen raschen Stoß durchzuführen.
Noch fünfhundert Yards trennten den Dreimaster vom Beiboot. Querab südlich, auf dem Zweimaster, war hektische Bewegung zu erkennen. Keine Frage, daß auch dort Gefechtsbereitschaft hergestellt wurde.
Don Marcello wartete mit dem entscheidenden Befehl.
Seine Absicht war deutlich.
Er würde die Hinrichtung so lange wie möglich hinauszögern, um einen Angriff der Arwenacks dadurch zu verhindern.
Hasard ließ die Schebecke weiter unter Vollzeug laufen.
Noch vierhundert Yards.
Eine gellende Stimme war aus dem Beiboot zu hören.
„Verschwindet, ihr Bastarde! Verschwindet, oder er stirbt auf der Stelle!“
Spätestens in dieser Minute mußte Struzzo begriffen haben, daß Blacky nicht der vermeintliche Todesbote seines Erzfeindes war.
Noch dreihundert Yards.
Hasard verständigte sich rasch mit Ben Brighton. Was zu tun war, stand für den Seewolf jetzt fest. Er konnte Struzzos Verhalten vorausberechnen. Der Don würde es bis zum letzten Moment hinauszögern, um die Gefahr von sich abzuwenden.
Noch zweihundert Yards.
Hasard lief auf das Hauptdeck und stieg aus den Stiefeln. Er streifte die Lederweste und das Hemd ab und behielt nur das Entermesser am Gurt. Auf sein Handzeichen hin lief Ferris Tucker los und verschwand in der vorderen Luke, um die Ausrüstung für den Seewolf zu besorgen.