Читать книгу Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 16
3.
ОглавлениеHasard und seine Mannen hatten sich im Laderaum der schwankenden Schebecke versammelt. An Oberdeck hielten Bill und weitere drei Kameraden Wache. Immerhin war damit zu rechnen, daß eventuell auftauchende Schnapphähne es sich in den Kopf setzten, das Schiff anzugreifen. Vorläufig aber blieb alles ruhig.
Der Seewolf hatte die improvisierten Instandsetzungsarbeiten kontrolliert, die von Ferris und dessen Helfern vorgenommen worden waren. Die Lecks waren einigermaßen gut abgedichtet, es mußte nur noch alle zwei bis drei Glasen gelenzt werden. Sinken konnte die Schebecke nicht – was weiter geschah, würde sich nach Hellwerden finden.
Hasard spendierte ein Fäßchen Rum. Die Becher wurden gefüllt, die Mannen tranken. Sie ließen ihren Kapitän hochleben, und sie gratulierten sich selbst dazu, daß sie dem Teufel noch einmal von der Schippe gesprungen waren.
„Das war wirklich knapp“, sagte Ben Brighton. „Die Schebecke ist ein solides Schiff, aber diesem Sturm hätte sie nicht standgehalten.“
„Man sollte das Mittelmeer nicht unterschätzen“, sagte Big Old Shane. „Schon viele haben es für einen Ententeich gehalten. Aber diese See kann höllisch tückisch und gefährlich sein.“
Carberry lachte grollend. „Ich habe früher mal so gedacht, Shane. Aber dann haben wir alle den Gänsetümpel ja so richtig kennengelernt. Und ob der’s in sich hat!“
„Dabei haben wir es wirklich nicht mehr weit bis zur Meerenge von Gibraltar“, sagte Blacky. „Aber die Wasserdämonen scheinen was dagegen zu haben, daß wir England so bald wie möglich erreichen.“
„Meinst du das ernst, oder ist das wieder so ein blöder Witz?“ zischte Old O’Flynn.
„Es ist mein voller Ernst“, erwiderte Blacky.
„Jedenfalls können wir auch im Atlantik noch auf einiges gefaßt sein“, sagte Hasard. „Um diese Jahreszeit toben da auch die übelsten Stürme. Und vergeßt nicht, daß wir durch die Biskaya müssen.“
„Daran denke ich ständig“, sagte Ferris grinsend. „Nun ja, unser Schiffchen wird auf eine harte Probe gestellt, wenn das so weitergeht. Aber das soll wohl so sein.“
„Seid mal still“, sagte Old O’Flynn plötzlich. „Hört ihr das?“
„Klar“, entgegnete Roger Brighton. „Der Wind pfeift, und die Wogen rauschen. Was anderes hören wir ja seit Stunden nicht mehr.“
„Das meine ich nicht“, sagte der Alte.
„Sondern?“ fragte Shane.
Old O’Flynn schnitt eine verkniffene Miene. „Wenn ihr mich ausreden laßt und nicht dauernd unterbrecht – zur Hölle, das waren Schüsse! Musketenschüsse! Nicht weit von hier!“
„Unsinn“, sagte Smoky. „Ich habe nichts mitgekriegt.“
„Dann solltest du deine Löffel mal vom Kutscher untersuchen lassen“, sagte der Alte giftig.
Smoky leerte seine Muck und grinste spöttisch. „Das hast du ja wohl noch nötiger als ich.“
„Meine Ohren funktionieren bestens“, sagte Old O’Flynn.
„Bist du sicher, Donegal? Ich habe auch keine Schüsse gehört“, sagte der Seewolf.
„Ich auch nicht“, pflichtete Ben ihm bei.
Auch die anderen Mannen hatten nichts vernommen.
„Aus welcher Richtung hörtest du die Schüsse?“ wollte Dan O’Flynn von seinem Vater wissen.
„Von Westen.“
„Ich frage mal die Posten, ob sie was bemerkt haben“, sagte Ben.
Er enterte nach oben und rief Bill und den anderen ein paar Worte zu. Bill antwortete. Was er schrie, war unten nicht zu verstehen.
Ben kehrte zu den Kameraden im Laderaum zurück.
„Die Wachen haben nichts gehört“, erklärte er.
„Ich bin aber ganz sicher“, beharrte der Alte. „Das waren Schüsse.“
„Vielleicht war’s ’ne Vision“, meinte Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia.
„Paßt mal gut auf“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn ernst. „Ich bin nach wie vor ganz richtig im Kopf, und ich habe noch alle Tassen dort, wo sie hingehören. Also, unterlaßt diese Anspielungen, klar?“
Der Kutscher griff ein.
„Du hast Batuti mißverstanden“, sagte er. „Du weißt doch, in Gambia glauben die Menschen an Magie. Batuti meint, es könnte sich um eins deiner Gesichter handeln.“
„Nein, es ist Tatsache.“
„Wir warten erst einmal ab“, sagte der Seewolf einlenkend. „Heute nacht können wir sowieso nichts unternehmen, Donegal. Ich werde den Teufel tun und jetzt einen Trupp an Land schicken, der die Küste abforscht.“
„Das würde ich auch nicht tun“, sagte der Alte. „Angenommen, es handelt sich bei den Musketenschützen um Schnapphähne. Wir würden ihnen glatt in die Arme laufen.“
„Morgen früh sehen wir weiter“, sagte der Seewolf. „Wir suchen den Strand ab. Vielleicht finden wir noch Spuren.“
„Wenn der Sturm nicht alles fortgeblasen hat“, wandte Stenmark ein.
„Schon möglich“, erwiderte Hasard. „Wir werden sehen.“
„Wer ist so blöd und ballert mitten in der Nacht in der Gegend herum, dazu noch bei schwerem Wetter?“ fragte Paddy Rogers. Es war bekannt, daß er nicht der schnellste Denker war.
„Piraten“, erwiderte sein bester Freund Jack Finnegan.
„Welchen Grund sollten sie dazu haben?“ fragte Paddy.
„Na, sie könnten beispielsweise auf Beute gestoßen sein“, meinte Higgy. „Arme Teufel, die in Seenot geraten sind und in einer Bucht Schutz suchen.“
„Pfui“, sagte Paddy. „So eine Gemeinheit.“
„Wir müssen auf jeden Fall vorsichtig sein“, sagte Hasard. „Ben, schick noch zwei Wachen nach oben. Alle sechs sollen die Augen und Ohren offenhalten. Um vier Uhr werden sie abgelöst, und um acht Uhr ist wieder Wachwechsel.“
Ben wählte Piet Straaten und Jan Ranse. Die beiden enterten nach oben auf und verstärkten die Ausguckwachen. Hasard und die Mannen tranken noch ein wenig Rum, dann legten sie sich schlafen. Die ganze Zeit über mußte der Seewolf darüber nachdenken, was wohl an der Küste vorgefallen sein mochte. Hatten tatsächlich Piraten ein Schiff überfallen? Gab es da draußen etwa jemanden, der Hilfe und Beistand brauchte?
Erst der Morgen würde vielleicht die Antwort auf die Fragen bringen. Hasard fiel es nicht leicht, bis dahin auszuharren – und seinen Kameraden ging es genauso. Der Sturm indessen schien nicht abklingen zu wollen. Er heulte und orgelte weiterhin mit unveränderter Gewalt über die Küste.
Kapitän Burl Ives packte Farah Acton bei den Schultern und redete beschwörend auf sie ein. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. Der Tod ihres Vaters hatte sie wie ein schwerer Hieb getroffen. Noch stand sie unter der Einwirkung des Schocks – und das würde auch noch einige Zeit so bleiben.
Trotzdem gelang es Ives, dem Mädchen das Wichtigste auseinanderzusetzen: daß er von jetzt an als ihr Vater auftrat. Es ging um Farahs Leben, um ihre Ehre. Olivaro würde, sobald er von Ives die Schatulle ausgehändigt erhielt, zumindest für einige Zeit seine Kerle an der Kandare halten und ihnen verbieten, daß sie über das Mädchen herfielen.
Farah schluchzte und schluckte heftig. Sie fuhr zusammen, als sie die Gestalt eines Riesen hinter dem Rücken des Kapitäns hochwachsen sah.
„Himmel!“ schrie sie – und dann geistesgegenwärtig: „Vater!“
Olivaro stolperte in die Kammer, hielt sich am Pfosten des Schotts fest.
„Ist sie das?“ brüllte er. „Deine Tochter, Engländer?“
„Ja!“ erwiderte Ives.
Olivaro deutete auf den Toten, der undeutlich zwischen den Trümmern zu erkennen war. „Das war dein Bruder?“
„Ja!“
„Onkel!“ schluchzte Farah.
Sie bewies mehr Reaktionsfähigkeit, als Ives erwartet hatte. Trotz der prekären Lage atmete der Kapitän ein wenig auf.
„Her mit der Schatulle!“ fuhr Olivaro den Kapitän an. „Ich will mit meinen eigenen Augen sehen, ob du mich angeschwindelt hast, Hund!“
Ives verließ die Kammer und kroch im Mittelgang nach achtern. Der Wind schüttelte das Wrack, fast schien es, als würde es jeden Moment ganz auseinanderbrechen. Farah mußte Ives folgen. Olivaro dirigierte die beiden mit der Pistole vor sich her, die er vorher dem Kapitän abgenommen hatte.
Das Schott der Kapitänskammer war offen. Burl Ives arbeitete sich ins Innere vor, bis zur Koje. Hier richtete er sich auf. Farah war mit keuchendem Atem neben ihm. Olivaro richtete sich zu seiner vollen Größe auf und zielte mit der Pistole auf das Mädchen.
„Und jetzt raus mit dem Ding, oder sie ist als erste dran!“ fauchte er.
Burl Ives fuhr mit den Händen über die Holzverkleidung an der Kopfseite der Koje. Er verharrte und bewegte eine Zierleiste. Ein Geheimfach öffnete sich – nur einen Spaltbreit. Ives zerrte es ganz auf, dann förderte er die schwarze Schatulle zutage, in der sich seine Ersparnisse befanden.
Er reichte sie dem Piratenführer. Farah verfolgte es mit tränennassen Augen. Schlagartig begriff sie alles. Ives tat es für sie, um ihr zu helfen. Das werde ich ihm nie vergessen, dachte sie.
Olivaro riß die Schatulle an sich.
„Rührt euch nicht vom Fleck!“ befahl er. Er hielt Ives und das Mädchen weiterhin mit der Pistole in Schach. Mit der freien Hand öffnete er den Kasten.
Bisher hatte sich alles, was Ives gesagt hatte, als richtig erwiesen. Und es stimmte auch, daß Olivaro allein das Geheimversteck mit der Schatulle niemals gefunden hätte. Er hätte sich totsuchen können. Nun war die Frage, ob wirklich Geld darin war.
Der Deckel der Schatulle schwang auf. Münzen klirrten zu Boden. Die Schatulle war bis obenhin mit dicken, schweren Münzen gefüllt. Gold, dachte Olivaro, kein Zweifel. Dafür hatte er auch bei völliger Finsternis den richtigen Blick und Griff.
„Heb die Münzen auf!“ fuhr er das Mädchen an.
Farah Acton bückte sich und sammelte die Münzen ein, so schnell sie konnte. Sie erhob sich wieder und reichte sie dem Piraten. Grinsend nahm Olivaro das verlorene Geld in Empfang. Er legte es in die Schatulle und knallte den Deckel zu.
„Piaster und Dukaten“, sagte er.
„Ich habe dir also nicht zuviel versprochen“, sagte Ives.
„Stimmt. Woher hast du das Geld?“
„Ich habe es mir verdient und auf die hohe Kante gelegt.“
„Du bist der Eigner dieses Schiffes?“ wollte Olivaro wissen.
„Ja.“
Olivaro stieß einen Pfiff aus. „Das heißt, du hast in England noch mehr Geld, nicht wahr?“
Burl Ives zögerte absichtlich mit der Antwort. Er witterte eine Chance – für Farah und für sich.
Olivaro stieß einen ellenlangen Fluch aus und trat einen Schritt auf Farah zu. „Was ist, soll ich die kleine Hure ein bißchen kitzeln?“
„Nein!“ stieß Farah hervor.
„Ich habe noch mehr Geld“, erwiderte Ives endlich. „Daheim, in England.“
„Viel?“
„Einige tausend Piaster.“
Olivaro lachte. Oh, was für einen fetten Fischzug hatte er doch gelandet! Und nur er wußte von diesem Geld! Draußen betranken sich seine Kumpane mit dem Bier und dem Whisky, und sie ahnten nichts von dem, was ihnen durch die Lappen ging.
Olivaro schob sich die Schatulle unters Hemd.
„Weißt du, was ich glaube?“ sägte er glucksend. „Ich werde euch zurück nach England begleiten. Gemeinsam ist die Reise nicht so langweilig, und ich werde euch beschützen. Unterwegs könnte soviel passieren! Ihr glaubt gar nicht, was für schlimme Halunken und Galgenstricke es gibt.“ Er lachte wiehernd.
„Ich verstehe“, sagte Ives.
„Was verstehst du, Engländer?“ erkundigte sich Olivaro drohend.
„Du willst auch den Rest meines Geldes.“
„Was denn sonst?“ Der Anführer kicherte. „Das ist mein gutes Recht. Schließlich habt ihr mir zu verdanken, daß ihr noch am Leben seid. Und wenn euch weiterhin kein Härchen gekrümmt wird, ist auch das mein Verdienst. Dafür möchte ich bezahlt werden. Ist das etwa unverschämt?“
„Nein, das ist es nicht“, entgegnete Ives.
Olivaro stieß einen knurrenden Laut aus. „Ich hab’s ja gleich gewußt, wir verstehen uns prächtig. Los jetzt, wir haben hier genug Zeit verloren. Ab ins Lager. Da kriegt ihr was zu futtern, meinetwegen könnt ihr auch was von eurem Bier saufen.“
Kurz darauf traten die drei zu den Piraten ins Freie. Grölend hievten die Kerle die Fässer aus dem Laderaum und warfen sie in den Sand. Einige Fässer rollten auf dem Strand hin und her. Eins kullerte bis ins Wasser und drohte abzutreiben. Zwei Piraten rannten johlend hinterher und brachten es zurück an Land.
„Wäre doch schade, wenn uns was von dem kostbaren Zeug verloren ginge!“ schrie Guzman, der auch schon reichlich angetrunken war. „Ho, was haben wir für einen feinen Fang eingebracht!“
„Was Besseres hätten wir gar nicht erwischen können!“ johlte ein anderer Pirat.
Ives und das Mädchen tauschten einen Blick. Aber sie hüteten sich, auch nur ein Wort dazu zu äußern. Daß Olivaro das Geld für sich allein wollte, war ihnen gleich aufgegangen. Er würde den Teufel tun und mit seinen Kerlen teilen.
Allerdings – wenn die Piraten etwas davon erfuhren, daß Olivaro Geld unterschlug, war der Anführer geliefert. Wie die Haie würden sie über ihn herfallen.
Vielleicht kann ich diese Karte zu einem späteren Zeitpunkt ausspielen, dachte Ives.
Aber Olivaro wußte genau, was er riskierte. Lange durfte er nicht warten, sonst bestand die Gefahr, daß die beiden Gefangenen den Kumpanen gegenüber etwas ausplauderten. Er mußte die Engländer isoliert halten. Und sobald der Sturm nachgelassen hatte, würde er mit ihnen abhauen. Das war sein Plan.
Die Horde nahm einen Teil der Fässer mit, der Rest sollte am Morgen abgeborgen werden. Ein grölender Haufen setzte sich in Bewegung und marschierte durch den Sturm zurück zum Schlupfwinkel. Am Strand blieb die „Samanta“ zurück, die für den Vater Farahs zur tödlichen Falle und zur Ruhestätte zugleich geworden war.