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8.

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Trotz der Februarkälte wirkte das Wetter jetzt um die Mittagszeit ausgesprochen freundlich. Die Sonne zeigte sich von ihrer großzügigen Seite und überschüttete den Öresund mit gleißendem Licht. Das Wasser war verhältnismäßig ruhig, die Wellen kräuselten sich und bildeten kleine, weiße Schaumkronen.

Die Dänen ließen sich Zeit. Die Stunden verrannen, angezeigt durch das halbstündige Glasen der Schiffsglocke. Es ging bereits auf den Nachmittag zu, als sich vom Hafen her eine größere Jolle näherte.

„Aha, jetzt kriegen wir wohl endlich Besuch“, knurrte Old Donegal, der am Schanzkleid der „Isabella“ lehnte und die wärmenden Sonnenstrahlen genoß. „Der Lieutenant mußte wohl erst warten, bis der Hafenkapitän seinen Mittagsschlaf beendet hat.“

„Ach was!“ brummte Edwin Carberry ruppig. „Der hat bestimmt erst einige Schlampen aus seiner Koje gejagt.“

Der Profos hockte schon eine ganze Weile auf einer Taurolle und beäugte mißmutig die vier dänischen Schaluppen, die zurückgeblieben waren, um einen „Durchbruch“ der Galeone zu verhindern.

Hasard winkte ab.

„Wahrscheinlich haben die erst ein großes Palaver über ihr weiteres Vorgehen abgehalten“, sagte er. „Ich hoffe doch, daß ich dem Lieutenant deutlich genug erklärt habe, was ich von der Sache halte.“

Der Seewolf war nach wie vor verärgert – einmal, weil er diesem Schlitzohr Aage Svensson aufgesessen war, und zum anderen, weil die Dänen unbedingt auf ihrem verdammten Sundzoll beharrten und seiner Meinung nach viel zu faul und zu bequem waren, dem Betrüger das Handwerk zu legen.

Die Jolle hielt direkt auf die „Isabella“ zu und schor schließlich längsseits.

„Man sollte die Aasgeier gleich von der Jakobsleiter fallen lassen“, schlug der übelgelaunte Profos vor. „Wenn die ihre Strohköpfe erst abgekühlt haben, denken sie vielleicht vernünftiger.“

„Schluck’s lieber runter, Ed“, sagte der Seewolf. „Damit würden wir uns nur noch mehr Ärger einhandeln. Zunächst müssen wir mit den Dänen verhandeln. Irgendwie wird sich das Problem schon aus der Welt schaffen lassen.“

Edwin Carberry schickte abermals einen seiner gottergebenen Blicke gen Himmel und schluckte dann tatsächlich, als habe er soeben eine neue Rumsorte ausprobiert.

Der Lieutenant und der Hafenkapitän enterten an Bord. Außerdem vier der sechs Soldaten, die zur Besatzung der Jolle gehörten.

Der Hafenkapitän war ein dicklicher Mann mit einer riesigen Knollennase und kleinen, listigen Augen. Seine Blicke huschten flink über die Kuhl der „Isabella“ – offensichtlich, um sich einen ersten Eindruck von Schiff und Besatzung zu verschaffen.

Dann erst ließ er sich durch den Lieutenant dem Seewolf vorstellen, der sich seinerseits über die plötzliche Aktivitäten Edwin Carberrys wunderte, der eifrig an der Nagelbank des Großmastes herumhantierte.

Was, zum Teufel, will Ed mit all den Belegnägeln, die er sich auf die Arme packt? fragte sich Hasard. Aber eine einleuchtende Antwort fiel ihm beim besten Willen nicht ein. Außerdem hatte er keine Zeit mehr, sich damit zu befassen, weil er sieh einem „hohen“ Besuch widmen mußte.

Nils Larsen mußte wiederum als Dolmetscher amtieren.

„Nun, Kapitän Killigrew“, begann der Hafenkapitän mit einem süßlichen Lächeln, „der Lieutenant hat mir von dem Vorfall mit Aage Svensson berichtet. Ich bedaure die Sache außerordentlich, aber Sundzoll ist eben Sundzoll und muß gemäß der Order des dänischen Königs erhoben werden. Und soweit ich mich erinnere, hat sich auch England verpflichtet, diese Gebühr zu entrichten.“

Hasards eisblaue Augen blitzten zornig.

„Ganz recht, Sir! Und aus eben diesem Grunde habe ich für meine leeren Schiffsräume ganze achtzig Silbertaler an diesen Aage Svensson bezahlt, der sich mir gegenüber glaubhaft als Beauftragter der Zollbehörde ausgewiesen hat. Das ist fürwahr ein stolzer Preis dafür, daß man den Öresund durchsegeln darf.“

„Es tut mir leid, Kapitän“, sagte der Dicke, „aber dieses Geld ist nicht in die Kasse des Königs geflossen, sondern in die Hände eines Betrügers.“

„Dann zwingen Sie bitte diesen Betrüger, das Geld an Sie abzuliefern! Ich weigere mich jedenfalls, den Sundzoll ein zweites Mal zu entrichten.“

Der Hafenkapitän lächelte abermals sein süßliches Lächeln.

„Ich bewundere Ihren Mut, Kapitän Killigrew. Immerhin stehen mir genug Schiffe zur Verfügung, um die Zahlung notfalls zu erzwingen …“

„Wovon ich Ihnen allerdings sehr abraten würde“, unterbrach ihn Hasard. „Die Besatzung dieses Schiffes hat schon oft genug unter Beweis gestellt, daß sie sich auch durch eine Übermacht nicht einschüchtern läßt. Außerdem möchte ich Ihnen vorschlagen, Ihre Schiffe doch schleunigst gegen diesen Aage Svensson einzusetzen. Wenn es sieben meiner Männer bei Nacht und Nebel und ohne den Einsatz von Schußwaffen geschafft haben, acht Boote der schwedischen Küstenpiraten zu vernichten, dann sollte man doch annehmen, daß auch den zwölf Schaluppen, die Sie aufgeboten haben, ein gewisser Erfolg beschieden sein müßte.“

Der Hafenkapitän räusperte sich betreten, aber er behielt die Fassung, denn wie Hasard bald bemerken sollte, verfolgte er ein bestimmtes Ziel.

Vorerst aber zog ein kleiner Zwischenfall die Aufmerksamkeit der Männer auf sich.

Edwin Carberry schickte sich nämlich an, mit einem Arm voller Belegnägel die Kuhl zu überqueren. Und just in dem Augenblick, in dem er an den dänischen Soldaten vorbeimarschierte und den Blick wie ein frommer Pilger nach oben gerichtet hielt, da geschah es.

Ed schien plötzlich über irgendeinen unsichtbaren Gegenstand zu stolpern. Er fing sich zwar sofort wieder, konnte es aber zu seinem großen Bedauern nicht mehr verhindern, daß ihm sämtliche Belegnägel, die ziemlich groß und schwer waren, aus dem Arm glitten.

Was nun folgte, sollte den Seewölfen noch lange Anlaß für schadenfrohes Gelächter bieten. Und Ed selber bezeichnete es später als den „Dänischen Reigen“, denn die Belegnägel hüpften und tanzten augenblicklich auf den Decksplanken herum, daß es eine Art hatte. Und nicht nur das – sie trafen auch ziemlich schmerzhaft die Füße der Soldaten sowie des Hafenkapitäns und seines Lieutenants, die sich den kräftigen Hölzern sofort mit argen Wehlauten in ihren Hüpfbewegungen anschlossen.

Edwin Carberry aber verzog sein zernarbtes Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse.

„Bedaure“, sagte er artig, „aber ich bin über den verdammten Holystone gestolpert. Irgendein Rübenschwein hat ihn nicht beiseite geräumt.“

Es konnte zwar niemand auch nur die Andeutung eines solchen Scheuersteins erblicken, aber Ed war auf jeden Fall darüber gestolpert, daran gab’s nichts zu ändern.

Der Lieutenant aber, der auf einem Bein stand und mit schmerzlich verzogenem Gesicht einen Fuß anhob, wollte sich mit diesem Mißgeschick des Profos nicht abfinden. Er setzte nun den Fuß auf die Planken, schoß wie von einer Tarantel gestochen auf Ed zu und wollte ihn wutentbrannt am Kragen packen.

„Sie sollten diesen Tölpel zur Rechenschaft ziehen, Kapitän!“ fauchte er mit einem raschen Seitenblick auf Hasard.

Nils Larsen übersetzte diese Worte zwar nicht, aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen schien der gute Ed den Satz verstanden zu haben.

Jedenfalls schob er sein gewaltiges Rammkinn vor, legte eine eindrucksvolle Gewitterfalte über die Stirn und klopfte dem wütenden Lieutenant eins auf die Finger, bevor dieser ihn am Kragen packen konnte.

Dann schnappte er sich den blonden Dänen an der Uniformjacke und dem Hosenboden, trat einige Schritte auf das Steuerbordschanzkleid zu und hievte ihn darüber. Aber er ließ ihn nicht ins Wasser fallen.

„Sag das Ganze noch mal, du Sohn eines dreihöckrigen Kamels und einer plattfüßigen Bergziege!“ rief er, dröhnend.

Der Lieutenant zappelte und fluchte fürchterlich, aber so leicht konnte man sich den Pranken Carberrys nicht entwinden.

Die Soldaten zeigten bereits Anstalten, sich auf Edwin Carberry zu stürzen, aber der Hafenkapitän pfiff sie augenblicklich zurück.

Da konnte auch Hasard sein Eingreifen nicht mehr länger hinauszögern – allein schon, um den Anstand zu wahren und nicht noch mehr Ärger heraufzubeschwören.

„Laß ihn sofort los, Ed!“ rief er mit schneidender Stimme, obwohl er am liebsten gleich seinen Männern laut losgelacht hatte.

Der Profos hievte den zappelnden Lieutenant langsam und – wie es den Anschein hatte – genußvoll über das Schanzkleid zurück und stellte ihn wie eine Puppe auf die Planken.

„Dieses Männlein hat mächtig viel Glück gehabt“, sagte er dann mit tiefem Groll in der Stimme. „Normalerweise ziehe ich solchen Kerlen die Haut in schmalen Streichen von ihren karierten …“

„Ed!“ unterbrach ihn Hasard noch rechtzeitig, dann brachte er dem Hafenkapitän und dem mittlerweile kalkweißen Lieutenant sein Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck. Seltsamerweise machte auch er – gleich seinem Profos – einen Holystone für das Mißgeschick verantwortlich.

Augenblicke später hatte sich die Lage an Bord der „Isabella“ wieder normalisiert. Ed Carberry sammelte seelenruhig die Belegnägel auf und transportierte sie zum Erstaunen aller zur Nagelbank des Großmastes zurück, als habe sich sein ursprüngliches Vorhaben inzwischen erledigt.

Der Hafenkapitän aber versuchte, endlich zum Kern der Sache zu kommen, und sogleich ließ er die Katze aus dem Sack.

„Kapitän Killigrew“, begann er, „wie schon gesagt, imponiert mir die Besatzung Ihres Schiffes. Deshalb habe ich mir auch lange den Kopf darüber zerbrochen, inwieweit ich Ihnen – natürlich ohne meine Amtspflichten zu verletzen – in der leidigen Angelegenheit helfen könnte.“

„Aha!“ entfuhr es Hasard spöttisch. „Und darf man das Ergebnis Ihres Kopfzerbrechens erfahren?“

„Aber natürlich“, erwiderte der Dicke. „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Einen sehr vernünftigen Vorschlag, wie ich meine.“

Der Seewolf blickte den Hafenkapitän abwartend an.

„Lassen Sie Ihren Vorschlag hören!“ forderte er ihn auf. Im Grunde genommen war er davon überzeugt, daß der Dicke nur nach neuen Möglichkeiten suchte, um den Sundzoll doch noch kassieren zu können.

Aber der Vorschlag des Dänen ging in eine ganz andere Richtung.

„Ich bin bereit“, so fuhr der Dicke fort, „auf eine weitere Zahlung zu verzichten, wenn Sie mir behilflich sind, diesen Aage Svensson und seine Komplicen zu stellen. Der Lieutenant hat mir bereits von dem Zwischenfall in der vergangenen Nacht berichtet, und ich muß sagen, daß sich Ihre Männer wirklich prächtig geschlagen haben. Fünf zerstörte und drei versenkte Boote – das ist ein hervorragendes Ergebnis!“

Jetzt will er uns Honig um den Bart streichen! dachte Hasard. Und laut fragte er: „Wie stellen Sie sich das ‚Behilflichsein‘ vor, wenn man fragen darf?“

„Man darf“, sagte der Dicke. „Die Sache ist so: Um die schwedischen Schnapphähne wirklich fassen zu können, brauche ich einen Lockvogel, der sich Aage Svensson anbietet. Ich selbst werde mit meinen Schaluppen auf der Lauer liegen und eingreifen, sobald sich der Kerl blicken läßt, um vorab zu kassieren.“

„So ist das also“, sagte Hasard, verblüfft über die Dreistigkeit des Hafenkapitäns. „Und wenn ich Sie recht verstehe, möchten Sie gern, daß wir den Lockvogel für Sie spielen.“

„Sie haben es erfaßt! Natürlich denke ich dabei nicht an den Einsatz Ihrer Galeone, denn die dürfte den Schnapphähnen ja inzwischen bekannt sein. Als Lockvogel soll vielmehr eine kleine Galeone dienen, die ich drüben am Ise-Fjord bei Hundested, an der mittleren Nordküste von Seeland, liegen habe. Dieser Liegeplatz ist nur knapp dreißig Meilen von Helsingör entfernt, und ich wäre bereit, Ihre tapfere Crew noch heute mit Kutschen dorthin bringen zu lassen.“

„Sehr großzügig von Ihnen“, sagte Hasard voller Ironie. „Und wie haben Sie sich die Sache weiter ausgemalt?“

Der Hafenkapitän reckte stolz die Brust.

„Wichtig ist natürlich die Zeitabstimmung, denn die kleine Galeone müßte zuerst nordostwärts segeln und dann – wie es bei Ihrem Schiff der Fall war – von Norden her an Kullen vorbei in den Sund vorstoßen. Alsdann müßte man die Sache so einrichten, daß die Galeone am zwölften Februar gegen Abend querab von Höganäs stehen würde, weil Svensson in dieser Gegend am häufigsten sein Unwesen treibt. Wichtig ist selbstverständlich auch das Führen der englischen Flagge, denn an englische Schiffe wagen sich die Galgenvögel besonders gern heran, weil die meist keine Ahnung von ihren Machenschaften haben.“

Womit er gar nicht so unrecht hat, dachte der Seewolf. Ich bin schließlich auch auf diesen Svensson hereingefallen. Trotzdem – entweder war der Dicke sehr naiv oder aber reichlich ausgekocht. Er empfand es schlichtweg als eine Unverschämtheit von dem Hafenkapitän, ihn gewissermaßen zu Lockvogeldiensten pressen zu wollen.

Zu Nils Larsen, seinem Dolmetscher, sagte Hasard: „Frag doch den sehr ehrenwerten Hafenkapitän einmal, warum er seine glorreiche Idee mit dem Lockvogel nicht selbst längst in die Tat umgesetzt hat.“

Nils Larsen übersetzte, und Hasard brauchte auf die Antwort nicht lange zu warten.

„Für mein Stillhalten gibt es einige Gründe“, erklärte der Dicke treuherzig. „Der Ehrlichkeit halber muß ich auch sagen, daß mir bisher der Mut zum Eingreifen fehlte, denn die Schweden gelten als sehr ruppige Kämpfer. Außerdem hat Svensson verlauten lassen, er würde Helsingör eines Nachts niederbrennen, wenn man ihn nicht ab und zu den Sundzoll vorab kassieren ließe. Und das hat mich hauptsächlich dazu veranlaßt, nichts zu unternehmen. Man hat ja schließlich auch seine Verantwortung den Bürgern von Helsingör gegenüber.“

„Verantwortung – ha!“ entfuhr es Edwin Carberry, der mit verschränkten Armen an der Nagelbank lehnte. „Der Kerl hat ganz einfach Schiß, jawohl. Er hat die Hosen schon so voll, daß ihm die – äh – ich meine, daß ihm das Ganze schon über den Gürtel quillt!“

Nils Larsen übersetzte das natürlich nicht, zumal der dicke Hafenkapitän ohnehin schon – sei es aus Naivität oder Raffinesse – ein mitleidheischendes Gesicht zog.

Dem Seewolf aber ging es noch immer nicht in den Kopf, daß er für die Dänen die heißen Kastanien aus dem Feuer holen sollte.

„Wenn Sie Ihre Strategie verwirklichen wollten“, sagte er zu dem Hafenkapitän, „hätte doch sicherlich der Lieutenant die Lockvogelrolle übernehmen können. Dann wäre ebenfalls alles nach Ihrem Plan abgelaufen. Ich sehe nicht ein, warum gerade wir uns an diesem Spielchen beteiligen sollen.“

„Der Lieutenant hätte die Rolle sicherlich übernommen“, erwiderte der Dikke. Er verstand es meisterhaft, seine weiteren Worte in einem jammernden Tonfall vorzubringen. „Aber dann hätte ich keinen Offizier für das Schaluppenkommando gehabt. Darin liegt ja gerade der ganze Ärger.“

Für einen Augenblick war Hasard wie erschlagen. Mit der Mentalität des Hafenkapitäns konnte er einfach nicht mehr Schritt halten.

„Das ist natürlich ein sehr überzeugender Grund“, sagte er ironisch.

Der Dicke strahlte plötzlich.

„Ich hab’s doch gewußt, daß Sie meinen Vorschlag annehmen. Schließlich sparen Sie bei der Sache achtzig Silbertaler an Sundzoll!“

Hasard hob abwehrend die Hände.

„Langsam, Kapitän“, sagte er. „Noch habe ich Ihnen meine Entscheidung nicht mitgeteilt. Freuen Sie sich lieber nicht zu früh. Was meine Person betrifft, so muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht die geringste Lust verspüre, bei Ihrem Lockvogelspielchen mitzuspielen. Schließlich habe ich diese Seereise nicht angetreten, um mich mit schwedischen Schnapphähnen herumzuschlagen, nur weil sich die dafür Verantwortlichen nicht getrauen, den Kerlen das Handwerk zu legen. Aber bitte – meine Männer haben auch ein Wort mitzureden. Das ist bei uns an Bord so üblich.“

Abwartend blickte Hasard in die Runde, und im selben Moment wußte er schon, was die Stunde geschlagen hatte. Bereits jetzt schon sah er überall nur grinsende Gesichter. Na, da hätte er sich seine Frage auch sparen können. Man sah den Kerlen schon mehrere Meilen gegen den Wind an, daß es ihnen gewaltig in den Fäusten juckte.

Der ruhige und besonnene Ben Brighton äußerte sich als erster.

„Nun ja“, sagte er, „die Sache würde mich schon reizen. Nicht, daß ich etwa Mitleid mit diesen Angsthasen hier hätte oder gar den ach so großzügig erlassenen Sundzoll abarbeiten möchte, o nein, aber diesem Aage Svensson möchte ich doch zu gern zeigen, was ich von ihm halte. Schließlich geht es ja nicht an, daß uns dieser windige Bursche das Geld abluchst und uns außerdem noch die Ankertrosse kappen läßt, um uns nach dem erhofften Aufbrummen noch mal auszunehmen. Ich wäre bereit, mit zehn Männern die kleine Galeone zu übernehmen und den Lockvogel zu spielen!“

Ben erntete für seine Worte rundum beifälliges Kopfnicken. Offenbar hatte er den meisten Seewölfen aus der Seele gesprochen. Und da ihnen die „Isabella“ ja gemeinsam gehörte, hatten sie alle auch ein Wörtchen mitzureden.

Und das taten sie auch.

Hasard winkte schließlich ab.

„Ihr seid ja alle nicht mehr zu retten“, knurrte er. Und im selben Augenblick entschloß er sich, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn der dicke Hafenkapitän schon Schützenhilfe kriegen sollte, dann sollte wenigstens auch etwas für die Seewölfe herausspringen.

Mit einem reservierten Lächeln wandte er sich an den Dicken.

„Sie haben die Entscheidung meiner Leute gehört“, sagte er. „Wir sind demnach bereit, Sie auf der Jagd nach Aage Svensson zu unterstützen, aber wir knüpfen an unsere Zusage noch eine Bedingung.“

„Sehr schön!“ Der Hafenkapitän rieb sich erfreut die Hände. „Schießen Sie los, Kapitän Killigrew, lassen Sie Ihre Bedingungen hören.“

„Wir werden den Sundzoll natürlich kein zweites Mal entrichten“, begann Hasard, „das dürfte ja bereits klar sein. Außerdem bitte ich mir für alle zukünftigen Fahrten durch den Öresund absolute Zollfreiheit aus. Und das möchte ich schriftlich haben! Wenn wir schon die Dreckarbeit für Sie leisten, weil Ihnen selber der Mumm dazu fehlt, dann tun wir das zumindest nicht umsonst!“

Zuerst reagierte der Hafenkapitän etwas verdutzt und sah den Lieutenant fragend an. Als dieser jedoch leicht nickte, blitzten seine kleinen Augen unternehmungslustig auf. Über sein feistes Gesicht huschte ein zufriedenes Grinsen.

„Diese Bedingungen nehme ich an, Kapitän“, sagte er. „Sie werden für alle zukünftigen Fahrten keinen Sundzoll mehr bezahlen! Ich lasse Ihnen einen schriftlichen Revers ausfertigen, und zwar sofort.“

„Na also“, sagte Hasard. „Dann wären wir uns soweit einig. Nun müssen wir nur noch die kleine Lockvogelschar zusammenstellen, damit es auch kräftig zwitschert, wenn dieser Mister Svensson seine geldgierigen Hände aufhält.“

Über diesen Punkt gab es keine langen Debatten. Sobald der Hafenkapitän den entsprechenden Revers unterschrieben hatte, ging Ben Brighton mit zehn Männern von Bord – mit Edwin Carberry, Dan O’Flynn, Roger Brighton, Al Conroy, Stenmark, Mac Pellew, Matt Davies, Bob Grey, Luke Morgen und Gary Andrews.

Auf eine größere Waffenausrüstung verzichtete die kleine Crew, weil der Hafenkapitän versichert hatte, daß sich bereits genügend Waffen und Proviant an Bord der Galeone befänden.

Der bullige Profos grinste, als er mit den anderen von der „Isabella“ abenterte.

„Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen“, meinte er, „daß ich in einer vornehmen Kutsche über Land gefahren werde wie ein Lord oder ein Beauftragter der guten Lissy. Gewitter und Kabelgarn, hoffentlich spannen die Blondschöpfe auch ein paar schnelle Pferdchen an die Deichseln, sonst setze ich den Kutschen glatt ein Segel aufs Dach!“

Seewölfe Paket 16

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