Читать книгу Bomba bei den Pygmäen - Roy Rockwood - Страница 6
3 Die wirbelnden Trommeln
ОглавлениеDie Krieger senkten ergeben die Köpfe.
„Azande hat gesprochen“, wiederholten sie im Chor.
Sie gehorchten diesem Befehl nicht widerstrebend, denn der Mut und die Opferbereitschaft des Fremden hatten einen starken Eindruck auf sie gemacht.
Azande rief Momku, den Medizinmann des Stammes, herbei, und der Alte mit der pergamentartig zerfältelten Gesichtshaut behandelte Bombas Wunden mit einer selbstgefertigten Salbe und verband sie dann. Der Junge regte sich schwach, als man ihn auf ein schnell bereitetes Lager bettete. Einmal schlug er die Augen auf, doch sein Blick glitt ins Leere, und die Lider senkten sich wieder.
„Er wird am Leben bleiben“, verkündete der Medizinmann nach der Untersuchung. „Sein Schädelknochen ist nicht verletzt, und er ist jung und stark.“
„Er muss auch jung und stark gewesen sein, wenn er den großen Orang besiegen konnte“, erklärte Azande, der Häuptling, und wandte sich dann wieder an Gibo und Wafi, „Kommt mit uns; wir kehren in unser Lager im Dschungel zurück. Wir werden diesen Jungen, den ihr Bomba nennt, gut pflegen, bis er wieder gesund ist.“
Auch wenn die beiden den Worten des Häuptlings kein Vertrauen geschenkt hätten, wäre ihnen nichts anderes übriggeblieben, als Azandes Wunsch nachzukommen. ebenso gut hätte er die Worte in Form eines strengen Befehls aussprechen können, dann wären sie auch machtlos gewesen.
Der kleine Pygmäenjunge hatte inzwischen seinen Schrecken schon überwunden und kam jetzt herangesprungen, nachdem der Medizinmann auch seine Wunde behandelt hatte. Der Häuptling beugte sich zärtlich nieder und fuhr liebkosend über den wolligen Kopf des Kindes.
„Den Göttern sei Dank, dass Negongwe am Leben geblieben ist“, murmelte er.
„Das ist ein guter Mann“, erklärte das Kind mit seinem schrillen Stimmchen. „Er hat den Orang getötet — dieses häßliche große Tier, das auf mich losgestürzt ist und dabei so schrecklich gebrüllt hat.“
„Ja“, stimmte Azande zu. „Bomba ist gut und tapfer. Er hat Azandes Neffen das Leben gerettet.“
Gibo und Wafi schauten einander vielsagend an. Wenn dieser kleine Junge der Neffe des Häuptlings war, dann änderte das natürlich die ganze Situation. In diesem Falle war zu erwarten, dass der Häuptling sein Versprechen halten und ihnen Schutz und Beistand gewähren würde, bis Bomba wieder gesund war.
Der Marsch durch den Dschungel verlief ohne Zwischenfälle, und die Weiber und Kinder im Dorf, die den Fremden zuerst feindselig entgegenblickten, änderten ihre Haltung sofort, als sie hörten, was geschehen war. Verwundert starrten Gibo und Wafi auf die dreißig oder vierzig bienenkorbartig geformten, kleinen Hütten, die auf der Lichtung standen. Die Eingänge waren so niedrig, dass große Männer wie Wafi selbst auf Händen und Füßen nur mit Mühe ins Innere gekommen wären.
Kaum waren sie eine halbe Stunde im Dorf, als der Häuptling auch schon seinen Medizinmann und die Krieger zusammenrief. Die Bahre mit dem noch immer bewusstlosen Bomba stand auf dem freien Platz vor dem Häuptlingshaus, und hier sollte auch jene eigentümliche Zeremonie vonstatten gehen, die zur Heilung des Kranken vorgenommen wurde.
Zuerst beugte sich Momku über den Ohnmächtigen und bewegte beschwörend die Arme. Seine Stammesangehörigen hatten sich inzwischen in einer langen Schlangenreihe formiert und begannen jetzt in einem seltsamen Hüpf- und Schreittanz um die Bahre herumzugehen, um die bösen Geister zu vertreiben, die angeblich im Innern von Bomba ihr Unwesen trieben.
Jetzt mischte sich Trommelschlag in das Scharren der Schritte. Die Krieger stampften und tanzten vor der Hütte ihres Häuptlings umher, und ihre Bewegungen wurden wilder und ekstatischer. Noch lauter wurde der Trommelwirbel — noch schneller der Takt, den die Füße schlugen. Die Männer hoben ihre Waffen und ließen sie klappernd gegeneinanderschlagen.
Vier der kräftigsten Krieger hatten inzwischen die Bahre aufgehoben, und jetzt eilten sie im Laufschritt zu einer großen Hütte hin, die ziemlich am Ende des Dorfes stand.
„Wohin wollen sie unseren Bomba bringen?“ fragte Gibo misstrauisch.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Wafi.
Auch ihm kam die Sache nicht ganz geheuer vor. Doch in diesem Augenblick trat Azande auf sie zu und sagte:
„Kommt mit, ich werde euch zu Bomba führen.“
Er führte sie zu der Hütte des Medizinmannes, die etwa fünf Fuß hoch und zehn Fuß lang war. Auf einem Lager aus Gras und Laub lag Bomba im Innern der Hütte, und zu seinen Füßen kauerte Momku, der verhutzelte, alte Medizinmann, der jetzt mehr denn je einem haarigen Affen glich.
Als die beiden eintraten, öffnete Bomba zum ersten Male die Augen, und ein Jubelruf drang über Gibos Lippen.
„Bomba ist erwacht!“, rief er. „Den Dschungelgöttern sei Lob und Dank!“
„Was ist geschehen?“ fragte Bomba mit schwacher Stimme.
Gibo erklärte mit fliegender Hast, was sich inzwischen ereignet hatte, und Bomba schüttelte verwundert den Kopf, als könnte er die Fülle von Ereignissen in seinem umnebelten Gehirn noch nicht unterbringen.
Jetzt trat Azande ebenfalls in die Hütte und wandte sich an den Medizinmann.
„Wird der Fremde wieder gesund werden?“, fragte er.
„Das Feuer des Fiebers brennt in seinen Adern“, erklärte der Medizinmann. „Aber er wird am Leben bleiben.“
Der Häuptling wandte sich jetzt an Gibo und Wafi.
„Ein Leben für ein anderes Leben“, sagte er mit einem Klang von freudiger Genugtuung in der Stimme. „Als Gegengeschenk für das Leben des kleinen Negongwe geben wir, die Rothaarigen Pygmäen, euch das Leben eures Bomba zurück. Momku hat gesprochen: der Junge aus dem Dschungel wird leben.“
Azande und Momku verließen den Raum, und Gibo und Wafi hielten Wache am Bett des Jungen, der inzwischen schon wieder in erschöpften Schlaf gesunken war. Pygmäenfrauen kamen und brachten Essen, und als es Nacht wurde, lösten Gibo und Wafi einander bei der Wache ab. Sie wischten den Schweiß von Bombas Stirn und befeuchteten seine spröden, heißen Lippen mit Wasser.
Gegen Morgen, als Wafi gerade Wache hielt, hörte er einen seltsamen Trommelklang aus dem Urwald dringen. Als er aus der Hütte schaute, sah er, dass die Krieger schon auf den Beinen waren und dass der Häuptling hastig Befehle erteilte. Unruhig eilte Wafi ins Freie und an den kleinen Bienenkorbhäusern entlang, bis er vor dem Häuptling stand.
„Sage mir, Azande, was hat die Trommel zu bedeuten?“