Читать книгу Zeichentheorie - Rudi Keller - Страница 8
5 Freges repräsentationistische Zeichenauffassung1
ОглавлениеFrege hat seine Zeichentheorie in einer Reihe von Aufsätzen2Fabian dargelegt, deren wichtigster den Titel „Über Sinn und Bedeutung“ trägt. Ich werde die Grundgedanken der Fregeschen Zeichentheorie anhand dieses Aufsatzes darstellen und die übrigen Schriften da, wo es mir nötig erscheint, zur Erläuterung heranziehen.
Frege war in erster Linie Mathematiker und Logiker und erst in zweiter Linie Sprachphilosoph. Seine sprachphilosophischen Überlegungen sind im Wesentlichen motiviert von dem Bestreben, die Grundlagen der Mathematik und der Logik auf klare und stringente Weise zu formulieren. So war es offenbar unter Mathematikern seiner Zeit nicht selbstverständlich, „Form“ und „InhaltInhalt“3 klar zu unterscheiden; deutlich zu machen, ob von dem Zeichen für die Zahl (der Ziffer) oder von der Bedeutung des Zeichens (der Zahl) die Rede ist. Man sei dazu verleitet, schreibt Frege, „die Zahlzeichen selbst für die Zahlen, für die eigentlichen Gegenstände der Betrachtung zu halten, und dann wären ja freilich 7 und 2+5 verschieden. Aber eine solche Auffassung ist nicht zu halten, weil man gar nicht von irgendwelchen arithmetischen Eigenschaften der Zahlen sprechen kann, ohne auf die Bedeutung der Zahlzeichen zurückzugehen.“4 Mit anderen Worten, es ist unbedingt notwendig, „der Verwechslung von Form und Inhalt, von Zeichen und Bezeichnetem“5 entgegenzutreten. Allein, die Unterscheidung von Form und Inhalt reicht vielfach nicht aus, um einen Satz angemessen interpretiereninterpretieren zu können. Frege macht dies am Beispiel einer Identitätsaussage der Form a=b deutlich: „Ist sie [die Gleichheit] eine BeziehungBeziehung? eine Beziehung zwischen Gegenständen? oder zwischen Namen oder Zeichen für Gegenstände?“6 Wenn wir Form und Inhalt ordnungsgemäß unterscheiden, ergibt sich folgendes Dilemma: Nehmen wir an, die Aussage a=b sage etwas über die Zeichen aus, so ist sie evidentermaßen falsch. Denn das Zeichen a ist ja nicht identisch mit dem Zeichen b. Nehmen wir aber an, die Aussage sage etwas über die bezeichnetenbezeichnen Gegenstände aus, so besagt a=b per definitionem dasselbe wie die Aussage a=a. Denn wenn b identisch ist mit a, sollte man b durch a ersetzen können. Nun sind aber a=a und a=b „offenbar Sätze von verschiedenem Erkenntniswert“7 Eine Aussage der Form a=b, z.B. die Aussage Der Morgenstern ist identisch mit dem Abendstern, kann zu einer wertvollen Erweiterung unserer Erkenntnis führen, während a=a, also etwa die Behauptung Der Morgenstern ist identisch mit dem Morgenstern, uns nur sagt, was wir schon immer wussten, dass ein Ding mit sich selbst identisch ist. Was also will man mit einem Satz der Form a=b sagen? Dies ist das Problem, das Frege zu lösen sich vornimmt. Wie sieht nun seine Lösung aus?
Erinnern wir uns an das zu Beginn des vorigen Kapitels Gesagte: Wenn wir über Zeichen reden, so müssen wir drei Ebenen der Betrachtung vorsehen, die linguistische Ebene, die epistemologische Ebeneepistemologische Ebene und die ontologische Ebene; oder anders ausgedrückt, die Ebene der Sprache, die der Erkenntnis und die der Dinge. Das Fregesche Dilemma macht deutlich, dass es nicht ausreicht, die linguistische und die ontologische Ebene zu unterscheiden, um den Witz einer Aussage der Form a=b zu verstehen. Eine Aussage der Form a=b ist weder eine Aussage über die Sprache noch eine Aussage über die Welt; sie ist vielmehr eine Aussage über die Beziehung der Sprache zur Welt. Sie besagt weder ‚Das Zeichen a ist identisch mit dem Zeichen b’, noch ‚Das Ding ist identisch mit sich selbst‘, sondern sie besagt ‚Das Ding, das mit dem Zeichen a bezeichnet wird, ist identisch mit dem Ding, das mit dem Zeichen b bezeichnet wird‘. Die Art und Weise, wie ein Ding sprachlich repräsentiert ist, nennt Frege „die Art des Gegebenseins“.8 Der unterschiedliche Erkenntniswert von a=a und a=b „kann nur dadurch zustande kommen, dass der Unterschied des Zeichens einem Unterschied in der Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht“.9 Das heißt, mit einem Satz der Form a=b sagen wir, dass die Zeichen a und b unterschiedliche „Arten“ sind, ein und denselben Gegenstand zu „geben“. Frege führt nun eine aus heutiger Sicht etwas gewöhnungsbedürftige Terminologie ein, indem er sagt: „Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist.“10 Frege unterscheidet somit auf der sprachlichen Ebene die Zeichen, im wesentlichen Namen, Prädikate und Sätze, auf der begrifflichen Ebene den Sinn und auf der ontologischen Ebene die Bedeutung. In bezug auf die Fregesche Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung haben zwei Thesen Verbreitung gefunden. Die erste These lautet: Was Frege „Sinn und Bedeutung“ nennt, ist das, was gemeinhin „Intension und Extension“ genannt wird. Die zweite These ist: Was Frege „Sinn“ nennt, ist das, was gemeinhin „Bedeutung“ genannt wird.11LyonsBrekle Beide Thesen sind inkorrekt. Wir wollen uns nun diese Kategorien und Unterscheidungen genauer ansehen.
Zunächst ist eine Bemerkung erforderlich zum Verständnis des Gebrauchs der Ausdrücke Namen, PrädikatPrädikat und Satz. Namen sind nach Frege all diejenigen Bezeichnungen, „deren BedeutungBedeutung also ein bestimmter Gegenstand ist (dies Wort im weitesten Umfange genommen)“,12 also sowohl echte Eigennamen wie AristotelesAristoteles als auch andere referierende Ausdrücke und Kennzeichnungen wie der gegenwärtige Präsident der USA. Prädikate sind all diejenigen Ausdrücke, die eine Leerstelle mit sich führen, d.h. Ausdrücke, die ungesättigt sind, also etwa der Ausdruck ( ) schläft oder ( ) eroberte Gallien. (Die Leerstelle habe ich der Deutlichkeit halber durch eine leere Klammer gekennzeichnet.) Wird die Leerstelle eines Prädikats durch einen Namen gesättigt, entsteht ein Satz, also etwa Aristoteles schläft oder Caesar eroberte Gallien.
Es soll nun erläutert werden, was Frege als Sinn und was er als Bedeutung der Namen, Prädikate und Sätze ansieht. Für die Namen habe ich es schon angedeutet: Unter der Bedeutung des Namens versteht Frege den Gegenstand, auf den sich der Name bezieht. Dies ist, bezogen auf die natürliche Sprache, eine sehr ungewöhnliche Gebrauchsweise des Ausdrucks Bedeutung, denn ihr gemäß kann man von Bedeutungen ungewöhnliche Dinge aussagen, etwa dass sie aus Holz sind, oder tot, oder 25 Jahre alt, und dergleichen. Die Bedeutung des Namens Köln hat beispielsweise eine Million Einwohner, und die Bedeutung des Namens Gottlob Frege ist gestorben. Diese Terminologie mutet zwar zunächst befremdlich an, aber sie fügt sich, wie wir gleich sehen werden, zu einem konsequenten Gebäude; und für den Bereich der Mathematik, dem ja Freges Hauptinteresse galt, klingt es weit weniger befremdlich, etwa zu sagen, dass die Bedeutung des Zahlzeichens 4, ebenso wie die des Zahlzeichens 2+2 oder 16:4, die Zahl 4 ist. Zahlzeichen kann man beispielsweise ausradieren, die Bedeutung von Zahlzeichen kann man beispielsweise teilen. Die Bedeutung eines Namens ist also sein tatsächlicher Referent. Daraus folgt, dass nicht jeder Name eine Bedeutung hat. Die Namen Schneewittchen oder die größtmögliche Zahl oder 4:0 haben beispielsweise keine Bedeutung. Wohl aber haben diese Namen einen Sinn. „Der Sinn eines Eigennamens wird von jedem erfaßt, der die Sprache […] hinreichend kennt, der er angehört.“13 Man kann also sagen: Der Sinn eines Namens ist seine IntensionIntension und die Bedeutung ist seine ExtensionExtension.14Extension In bezug auf die eigentlichen Eigennamen hat dies eine Besonderheit zur Folge, die nicht ganz so unproblematisch ist, wie Frege anzunehmen scheint. „Man könnte z.B. als Sinn [des Eigennamens Aristoteles] annehmen: der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer dies tut, wird mit dem Satze ‚Aristoteles war aus Stagira gebürtig‘ einen anderen Sinn verbinden, als einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen.“15 Das heißt, wenn wir einen wirklichen Eigennamen verwenden, wissen wir nie, ob unser Gesprächspartner mit diesem NameNamen denselben Sinn verbindet. Aber dies schadet normalerweise auch nicht. „Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen sich diese Schwankungen des Sinnes ertragen“, glaubt Frege, denn es kommt uns bei der Verwendung von Eigennamen ohnehin meist nur auf die ReferenzfixierungReferenzfixierung an.16Aristoteles
Als erstes Zwischenfazit können wir festhalten: Jeder „grammatisch richtig gebildete Ausdruck, der für einen Eigennamen steht“,17 hat einen Sinn, nicht jedoch notwendigerweise eine Bedeutung. Die Bedeutung eines Namens ist sein Referent, der Sinn ist das, was man weiß, wenn man „die Sprache […] hinreichend kennt“.18 Frege nennt dies „die Art des Gegebenseins“. Die Bedeutung eines Eigennamens ist somit sprachunabhängig, der Sinn hingegen ist nur sprachbezogen zu fassen.
Betrachten wir nun Sinn und Bedeutung der Prädikate. Vom Verständnis der Verhältnisse beim Prädikat hängt das Verständnis des gesamten Fregeschen Theoriegebäudes ab. Eine etwas ausführlichere Darstellung ist deshalb geboten. Erinnern wir uns: Prädikate sind sprachliche Zeichen, die eine Leerstelle mit sich führen. Durch Sättigung dieser Leerstelle mit einem Eigennamen entsteht ein Satz. Sättigen wir das Prädikat eroberte Gallien mit dem Eigennamen Caesar, so erhalten wir den Satz Caesar eroberte Gallien. Prädikate sieht Frege in Analogie zu mathematischen Funktionsausdrücken. Mathematische Funktionen sind „unvollständig, ergänzungsbedürftig oder ungesättigt zu nennen. Und dadurch unterscheiden sich die Funktionen von den Zahlen von Grund aus.“19 Namen verhalten sich somit zu Prädikaten wie Zahlzeichen zu Funktionsausdrücken. Die FunktionFunktion 8:x2 ergibt, wenn sie mit 1 gesättigt wird, den Wert 8:12, also den Wert 8; mit 2 gesättigt ergibt sie den Wert 2, und mit 4 gesättigt den Wert 0,5 etc. Die Zahlen, mit denen die Funktion gesättigt wird, nennt man Argumente, und „das, wozu die Funkion durch ihr Argument ergänzt wird, den Wert der Funktion für dies Argument“.20 Der Wert der Funktion 8:x2 für das Argument 4 ist somit 0,5. Funktionen sind AbbildAbbildungen; die Funktion 8:x2 bildet 4 in den Wert 0,5 ab und –2 in den Wert 2.
Der Ausdruck 8:x2 ist eine „Art“, die FunktionFunktion 8:x2 zu „geben“; der Ausdruck (4+4):x² ist eine andere „Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins“ dieser Funktion. Das heißt: Die Funktionsausdrücke 8:x² und (4+4):x² haben verschiedenen Sinn, aber die gleiche Bedeutung, nämlich die Funktion 8:x² Es gibt zahllose Arten des Gegebenseins ein und derselben Bedeutung. Kehren wir nun zurück zur natürlichen Sprache.
Prädikate bezeichnenbezeichnen wie die Funktionsausdrücke der Mathematik Funktionen. Die Funktionen, die von Prädikaten der natürlichen Sprache bezeichnet werden, nennt Frege „Begriffe“. Die Bedeutung eines Prädikats wie eroberte Gallien ist also ein BegriffBegriff. Wenn der Begriff eine Funktion ist, so stellt sich die Frage, welches seine Argumente und welches seine Werte sind. Freges Antwort lautet: Begriffe sind Funktionen, die Gegenstände in Wahrheitswerte abbilden. Wird ein Begriff durch einen Gegenstand (= Argument) gesättigt, ergibt sich ein WahrheitswertWahrheitswert (= Wert). Die Bedeutung des Begriffs ‚eroberte Gallien‘ zu kennen, heißt somit zu wissen, welche Sättigung welchen Wahrheitswert ergibt; heißt beispielsweise zu wissen, dass der Wahrheitswert „wahr“ entsteht, wenn dieser Begriff die Person Caesar als Argument nimmt. Wird der Begriff ‚eroberte Gallien‘ hingegen durch Aristoteles gesättigt, ergibt sich der Wahrheitswert „falsch“. Das heißt natürlich nichts anderes, als zu sagen, die Behauptung des Satzes Caesar eroberte Gallien behauptet etwas Wahres und die des Satzes Aristoteles eroberte Gallien behauptet etwas Falsches. Als zweites Zwischenergebnis können wir somit festhalten: Prädikate bezeichnen Begriffe; d.h. die Bedeutung eines Prädikats ist ein Begriff.21Searle Ein Begriff ist eine Funktion, die, gesättigt mit einem Gegenstand, einen Wahrheitswert ergibt. Der Sinn eines Prädikats ist die Art des Gegebenseins seines Begriffs.
Ich habe bereits angedeutet, dass Sinn und Bedeutung nicht generell mit IntensionIntension und ExtensionExtension gleichgesetzt werden dürfen. Anhand der Prädikate wird dies deutlich. Die Bedeutung des Prädikats ist der Begriff und nicht die Extension des Begriffs, die Frege BegriffsumfangBegriffsumfang22 nennt. Die Extension eines Begriffs ist die Menge der Gegenstände, die unter den Begriff fallen. Die BeziehungBeziehung eines Begriffs zu seinem Umfang nennt er SubsumtionSubsumtion.23
Wir haben gesehen, dass zwar jeder sprachlich korrekt gebildete NameName einen Sinn hat, nicht jedoch notwendigerweise eine Bedeutung. Namen, denen kein Gegenstand entspricht, haben keine Bedeutung – beispielsweise Odysseus, Schneewittchen oder der gegenwärtige Kaiser von China. Stellen wir die analoge Frage bezüglich der Prädikate. Gibt es Prädikate, die zwar einen Sinn haben, nicht aber eine Bedeutung? Die Antwort sollte sein: Ja, und zwar solche Prädikate, die keinen Begriff bezeichnen. Was für welche sind das? Es sind nicht diejenigen Prädikate, die einen leeren Begriff bezeichnen, also etwa das Prädikat ist ein rundes Viereck! Denn ein Begriff, unter den kein Gegenstand fallt, dessen Extension 0 ist, ist zwar leer, aber dennoch ein Begriff. Es muss ein Begriff sein, um leer sein zu können! Ein Prädikat, das keinen Begriff bezeichnet, sollte nach allem, was bisher gesagt wurde, ein Prädikat sein, dessen Sättigung durch einen Namen keinen wahrheitswertdefiniten SatzSatz ergibt. Denn Begriffe bilden Gegenstände in Wahrheitswerte ab. So wie es Namen gibt, die „nur so tun“, als bezeichneten sie Gegenstände, so gibt es Prädikate, die „nur so tun“, als bezeichneten sie Begriffe, in Wahrheit aber Scheinbegriffe bezeichen. Ein echter Begriff muss für jeden beliebigen Gegenstand einen der beiden Wahrheitswerte „wahr“ oder „falsch“ ergeben; ist dies nicht der Fall, so handelt es sich nicht um einen Begriff. Leere Begriffe wie ist ein rundes Viereck ergeben für jeden beliebigen Gegenstand einen Wahrheitswert, nämlich den Wahrheitswert „falsch“. Sie erfüllen somit diese Forderung.
Frege schreibt in seinen nachgelassenen Schriften, ein Prädikat müsse „die Eigenschaft haben, durch jeden bedeutungsvollen Eigennamen gesättigt, einen eigentlichen Satz zu ergeben; das heißt, den Eigennamen eines Wahrheitswertes zu ergeben. Dies ist die Forderung der scharfen Begrenzung des Begriffs. Jeder Gegenstand muss unter einen gegebenen Begriff fallen oder nicht fallen, tertium non datur.“24 Das heißt, ein Begriff muss so klar sein, dass von jedem beliebigen Gegenstand eindeutig entscheidbar ist, ob er unter diesen Begriff fällt oder nicht. Damit erhebt Frege freilich eine Forderung, die von Begriffen der natürlichen Sprache nur selten erfüllt wird. Betrachten wir das Prädikat ist Wasser. Wenn ‚Wasser‘ ein Begriff im Fregeschen Sinne sein soll, so sollte eindeutig festgelegt sein, was unter den Begriff fällt und was nicht. Mit anderen Worten, es müsste eine scharfe Grenze geben zwischen Wasser und Nicht-Wasser. Nehmen wir an, reines H2O sei Wasser, und alles, was nicht reines H2O ist, sei Nicht-Wasser. Dieser Festlegung gemäß habe ich noch nie in meinem Leben Wasser getrunken und bin auch noch nie in Wasser geschwommen. Nehmen wir an, wir definieren den Begriff ‚Wasser‘ so, dass gewisse Zusätze in einer gewissen Konzentration erlaubt sind. Welche Zusätze und wieviele davon dürfen es sein? H2O + 5 % Essigsäure ist Essig; H2O + 0,005 % Essigsäure würden wir Wasser nennen. Irgendwo dazwischen liegt die Grenze. „Kannst du die Grenzen angeben?“ fragt WittgensteinWittgenstein, um darauf zu antworten: „Nein. Du kannst welche ziehen: denn es sind noch keine gezogen.“25 Für unsere alltägliche Kommunikation wäre es sehr lästig und hinderlich, wenn alle Prädikate unserer Umgangssprache Begriffe im Fregeschen Sinne bezeichnenbezeichnen würden.26Pinkal Die Unschärfe unserer Alltagsbegriffe ist kein Manko natürlicher Sprachen, sondern, wie wir in Kapitel 8 noch sehen werden, ein Vorteil.
Kommen wir nun zu der Frage, was Frege als Sinn und was als Bedeutung von Sätzen ansieht. Die Antworten ergeben sich aus dem bisher Gesagten nahezu von selbst: Werden Prädikate durch Eigennamen gesättigt, entstehen Sätze. Daraus folgt: Wird die Bedeutung eines Prädikats durch die Bedeutung eines Eigennamens gesättigt, entsteht die Bedeutung des Satzes. Die Bedeutung des Prädikats ist der Begriff; die Bedeutung des Eigennamens ist der Gegenstand. Der Begriff ist eine FunktionFunktion, die Gegenstände in Wahrheitswerte abbildet. Wird also der Begriff durch einen Gegenstand gesättigt, entsteht ein Wahrheitswert. Es ist verblüffend, aber folgerichtig, wenn Frege sagt: „So werden wir dahin gedrängt, den Wahrheitswert eines Satzes als seine Bedeutung anzuerkennen.“27 Eine andere Überlegung führt uns zu demselben Ergebnis: Wenn wir in einem Satz den Eigennamen durch einen anderen ersetzen, der die gleiche Bedeutung hat, so darf sich auch die Bedeutung des Satzes nicht ändern. Was aber bleibt konstant, wenn wir einen Namen durch einen anderen, der auf denselben Gegenstand verweist, ersetzen? Konstant bleibt der Wahrheitswert.28 Es gibt für Sätze folglich genau zwei mögliche Bedeutungen. „Ich verstehe unter dem Wahrheitswerte eines Satzes den Umstand, daß er wahr oder falsch ist. Weitere Wahrheitswerte gibt es nicht. Ich nenne der Kürze halber den einen das Wahre, den anderen das Falsche.“29
Erinnern wir uns, ein NameName ist ein sprachlicher Ausdruck, der auf einen Gegenstand verweist; und ein „Gegenstand ist alles, was nicht FunktionFunktion ist, dessen Ausdruck also keine leere Stelle mit sich führt“.30 Ein Satz ist ein solcher Ausdruck, der keine leere Stelle mit sich führt, denn ein Satz entsteht, wenn ein Prädikat gesättigt wird. Ein Satz ist somit ein Name! Er ist „als Eigenname aufzufassen, und zwar ist seine Bedeutung, falls sie vorhanden ist, entweder das Wahre oder das Falsche“.31 Das Wahre und das Falsche sind somit keine Eigenschaften, sondern Gegenstände, die der Satz bezeichnet. Ein Behauptungssatz ist ein Name des Wahren oder Falschen. (Interessanterweise wird eine solche Auffassung auch durch unseren umgangssprachlichen Sprachgebrauch gestützt: Man sagt Sie sagt die Wahrheit, wenn sie etwas Wahres sagt, aber nicht Sie sagt die Schönheit, wenn sie etwas Schönes sagt.) Den Sinn eines Satzes, also die Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins des Wahren oder Falschen, nennt Frege „GedankeGedanke“. Ein Satz drückt somit einen Gedanken aus und bezeichnet einen Wahrheitswert. Auch hier gilt: Ein Satz drückt, sofern er den Regeln der Sprache gemäß korrekt gebildet ist, einen Gedanken aus. Aber nicht jeder Satz bezeichnet notwendigerweise einen Wahrheitswert, das heißt, nicht jeder Satz hat eine Bedeutung im Fregeschen Sinne. Das gilt natürlich zunächst für alle nicht-assertiven Sätze, aber auch für einige assertive, nämlich für genau diejenigen Behauptungssätze, deren Prädikat keinen Begriff bezeichnet und/oder deren Prädikat mit einem Namen gesättigt ist, der keinen Gegenstand bezeichnet. Der Behauptungssatz Schneewittchen wog 73 kg hat keine Bedeutung, weil der Name Schneewittchen keine hat. Der von diesem Satz ausgedrückte Gedanke lässt sich so wenig auf seine Wahrheit hin beurteilen, wie sich Schneewittchen porträtieren lässt. Frege unterscheidet streng zwischen (i) dem Fassen eines Gedankens, (ii) dem Urteilen, d.h. dem Zuschreiben eines Wahrheitwertes, und (iii) dem Behaupten, d.h. der Kundgabe eines Urteils.32 „Wenn wir einen Gedanken innerlich als wahr annehmen, so urteilen wir; wenn wir solche Anerkennung kundgeben, so behaupten wir.“33 Daraus folgt: Der Satz Schneewittchen wog 73 kg lässt sich nicht behaupten. Denn über den Gedanken, den der Satz ausdrückt, lässt sich kein Urteil fällen, da der NameName Schneewittchen keinen Gegenstand bezeichnet und der Begriff, den das Prädikat wog 73 kg ausdrückt, nicht gesättigt ist. Wo ein Urteil nicht möglich ist, kann auch keines kundgegeben werden. Wer auch immer behauptet, dass Schneewittchen 73 kg wog, vollzieht also eine Scheinbehauptung!
Wir haben uns bezüglich der Theorie des AristotelesAristoteles gefragt, ob wir annehmen müssen, dass es sich um eine psychologische Bedeutungstheoriepsychologische Bedeutungstheorie handelt. Die Antwort war: Wir wissen es nicht, aber vieles spricht dagegen. Denn seine „Vorstellungen der Seele“ sind offenbar nicht als individualpsychologische innere Ereignisse konzipiert. Wenn es sich schon um eine psychologische Bedeutungstheorie handelt, so um eine entindividualisierte. Die analoge Frage können wir bezüglich Freges Theorie stellen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Fregesche Sinn dem nahekommt, was man gemeinhin Bedeutung nennt, so können wir fragen: Hat Frege mit seiner Konzeption des Sinns eine psychologische Bedeutungstheorie (Bedeutung im nicht-Fregeschen Sinne) vorgelegt? Eine positive Antwort könnte etwa folgendermaßen begründet werden: Den Sinn eines Satzes nennt Frege „Gedanke“. Ein Gedanke ist das Produkt des Denkens. Denken ist ein individualpsychologischer Vorgang. Der Sinn eines Satzes ist somit das Produkt eines individualpsychologischen Vorgangs. Also ist die Theorie des Sinns eine psychologische Theorie. Eine solche Argumentation wäre ganz und gar nicht in Freges Sinne. Frege macht uns die Antwort leichter als Aristoteles, denn er äußert sich, vor allem in seinem Aufsatz „Der Gedanke. Eine Logische Untersuchung“, explizit dazu.
Der Gedanke ist für Frege eine Kategorie der Logik, nicht der Psychologie. Der Sinn des Satzes, also der durch ihn ausgedrückte Gedanke, ist auch, wie wir später sehen werden, keine Kategorie der SemantikSemantik einer Sprache. Er ist nicht gleichzusetzen mit dem, was man gemeinhin SatzbedeutungSatzbedeutung oder SatzinhaltSatzinhalt nennt. Schauen wir uns Freges Erläuterungen genauer an. „Der Logik kommt es zu, die Gesetze des Wahrseins zu erkennen.“34 Die Psychologie hingegen befasse sich mit psychologischen Gesetzen, etwa denen des Fürwahrhaltens. Man könne „zu der Meinung kommen“, schreibt Frege, „es handle sich in der Logik um den seelischen Vorgang des Denkens, und um die psychologischen Gesetze, nach denen es geschieht. Aber damit wäre die Aufgabe der Logik verkannt; denn hierbei erhält die Wahrheit nicht die gebührende Stellung.“35 Wir sehen also, dass Frege das Wort Gedanke auf eine sehr spezielle Weise verwendet. Der Fregesche „Gedanke“ soll gerade nicht das Produkt des Denkens sein. Der Gedanke ist das, was wahr oder falsch sein kann, unabhängig davon, ob er je gedacht oder gar behauptet wurde. Denn „zum Wahrsein eines Gedankens gehört nicht, daß er gedacht werde“.36 Wie entstehen Gedanken, wenn nicht durch den Vorgang des Denkens, und wo befinden sie sich? Sie entstehen nicht, sondern sie sind da, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie sind zeitlos. Ihr Aufenthaltort ist weder der Kopf noch die Welt. „Die Gedanken sind weder Dinge der Außenwelt noch Vorstellungen. Ein drittes Reich muß anerkannt werden.“37 Was der Gedanke ist, charakterisiert Frege im Wesentlichen negativ. Die einzig positive Charakterisierung, die man geben kann, ist die bereits gegebene: Der Gedanke ist das, was man als wahr oder falsch beurteilt, wenn man ein Urteil fällt. „Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.“38 Tatsachen kann man weder hören noch sehen! „Daß die Sonne aufgegangen ist, ist kein Gegenstand, der Strahlen aussendet, die in mein Auge gelangen, ist kein sichtbares Ding, wie die Sonne selbst. Daß die Sonne aufgegangen ist, wird auf Grund von Sinneseindrücken als wahr erkannt.“39 Zum Wahren und somit zu den Tatsachen gelangt man, indem man über Gedanken Urteile fällt. Worin besteht das Denken eines Gedankens, wenn unter „denken“ nicht der Akt der geistigen Hervorbringung verstanden werden soll? Darauf kann Frege eine nur metaphorische Antwort geben: „Wir sind nicht Träger der Gedanken, wie wir Träger unserer Vorstellungen sind. Wir haben einen Gedanken, nicht, wie wir etwa einen Sinneseindruck haben; wir sehen aber auch einen Gedanken nicht, wie wir etwa einen Stern sehen. Darum ist es anzuraten, hier einen besonderen Ausdruck zu wählen, und als solcher bietet sich uns das Wort ‚fassen‘ dar. […] Beim Denken erzeugen wir nicht die Gedanken, sondern wir fassen sie.“40 Gedanken sind also weder in der Welt noch in unseren Köpfen. Sie bilden eine Welt für sich, und wenn wir denken, so fassen wir sie. Wir erzeugen sie nicht mit den Sätzen unsrer Sprache, sondern die Sätze drücken sie aus. Ein gefasster Gedanke muss weder ausgedrückt noch muss er Gegenstand des Urteilens sein. In dem Behauptungssatz Wenn ich Hunger habe, esse ich Leberwurst ist weder dem Vordersatz noch dem Nachsatz ein WahrheitswertWahrheitswert zugeordnet. Wer diesen Satz mit behauptender Kraft äußert, behauptet weder, dass er Hunger hat, noch, dass er Leberwurst isst! Beide Gedanken werden ausgedrückt ohne „Anerkennung“ eines Wahrheitwertes. Behauptet wird nur ihre Wenn-dann-BeziehungBeziehung.
Was spricht nun dagegen, den SinnSinn eines Behauptungssatzes als seinen InhaltInhalt zu betrachten? Dagegen spricht die enge Verbindung, die Frege zwischen dem Gedanken und den Wahrheitswerten schafft: Alles, was den Wahrheitswert nicht betrifft, ist nicht Teil des Gedankens. „Wörter wie ‚leider‘ oder ‚gottlob‘ gehören hierher.“41 Nur der wahrheitsfunktional relevante Teil des SatzinhaltSatzinhalts ist der Gedanke. So drückt etwa der SatzSatz Alfred ist noch nicht gekommen den gleichen Gedanken aus wie der Satz Alfred ist nicht gekommen. Mit dem noch „deutet [man lediglich] an, daß man sein Kommen erwartet“.42 Zum Wahrheitswert der Aussage trägt die angedeutete Erwartung des Sprechers hingegen nichts bei. Das Analoge gilt beispielsweise für das Won aber. Es „unterscheidet sich von ‚und‘ dadurch, daß man mit ihm andeutet, das Folgende stehe zu dem, was nach dem Vorhergehenden zu erwarten war, in einem Gegensatze. Solche Winke in der Rede machen keinen Unterschied im Gedanken.“43 Solche Winke sind jedoch durchaus Teil dessen, was man in nicht-Fregescher Terminologie die SatzbedeutungSatzbedeutung nennt. Wenn Frege sagt: „Ob ich das Wort ‚Pferd‘ oder ‚Roß‘ oder ‚Gaul‘ oder ‚Mähre‘ gebrauche, macht keinen Unterschied im Gedanken“,44 so macht dies unmittelbar deutlich, dass Frege mit seiner Kategorie des Sinns nur den extensionalen Aspekt der Wortbedeutung und somit der Satzbedeutung im Auge hat.
Der SemantikSemantik einer natürlichen Sprache, dem, was Frege den Inhalt nennt, gerecht zu werden, war nicht Teil der Bestrebungen Freges. Über den Inhalt sagt er nicht viel mehr, als dass er nicht mit dem Sinn identisch ist. „So überragt der Inhalt eines Satzes nicht selten den in ihm ausgedrückten Gedanken.“45 Was Frege Inhalt nennt, ist nicht Gegenstand seiner Untersuchungen. Aber aus seinen Ausführungen ergibt sich folgendes Bild: Wir fassen einen Gedanken mittels eines Satzes, der diesen Gedanken ausdrückt, und bezeichnen damit, wenn der Satz mit behauptender Kraft geäußert wird, das Wahre oder das Falsche. Dank welcher Eigenschaft ist der Satz in der Lage, den gefassten Gedanken auszudrücken? Oder anders gefragt: Welches ist das Kriterium des Sprechers für die Wahl eines Elements genau derjenigen Klasse von Sätzen, die den von ihm gefassten Gedanken ausdrücken? Frege stellt und beantwortet diese Frage nicht, aber es kommt nur eine Antwort in Frage: Das Kriterium der Wahl ist der Inhalt des Satzes. Er muss dergestalt sein, dass er den Gedanken auszudrücken im Stande ist. Der Inhalt „ist der Gedanke oder enthält wenigstens den Gedanken“.46 Der Sprecher muss die Wahl seines Satzes so treffen, dass der Inhalt des Satzes „wenigstens“ den Gedanken enthält. Der Gedanke ist außerindividuell und zeitlos, der Inhalt ist einzelsprachlich und somit zeitgebunden.
Ich will damit die Darstellung der Fregeschen Theorie über Sinn und BedeutungBedeutung abbrechen. Die Darstellung ist nicht vollständig; insbesondere fehlt der Teil, in dem sich Frege mit verschiedenen Typen von Nebensätzen befasst. Aber sie sollte ausreichen, um das Kategoriensystem Freges verständlich zu machen. Der Deutlichkeit halber will ich versuchen, einen schematischen Überblick zu geben, und zwar einmal aus der Perspektive der sprachlichen Zeichen und zum zweiten aus der des Sprechers.
Linguistische Ebene | Epistemische Ebene | Ontologische Ebene | |
Zeichen | Sinn | Bedeutung | |
(1) | Prädikat | Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins | Begriff |
(2) | Eigenname | Art des Gegebenseins | Gegenstand |
(3) | Satz | Gedanke | Wahrheitswert |
Ein Zeichen drückt seinen Sinn aus und bezeichnet seine Bedeutung. Wird ein Element der Reihe (1) durch ein Element der Reihe (2) der gleichen Spalte gesättigt, ergibt sich das Element der Reihe (3) der entsptrechenden Spalte. Das heißt:
Die Sättigung eines PrädikatPrädikats durch einen EigennameEigennamen ergibt einen Satz.
Die Sättigung des Sinns eines Prädikats durch den Sinn eines Eigennamens ergibt einen Gedanken.
Die Sättigung eines BegriffBegriffs durch einen Gegenstand ergibt einen WahrheitswertWahrheitswert.
Aus der Perspektive des Sprechers, der etwas behauptet, ergibt sich folgendes Bild:
Der Sprecher fasst einen Gedanken.
Er erkennt (möglicherweise) die Wahrheit des Gedankens an, d.h. er urteilt.
Er gibt (möglicherweise) das Urteil kund, d.h. er vollzieht eine Behauptung, indem er mit Wahrheitsanspruch einen Satz äußert, dessen Inhalt den Gedanken ausdrückt, d.h. diesen wenigstens enthält.
Frege hat damit ein konsistentes begriffliches Instrumentarium geschaffen, dessen zentrale Idee die der RepräsentationRepräsentation ist. Sprachliche Zeichen sind Mittel zur Repräsentation von Begriffen und Gegenständen, wobei man, wenn man Freges Theorie aus linguistischer Sicht adaptieren, ablehnen oder auch nur beurteilen will, sich stets vor Augen halten muss: Sie ist nicht geschaffen zum Zwecke der Beschreibung natürlicher Sprachen und schon gar nicht dazu, dem Vorgang des Kommunizierens gerecht zu werden. Sie beschränkt sich auf die wahrheitsfunktional relevanten Aspekte der Sprache. „Dem auf das Schöne in der Sprache gerichteten Sinne kann gerade das wichtig erscheinen, was dem Logiker gleichgültig ist.“47 Ich will die Beschränkung auf die repräsentationistische Sicht nicht kritisieren, sondern vielmehr ergänzen. Denn, um es noch einmal zu betonen, die Sprache dient uns zum Zwecke der Kategorisierung, der Repräsentation und der Kommunikation. Alle drei Aspekte gilt es im Auge zu behalten.
„Der Sinn eines Eigennamens wird von jedem erfaßt, der die Sprache […] hinreichend kennt, der er angehört“,48 schreibt Frege. Wir dürfen wohl annehmen, dass es in Freges Sinne ist, wenn wir diese Aussage verallgemeinern auf den Sinn sprachlicher Zeichen überhaupt, also auch auf den Sinn von Prädikaten und Sätzen. Um den Sinn eines Zeichens erfassen zu können, ist es notwendig, seinen Inhalt zu kennen und zu wissen, welcher Anteil daran wahrheitsfunktional relevant ist. Was kennt man, wenn man seine Sprache hinreichend kennt? Worin besteht das sprachliche Wissen, über das man verfügt, wenn man den Inhalt eines Zeichens kennt? Frege gibt darauf keine Antwort. Vom Inhalt interessiert ihn nur der Teil, der den Sinn ausmacht. Es gelingt ihm nicht einmal zu explizieren, was es heißt, einen Gedanken zu fassen. „Vielleicht“, so gesteht er, „ist dieser Vorgang der Geheimnisvollste von allen.“49 Frege gibt nicht vor, beschreiben zu wollen, wie wir Sätze verstehen.50Tugendhat Rein repräsentationistische Theorien sollten dies auch nicht vorgeben. Denn um dies leisten zu können, müssten sie immer noch erläutern, wie die Repräsentation zustande kommt! Sie müssten Platons Rätsel lösen, das er sich im Kratylos vorgenommen hatte. Eine Lösung dieses Rätsels scheint mir Wittgensteins heuristische Maxime zu ermöglichen: „‚Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt.‘ D.h.: willst du den GebrauchGebrauch des Worts ‚Bedeutung‘ verstehen, so sieh nach, was man ‚Erklärung der Bedeutung‘ nennt.“51 WittgensteinWittgenstein hat die Lösung des Rätsels in die Maxime bereits eingeschmuggelt: Die Bedeutung ist der Gebrauch. Dieser These will ich mich im nächsten Kapitel zuwenden.