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EINLEITENDE UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE ZUM THEMA „DENKEN“

ÜBLICHES DENKEN ÜBER DIE URSACHEN VON SCHÄDEN

Trotz der zunächst unüberschaubaren Vielfalt an Forschungsergebnissen kristallisierten sich im Laufe der ersten Berufsjahre grundlegende Befunde heraus, die mich zunächst auch selbst verblüfft haben. Die wesentlichsten Erkenntnisse aus dieser Zeit waren:

1. Die Menschen denken üblicherweise monokausal. Sie glauben, dass jeder Schaden eine ganz bestimmte Ursache hat. Die wissenschaftlichen Untersuchungen ergaben jedoch: Schäden und Leid entstehen niemals durch eine einzige Ursache, sondern immer durch ein Zusammenwirken von verschiedenen Ursachen,

- die, jede für sich allein, harmlos sind,

- die u. U. jahrelang vorhanden sind,

- die zunächst nichts miteinander zu tun haben,

- die meist durch eine Kleinigkeit miteinander verknüpft werden,

- deren Verknüpfung nicht bedacht und nicht vorhergesehen wird1.

2. Die Menschen denken, dass man mit der Einführung einer Sicherheitsmaßnahme das Risiko reduzieren kann. Tatsächlich reduziert jede neu eingeführte Sicherheitsmaßnahme das alte Risiko, aber sie erzeugt ein neues Risiko, weil sich mit der höheren Sicherheit das Verhalten der Menschen ändert. Sie gehen neue Wagnisse ein. Die Folge davon ist: Die Summe aller Risiken bleibt immer gleich. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen „Risikohomöostase“. Der Volksmund drückt es so aus: „Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.“

3. Die Menschen denken vorwiegend, dass Schäden und Leid durch plötzliche und unvorhersehbare Ereignisse (Untat, Unfall oder Unglück) verursacht werden. Tatsächlich entstehen sie aber primär durch anhaltende und deshalb beobachtbare Zustände (Unwissen, Unachtsamkeit, Unsinn, Untugenden oder Unvermögen), d.h. durch fehlerhaftes Denken. Diese Zustände rufen schließlich die Ereignisse hervor2.

4. Die Menschen haben auf Grund ihres traditionellen Denkens zu viel Angst vor externen Bedrohungen (früher: Geister, Dämonen, Götter, Hölle, Fluch, Hexen; heute: Klimawandel, Weltwirtschaftskrise, Viren, höhere Gewalt, Terrorismus) und zu wenig Angst vor den entscheidenden internen Bedrohungen (Vorurteile, Betriebsblindheit, Selbstüberschätzung, Kurzfristdenken, Oberflächlichkeit, u.v.a.m.).

5. Traditionelles Denken bewirkt zu viel Vertrauen auf materielle Sicherheiten (u.a. Besitz, Geld, Mauern, Alarmanlagen, Airbag, Waffen) und legt zu wenig Wert auf die entscheidenden immateriellen Sicherheiten (u.a. Wachheit, Selbstkritikfähigkeit, innere Stimme, Veränderungsbereitschaft, Zuversicht, Weltoffenheit, Weisheit).

Das angesammelte Wissen über Risiken, Gefahren, Schäden und Katastrophen prägte über die vielen Jahre nicht nur mein berufliches, sondern auch mein privates Leben. Die lichtvollen Seiten des Lebens traten in den Hintergrund und die Schattenseiten bekamen einen immer bedrohlicheren Stellenwert. Sie begannen sogar ein tendenziell manisches Potential zu entwickeln.

Ab 2010 konnte und wollte ich mich von den Negativszenarien lösen, um nicht schwermütig zu werden. Ich beschloss, all die angesammelten Antworten auf die Frage „Warum geht etwas kaputt?“ zu verwenden, um daraus völlig neue Schlüsse zu ziehen. Ich war mir sicher, dass mein „altes“ Wissen ein wertvoller Schlüssel für die Antwort auf die Frage war: „Wie entsteht Erfolg?“. Die neuen Forschungsthemen wurden daraufhin:

- Anastrophenschutz (Anastrophe als Gegenteil von Katastrophe)

- Chancenmanagement (als Weiterentwicklung von Risikomanagement)

- Denken (als Vorstufe von Handeln).

Dabei entstand eine neue Neugier, eine neue Freude am Leben und an den Mitmenschen. Und dieses Buch.

ÜBLICHES DENKEN ÜBER DIE URSACHEN VON ERFOLG UND MISSERFOLG

Auf der Suche nach entscheidenden Wesenszügen im Denken, die entweder zu Erfolg oder zu Misserfolg führen, bin ich auf wichtige Verhaltensmuster gestoßen. Es handelt sich um die Arten und Weisen, wie Menschen beurteilen, ob sie eine Kontrolle haben über ein Ereignis, das ihnen widerfährt. Man kann es auch anders formulieren: ob sie sich selbst als Verursacher fühlen für ihre Erfolge und Misserfolge oder ob sie andere dafür verantwortlich oder schuldig machen. Die Psychologen benennen diese Art der Ursachenzuweisung mit den Begriffen ‚Kontrollüberzeugung‘ und ‚Attributionsstil‘.

Wird eine Person nach einem persönlich erlebten Erfolg bzw. nach einem Misserfolg gefragt, wer oder was dieses Ereignis verursacht hat, dann sind prinzipiell folgende fettgedruckten Zuweisungen (Attributionen) alternativ möglich:

- entweder internal („Ich“) oder external („Andere“),

- entweder temporär („Dieses Mal“) oder permanent („Immer“).

Je nachdem, wie nun die Zuweisungen miteinander kombiniert werden, ergeben sich vier einfache Attributionsstile für Erfolg:

a) internal mit temporär, z.B.: „Ich habe mich dieses Mal mächtig angestrengt.“

b) internal mit permanent, z.B.: „Das fällt mir leicht, dafür habe ich ein Talent.“

c) external mit temporär, z.B.: „Meine Frau hat mir diesen guten Rat gegeben.“

d) external mit permanent, z.B.: „Meine Mitarbeiter sind immer hochmotiviert.“

und vier einfache Attributionsstile für Misserfolg:

e) internal mit temporär, z.B.: „Ich habe mich nicht gut vorbereitet.“

f) internal mit permanent, z.B.: „Ich bin schon immer der geborene Pechvogel.“

g) external mit temporär, z.B.: „Mein Berater hat übersehen, dass ….“

h) external mit permanent, z.B.: „Meine Kollegen denken alle immer nur an sich.“

Diese acht Attributionsstile (a bis h) sind in der Tabelle 1 als gelb markierte Felder dargestellt. Jeder dieser Stile hat ein symptomatisches Verhalten zur Folge (grün markiert). Wenn diese Folgewirkungen in angemessenem Umfang, also nicht zu wenig und nicht zu viel, eintreten, dann helfen sie den Personen, sich weiter zu entwickeln.

Tabelle 1 Acht einfache und gebräuchliche Attributionsstile


Meine anfänglichen Recherchen erfassten das Verhalten von hunderten von Menschen aus meinem beruflichen, privaten und öffentlichem Umfeld, die ich persönlich befragt habe. Außerdem wertete ich auch hunderte Aussagen von überregional bekannten Sportlern, Politikern und sonstigen Prominenten aus, die von Journalisten nach den Gründen für ihre Erfolge und Misserfolge gefragt wurden.

Die folgenden Ergebnisse stellen somit einen möglicherweise repräsentativen Querschnitt der verschiedenen Verhaltensmuster in Deutschland dar:

- Manche Menschen attribuieren bzw. hinterfragen gar nicht; sie machen sich keine Gedanken darüber, warum was wann und wie passiert ist; d.h. sie erleben keine Lerneffekte und entwickeln sich nicht weiter.

- Die meisten geben sich mit einem einzigen Feld (von a bis h) zufrieden. Das ist meist dasjenige, das ihnen als erstes in den Sinn kommt. Sie nehmen die Wirklichkeit nur ausschnittsweise wahr; ihr Lerneffekt ist gering.

- Manche nützen mehrere Felder, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass ein Attributionsstil allein zu engstirnig ist. Sie können sich deshalb leichter weiterentwickeln.

- Nur ganz wenige machen sich die Mühe, jedes Mal in allen acht Feldern nach Ursachen zu suchen; das ist ideal für eine erfolgsorientierte Weiterentwicklung!

- Manche favorisieren bestimmte Felder und vernachlässigen die anderen Felder; sie blenden einen Teil der Wirklichkeit aus und vergeben sich einige Chancen.

- Manche meiden strikt ganz bestimmte Felder; das werden ihre sog. blinden Flecke; diese sind häufig an größeren Unglücken beteiligt.

- Die meisten Menschen attribuieren mit einem für sie charakteristischen Attributionsstil über sehr lange Zeit, manche sogar ein Leben lang. Es kann jedoch sein, dass sich der Stil zwischen ihren einzelnen Lebensbereichen (wie z.B. Beruf, Sport, Partnerschaft oder Geldgeschäfte) unterscheidet.

Leider erfahren die Menschen – meist schon als Kinder – negative Prägungen, siehe Kapitel ‚Innere Antreiber und Innere Bremser‘, die sie daran hindern, diese acht Attributionsstile a) bis h) frei und in ausgewogenem Umfang zu wählen. Wer deshalb einen oder mehrere Attributionsstile zu wenig oder zu viel anwendet, zahlt jeweils einen hohen Preis dafür, siehe waagrechte Pfeile in der Tabelle. Diese Konsequenzen (rot markiert) führen alle zu einer Blockade der Entwicklung der Persönlichkeit. Diese Blockade ist besonders dann folgenschwer, wenn das Zuwenig oder Zuviel zu einer Gewohnheit wird.

Diese negativen Folgewirkungen kann jeder Leser (und auch ich selbst) an der eigenen Lebensgeschichte beobachten. Aber viel leichter und unterhaltsamer ist es, sie bei vielen seiner Mitmenschen zu studieren. Die dabei beobachtbaren Folgewirkungen Überlastung, Selbstüberschätzung, Aggression, etc. lassen rückschließen, welche Attributionsfehler sich der Einzelne angewöhnt hat. Diese Erkenntnis kann nicht nur helfen, die Betroffenen zu beraten, sondern auch die eigene Erfolgsorientierung schrittweise zu verbessern.

Wichtig für die erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung ist somit die Nutzung aller acht Attributionsstile in einem ausgewogenem Verhältnis.

In der Praxis allerdings neigen die meisten Menschen nach einem Misserfolg spontan zum externalen Zuweisen. Das heißt, sie neigen dazu, die Schuld bei anderen zu suchen, wenn sie nach dem Grund für den Misserfolg gefragt werden. Beispiele:

- Autofahrer: In über 90 % ihrer Verkehrsunfälle sehen sie die Schuld bei Anderen.

- Geschiedene: Bei über 90 % war der Partner an ihrer Scheidung schuld.

- Politiker: Bei über 90 % wird Anderen die Schuld am Nichterreichen eines Ziels gegeben.

- Manager: Über 90 % geben Anderen die Schuld an Verlusten.

- Fußballspieler: Bei über 90 % ihrer Fouls ist der Gegner schuld oder wird dem Schiedsrichter ein Fehler unterstellt.

- Bei streitenden Kindern ist in über 90 % der Streitfälle das andere Kind schuld.

Offensichtlich gibt es nach Misserfolgen keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Denken von Erwachsenen und dem von Kindern. Dass die Menschen im ersten Augenblick des Erkennens eines Misserfolgs die Schuld nicht gerne bei sich suchen, ist nicht überraschend. Die Ursachenzuweisung ist jedoch bei denselben Personen völlig gegenläufig, wenn sie nach den Gründen für ihre Erfolge gefragt werden. Dann sehen sie die Ursachen nicht bei Anderen, sondern fast nur in ihrer eigenen Person begründet. In diesen Fällen attribuieren sie nicht external, wie bei den Misserfolgen, sondern internal.

Dieselben Personen verhalten sich erneut inkongruent, wenn sie nach den Ursachen von Erfolg und Misserfolg von anderen Menschen gefragt werden. Deren Erfolge werden überwiegend external attribuiert („Naja, das hätte er alleine nie geschafft.“) und deren Misserfolge internal („Ich hab’s ja vorher gewusst: Er ist völlig ungeeignet.“). Auch an diesen inkongruenten Zuweisungen kann man misserfolgsorientierte Menschen erkennen.

Spannend wird es, wenn man das weitere Nachdenken verfolgt. Normalerweise kommen nach Misserfolgen allmählich einige Selbstzweifel und man überlegt sich, ob man nicht doch irgendwie / irgendwann / irgendwas hätte anders machen können, um den Misserfolg zu vermeiden. Und nach Erfolgen, bei denen Andere mitgewirkt haben, kommt dann – hoffentlich doch noch – das Gefühl der Dankbarkeit, so dass man sich bei den Unterstützern in angemessener Form erkenntlich zeigt (siehe auch meine Danksagung am Ende des Buches).

Wie gut dieses Nachdenken funktioniert, das entscheidet letztlich darüber, welcher Erfolgstyp man im Verlaufe des Lebens wird:

- Dauerhaft erfolgreiche Menschen suchen bei jedem Erfolg und bei jedem Misserfolg zuerst die Ursache bei sich (internal), danach auch external. Gleichermaßen verfahren sie, wenn sie nach den Erfolgen / Misserfolgen von anderen Menschen gefragt werden.

- Dauerhaft misserfolgreiche Menschen suchen bei eigenem Erfolg die Ursache nur internal, und bei eigenem Misserfolg nur external. (Bei fremdem Erfolg / Misserfolg verhalten sie sich meist umgekehrt.) Sie neigen darüber hinaus zu den Verallgemeinerungen wie „immer“ und „nie“.

ÜBLICHES DENKEN VON FÜHRUNGSKRÄFTEN IN DER WIRTSCHAFT

Anfangs der 1990er Jahre hatte ich angenommen, dass ich die besten Beispiele für ein dauerhaft erfolgreiches Verhalten am ehesten in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft finde. Auf der Suche nach solchen aktuellen und bedeutenden Vorbildern habe ich deshalb bei einigen großen Unternehmen um Interviews gebeten. Die Auswahl bezog sich auf Personen, die von führenden Wirtschaftsmagazinen als Topmanager bezeichnet wurden. Sie trugen Auszeichnungen, wie z.B. Manager of the Year, Ehrendoktorwürde, Bundesverdienstkreuz u.v.a.m.

Die beiden Hauptfragen nach ihren persönlichen Attributionsstilen bzw. Kontrollüberzeugungen lauteten:

- „Wo sehen Sie die Gründe für Ihre Erfolge?“

- „Wo sehen Sie die Gründe für Ihre Misserfolge?“

Meine Hoffnung, jeweils ein Vorbildverhalten für Erfolgsorientierung bestätigt zu bekommen, wurde fast jedes Mal enttäuscht. Weil ich dieses negative Ergebnis nicht glauben konnte und auf eine höhere Validität überprüfen wollte, habe ich anschließend meine Befragung auf fast 200 Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft ausgeweitet. Gefragt wurden vor allem DAX-Unternehmen, aber auch viele andere Marktführer in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Das Ergebnis hat mich erschüttert:

Die deutliche Mehrheit der Führungskräfte hatte die o.g. Merkmale der dauerhaft misserfolgreichen Menschen.

Dieses Ergebnis hat bei mir selbst natürlich viele Zweifel aufgeworfen, wie z.B.:

- Habe ich die falschen Fragen gestellt?

- Habe ich die Antworten missverstanden?

- Haben die Gefragten vielleicht nicht ehrlich geantwortet?

- Habe ich die falschen Schlüsse gezogen?

- Habe ich falsch ausgewertet?

- Habe ich die falschen bzw. die nicht repräsentativen Personen befragt?

Falls alles mit „Nein“ zu beantworten wäre, oder anders formuliert, falls meine Studienergebnisse korrekt wären, müsste ich mich fragen:

- Warum wurden diese offenbar misserfolgsorientierten Menschen zu Führungskräften ausgewählt?

- Welche Erfolge könnte die deutsche Wirtschaft erwarten, wenn dagegen die Mehrheit der Führungskräfte aus dauerhaft erfolgreichen Menschen bestünde?

Falls alle o.g. Zweifel mit „Ja“ zu beantworten wären, bzw. falls die Studienergebnisse alle falsch wären, kann ich mich fragen:

- Warum gibt es so viele Spitzenmanager (oder auch Spitzenpolitiker), die nach einem eindrucksvollen Höhenflug dramatisch abgestürzt sind?

- Warum gibt es nur so wenige Spitzenmanager, die auch nach dem Ende ihres Berufslebens bzw. in hohem Alter noch als Vorbilder für erfolgreiches Führen gelten?

Es liegt ganz einfach an einer besonderen und tief verankerten Attributionskultur in der Wirtschaft. Wenn ein Unternehmen Erfolg hat, dann wird das häufig – vor allem firmenintern – den amtierenden Spitzenmanagern zugeschrieben. Daraus leiten sie das Recht auf hohe Gehälter und Bonuszahlungen ab. Wenn es dagegen misserfolgreich ist, dann wird die Ursache externen Gründen zugeschrieben, wie z.B. der staatlichen Wirtschaftspolitik, den Gewerkschaften, dem geänderten Konsumverhalten, der unfairen Konkurrenz oder der Globalisierung. Diese Gründe kann man tatsächlich nachlesen in den jährlichen Geschäftsberichten. Selbst die größten und namhaftesten Konzerne pflegen diese Kultur. Die hohen Bonuszahlungen bleiben unverändert, selbst wenn Milliardenverluste eingefahren worden sind, wie z.B. nach verfehlten Jahreszielen oder nach misslungenen Fusionen.

Der größte Misserfolg für ein Unternehmen ist letztlich eine Insolvenz, die zur Auflösung des Unternehmens führt. Auch in diesem Fall attribuieren die Führungskräfte – zumindest in Deutschland – external. In Japan hingegen ist es Usus, dass die Topmanager die Schuld auf sich nehmen.

Es ist aus externer bzw. neutraler Sicht bemerkenswert, dass keine der spektakulärsten Insolvenzen der letzten Jahrzehnte durch äußere Ursachen oder Ereignisse entstanden ist. Die Ursachenzuweisung muss somit „internal und permanent“ erfolgen und sie weist jeweils auf einen Zustand des Missmanagements hin, der sich über längere Zeit hinzog:

- Texaco: 1987

- Coop: 1989

- Barings Bank: 1995

- Mannesmann: 2000

- Enron: 2001

- Kirch Media: 2002

- Philipp Holzmann: 2002

- Swissair: 2002

- Parmalat: 2003

- Worldcom: 2005

- Lehman Brothers: 2008

- General Motors: 2009

- Schlecker: 2012

- Financial Times Deutschland: 2012

- Praktiker: 2013

- Air Berlin: 2017

Misserfolge durch Zustände

Es gibt daneben zahlreiche Unternehmen, die bekanntermaßen durch plötzliche Ereignisse spektakuläre Verluste erlitten haben. Sie werden üblicherweise „internal und temporär“ oder „external und temporär“ attribuiert:

- Hoffmann-La-Roche: 1976, Seveso

- Metropolitan Edison Comp.: 1979, Three Mile Island

- Union Carbide: 1984, Bophal

- Energoatom: 1986, Chernobyl

- Sandoz-Clariant: 1986, Basel Schweizerhalle

- Occidental Petroleum: 1988, Piper Alpha

- ExxonMobil: 1989, Exxon Valdez

- Deutsche Bahn: 1998, Eschede

- Air France: 2000, Concorde-Crash

- Silverstein Properties: 2001, 9/11

- TotalFinaElf: 2001, Toulouse, Explosion

- BP: 2010, Deepwater Horizon

- Tepco: 2011, Fukushima

Misserfolge durch Ereignisse

Obwohl diese Unternehmen auch sehr hohe Verluste erlebt haben, teilweise in Milliardenhöhe, haben sie diese Ereignisse überlebt.

Man kann daraus schlussfolgern:

- Unternehmen sterben nicht wegen plötzlicher und unvorhersehbarer Ereignisse, die u.U. von außen auf das Unternehmen einwirken.

- Unternehmen sterben an dauerhaften und beobachtbaren Zuständen, die innerhalb des Unternehmens herrschen.

Zwar hat jedes Unternehmen viele professionelle Funktionen, die sich um die Sicherheit bzw. um die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs kümmern müssen, wie z.B. Aufsichtsrat, Beirat, Wirtschaftsprüfung, Controlling, Revision, Compliance, Security, IT-Sicherheit, Qualitätssicherung, Krisenmanagement u.v.a.m. Deren Aufgabe ist ausschließlich, das Unternehmen vor schädlichen Zuständen und Ereignissen zu schützen. Dennoch sind selbst die bedeutendsten Unternehmen der Welt nicht vor Misserfolgen gefeit. Warum?

Eine Antwort kann man aus den offiziellen Geschäftsberichten der Unternehmen ableiten. Dort werden in den pflichtgemäßen und freiwilligen Berichtsteilen die Lage, die Prüfungsergebnisse und die Risiken beschrieben. Es ist charakteristisch für alle Berichte, dass stets der Schwerpunkt der Risiken und Unwägbarkeiten auf externe Ursachen gelegt wird, wie z.B. Markt-, Finanz-, Beschaffungs-, Länderrisiken, Naturkatastrophen, Terrorismus. Das ist klassische externale Schuldverschiebung, oder historisch noch älter: antike Sündenbocksuche.

Die wichtigsten Gefahren, die subtil im Unternehmen und in seinem Management lauern, werden nicht genannt. Das sind ganz einfach die menschlichen Schwächen, siehe linke Spalte der nachstehenden Liste. Sie werden nicht offengelegt und deshalb auch nicht gebührend behandelt. Führungskräfte werden üblicherweise geschult, ihre derartigen menschlichen Schwächen zu verbergen, indem sie diese Eigenschaft mit eleganteren Begriffen verbrämen, siehe rechte Spalte:

Gier→ „Ehrgeiz“
Hass→ „Leidenschaft“
Angst→ „Verantwortungsgefühl“
Eitelkeit→ „Selbstbewusstsein“
Falschheit→ „Flexibilität“
Herdentrieb→ „Teamfähigkeit“
Unwissenheit→ „Objektivität“
Bequemlichkeit→ „Stressresistenz“
Kurzfristdenken→ „Entschlossenheit“
Oberflächlichkeit→ „Souveränität“
Betriebsblindheit→ „Erfahrung“
Machtmissbrauch→ „Ungeduld“
Fehlervertuschung→ „Großzügigkeit“
Schubladendenken→ „Ordnungsliebe“
Führungsschwäche→ „Pragmatismus“
Selbstüberschätzung→ „Zielstrebigkeit“
Veränderungswiderstand→ „Zuverlässigkeit“.

Dieses Ausblenden der wichtigsten Risiken eines Unternehmens wird von professionellen Verbänden ebenfalls gepflegt. Beispielsweise verspricht der Bundesverband „Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft“, kurz ASW3, seinen Kunden in der deutschen Wirtschaft:

„… Der ASW Bundesverband befasst sich mit sämtlichen Bedrohungen für Unternehmen: Wirtschaftskriminalität. Spionage. Cyber-Crime. Extremismus. Terrorismus. Unsere Leistungen sind auf alle unternehmerischen Schutzebenen ausgerichtet: Schutz von Know-how und Mitarbeitern. Sicherung von Vermögen und Wertschöpfungsketten…“

Auch der ASW fokussiert auf die externalen Risiken und beachtet die wichtigeren internalen Risiken kaum.

1 Es gibt vorsätzliche Zerstörungen, wie z.B. Brandstiftung oder Mord, die sich zunächst mit einer einzelnen Ursache erklären lassen. Aber bei genauerer Betrachtung, beim Hinterfragen, kann man auch dafür verschiedene zusammenwirkende Voraussetzungen entdecken.

2 Beispiele für fehlerhaftes Denken: a) Ursachen von Weltkrieg: u.a. staatlicher Rechtsradikalismus, Imperialismus und wahnhafte Selbstüberschätzung; b) Ursachen von 9/11: je nach offiziellen oder inoffiziellen Theorien: einerseits Folgsamkeit gegenüber Allahs Willen, islamischer Vergeltungswille wegen der US-Politik zur Unterstützung Israels, sowie der Glaube, die Welt durch Terror zielgerichtet verändern zu können, andererseits – je nach Art der sog. Verschwörungstheorien – verdeckte politische und wirtschaftliche Interessen sowie Skrupellosigkeit; c) Ursachen von Autounfall: z.B. mangelnde Aufmerksamkeit und/oder Überschätzung der eigenen Fahrkünste; d) Ursache von Tsunamikatastrophe: Missachtung jahrtausendealter Erfahrungen bezüglich Flutgefahren; e) Ursachen der Fukushima-Katastrophe: kaufmännische und politische Beschränkungen der Reaktorsicherheit; f) Ursachen der Finanzkrise Subprime 2007: sorglose Überdimensionierung von Investitionsprojekten, exzessive Spekulation; g) Ursachen von Insolvenz: fehlendes Risikobewusstsein, Leichtsinn oder kalkulierte Überschuldung; h) Ursache von Flugzeugabsturz: z.B. Planungsfehler beim Fail-Safe-Prinzip; i) Ursachen von Amok: private und/oder gesellschaftliche Erziehungsmängel beim Umgang mit Konflikten.

3 https://asw-bundesverband.de/themen/

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