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Kapitel 1

Ganz einfach unterrichten?

«Schulversager sind eine Konstruktion der Lehrperson.»

Rolf Arnold

Worum es in diesem Kapitel geht

In diesem Kapitel geht es darum, die Erwartungen an die Lehrpersonen in der Erwachsenenbildung (berufliche und persönliche Weiterbildung) zu identifizieren und darzulegen, welchen Widersprüchen und Entscheidungsmöglichkeiten Lehrpersonen ausgesetzt sind. Ein paar Fragen ermöglichen es dem Leser/der Leserin, den eigenen Unterrichtsstil einzuschätzen.


Überblick zu Kapitel 1: Ganz einfach unterrichten?

Erwartungen an die berufliche Weiterbildung

Aktualität

Der Inhalt soll sich nach der bevorstehenden Prüfung und nach dem, was gerade in Beruf und Wirtschaft aktuell ist, richten. Die Schulung soll in modernen Unterrichtsräumen mit neuester Infrastruktur stattfinden und aktuellen Lernstoff bieten. Also braucht es Räume, in denen sowohl an Computern als auch in Diskussionsrunden und Kleingruppen gearbeitet werden kann, mit Internetanschluss und Multimedia. Die Lerngruppen sollten Möglichkeiten vorfinden, um die Räume nach den aktuellen Bedürfnissen gestalten zu können für Ateliers, Werkstätten und kreative Sitzordnungen.

Effizienz

Es wird zwar ständig und überall lebenslanges Lernen gefordert, und die berufliche Weiterbildung ist eine Pflicht geworden. Aber die Zeit, die dafür zur Verfügung steht, wird kürzer, während die Informationsmenge immer weiter zunimmt. In möglichst kurzen Intervallen soll das Wesentliche gelernt werden, damit die Weiterbildung nicht zu viel Zeit und Geld kostet. Alles Gelernte soll sich sofort in der Praxis auszahlen und nachhaltig wirken.

Qualität

Berufliche Weiterbildung wird daran gemessen, ob die Prüfungen bestanden werden und ob das erworbene Wissen in der Praxis umgesetzt werden kann. Die Lernenden sollen zu Selbstständigkeit und Zusammenarbeit befähigt werden. Die Schulung soll nach neuesten Erkenntnissen der Lernpsychologie und Didaktik stattfinden und die Erwachsenen als bereits Wissende und Erfahrene ernst nehmen.

Solche und ähnliche Erwartungen halten Schulen in Leitbildern und pädagogischen Leitsätzen fest:

•Wir sorgen für ein entspanntes Lernklima.

•Wir verstehen Bildung als erkenntnisorientierten Prozess.

•Die Lernenden sollen befähigt werden, die beruflichen Herausforderungen erfolgreich selbst zu meistern.

•Unser Unterricht ist teilnehmerzentriert.

•Unsere Kursgestaltung orientiert sich an den individuellen Lernprozessen der Lernenden.

•Unsere Lernziele sind an der Praxis orientiert.

•Unsere Lehrmittel sind nach modernen erwachsenenbildnerischen Grundsätzen gestaltet.

•Wir bieten Möglichkeiten zur Übung und zu selbstverantwortlichem Lernen.

Für die Lehrpersonen in der Praxis ist die Umsetzung nicht ganz einfach, wie ein kritischer Blick auf die Unterrichtsrealität zeigt.

Die Realität

Beispiel 1: Frontal und trocken

Ob es um Buchhaltung, Marketing oder Projektmanagement, juristische Feinheiten oder Business Process Engineering geht: Viele Lehrpersonen reden von ihrem Unterricht als Theorieunterricht und gehen davon aus, dass dieser Unterricht frontal und trocken sein muss. Berufliche Weiterbildung findet mehrheitlich in Schulzimmern mit fix nach vorne ausgerichteten Bankreihen statt. Da in kürzester Zeit möglichst viel Stoff vermittelt werden muss, werden Folienschlachten geschlagen, und das Sprechtempo der Vorlesung wird erhöht. Lernende, die nicht mitkommen, werden unter diesen Umständen schnell als unmotiviert oder dumm wahrgenommen oder als unfähig, selbstverantwortlich zu lernen: Wenn jemand die Prüfung nicht besteht, dann hat er halt nicht zugehört und nicht richtig gelernt.

Beispiel 2: Lehrerzentriert und praxisfern

Unterricht mit und am PC hat meistens klare, eindeutige Zielsetzungen. Allen Lernenden wird am Ende der gleiche Wissensstand versprochen. Wenn Wissen heisst, es gehört zu haben, dann wird dieses Versprechen mehrheitlich eingehalten. Der Unterricht findet lehrerzentriert statt: Der EDV-Kursleiter projiziert seinen eigenen Bildschirm auf die Leinwand, und alle können sehen, was auf seinem Bildschirm passiert. Der Einsatz des Beamers bedingt eine Sitzordnung nach traditionellem Muster: Alle Lernenden blicken aufmerksam nach vorne. Kontakte unter den Lernenden sind erschwert, Gruppenarbeit ist unmöglich. Diese Unterrichtsform lässt es nicht zu, dass der Stoff auf die eigene Praxis übertragen wird und die Anwendung geübt werden kann.

Anforderungen an die Lehrpersonen

Lehrpersonen sind meistens ausgewiesene Fachleute aus der Praxis oder Wissenschaft und haben häufig keine pädagogische oder didaktische Ausbildung. Es ist einleuchtend, dass sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen auf herkömmliche Unterrichtsmittel wie Referat oder Präsentation zurückgreifen. Damit genügen sie zwar vordergründig den Ansprüchen an Zeit und Stoff; die modernen Erkenntnisse der Erwachsenenbildung (Andragogik) belegen allerdings deutlich, dass so nicht nachhaltig gelernt wird.

Konkrete Anforderungen an die Lehrpersonen

(in Klammern die Angabe, wo das Thema behandelt wird)

Das Lernen Erwachsener kennen (Kapitel 2)

Die eigenen Vorlieben und Abneigungen beim Lernen kennen (Kapitel 3)

Die Lernumgebung vorbereiten und gestalten (Kapitel 4)

Kompetenzen und Lernziele formulieren (Kapitel 5)

Den Stoff auswählen, reduzieren (evtl. komprimieren) und aufbereiten (Kapitel 6)

Lehren methodisch abwechslungsreich gestalten (Kapitel 7)

Lern- und Arbeitstechniken vorleben und vermitteln (Kapitel 8)

Informationsmanagement vorleben und vermitteln (Kapitel 8)

Einsatz von Medien und Lernmaterialien (Kapitel 9)

Aktuelle lernpsychologische Erkenntnisse umsetzen (Kapitel 10)

Rückmeldungen geben (Kapitel 10)

Soziale Prozesse aufgreifen und steuern (Kapitel 11)

Intervenieren und Konflikte vermeiden (Kapitel 12)

Lernfortschritte kontrollieren (Kapitel 13)

Unterrichtsqualität überwachen (Kapitel 13)

Vertiefende Materialien und Anwendungsbeispiele zum Buch finden Sie im Internet unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1. Im Buch wird an den entsprechenden Stellen jeweils darauf verwiesen, im Anhang finden Sie ein Verzeichnis dieser Materialien.

Spannungsfeld Unterricht

Abbildung 1.1 zeigt die Rahmenbedingungen von Unterricht und damit die Komplexität des Spannungsfeldes, in dem sich Lehrpersonen bewegen.


Abbildung 1.1: Spannungsfeld Unterricht

Ich greife zuerst aus diesen voneinander abhängigen Themen ein paar typische Problemzonen heraus (in Klammer das Kapitel, in dem das Thema vertieft dargestellt wird).

Spannung zwischen Thema/Sache und Mensch

In der Weiterbildung geht es neben dem Inhalt (sachlicher Aspekt) immer auch um Werthaltungen, Einstellungen und Begegnung (menschlicher Aspekt). Diese beiden Aspekte widerspiegeln sich in den wissensorientierten (kognitiven) und gefühlsbezogenen (affektiven) Lernzielen bzw. Werthaltungen (Kapitel 5). Die Kursplanung muss beide Aspekte berücksichtigen, um die Lern- und Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten (Kapitel 4). Wenn während eines Kurses Konflikte oder Motivationsprobleme auftauchen (Kapitel 12), stehen dahinter häufig Widersprüche zwischen sachlichen und menschlichen Aspekten.

Spannung zwischen Teilnehmererwartungen und Lehrpersonenleistung

Lernende und Lehrperson haben unterschiedliche Vorstellungen, wer welche Rolle einnehmen sollte. Äusserungen wie «Das haben Sie uns aber im Unterricht nicht erklärt!» oder «Dafür sind Sie doch da!» zeigen diese Erwartungsunterschiede (Kapitel 11).

Unterschiedliche Lehr- und Lernstile

Die Art und Weise, wie gelernt wird, ist individuell sehr verschieden. Der eigene Lernstil und die subjektiven Lernerfahrungen prägen auch den Unterrichtsstil der Lehrpersonen stark. Kapitel 2 und 3 zeigen auf, wie Erwachsene lernen und was es mit der Lernbiografie auf sich hat. In Kapitel 10 finden Sie konkrete Anregungen, wie Sie Lernende mit unterschiedlichen Lernstilen am besten fördern können, sowie Tipps zum überlegten Umgang mit Ihrem eigenen Lehrstil.

Spannung zwischen Vollständigkeit und exemplarischem Lernen

Es gibt immer zu viel Stoff und zu wenig Zeit. Im schlimmsten Fall wird der Stoff reduziert, indem am Ende der Unterrichtsstunde einfach aufgehört wird. Der Rest, der nun umständehalber keinen Platz mehr hat, fällt unter den Tisch oder wird als Hausaufgabe in die Eigenverantwortung der Lernenden übergeben. Besser wäre es, bereits bei der Planung zu reduzieren (Kapitel 6).

Spannung zwischen Wissensvermittlung und aktivem Lernen

Da Wissen nicht wie ein Paket dem Empfänger übergeben werden kann, ist der Prozess der Wissensaneignung viel wichtiger, als den Lehrpersonen bewusst ist. Es wäre zugegebenermassen einfacher, wenn mittels Referat und Vormachen den Lernenden das Wissen auf ihre Festplatte (= Gehirn) kopiert werden könnte. Um den Prozess der Wissensaneignung zu erleichtern und Nachhaltigkeit zu ermöglichen, braucht es eine erweiterte Methodik zur Unterstützung des Lernens (Fehler nutzbar machen, Lerntipps vermitteln), des Reflektierens und zum Informationsmanagement (Kapitel 8). Der Einsatz von Medien und geeigneten Unterrichtsmaterialien unterstützt das nachhaltige Lernen und dient nicht nur der Unterhaltung (Kapitel 9).

Spannung zwischen Konsumverhalten und Eigenverantwortung

Berufliche Weiterbildung findet oft abends und in der Freizeit statt. Die Motivation, aktiv zu werden und im Unterricht mitzumachen, ist häufig gering.

Und doch ist aus der Lernpsychologie bekannt, dass einzig aktives Lernen zum Lernerfolg führt. Mit methodischer Abwechslung ist es möglich, Lernende optimal zu aktivieren. Welche Methoden sich im theorielastigen Unterricht besonders bewährt haben, lesen Sie in Kapitel 7.

Spannung zwischen Theorie und Praxis

Oft äussert sich die Spannung zwischen Theorie und Praxis so, dass die Lernenden für die Prüfung (die Theorie!) etwas anderes lernen müssen, als die Lehrperson bei Fallbeispielen oder Erfahrungen erklärt («In der Praxis machen wir es so …»). Die Aufgabe der Lehrperson ist es, Brücken und Analogien zwischen Wissenschaft, Praxis und Prüfungsstoff aufzuzeigen (Kapitel 5) und die Lernenden auf die Grenzen einer Theorie aufmerksam zu machen: dass es immer verschiedene Sichtweisen gibt (Kapitel 13) und dass in Alltagssituationen oft zusätzliche Einflussfaktoren wirken, die ein angepasstes Handeln verlangen.

Gehört haben heisst nicht wissen, wissen heisst nicht verstehen, verstehen heisst nicht können, können heisst nicht einordnen, einordnen heisst nicht beurteilen können.

Dieser Lehrspruch weist auf ein weiteres Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis hin, das unmittelbar mit dem Auf bau des Unterrichts zu tun hat. Sollen die Teilnehmenden kompetent ihr Wissen und Können in den Alltag übertragen, dann wird das mit Vorträgen, Referaten, Präsentationen nicht funktionieren. Die Lernenden müssen Gelegenheit erhalten, das Wissen anzuwenden, zu üben, in die Praxis zu übertragen, Zusammenhänge und Strukturen zu erkennen und das Neue mit dem bereits Bekannten zu verbinden. Als Lehrperson legen Sie daher fest, was die Teilnehmenden mit Ihrem Unterricht erreichen sollen, sie definieren in den Zielen, ob es um Wissen, um Anwendung, um Begründung und Beurteilung geht (Kapitel 5). Entsprechend wählen Sie Unterrichtsformen, in denen die Lernenden die vorgegebenen Ziele erreichen können.

Zu jedem Thema gibt es allerdings auch Informationen oder Theorien, die – vielleicht sogar auswendig – gelernt werden müssen. Dies kann die Lehrperson nicht für die Lernenden erledigen – Lernen findet immer bei den Lernenden statt. Und selbst wenn gut gelernt wurde: Das meiste davon wird sofort wieder vergessen. Um Gelerntes nachhaltig zu speichern, muss es regelmässig repetiert werden (nach wenigen Stunden, nach wenigen Tagen, nach wenigen Wochen) (Kapitel 8).

Spannung zwischen Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsgestaltung

Laptop, Tablet und Smartphone

Wenn Sie im Unterricht mit elektronischen Geräten arbeiten, hat das einen direkten Einfluss auf die Stimmung und die Interaktionen unter den Lernenden. Sie sollten dem Praxisbezug, der Anschaulichkeit und dem Arbeitsklima hierbei besondere Beachtung schenken, damit sich die Lernenden mit allen ihren Sinnen einbringen können. Probehandeln, Fehler machen, Anschaulichkeit, Rhythmus und Erfahrungsaustausch sind menschliche Bedürfnisse, die beim Unterrichten und Lernen zentral sind.

Probehandeln: Menschen probieren zwar sehr gerne aus, aber zielloses Ausprobieren führt in die Sackgasse. Sowohl bei einer Internet-Recherche als auch beim Erstellen einer Präsentation oder beim Schreiben eines Wiki-Beitrags sollten Sie einen klaren Rahmen abstecken und Hilfestellungen geben.

Fehler: Meistens funktionieren die Geräte und Anwendungen genau dann nicht, wenn man sie dringend braucht. Als Lehrperson sind Sie das Vorbild im Umgang mit Fehlern und Nicht-Funktionieren. Palavern Sie nicht über Schuld und Dummheit, sondern zeigen Sie Lösungswege auf.

Anschaulichkeit: Innere und äussere Bilder stimmen selten überein. Was der Lernende in seinem Kopf sieht, ist oft nicht das, was er am Bildschirm bekommt und auch nicht das, was er eigentlich wollte. Eine Präsentation mit dem Beamer sorgt dafür, dass der Stoff noch weniger anschaulich wird – die Gelegenheit, selbst zu handeln und eigene Vorstellungen zu entwickeln, wird daher im elektronisch unterstützten Unterricht noch wichtiger.

Rhythmus: Ein PC erledigt Aufgaben, für die wir viel Zeit brauchen (z. B. hundert Adressen nach Wohnort und Strassennamen sortieren), in Sekundenbruchteilen. Damit diktiert er uns Menschen seinen Rhythmus – es besteht die Gefahr, dass wir unsere Sinnlichkeit, unsere Körperempfindungen und unsere Gefühle während der Arbeit am Computer unterdrücken und die rechte Hirnhälfte ausschalten. Diese bräuchten wir aber dringend, um Probleme kreativ lösen zu können und Informationen zu vernetzen. Im Unterricht sollte die Lehrperson also dafür sorgen, dass die Lernenden so oft wie möglich in ihrem eigenen Rhythmus, kreativ und vernetzt arbeiten und lernen können.

Erfahrungsaustausch: Erkenntnisse und Erfahrungen müssen in Worte gefasst werden, Menschen lernen beim Miteinander-Reden. Die Maschine steht den Menschen bei dieser Interaktion eher im Weg. Eine methodische Idee zur Unterrichtsgestaltung, die genau diese Interaktion fördert, ist der Flipped Classroom. Davon ausgehend, dass mittlerweile fast alle Teilnehmenden Zugang zu digitalen Inhalten haben, wird bei dieser Methode die Erarbeitung der theoretischen Inhalte den Teilnehmenden übergeben: Sie erledigen diese eigenverantwortlich zu Hause, bevor im Unterricht dann Erkenntnisse diskutiert und praktische Anwendungen untersucht oder Ideen umgesetzt und konkret geübt werden. Natürlich ist auch das Umgekehrte immer noch möglich: Nach der theoretischen Auseinandersetzung im Unterricht erproben die Teilnehmenden die Inhalte konkret in der Praxis, an eigenen Situationen, durch Beobachtungsaufgaben usw. und bringen die Erkenntnisse wieder zurück in den Präsenzunterricht. Diese Vorgehensweise ist bei weniger lerngewohnten Teilnehmenden angezeigt.

Beamer, Visualizer und Smartboards

Der gewohnheitsmässige Einsatz von (Folien-)Präsentationen birgt die Gefahr, dass die Lernenden überwiegend zum passiven Aufnehmen gezwungen werden. Die Einflussnahme der Lernenden ist eingeschränkt, Blickrichtung und Tempo sind vorgegeben. Visualizer bieten die Möglichkeit, aufzulockern und Lernende eigene Skizzen usw. auf schnelle Art und Weise in den Unterricht einbringen zu lassen. Dank der dazugehörigen Software können solche spontan erzielten Unterrichtsbeiträge sofort gespeichert und auf Lernplattformen geteilt werden.

Pinnwände, Flipcharts und Plakate

Je grösser die Räume und die Anzahl der Lernenden, desto schwieriger wird bei diesen Medien die Lesbarkeit für alle. Grosse Räume mit viel freiem Platz bieten dafür die Chance, in kleineren Gruppen verteilt zu arbeiten und das Material wie in einer Ausstellung hängen zu lassen. Für das Protokoll muss es dann nur noch fotografiert und auf die Lernplattform gestellt werden.

Ein Selbsttest: Wie gut gelingt Ihnen die konkrete Unterrichtsgestaltung?

Testen Sie hier Ihre Unterrichtspraxis. Je mehr Fragen Sie mit «eher nicht» beantworten, desto eher sollten Sie eine methodisch-didaktische Weiterbildung ins Auge fassen. In diesem Buch finden Sie Hinweise, wie Sie Ihre Unterrichtspraxis verbessern können.

Den Test finden Sie auch bei den Materialien zum Buch unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1, auch in einer Variante für Lehrpersonen, die vorwiegend am PC schulen. Der Test basiert auf den Grundsätzen von Norbert Landwehr (2008) und auf methodischen Anregungen von Gerbig/Gerbig-Calcagni.

1.Vermittlung von Kenntnissen und Umsetzungsmöglichkeiten

Im Theorieunterricht geht es vorwiegend um Kenntnisse und die Fähigkeit zur Umsetzung/Übertragung auf neue Situationen. Die Lehrperson richtet ihr Augenmerk deshalb mit Vorteil darauf, wie sie die Theorie/die Kenntnisse in lerngerechter Dosis und Form darbringt. Reines Wissen sollte schriftlich vorliegen. Die Theorie soll in Form von Überblick, Zusammenhängen und Strukturierung vermittelt/erarbeitet und die Umsetzung mit ausreichend komplexen Fallbeispielen und Übungsaufgaben mit anschliessender Präsentation geübt werden.


2.Abwechslung von darbieten/erarbeiten lassen

Die Informationsaufnahmephasen wechseln mit aktiven Verarbeitungsphasen ab. Eine Informationsaufnahmephase dauert nicht länger als fünfzehn Minuten. Die aktiven Verarbeitungsphasen werden im Kursverlauf immer länger. Der Ablauf einer Unterrichtseinheit besteht somit aus einer Anfangssituation (Problemkonfrontation), einer Experimentier- oder Ausprobierphase, abwechselnden Informationsaufnahmephasen und aktiven Verarbeitungsphasen (Umsetzung) und einer Schlusssituation (Rekapitulation, Zusammenfassung).


3.Problemfindung/Problemformulierung

Fallbeispiele werden zugeschnitten auf Problemstellungen aus der Lebens- und Arbeitswelt der Lernenden gestaltet, benötigte Techniken und Theoriemodelle werden in zunehmendem Schwierigkeitsgrad eingebaut.


4.Problemlösen lehren

Statt die Lehrperson nach der Lösung eines Problems zu fragen, suchen die Lernenden immer wieder selbst Lösungswege, damit sie sich im Verlaufe des Kurses von der Lehrperson unabhängig machen können. Die Lehrperson weist auf Informationsquellen hin, die zur Lösung beitragen.


5.Bei den Lernenden ansetzen

Die Lernenden bringen ihre Alltagserfahrung und ihre Berufswelt in den Kurs mit, diese Bilder/Analogien der Lernenden werden im Unterricht so oft wie möglich verwendet. Die Lehrperson macht es sich zur Aufgabe, so schnell wie möglich herauszufinden, in welcher Vorstellungswelt die Lernenden leben. Sie fragt nach vorhandenem Wissen und vorhandenen Ideen, hält diese fest und knüpft daran an.


6.Fragehaltung aktiv aufbauen

Die Lernenden bringen ihre Fragen mit, können sie aber meistens nicht spontan formulieren oder getrauen sich nicht. Die Lehrperson fördert Fragen und sammelt sie in einem Fragenspeicher. Theorie wird so wenig wie möglich im Voraus vermittelt, um die Fragen der Lernenden nicht abzuwürgen. Fragen werden beantwortet, wenn sie beim Umsetzen auftauchen; Fallbeispiele werden so konstruiert, dass die Lernenden automatisch auf gewisse Fragen stossen.


7.Fehlermanagement

Fehler sind gut! Aus Fehlern kann ich lernen. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Diese Einstellung gegenüber Fehlern (auch denjenigen der Lehrperson!) muss im Kursalltag vorherrschen und durch die Lehrperson vorgelebt werden.


8.Lernkontrolle

Die Lernkontrollen gehen von praxisnahen Problemstellungen aus. Sie können anhand einer Musterlösung durch die Lernenden selbst kontrolliert werden und sind ziemlich komplex. Sie sind ähnlich schwierig und gleich aufgebaut wie die Prüfungsfragen.


Fazit

Lehren in der Erwachsenenbildung verlangt von den Lehrpersonen mehr und anderes als Wissensvermittlung. Der erhöhte Stoff-, Zeit- und Prüfungsdruck macht es unumgänglich, dass sich auch ausgewiesene Fachspezialisten mit methodisch-didaktischen Themen beschäftigen.

Die neuen, unverzichtbaren Anforderungen an die Lehrpersonen beinhalten:

•Beschäftigung mit der Korrelation von Lehren und Lernen,

•Vorbereitung und Gestaltung der Lernumgebung,

•Aufbereitung und methodisch abwechslungsreiche Darbietung des Stoffs,

•Planung und Einsatz visueller Medien,

•Bereitstellen von Lehr- und Lernmaterialien,

•Steuerung der Zusammenarbeit in Gruppen,

•Kontrolle der Lernfortschritte,

•Überwachung der Unterrichtsqualität.

Deshalb genügen Präsentationen und Referate oder Vormachen/Nachmachen über zusammengeschaltete Bildschirme dem heutigen Anspruch an professionelle berufliche Weiterbildung nicht. Der Selbsttest in diesem Kapitel gibt der Lehrperson Anhaltspunkte, wo Verbesserungsmöglichkeiten liegen.

Weiterführende Literatur

Arnold R.: Wie man lehrt, ohne zu belehren.

Dollinger M.: Wissen wirksam weitergeben.

Lehren kompakt I (E-Book)

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