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Kapitel 4

Das Abenteuer Kursplanung

«Dem weht kein Wind, der keinen Hafen hat, nach dem er segelt.»

Michel de Montaigne

Worum es in diesem Kapitel geht

Einen neuen Kurs zu planen, ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Sie wissen nicht, wer Sie auf dieser Reise begleitet, welche Bedingungen Sie antreffen, und insbesondere wissen Sie nicht, wie die Lernenden auf die Art und Weise, wie Sie den Stoff darbringen, reagieren werden.

Sie können sich dabei wie ein Wikinger benehmen: Man suche sich einen guten Führer und bete zu den Göttern, dass alles gut gehe. Oder Sie planen alles bis ins kleinste Detail voraus, damit später nichts schiefgehen kann. Wie die Geschichte der Titanic zeigt, ist man leider auch bei bester Planung vor Überraschungen nicht sicher. Oder Sie machen es wie Kolumbus: Sie haben Ihr Wunschziel vor Augen, nehmen Kurs auf und segeln. Sie überlegen sich, was Sie unterwegs antreffen werden, und laden Ihr Schiff entsprechend. Sie planen die nächsten Meilen so, dass Sie für alle Eventualitäten bestens gerüstet sind. Unterwegs bestimmen Sie Ihre Position immer wieder neu und legen fest, wie es nun weitergehen soll, damit Sie Ihrem Ziel näherkommen (diese Beispiele sind aus: Hagmann/Simmen).

Als Wikinger werden Sie sich auf den Lernzielkatalog und Ihre Stoffplanung verlassen und hoffen, dass Sie damit durchkommen. Das nötige Rüstzeug dazu finden Sie, was die Ziele betrifft, in Kapitel 5, die Vorgehensweisen zur Stoffplanung in Kapitel 6. Zuvor befasse ich mich mit ein paar Planungsaktivitäten im Sinne der Titanic: Verfahren zur Zeitplanung sowie zur Planung von Abwechslung, Interaktion und Praxistransfer. Hinweise zur Planung von Lernkontrollen und Auswertung finden Sie in Kapitel 13. Erst dann haben Sie alles, was Kolumbus hatte, um erfolgreich zu sein. Sie verwenden nun ein wendigeres Schiff, lagern viele Vorräte für alle möglichen Ereignisse, nehmen vielfach verwendbare Werkzeuge mit. Damit, mit Ihrem Fachwissen und Ihrer Begeisterung für Ihr Thema, haben Sie alles, um Ihre


Überblick zu Kapitel 4: Das Abenteuer Kursplanung

Zeitliche Abfolge planen: AITUS

Wie ist die Reihenfolge? Was braucht wie viel Zeit? Was müssen die Lernenden wissen, damit sie dem Unterricht folgen können? Welche Zeit ist wofür günstig? Den Unterricht in Phasen mit klarem Anfang und Ende einzuteilen und die Zeit abzuschätzen, erfordert Erfahrung. Nur wenn Sie den Ablauf vorher sorgfältig geplant haben, können Sie danach vergleichen, wie gut Sie geschätzt und wo Sie sich vertan haben. Je häufiger Sie das machen, desto einfacher wird es Ihnen fallen, den Zeitbedarf für Neues abzuschätzen. Das Phasenmodell AITUS teilt Unterricht in fünf Phasen auf; dieses Raster bietet einen guten Anhaltspunkt für die zeitliche Planung.

Das AITUS-Modell ist eine von vielen Möglichkeiten, Unterrichtseinheiten systematisch aufzubauen. Es unterstützt die Lehrperson bei der Planung von Lektionen. Solche fünfteiligen Modelle gibt es bei verschiedenen Autoren. Eine einfach umzusetzende Darstellung finden Sie auch bei Grell/Grell.

Das AITUS-Modell

Teilen Sie jede Unterrichtseinheit (das kann eine Doppellektion, ein Halbtag, ein Tag sein) in die folgenden fünf Teile ein (T und U können auch vertauscht sein oder wiederholt werden):

Awie Anfangen
Iwie Interesse wecken
Twie Theorie vermitteln und erarbeiten
Uwie Umsetzen und Üben
Swie Schluss

Beachten Sie bei jedem einzelnen der fünf Teile die folgenden Hinweise.

Erste Phase: A wie anfangen

Wer lernt, will wissen, wohin sein Lernen führt, was es nützt. Lernen fällt deshalb leichter, wenn alle wissen, wozu das Gelernte gut sein soll, was man nachher damit anfangen kann. Auch ist es für viele hilfreich, wenn sie den Weg und damit die Vorgehensweisen, wie gelernt wird, ungefähr im Voraus erkennen können.

Die erste Lernphase beginnt am Anfang! Die Bereitschaft für das Lernen, für die Aufmerksamkeit, für aktives Mitdenken hängt wesentlich von den ersten paar Minuten einer Lektion ab. Dieser erste Teil soll nicht länger als ein Zwanzigstel der Unterrichtseinheit dauern, als Methoden kommen Referat und Präsentation infrage.

Für Sie als Lehrperson heisst anfangen:

•Ziel und Zweck der Lerneinheit bekannt geben

•Einen Überblick über den Ablauf der Lerneinheit geben

•Voraussetzungen für mögliche Lernkontrollen bekannt geben

So kann man anfangen

•Sachlich motivieren mit dem «informierenden Beginn» (siehe Materialien zum Buch http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1)

•Ziele der Lerneinheit sichtbar machen

•Lernziele begründen (Bezug zur Praxis, zur Prüfung)

•Ablauf der Lerneinheit für alle sichtbar aufschreiben (Orientierungshilfe)

•Sinn und Zweck der Lerneinheit erklären

•Verbindungen zu andern Fächern/zum Lehrplan verdeutlichen

Zweite Phase: I wie Interesse wecken

Erwachsene lernen, indem sie an bereits Gelerntes und an Erfahrungen anknüpfen. In der zweiten Phase geht es deshalb darum, das Vorwissen zum neuen Stoff dem Lernenden bewusst zu machen, zu aktivieren und ihn an Problemstellungen und offene Fragen heranzuführen. Wenn Sie beispielsweise diskutieren, wie eine gestellte Aufgabe anzugehen wäre, erhalten Sie wichtige Informationen, wo Sie mit Ihrem Unterricht ansetzen können: Wenn Ihre Lernenden schon viel wissen oder können, werden Sie die Phase der Wissensvermittlung entsprechend anpassen. Wenn wenig Vorwissen vorhanden ist, ist es angezeigt, umfassender vorzugehen, eine sichere Basis zu schaffen, auf der die neuen Informationen auf bauen können.

Achtung: Diese Phase darf nicht mit einer Repetition des bisher behandelten Stoffes verwechselt werden. Es geht darum, durch eigene Erfahrungen im Themenbereich das Interesse am Neuen zu aktivieren und das Vorwissen zum neuen Stoff herauszufinden, um anknüpfen zu können. Die Teilnehmenden sollen in der Lage sein, den neuen Inhalt in ihrer internen Wissenslandkarte sinnvoll mit bereits vorhandenem Wissen in Verbindung zu bringen. Als Methoden können Moderation, Brainstorming, Satzanfänge, Murmelgruppe, Assoziationen zu einem Wort, Textarbeit oder ein Bild verwendet werden; es sind aber auch ganz andere Ansätze möglich. Diese zweite Phase kann sehr kurz gehalten werden oder – wenn die Lernenden viel Vorwissen oder Erfahrung zum Thema mitbringen – auch länger dauern und ohne Übergang in die dritte Phase münden.

Für Sie als Lehrperson heisst Interesse wecken:

•Einstimmen, Neugier wecken

•Bezug schaffen zu Bekanntem

•Positive Erinnerungen zum neuen Thema reaktivieren

•Sich über den Wissensstand der Lernenden zum entsprechenden Thema informieren

•Aktives Denken der Lernenden in Gang setzen

•«Konsumenten» zu Mitbeteiligten machen

So kann man Interesse wecken

•Problemstellung durch die Lernenden formulieren lassen

•Frage an die Lernenden nach Erlebtem, nach Bekanntem

•Vorwissen sammeln und visualisieren, Skizze oder Mindmap zeichnen lassen

•Aktuellen Beitrag aus den Medien als Diskussionsgrundlage einbringen

•Fallbeispiel darstellen

•Provokation oder Widerspruch zur Diskussion stellen

Dritte Phase: T wie Theorie fachgerecht vermitteln und erarbeiten

In dieser Phase bringen Sie als Fachperson die notwendigen Informationen ein, die es braucht, um das Lernziel zu erreichen. Dabei erhalten diejenigen Mitteilungen die grösste Aufmerksamkeit, die nicht bereits bekannt sind, sondern etwa zur Hälfte aus Unbekanntem bestehen. Diese Phase baut neues Wissen auf, fördert Fertigkeiten und stellt Verständnis und Zusammenhänge sicher. Wenn die Lernenden aus der zweiten Phase heraus motiviert und interessiert an den Problemstellungen und am vorgestellten Thema sind, fällt die fachgerechte Vermittlung auf fruchtbaren Boden.

Für Sie als Lehrperson heisst Theorie vermitteln und erarbeiten:

•Vermittlung unter Einbezug aller Aufnahmekanäle (Augen, Ohren, Tastsinn und Gefühl)

•Lernende möglichst selbst aktiv denken und handeln lassen (erarbeiten passiert bei den Lernenden, nicht bei der Lehrperson)

•Begreifen kommt von Greifen. Wer begreifen soll, muss selbst aktiv werden. Lernen können nur die Lernenden selbst.

So vermittelt und erarbeitet man Theorie fachgerecht

•Mit treffenden Fragestellungen (fragend-entwickelnder Unterricht im Lehrgespräch oder Moderation von Teilnehmerbeiträgen)

•Vortrag der Lehrperson (Achtung: Phasen, in denen nur die Lehrperson spricht, so kurz wie möglich halten!)

•Die Lernenden erarbeiten anhand von Unterlagen die Informationen in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit selbst

•Mit Videos, Bildern, Musik, Objekten: mit allem, was die Sinne anspricht

•Mit einem guten, entspannten Lernklima

Vierte Phase: U wie umsetzen und üben

Die Lernenden müssen die Bedeutsamkeit der Theorie für ihr eigenes Denksystem selbst erschliessen und das Gehörte oder Gelesene in bestehende Gedankenstrukturen integrieren können. In der Phase des Umsetzens müssen die Lernenden das Wissen also für sich selbst so erarbeiten, dass sie das Neue anwenden können. Stellen Sie ihnen Aufgaben, die zum Selbst-Denken zwingen. Wenn die Übungen mit gesteigertem Anforderungsgrad wiederholt werden, bleibt der Lernerfolg langfristig erhalten, denn: Übung macht die Meister/innen! Dabei motivieren nicht die leichtesten Aufgaben am besten, sondern jene mit mittlerem Abstraktionsgrad.

Im Unterricht, der auf Praxis abzielt (z. B. PC-Unterricht, praktische Fächer), ist diese Phase die entscheidende überhaupt. Sie können getrost Theorie zugunsten von vielen Übungen zurückstellen und anhand von diesen Prinzipien, Regeln und Zusammenhänge aufzeigen. Aber auch in theorielastigeren Fächern sind die Anwendung des Wissens und die Problemlösung zentral. Dafür geeignete Methoden finden Sie in Kapitel 7 beschrieben.

Für Sie als Lehrperson heisst umsetzen und üben:

•Aufgaben zur Vertiefung stellen, damit die Lernenden selbst aktiv werden und so den aufgenommenen Stoff verdauen und umsetzen können

•Zeit und Gelegenheit für praktische Anwendung geben

So kann man umsetzen und üben

•Anwendungsmöglichkeiten suchen

•Im Austausch mit anderen Fragen/Probleme aufdecken

•Analysen, Bewertungen vornehmen

•Üben am Objekt, Aufgaben lösen

•Theorie auf eine konkrete Situation übertragen, Checklisten erstellen

Fünfte Phase: S wie Schluss

Nach angemessenem Erarbeiten und Üben ergibt es Sinn, am Ende jeder Lerneinheit die Ergebnisse festzuhalten und zusammenzufassen.

Oft erfolgt dies mit einer Lernkontrolle. Da Sie die Lernziele beim informierenden Beginn bekannt gegeben haben, wissen Sie und die Lernenden seit Ausbildungsbeginn, was Sie wie prüfen. Lernkontrollen sind meist nicht sehr beliebt, weil Druck und Stress damit verbunden werden. Es gibt aber durchaus Methoden, die eine Lernkontrolle zu einer sinnvollen, vergnüglichen Lernsequenz machen. Mehr zu den Lernkontrollen finden Sie in Kapitel 13.

In der Schlussphase einer Ausbildungseinheit soll gemeinsam der Erfolg festgehalten werden; auch ein Teilerfolg ist ein Erfolg und motiviert zu neuem Lernen.

Zum Abschluss gehört auch die Evaluation der Ausbildungseinheit. Aus Teilnehmersicht und aus Sicht der Lehrperson werden der Verlauf der Ausbildung kritisch betrachtet und Folgerungen für das nächste Mal daraus gezogen (siehe ebenfalls Kapitel 13).

Nicht zuletzt ist dies auch der Moment, Abschied zu nehmen und den Blick auf die Umsetzung in die Praxis zu richten.

Für Sie als Lehrperson heisst abschliessen:

•Ergebnisse festhalten und zusammenfassen

•Anhand der Zielformulierungen überprüfen, ob das Ziel erreicht ist, und daraus Massnahmen für die neuen Lernziele ableiten

•Den Lernerfolg aufzeigen als Motivation zum Weiterarbeiten

So kann man Gelerntes sichern und Lernkontrollen machen

•Tests, Prüfungen

•Mündliche oder schriftliche Zusammenfassung des Gelernten durch die Lehrperson und/oder die Lernenden

•Präsentationen mit Diskussion im Plenum

•Kreative Formen wie Ausstellung, Film, Fotoserie

•Gegenseitige Aufgabenstellung: Kleingruppen erstellen Testaufgaben mit Lösungsschlüssel für andere Gruppen

•Repetition in sinnvollen Zeitabständen

So kann man die Ausbildung auswerten

•Schriftlich (Fragebogen)

•Mündlich (Umfrage, Schlussrunde …)

•Bewertung einzelner Kriterien (z. B. mit Klebepunkten, Barometer …)

•Handelnd (Pantomime, typische Szene, Limerick, Apéro, Schlussritual …)

Abwechslung planen: Sandwich

Genauso, wie wir uns beim Sandwich eine ausgewogene Mischung von Brot und Beilagen wünschen, ist es auch im Unterricht wichtig, den zu vermittelnden Stoff abwechslungsreich zu strukturieren, denn es gibt nichts Unergiebigeres als langweiligen Unterricht. Aber auch die Abwechslung will geplant sein: Wann liefert die Lehrperson Stoff, wann erarbeiten sich die Lernenden ein Thema aktiv selbst, wann arbeiten sie in Gruppen? Da Abwechslung und Eigenaktivität den Lernerfolg erhöhen, dürfen Sie diese Planungsgrössen nicht dem Zufall überlassen. Mit dem Sandwich-Modell variieren und präzisieren Sie die Phasen «Interesse wecken», «Theorie» und «Umsetzung». Anfangs- und Schlussphase aber bleiben unangetastet, sie halten – genauso wie die beiden Brotscheiben das Sandwich – unseren Unterricht zusammen.

Die Informationsphasen (Stoffvermittlung durch die Lehrperson) werden durch aktive Verarbeitungsphasen der Lernenden unterbrochen. Dies kann so aussehen, dass Sie mit einer Problemschilderung beginnen, statt zuerst ausführlich Theorie auszubreiten. Oder Sie stellen eine einfache Aufgabe, um dann die für die Lösung benötigte Theorie im Überblick darzustellen. Nun kann eine komplexere Aufgabenstellung folgen, nach deren Bearbeitung die Lernenden theoretische Ergänzungen und Überlegungen motiviert und richtig aufnehmen können.

Und denken Sie daran: Das Sandwich ist nach der Füllung benannt! Auch im Unterricht sind die Verarbeitungsphasen die entscheidenden Momente, in denen sich das neue Wissen in den Köpfen der Teilnehmenden setzt und verankert und in denen es beginnt, Sinn zu ergeben, um später für die selbstständige Anwendung zur Verfügung zu stehen.

Grafisch dargestellt, sieht ein Unterrichtssandwich aus, wie in Abbildung 4.1 dargestellt (das detaillierte Modell finden Sie bei den Materialien zum Buch unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1).


Abbildung 4.1: Sandwich-Modell

Informationsaufnahmephasen = darbieten

Diese Phasen sollten nicht länger als ca. fünfzehn Minuten dauern, danach ist die Aufnahmekapazität der Zuhörenden in der Regel erschöpft. Häufig werden Demonstration, Referat, Präsentation, Filmsequenzen, Podcasts, Plakate und Material usw. eingesetzt. Auch hier ist Abwechslung besser, als einfach immer nur Folien zu präsentieren (siehe auch Kapitel 9).

Aktive Verarbeitungsphasen = erarbeiten, üben, verankern

Hier arbeiten die Lernenden. Diesen Phasen sollte genügend Zeit eingeräumt werden, damit die Lernenden Gelegenheiten haben, Neues auszuprobieren und selbst zu Erkenntnissen zu gelangen. Die Lehrperson ist dafür besorgt, dass genügend Hilfsmittel wie Unterlagen, sinnvolle und klar strukturierte Aufgabenstellungen usw. zur Verfügung stehen.

Für diese Phasen gibt es unzählige mögliche Methoden. Welche Sie wann einsetzen, ist Ihnen überlassen, achten Sie jedoch darauf, dass die Übungen praxisrelevant und in ihrer Schwierigkeitsstufe passend sind (siehe auch Kapitel 7). Im Zusammenhang mit heterogenen Gruppen finden Sie in Kapitel 10 Tipps zur Gestaltung von Übungen.

Kooperation und Interaktion planen: Das didaktische Dreieck

Lernen geschieht nicht auf der Einbahnstrasse von Lehrperson zu Lernenden. Lernen geschieht im Dialog, beim Nachdenken, beim Lesen, beim Zuhören, beim Mitteilen, beim Austausch von Erfahrungen, beim gemeinsamen Handeln. Um die Kooperation und Interaktion unter allen Beteiligten zu nutzen, müssen Sie die Lernenden gedanklich in die Planung einbeziehen. Das didaktische Dreieck bietet Anregungen zu diesem Aspekt. Das Modell des didaktischen Dreiecks stellt vier Aspekte des Unterrichts dar. Diese vier Aspekte müssen sowohl bei der Kursplanung als auch beim Lehren selbst möglichst ähnlich viel Gewicht haben.


Abbildung 4.2: Das didaktische Dreieck

Leitfragen zu den einzelnen Aspekten des didaktischen Dreiecks

Thema

Was ist speziell am Thema?

Wo kann ich aus dem Vollen schöpfen?

Was muss ich nachschauen, recherchieren?

Welches sind die vorgegebenen Ziele?

Bestehen bereits Unterlagen?

Welche Prüfungsvorgaben sind vorhanden?

Was ist mir am Thema wichtig?

Lehrperson

Warum gebe ich diesen Kurs?

Was sind meine Stärken/Schwächen?

Was ist meine Rolle?

Was erwarte ich von den Lernenden?

Wer unterstützt mich?

Gruppe

Was weiss ich über die Lernenden?

Mit welchen Erwartungen kommen sie?

Welche Voraussetzungen bringen sie mit?

Wovor haben sie möglicherweise Angst?

Welche Methoden eignen sich für diese Gruppengrösse?

Welche Sozialformen wähle ich? (Einzel-, Zweier-, Gruppenarbeit)

Umfeld, Praxis

Welche Infrastruktur steht mir zur Verfügung?

Was ist das Spezielle bei dieser Institution?

Welche Schwerpunkte setzt sie?

Welche Schwerpunkte setzt der Berufsverband oder der Auftraggeber?

Was müssen die Lernenden am Ende wissen/können?

Wo werden die Lernenden das Gelernte anwenden?

Welche Problemstellungen/Praxiserfahrungen bringen die Lernenden mit?

Aufgrund der Antworten auf diese Fragen kann die inhaltliche und methodische Planung an die Hand genommen werden.

Transfer in die Praxis planen

Zu keiner Zeit hat Kolumbus wohl sein Ziel aus den Augen verloren, nämlich Indien zu erreichen und an Land zu gehen. Und auch wenn die Reise dahin seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, musste er doch seine Mannschaft auch darauf vorbereiten, irgendwann zu landen. Ob er wohl bereits bei der Rekrutierung seiner Mannschaft daran gedacht hat, Leute mitzunehmen, die zum Unterhändler und Übersetzer taugten? Bestimmt hat er an Unfälle und Krankheiten gedacht und Heilkundige mitgenommen. Die Vorbereitung dessen, was in der konkreten Situation praktisch gebraucht wird, sind Überlegungen zum Praxistransfer.

Unter Transfer versteht man in der beruflichen Weiterbildung die Fähigkeit und Bereitschaft, die erworbenen Kenntnisse am eigenen Arbeitsplatz um- und einzusetzen. Die Transferplanung ist Teil des Qualitätsmanagements – eine Bildungsmassnahme wird immer auch daran gemessen, welchen Erfolg sie in der Praxis zeigt. Man kann den Praxistransfer vor dem Kurs vorbereiten durch Tests, schriftliche Teilnehmerbefragungen und Mitarbeitergespräche. Während des Kurses kann der Praxistransfer erleichtert werden durch Nachbereitung des Themas, Fallbeispiele (auch durch die Teilnehmenden eingebracht), Auswertungen und Handlungspläne. Nach dem Kurs wird der Erfolg des Praxistransfers gesichert durch Nachbearbeitung und Nachbetreuung.

Praxistransfer vor dem Kurs oder zu Beginn des Kurses

•Multiple-Choice-Test zu den Anforderungen und technischen Gegebenheiten des eigenen Arbeitsplatzes

•Befragung des Auftraggebers oder Vorgesetzten

•Schriftliche oder mündliche Befragung der Lernenden zu ihren Praxissituationen

Praxistransfer während des Kurses

Durch Nachbereiten des soeben behandelten Unterrichtsthemas kann das Gelernte mit einem Erfolgserlebnis oder einer lustvollen Erfahrung verbunden werden, dadurch wird es in Zukunft eher wieder erinnert.

Auswertungen mit Fragen wie «Was habe ich gelernt, was ich für die Zukunft verwenden will? Was will ich anders machen? Welches Fazit ziehe ich nun? In welchen Situationen werde ich das brauchen können? Wo sehe ich Umsetzungsmöglichkeiten? Welche Hindernisse könnten auftreten?» tragen dazu bei, das Gelernte zu verankern. Dadurch werden die Handlungsfähigkeit und damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Transfer in die Praxis stattfindet, erhöht.

Wird diese Auswertung in einen Handlungsplan (mit Zielen und ersten Schritten) übergeführt, spricht man von einem Aktionsplan. Dieser wird in der Erwachsenenbildung oft als Vertrag zwischen Auftraggeber und Lernenden visiert, manchmal sind Auftraggeber und Lernende identisch (Selbstvertrag).

Praxistransfer nach dem Kurs

Die Lernenden oder deren mit den Weiterbildungsinhalten vertraute Vorgesetzte werden beauftragt, den Praxistransfer zu beobachten und eventuelle Hindernisse festzustellen. Sie berichten in festgelegten Abständen – schriftlich oder mündlich – über den aktuellen Stand der Umsetzung.

Organisieren von Veranstaltungen zur «Multiplikation»: Die Weitervermittlung des Gelernten durch einen oder mehrere Lehrgangsteilnehmer hat nicht nur den unmittelbaren Effekt der Verallgemeinerung neuen Wissens, sondern ist darüber hinaus geeignet, dieses bei den Multiplikatoren in besonderer Weise zu festigen. Nach einer eingeschobenen Praxisphase wird sich der Bezug auf den betrieblichen Alltag fast «von allein» einstellen – umso mehr, wenn die interne Folgeveranstaltung explizit unter das Vorzeichen des Lernens für die Praxis gestellt wird.

Nachbereitungsmassnahmen: Durch die Schaffung eines geeigneten organisatorischen Rahmens wird für den nötigen Informationsfluss gesorgt. Verbliebene Defizite und Umsetzungshindernisse verfestigen sich nicht zur Gewohnheit, sondern können kontinuierlich abgearbeitet werden.

Selbstlernmaterialien: Die Lernenden erhalten Weiterlernangebote mit arbeitsnahen Aufgabenstellungen. Infrage kommen dafür z. B. Leittexte, Handbücher, Fallstudien oder elektronische Lernprogramme.

Hotlines: Sie ermöglichen den Lernenden, zu vereinbarten Zeiten ihre Umsetzungsprobleme mit beteiligten externen Lehrpersonen oder anderen Ansprechpartnern zugezogener externer Bildungsträger zu klären.

Wie viel planen?

Die Planung wird oft unterschätzt. So schnell ist ein Lehrauftrag angenommen – und ist die erste Stunde in Sicht, bleibt kaum mehr Zeit für Planung.

Erfahrene Lehrpersonen, die ihr Thema gut kennen, brauchen für die Entwicklung eines neuen Kurses rund viermal länger, als der Kurs dann dauert. Wenn das Thema neu ist, wenn die Zielgruppe anders als sonst ist, wenn methodisch etwas Abwechslung geboten werden soll, dann kann man gut und gern zehnmal so lange brauchen. Auch wenn eine bereits früher geplante Sequenz wiederholt wird, dürfte es von Vorteil sein, die früheren Erfahrungen zu reflektieren und Anpassungen vorzunehmen. Sobald seit dem letzten Mal mehr als ein paar Monate vergangen sind, wird sowieso eine Aktualisierung fällig. Nicht nur die Zeitung von gestern ist uralt – auch die aktuellen Beispiele vom letzten Jahr.

Vorgehen für eine erfolgreiche Planung

Wer sich also genügend Zeit nimmt zum Planen und wie Kolumbus auf Erfolgskurs segeln will, für den ist folgendes Vorgehen sinnvoll:

•Leitfragen zum didaktischen Dreieck beantworten

•Lernziele analysieren

•Stoff auswählen

•Planen nach AITUS

•Informationsaufnahme und die Verarbeitung mit dem Sandwich-Modell abwechslungsreich garnieren und anrichten

Wie planen?

Natürlich ist es besonders positiv für Ihre Teilnehmenden, wenn Sie auch für Spontanes und Unvorhergesehenes Zeit haben. Es hat sich deshalb bewährt, nicht die ganze Zeit zu verplanen, sondern rund zwanzig Prozent der Zeit als Reserve frei zu lassen und bereits im Voraus zu überlegen, was Sie unter Zeitdruck weglassen könnten.

Wie und wie viel Sie planen, hängt auch von Ihrem Typ bzw. von Ihren üblichen Planungsstrategien ab. Aus den nachstehenden Reflexionsthesen, die ich Thomann (2013, 47 f.) entnommen habe, können Sie etwas über Ihre Planungsstrategien erfahren (das Formular ist ebenfalls bei den Materialien zum Buch unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1 zu finden).


Fazit

Vielleicht haben Sie beim Durcharbeiten dieses Kapitels etwas über Ihr Planungsverhalten erfahren. Je nachdem ist die Vorstellung, in ein paar Tagen einen Kurs zu einem neuen Thema zu geben, eine Horrorvorstellung oder eine angenehme Herausforderung für Sie. Keine der obigen Planungsstrategien ist grundsätzlich falsch. Welchen Weg auch immer Sie wählen, Sie fahren bestimmt gut damit, wenn Sie als Erstes nach Aufgaben und Beispielen aus der Praxis der Lernenden suchen und erst dann das für die Lösung benötigte Fachwissen auf bereiten.

Denn so ist gewährleistet, dass Ihr Unterricht praxisorientiert ist und der Transfer vom Lernzum Arbeitsplatz garantiert ist. Und lassen Sie Raum für Ungeplantes – wenn Sie die Teilnehmenden aktiv beteiligen, werden auch Sie von gewissen Beiträgen überrascht sein und viel dazulernen.

Sollten Sie also den Ehrgeiz haben, wie Kolumbus auf alle möglichen Abenteuer reagieren zu können und die Mannschaft über längere Zeit bei der Stange zu halten, brauchen Sie viel länger, um einen Kurs vorzubereiten, als es sich für Sie auszahlt. Der Lohn besteht dann in der Freude am Lehren. Mit zunehmender Erfahrung und mit Wiederholungen reduziert sich die Planungszeit kontinuierlich – vor allem dann, wenn Sie Ihre Kurse dokumentieren und die früheren Planungen, ausgewertet und kommentiert, zurate ziehen können.

Weiterführende Literatur

Grell J./Grell M.: Unterrichtsrezepte (zeitliche Abfolge).

Schöni W.: Praxishandbuch Personalentwicklung (Praxistransfer).

Schubiger, A.: Lehren und lernen (RITA-Modell).

Siebert H.: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung.

Lehren kompakt I (E-Book)

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