Читать книгу Persönliche Liebe; globalisiertes Leid - S. Asef Hossaini - Страница 11

6

Оглавление

Wir hatten unsere Handflächen gen Himmel gerichtet, um die Regentropfen einzufangen. „Interessant“, sagte Luna. „Die Tropfen landen überall, nur nicht da, wo wir sie haben wollen. Findest du nicht auch?“

„Jetzt warte mal ab“, antwortete ich. „Alles hat seine ...“ Ich hatte noch nicht ausgesprochen, da juchzte sie plötzlich auf und fing an zu hüpfen. „Ich hab einen! Genau hier auf der Handfläche! Was für ein Gefühl!“

Es begann jetzt, immer fester zu regnen, und wir flüchteten uns in ein nahegelegenes Café. Auf der Tafel an der Wand stand derselbe dämliche Spruch, trotzdem war der Raum voller Menschen, die ihren Kaffee schlürften, noch bevor er cool war.

Luna ging direkt auf die Toilette, um sich frisch zu machen. Egal, wie unruhig und stürmisch es um sie herum zuging; sie war immer ordentlich und sauber. Ich schaute mich nach einer ruhigen Ecke um, einer mit möglichst wenigen von den coolen Leuten, die hereinströmten und Salat bestellten. Als Luna zurückkam, sagte sie: „Das hier ist nichts für dich, ich weiß. Die haben kein Fleisch, ist alles vegan hier.“

Aber egal. Ein Latte und ein Cappuccino am Fenster mit Blick auf die verregnete Abenddämmerung – das hatte was.

.

Luna fragte jedes Mal, was für ein Problem ich mit coolen Leuten hätte. Und ohne meine Antwort abzuwarten, sagte sie dann: „Die tragen T-Shirts, du trägst Hemden. Die tragen Sneakers, du Lederschuhe. Die tippen auf dem Laptop mit zwei Fingern und auf dem Handy wie der Blitz.“ Dann legte ich ihr lang und breit meine Gründe dar, die sie nie überzeugten. Auch diesmal deutete ich mit einem Nicken auf einen jungen Mann mit gekämmtem Vollbart, der vor einem MacBook saß, in der Hand ein iPhone hielt und mit seinen Bose-Kopfhörern wahrscheinlich gerade irgendwelchen Indie-Rock hörte – der perfekte Style – und sagte: „Schau mal, solche Leute tun so, als wären sie Minimalisten und gegen diesen ganzen Konsumscheiß der Kapitalisten. Und da haben sie sogar recht, guck mal, der Typ da: hat höchstens drei vier Sachen dabei.“

Aber der Bart, die Brillen mit Bügeln aus Naturkautschuk und das ständige „krass“ und „cool“ dieser Leute waren gar nicht mein Hauptproblem. Ich hatte einfach das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmte, sie waren für mich fake. Klar, sie konnten stundenlang diskutieren, über Philosophie, Kunst und Politik, und wenn sie sich dann nach ihrem Gute-Nacht-Joint schlafen legten, dachten sie, sie hätten alle Probleme der Welt gelöst. Das klang für mich ganz nach dem alten Bonmot: „Wenige Leute denken, aber alle wollen entscheiden.“ Sie taten so, als zwängen sie das System in die Knie, aber ihr Engagement ging nicht über eine Unterschrift unter eine Onlinepetition und ein Che Guevara-T-Shirt hinaus.

Als ich mit meiner Suada fertig war, winkte Luna nur ab: „No time for revolutions und Staatsstreiche. Hast du selbst mal gesagt.“

.

Wir lagen auf dem Bett. Meine Finger waren ein Trupp fahnenflüchtiger Soldaten im Felde, die im Wald ihrer Haare Unterschlupf gefunden hatten. Ich wuschelte ihr Haar durcheinander, sodass nur noch eine Hälfte ihres länglichen Gesichts, Erbe ihres deutschen Vaters, zu sehen war. Sie hob ihren Kopf und schaute mich aus den Mona-Lisa-Augen, die sie von ihrer Mutter hatte, scharf an. „Wir sind zu früh wieder nach Hause gekommen. Du hast es regnen und stürmen lassen, nur damit wir früher nach Hause gehen.“

Ich streichelte mit den Fingerspitzen sanft über ihren Hals und nickte: „Genau, ich bin der Herr des Regens, ein Stück Natur, und du ein Stück vom Himmel.“

-Du hast gesagt, dass du mal vom Himmel geträumt hast. Hast du wirklich?

-Ja. Und zwar genau dreimal, und jedes Mal warst du auch dort. Das war ganz seltsam, der Himmel war kein richtiger Ort und es gab auch keine Zeit. Man wusste nie, ob Tag oder Nacht, ob es warm oder kalt oder welche Jahreszeit gerade war.

-Alles irgendwie abstrakt. Das kann man sich gar nicht vorstellen.

Meine Fingerkuppen berührten ihren schlanken Hals. Das mochte sie. Sie schloss ihre Augen und schmiegte sich an meine Hand. „Wenn ich bei dir bin, bleibt die Zeit stehen“, sagte ich. „Wie im Himmel.“

Sie erwiderte mit geschlossenen Augen und einem süßen Lächeln: „Weißt du, ich glaube, du hast etwas von der Persönlichkeit eines Schwans. Deshalb bist du auch ein guter Dichter. Du siehst Sachen und hast Gefühle, die andere nicht haben. Ich hab sogar das Gefühl, dass du es spürst, wenn ich an dich denke. Und ich denke oft an dich ...“


Persönliche Liebe; globalisiertes Leid

Подняться наверх