Читать книгу Persönliche Liebe; globalisiertes Leid - S. Asef Hossaini - Страница 8

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Draußen tropfte und plätscherte es. Ein Abend im Herbst ist erst dann ein Herbstabend, wenn es auch regnet. Draußen blieb ab und zu ein Passant vor dem Café stehen, schaute auf das Schild und ging mit einem Lächeln weiter. Manche zogen blitzschnell ihre Handys, wie Cowboys ihre Pistolen, machten ein Foto und gingen weiter. Auf das Schild hatte jemand geschrieben: „Warum hat der Hipster sich an seinem Kaffee verbrannt? Weil er ihn getrunken hat, bevor er cool war.“

Der Witz war ziemlich flach, aber Flachwitze waren gerade in Mode. Wer keine flachen Sprüche brachte, war nicht cool und wer nicht cool war, war ein Spießer.

Luna hatte wie immer einen Latte bestellt und ich einen Cappuccino. Ich hatte nie verstanden, was eigentlich der Unterschied ist. Ich glaube, beim einen schüttet man erst die Milch ins Glas, dann den Kaffee, und beim anderen erst den Kaffee, dann die Milch. Und wenn man einmal umrührt, ist das Ergebnis dasselbe. Aber immer, wenn ich das sagte, erwiderte Luna: „Nein, das stimmt nicht. Eine Latte macht man, indem man ...“

Sie hatte ein paar Monate in einem Eiscafé gearbeitet. Als wir uns gerade kennengelernt hatten und uns jede Woche trafen, zeigte sie mir einmal ihre Hand, die sie sich bei der Arbeit verbrannt hatte. Mich beschäftigte das mehrere Tage: Warum musste ausgerechnet so eine schöne Hand sich verbrennen?! Ein beliebiges Körperteil von jemandem wie mir; okay, davon geht die Welt nicht unter. Aber ihre Hand?! Mit diesen langen, schlanken Fingern ... !

Ich war in alles an ihr verliebt. Beim Menschen regen sich die Hände erst spät. Man muss schon sehr mit einem Menschen vertraut sein, ehe sie beginnen ihn zu streicheln. Aber Hände haben eine tiefere Ehrlichkeit als Augen. Ich habe tausend Augen lügen sehen, aber nie eine Hand! Es ist, als hätten unsere Hände Zugang zur Seele. Neugeborene greifen mit geschlossenen Augen nach der Hand der Mutter. Seit wir einmal mit dem Zug durch Blumenfelder irgendwo in Westeuropa gerollt und unsere Finger wie Schwäne durch die Lüfte geschwebt waren, glaube ich sogar, dass unsere Fingerspitzen einen direkten Draht zum Herzen haben. Damals umschmeichelten sich unsere Finger, verschränkten sich ineinander, bis sie wie ein sanfter Südwind über die nackte Haut strichen.

Ich starrte durchs Fenster auf die Leute, die Fotos von dem lächerlichen Satz machten. Sie streckte ihre Hand nach meiner aus, mit der ich die Tasse hielt, und legte sie darauf. Sie war es nicht gewohnt, hohle Phrasen von sich zu geben wie „Alles wird gut, sei nicht traurig.“ Sie streckte nur ihre Hand aus, schaute mir tief in die Augen und lächelte. Wir konnten uns ohne Worte viel mehr sagen.


Persönliche Liebe; globalisiertes Leid

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