Читать книгу Persönliche Liebe; globalisiertes Leid - S. Asef Hossaini - Страница 9

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Warum sieht man die traurigsten Dinge immer dann, wenn es einem selbst nicht gut geht? Luna meinte, das sei ein typisches Merkmal von Depression; dass man Negatives anzieht wie ein Magnet. Sie sagte „wie ein Magnet“, streckte dabei ihre Hände von sich und öffnete und schloss die Finger.

Es war mal wieder ein trister Samstag. Den Talibankämpfern hatte man anscheinend gesagt, sie sollen sich freitags ordentlich ausruhen, um dann am Samstagmorgen genau um halb acht, wenn die Leute zur Arbeit gingen, zuzuschlagen und sich in die Luft zu sprengen. In der Redaktion stritten wir um die richtige Formulierung. Ich war dafür, zu schreiben: „Sie haben sich selbst in die Luft gesprengt“; die anderen meinten, man schreibe besser, sie hätten „ihre Bomben explodieren lassen“. Ich fand, wenn man ein Selbstmordattentat begeht, ist man selbst Teil der Bombe.

In Jalalabad, Kabul und Tachar waren mehrere Hundert Menschen getötet worden, darunter 24 Soldaten, die ein eingeschleuster Talib mit Schlafmitteln im Essen betäubt und anschließend ermordet hatte.

Wir schrieben nur die Zahlen auf und korrigierten sie, je nach Nachrichtenlage, nach oben oder unten.

Auf dem Weg nach Hause blieb unser Zug an einem Provinzbahnhof stehen, doch die Türen blieben verschlossen. Wir durften nicht aussteigen und folglich konnte ich auch nicht mit dem Taxi nach Hause fahren. Anscheinend war das irgendwo angekündigt worden, aber ich hatte nichts mitbekommen. Grund war eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die entschärft oder gesprengt werden sollte.

Draußen auf dem Bahnsteig stand eine ältere Dame in einem eleganten cremefarbenen Mantel mit blassem Karomuster, die ihrem Mann den Mantel zuknöpfte. Ihre Hände zitterten und es dauerte eine Weile, ehe sie alle Knöpfe zu bekam.

Die Frau raffte auch noch seinen Schal zurecht, dann hakte sich der Mann, der in der linken Hand einen Gehstock hielt, bei ihr unter und sie setzten sich langsam in Bewegung, genau wie früher, wenn sie ins Konzerthaus gegangen waren, mit dem einzigen Unterschied, dass es damals sie gewesen war, die sich in ihrer Abendrobe bei ihm untergehakt hatte.

Als ich Luna davon berichtete, sagte sie: „Wie verliebt und romantisch!“ Ich fragte: „Findest du‘s nicht auch ein bisschen traurig?“ „Nein“, war ihre Antwort.


Persönliche Liebe; globalisiertes Leid

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