Читать книгу Charmante Tribune küsst man nicht - S.A. Michael - Страница 5
Kapitel I
ОглавлениеWas Fulvio abgrundtief hasste, war eben dieser Teil von Rom, in der sich die Reichen tagtäglich in ihren protzigen Villen, beim maßvollen Schlemmen ihre dicken Bäuche rieben. Neidvoll schaute er auf die Elite Roms herab. Ja. Die Parzen hatten sie mit dem besseren Schicksal behaftet, und stündlich krochen eben dieselben Fortuna in den Arsch.
Hier, im kühlen Schatten der riesigen Stadthäuser, stank es nach dem Geld jener Senatoren, die sich auf dem Palatin eingenistet hatten, und Fulvio war es egal, dass der Stadtteil mit seinen beiden Hügeln, dem Palatium und dem Cermalus, die Nummer eins der schmierigen Immobileinhaie war. Wenn interessierte es schon, ob hier oben die Strohhütte des Romulus stand und ein paar Mal abgefackelt. Kein Wunder bei all dem Holz, welches beim Bau dieser angeblichen seltenen Rarität verwendet worden war. Hauptsache, die obersten Zehntausend hatten eine Kultstätte mehr, und melkten die Gläubigen wie fette Kühe auf der Weide. Ihr Pech, wenn sie es zuließen. Nur sollten sie die Klappe halten und sich nicht wie eine aufgeschrockene, blökende Schafsherde, die kurz vor der Schlachtung standen, verhalten.
Zweifler an der Theorie mit der windschiefen Hütte des Romulus gab es natürlich auch und durften in Rom nicht fehlen. Diese Schreihälse lieferten sich ständig handgreifliche Gefechte mit der propalatin Fraktion hinsichtlich des ehemaligen Wohnortes des Stadtgründers und hatten zu diesem Thema ihre eigene Meinung. So verpflanzten die prügelbegeisterten Traditionalisten seinen Wohnsitz kurzerhand in die südwestliche Ecke des Kapitol, da dieser Hügel ja nie etwas vergleichbaren vorzuweißen hatte. Sie waren davon überzeugt, und dass reichte ihnen. Der verrotteter Pfahl, der spitz aus dem Erdboden ragte, galt als Auslöser dieser engstirnigen Diskussion, und ließ diesen Hügel unter ihrer Hysterie erbeben.
Für die Massen der Touristen, welche jeden Morgen aus allen Ecken des Reiches in die Hauptstadt strömten, waren zwei dieser Kultstätten äußerst verwirren, und so ahnten sie beim ihrem Eintreffen an der Stadtmauer noch nichts von dem Streit der beiden Parteien. Erst später sträubten sie sich dagegen und schauten leicht verwirrt auf die verblichenen Seiten der mit den Sehenswürdigkeiten gespickten Ansichtstafeln. Dabei wirkten die Behausungen nun wirklich nicht aufregend und sollten die römischen Bürger an die bäuerlichen Wurzeln ihrer Herkunft erinnern.
Fulvio schnaubte bei diesem Gedanken wütend auf.
Wer hielt sich denn schon daran? Eine spartanische Lebensweise? Das er nicht lacht. Jeden Markttag brüllten die magersüchtigen Rezetatoren diese stoische Lebensweise von ihren Potesten, und berieselten die Neuzugänge des Imperiums mit den römischen Tugenden der Weltmacht, die ihre Ordnung in die Welt hinausgetragen hat. Dabei merkten sie nicht, dass sie schon von Anfang an ahnungslose Opfer der geldgeilen Vermieter waren und bis auf ihr letzte Hemd von diesen Assgeiern ausgenommen worden. Beschwerten sie sich dann auch noch über die extrem hohen Preise, gab es den erste Schlag auf die Nuss, oder sie verschwanden auf nimmer wiedersehen in den tiefverzweigten Abwasserkanäle unterhalb der Stadt. Was aus den Familien der Opfer wurde, kümmerte hier, in der Hauptstadt des Imperiums, sowieso keine Sau. Sie landeten auf der nach Urin stinkenden Strasse, oder kauften sich in einem der vielen, schäbigen Bordelle ein, wo die elfjährige Tochter von dem fetten, nach Schweiß stinkenden Zuhälter jeden Tag verprügelt wurde, nur weil sie sich weigerte mit einem seiner Kunden zu schlafen. Die Jungs dieser armen Leute liefen weg und witterten ihre Chance bei den Rekrutierungsbüros der Legionen auf dem Marsfeld. Leider ahnten die meisten Flüchtigen nichts von deren eigenwillige Aufnahmebedingenden.
Fulvio wusste das schon. Wer kein römischer Bürger, oder gar ein Sklave war, wurde in einem hohen Bogen wieder auf die Strasse befördert. Wenn dieser Delinquent Glück hatte. Pechvögel wurden nach ihrem unfreiwilligen Flug gerne auch noch verprügelt. Rom war eben die dreiköpfige Hydra, die alles gierig in sich hineinschlang und nicht einmal mehr die Knochen ausspuckte. Das Leben war halt nicht gerecht. Fulvio blickte gelangweilt in den Himmel. Er stand tief verborgen im Schatten des Apollotempels und lehnte sich an die mit graffitiverzierten Mauer, nahe der ersten griechischen Säule.
Als Kind der Subura, dem übelsten Ort der Stadt, wäre er viel lieber dort bei einem der zahlreichen illegalen Würfelspiele, oder bei den wonnig, wogenden Brüsten der heißblütigen Helena, die mit ihren kräftigen Schenkeln den Himmel auf Erden bescheren konnte. Sie gab vor, eine Griechin zu sein. Eine Hetäre aus Athen.
Fulvio wusste er aber besser. Sie war eine rassische Spanierin. Das verriet ihm ihr Akzent. Dem ehemaligen Option war die Herkunft von Helena jedoch egal. Hauptsache sie kannte ihr Handwerk und machte ihn mit ihren Sprüchen heiß. Schon bei dem Gedanken an ihr weiches Bett verzehren sich seine Lenden an ihren feuchten Schoß.
Nur noch zehn Minuten. Dann konnte ihn der reiche Schwanzlutscher einen Blasen. Auf das Geld konnte er auch verzichten. In der Stadt wimmelte es genug an Erbschleicher und hinterhältigen Ehefrauen, die schon vorzeitig an dem Ableben der Angehörigen und deren Vermögen interessiert waren. Die Krümel, die für ihn abfielen, reichten ihn auch. Irgendwie.
Was bei diesem Auftrag nicht stimmte, konnte er noch nicht sagen. Nur der schwere Knoten saß tief in seinem Inneren und quälte seine Magengegend. Diese wagen Anspielungen, die ihn dieser hässliche Wirrkopf von Schmarotzer Falco unterbreitet hatte, waren Fulvio ein Dorn im Auge. Er wollte stets die passenden Einzelheiten seines Auftrags wissen. Soviel Neugierde sollte man ihm dann doch schon eingestehen. Lief etwas schief, war es schließlich sein Leben und sein Kopf, welches auf dem Spiel stand, und die Angehörigen der Opfer konnten sich in blutrünstige Bestien verwandeln.
Er hatte keine Lust schon jetzt abzutreten und außerhalb in der Sklavengrube außerhalb der Mauer enden. Noch mehr, als den üblichen Ekel, fürchtete er mit den Exkremente der Ratten dahinzufaulen und sich unter die üblen Gerüche der Stadt zu mischen. Zumindest blieb er dann noch ein Teil der Multikulistadt. Was ihn aber auch nicht zusagte, denn bei diesem Gedanken wurde ihm speiübel. Eine unbändige Wut fraß sich in sein Inneres, wenn er an die fremden Einwanderer dachte. Rom gehörte den Römern. Scheiß auf die Gallier, Ägypter oder Griechen. Diese versuchten sich sowieso überall einzumischen, und einige hatten es sogar bis in die Kurie des Senats gebracht. Hasserfüllt wünschte er sich in diesem Augenblick, dass die Götter dieser hochnäsigen Brut doch endlich einmal eine Lektion des Grauen offenbaren sollte, und die Schleusen des Himmels öffnen.
Zornig stieß er einen Stein weg. Dieser konnte nichts für diese radikale, expandierende Einbürgerung fremder Völker, die sich wie Kakalake in das Reich ergossen und sich an den wohltätigen Spenden satt fraßen. Früher waren sie für die armen Bürger bestimmt. Nun zerrten alle an den Zitzen der Wölfin, schlugen ihr tiefe Wunden und saugten gierig ihr Blut.
Und wer war daran schuld? Einer der Cäsar nacheiferte wollte. Augustus, sein Adoptivsohn. Früher hieß er Octavius und hatte seit seinem Antritt alles verändert, und die Republik unter der Maske des obersten Hirten Rom vernichtet. Nun stand er an der Spitze seines illegalen Königreiches und hatte alle seine Feinde, die ihm diese Krone streitig machten, vernichtet.
Fulvio kannte diese Zeiten aus den Gesprächen mit seinem Vater. Er selbst war als junger Mann einer von Marc Antons Offiziere gewesen und lernte in Ägypten Kleopatra kennen. Viel hatte sein alter Herr jedoch nicht von ihr nicht gehalten. Diese orientalische Hexe, die seinen Feldherren kastriert und ihn in den Selbstmord trieben.
Was Augustus dieser Schlampe angetan hatte, war das einzig Richtige seiner Herrschaft gewesen.
Ab dann ging es für seinen Vater nur noch Berg ab. Augustus entließ die überflüssigen Legionen, ohne sich Gedanken über den Verbleib der Soldaten zu machen. Er kehrte nach Rom zurück, als Wrack der Mächtigen, versoff sein Hab und Gut, vertrieb seine Söhne aus dem hause. Nur gut. Seine Mutter lebte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Wo seine Geschwister abgeblieben waren, wusste er nicht. Führten ein ehrbares Leben mit Frau und Kinder. Das zumindestens dachte der Optio. Damals, nach einem schweren Schlag, wollte er nicht im Fluss des Schicksals ersaufen und verdingte sich seit diesen Jahren als Auftragsmörder für besonderes heikle Situationen. Lautes Lachen halte über den Platz, und Fulvio horchte auf. Ein junges Pärchen schlich heimlich durch die Akazien. Lüstern versteckte er sich noch tiefer in den Schatten des Tempels. Das junge, zierliche Ding mit der rosafarbenen Stola schien ein Miststück zu sein. Hochnäsig reckte sie ihre Nase in den nächtlichen Himmel und ließ sich von dem jungen, schwarzhaarigen Bursche befummeln. Ihr Stand war klar. Das junge Senatorenliebchen war mit ihrem Liebhaber auf dem Weg zu einer Orgie, die eine ihrer frivolen Freunde wohl gab. Ob das die Sittenwächter des Augustus wussten, dass die beiden Verliebten durch das nächtliche Rom streiften? Wenn ja, würde die Kleine sicherlich irgendwann in den Tiefen der elterlichen Villa verschwinden und erst wieder auftauchen, wenn ihre Eltern den passenden fetten Ehegatten für sie gefunden hatten. Und der junge Kerl? Den würde ihre buckelige Verwandtschaft wohl kastrieren.
Fulvio musste bei diesem Gedanken grinsen. Wollte der große Augustus nicht dieser sittenwidrigen Lust seinen Willen aufzwingen? Erließ er nicht immer wieder neue sinnlose Gesetzte gegen Verfall und Ehebruch, wohlwissend das sich keiner daran hielt? Die Maus ließ das Mausen nicht. Der arrogante Kater in seinem Stadtpalast kam nicht dagegen an. Eher schnitt er sich selbst in sein Fleisch. Die Jugend zog sein eigenes Ding durch und pfiff auf seine Erlasse.
Morgen würde die Gerüchteküche wieder brodeln, wie vor einem halben Jahr, als der Jüngste der Scipionen Brüder immer wieder für den nächsten Skandal sorgte, und seinen alten Herren in den Wahnsinn trieb. Rom zerriss sich monatelang das Maul über die Eskapaden des Jungen. Seine Familie war ungehalten und sorgte dafür, dass er auf nimmer wiedersehen verschwand. Wohin, dass wussten nur sie. Vermutlich hatte er von seinem Vater einen weitreichenden und idyllischen Militärdienst am Ende der Welt bekommen.
Fulvio hatte ihn nie gesehen, aber dennoch mochte er ihn. Die Geschichten über seine Verfehlungen hatten den Optio stets erheitert und ihm gezeigt, dass auch die reichen Schnösel tief sinken können, wenn die Eltern ihren Kindern all zu sehr auf den Sack gingen. Der Bengel hatte seinen eigenen Kopf und meuterte gern gegen die stoischen Anwandlungen seines Vaters, der ihn immer wieder die Wichtigkeit der
alten und ehrwürdigen Tradition der Familie Scipio-Africanus unter die Nase hielt. Für Fulvio hatten alle Senatoren sowieso einen gigantischen Knall. Er hatte ganz andere Probleme und diese wiegten schwieriger, als die Familienprobleme einer der reichsten und ältesten Familien Roms. Alle abgehoben. Einen an der Waffel. Hochnäsig herabschauend auf alle, die tief unten in der Gosse um ihr Leben schwammen, nur um nicht abzusaufen. Die Reichen und ihre kleine dekadente Welt in die sie Außenseiter sowieso nicht hereinließen.
Grummelt brütete er vor sich hin. Ein gering schwindender Teil von dem Reichtum, was sie unter dem Kopfkissen haben. Was könnte er damit anstellen? Ihm reichte schon ein kleines Landhaus am Mittelmeer mit Blick auf Ostia. Eine anständige Frau. Keine billige Hure, wie sie in der Subura zufinden war, und ihre Kunden beklauten. Kinder. Vielleicht fünf, wenn die Frau mitspielte, lachten fröhlich in dem liebevoll angelegten Garten. Ein Weinberg für den persönlichen Gebrauch, Pfirsichbäume und Gänse. Eben alles, was ein anständiger Bürger Roms brauchte. Zurück zu dem Ahnen und deren Arbeit.
Fulvio atmete auf. Vielleicht konnte er sich mit diesem Auftrag endlich einmal diesen Wunsch erfüllen. Er hoffte es so sehr, und er wusste, das diese bekanntlich zuletzt starb. Egal, was danach passierte, oder er in die Unterwelt einzieht würde.
Ob reich, ob arm. Jeder musste seine Münze bezahlen. Der Fährmann machte da keinen Unterschied.
Unten im Tal hallte das Gekicher des jungen Flittchens nach. Kurze Zeit später verstummte sie. Fulvio vernahm das laute Poltern und Brüllen der Vergiles, die spät nachts durch die Strassen schlichen. Immer auf der Suche nach anständigen Bürger denen sie eins auswischen konnten. Dabei vergaßen sie die wirklich bösen Buben, denn Bestechung war bei ihnen gang und gebe. Der typische Kommandoton wurde wütender. Das flüchtige Pärchen hatte sich offensichtlich vor ihnen versteckt. Ihre Flucht war eben leichtfüßiger, als die verzweifelte Horde, bestehend aus Exsklaven und Exmilitärs, mit ihren schweren, nagelbeschlagenen Stiefel und den müffelnden Socken. Ein bunt gestrickter Haufen mit Knüppeln. Eigentlich zur Brandbekämpfung gegründet. Nachts wollten sie die Stadtwachen überflügeln, was ihnen auch gelang, denn die Schnarchnasen der Kohorten versammelten sich in den nächsten Spelunken zum Komasaufen. Diese waren schlimmer. Für sie war jeder ein Unruhestifter und konnten keinen Blödsinn mehr anstellen, wenn sie bewusstlos die Strassen der Stadt dekorierten. Eigentlich machten das alle Truppen. Mit einem Unterschied. Die ausführende Exekutive an allen Stunden des Tages. Am Tage pöbelten die einen. In der Nacht stifteten die anderen die Nachtschwärmer zu Randale an und belästigten unbescholdenen Bürger. Oder auch nicht. Je nach Lust und Laune der betreffenden Ordnungshüter.
Das Kommando, welches nach den Ausreißer suchte, tobte mittlerweile auf dem Forum herum. Das Pärchen hatte sich ihrem Einfluss komplett entzogen und war in einem der vielen Häuser verschwunden. Was die Horde unten im Tal keineswegs besänftigte. Unter laute Knallen gegen die ihnen nicht passende Türen der Wohnungen rissen sie die schon im Bett liegenden Bewohner eben jener Häuser aus dem Schlafe.
Fulvio lachte hämisch. Er mochte es, wenn diese knüppeltragenden Arschlöcher der Nachtwache einen auf den Sack bekamen, und ihre arrogante, hochnäsige Art einen Dämpfer bekamen. Glückwunsch an das junge Pärchen. Sie hatten sich einen Ehrenpreis verdient.
Der Optio hörte auf zu lauschen. Sauer stieß ihn der eigentliche Grund seines Wartens auf. Er hatte die Schnauze voll. Diese bösartige Frechheit zeugte nicht eben von einer guten Kinderstube des Abzocker. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Die Zeit stimmte. Der Ort auch. Das nächste Mal würde er die Hälfte im voraus verlangen. Dann mussten er handeln und ihm den Auftrag zuschanzen. Wenn nicht, konnten sie ihn an der Stelle leckten, die für gewöhnlich für die Dienstleistung einer Ein-Ass-Nutte bestimmt war, die betrunken am Pier des Hafens im Trans Tiber Bereich ihre Dienste verrichtete.
Es wurde kühler. Vom Fluss säuselte der kühle Nachtwind hinauf und legte sich wie weiche Watte über seine Arme. Ließ ihn zittern und mit seinen Zähnen knirschen.
Langsam verkroch er sich in den warmen Stoff seines Wollumhangs und wickelte sich darin ein. Es war eine halbe Stunde nach Mitternacht. Eine halbe Stunde über der Zeit.
„Oh man, da bist du ja endlich!“, wütend schluckte Fulvio seine Worte herunter und
versuchte nicht gleich nach seinem Dolch zugreifen, den er sicher versteckt hatte.
Der Stahl drückte am Rücken. Doch behinderte ihn nicht. Fulvio musste sich zügeln, um nicht gleich seinen Auftraggeber abzumeucheln, zumale er drei düstere, blöd glotzende Torfnasen mit sich führte, mit denen er sich lieber nicht anlegen wollte, auch wenn der Wunsch nach oben stieg, sie an der Nase herumzuführen.
„Falco! Warum lässt du mich so lange warten? Ich habe nicht ewig Zeit für diesen Kindergarten“, maulte er weiter. Ausreden konnte sich dieser Fettwanst sparen.
„Jetzt mal ruhig, Bruder.“
Fulvio wurde schlecht. „Bruder? Du spinnst doch wohl! Haben wir vielleicht zusammen in der Legion gedient? Zusammen Blut vergossen und im Dreck gelegen, dass du diese Bezeichnung in meiner Gegenwart auch nur annähernd in den Mund nehmen darfst? Bruder! Das ich nicht lache. Ganove und Hurentreiber. Das trifft es eher!“
Wütend pfiff er durch seine Zähne. Sollte er ihn noch einmal so nennen, wusste Fulvio was er mit seiner Faust anstellte. Schon lange hegte der Optio eben diesen hartnäckigen Wunsch, diesen aufgeblasenen Trottel ein neues Gesicht zu verpassen, oder gleich eine kostenlose Nasenoperation. Falco verstand seinen Wink und brachte sich mit ein paar Schritten in Sicherheit. Er wollte sich nicht mit diesem großen, schlanken und muskulösen Mörder anlegen.
Er kannte seinen brutalen Ruf, und er wusste auch, dass der vierzigjährige Fulvio nie ohne eine Waffe aus dem Haus ging. Falco wollte ihn nicht reizen, da er nicht wusste, in wie weit er bewaffnet war. Er war nicht lebensmüde. Keiner legte sich mit einem an, der bei den Truppen war, speziell das Foltern im Schlaf kannte. Die Gefahr, dass der Opito seinen Auftraggeber gleich mit abstach, war angesichts der Wut, die Falko verspürte, nur zu offensichtlich und das würden die Pläne, die in dieser Nacht ins Rollen gebracht wurden, erheblich ruinieren.
„He man, bleib ruhig. Das war doch nicht so gemeint. Du solltest dich eher geehrt fühlen, dass der edle Pulcher deiner Dienst bedarf und auf dich zukommt.“
Fulvio füllte sich keineswegs geschmeichelt, und bei den Worten „geehrt“ und „edel“ kroch erneut seine unbarmherzige Wut nach oben. Dieser elende, kleine Wicht kotzte ihn mit seiner schmierigen Art immer mehr an. Allein das Geld lockte den Optio.
„Wie läuft die Sache jetzt? Deine wagen Andeutungen, wie wichtig sie auch scheinen, helfen dir hier auch nicht weiter, denn langsam fühle ich mich tierisch veralbert.“
Falco grinste auf und entblößte seine verfaulten Zähne. Ein säuerlicher Gestank drang aus seinem Mund. Sicherlich hatte er akute Magenprobleme, was an seinen enormen Fressattacken lag. Überwürztes und fettiges Essen war für ihn nicht gerade gesund und würde ihn eines Tages in sein Grab bringen.
Fulvio rümpfte die Nase. Auch wenn man ganz tief unten war, konnte man doch etwas auf für sein Äußerliches tun und gepflegt in Erscheinung treten. Gewaschen und gestriegelt. Frisch rasiert, und ein Besuch im Badehaus konnte auch nicht schaden.
Die Stummel in seinem Unterkiefer des Hurenwirts hatten auf dem Killer eine hypnotisierende Wirkung. Er konnte sich nur mit Mühe abwenden, schluckte angewidert auf und wand sich irritiert zur Seite. Der Optio musste sich zusammenreißen. Das Elend ging ihm einfach zu weit.
„Ich stehe nicht auf Ausflüchte. Also, lass deinen arroganten Versuch, mir mit diesen hochgestochenen Worten ein Gespräch aufzuzwingen. Du bist auf mich zugekommen. Nicht umgekehrt!“
„Meine Herren. Bitte!“
Erschrocken drehte sich der Optio um. Der Hinterste der drei Schläger bahnte sich seinen Weg nach vorn. Er hatte sich versteckt. Seinem Blick entzogen und hielt sich wie eine Kakalake in dem Schein der Opferflamen fern.
Ihm ging die Diskussion der beiden Streithähne zu weit und musste sich einschalten. Diese ruhigen, leisen Worte des Sprechers nisteten sich in den Gedanken von Fulvio ein. Gefährlich zischen sie in sein Ohr und verhalten in seinen schlimmsten Alpträumen. Die Stimme hatte schon einmal gehört. Auf dem Forum, und trotz der Kapuze, die der Sprecher tief in sein Gesicht gezogen hatte, erkannte er ihn wieder. Das er sich hierher traute, zeigte Fulvio, dass der bösartige Ruf des Pulcher wohl gewählt war, und der Senator nichts gutes im Sinne hatte. Fulvio hatte Gemunkel gehört. Hinter geschlossener Hand. Manche seiner ehemaligen Geschäftspartner aus der untersten Schicht waren nie wieder aufgetaucht.
Der Optio musste vorsichtig sein. Die Schläger, die seine angeblichen Auftraggeber mitgebracht hatten, behielt er genau im Blick. Obwohl sie plump und dumm wirkten, waren sie gefährlich. Falco holte seine Grobiane vom nächstbesten, abgebrannten Lanista, welcher in der nächsten Zeit pleite ging. Diese, vor Gläubigern ächzende Unternehmer nahmen sein Angebot dankend an, doch helfen konnte ihnen das nicht. Der Fiskus kreiste schon über ihren Köpfen und wollte sie in den Abgrund reißen.
Pulcher winkte ihnen zu. Die beiden Männer verzogen sich tiefer in der Dunkelheit des Tempels. An die Mauer unter den griechischen Säulen. Fläzten sich an den kühlen Stein und warteten auf ihre Befehle. Im Dunklen der Nacht.
Fulvio wusste, dass sie ihn im Blick behielten und gegebenenfalls eingreifen konnten, wenn er sich auf ihn stürzen wollte. Die Versuchung war da. Er musste sich zurückhalten. Wenigstens für diesen Augenblick.
Hinterhältig lächelte Fulvio auf. Pulcher schob seine Kapuze vom Kopf. Trotz seines jugendlichen Aussehen wirkte er alt. Augenringe unter seinen Lidern verrieten Fulvio seine schlaflosen Nächte. Kein Wunder, war er die hinterhältige Ratte in den hochwohlgeborenen Adelskreisen, wand sich aus allen heraus, obwohl er der Initiator der lästigen Intrigen war, legte seine feingesponnen Pfade seiner heimtückischen Verschwörungen. Beweisen konnte man ihm nichts. Nun hatten sich diese zwei Wiesel zusammengetan, und der Optio war der Rammbock, der ihre Feinde beseitigen sollte. Fulvio musste schauen, dass er so schnell wie möglich aus dieser Geschichte herauskam. Bei diesem Auftrag kam nichts gutes heraus und
Bei einem Misserfolg war er der Dumme, und die Anstifter kamen unbemerkt davon.
„Falco hat mir gesagt, dass du ein Könner auf deinem Gebiet bist. Es war nicht einfach für ihn, dich aufzutreiben und mit dir diesen Deal abzuschließen.“
Wäre Fulvio bloß im Bett geblieben, in seinen warmen, weichen Kissen, dann hätte er sich den erbärmlichen Mist sparen können. Aber nein, er musste dem erstbesten Schreihals nachrennen, der ihm ein Vermögen bot.
Der Optio lachte auf: „Wage Andeutungen. Ich habe jedoch noch nicht zugesagt.“
„Und doch einem Treffen zugestimmt?“
„Vergebung. Ich wusste ja nicht, dass eine Zusage für dieses Treffen gleich einer Einstellung gleichkommt. Aber sei es drum. Vielleicht lockte mich die Aussicht auf den Ruhestand hierher, welche plötzlich real werden könnte, und ich morgen aus diesem nervtötenden Sumpf verschwinden kann. Nun müsst ihr mir nur noch die Frage beantworten, was zum Geier das Treffen eigentlich für einen Sinn hat, als nur einen Zettel mit Datum, Treffpunkt und Andeutungen an die Fensterscheiben geklatscht, lockt mich nicht gerade aus dem Haus, und warten lasst ihr mich auch noch. Hier im Schatten des Tempels. Immer mit der Gefahr, dass mich die Nachteulen des Bezirks einkassieren können.“
Der Senator legte seine Hand auf seinen Rücken und zwang ihn einen Schritt auf ihn zuzulaufen. Der Kies unter seinen Füße knarrte. Eisiger Schauer erfasste ihn. Fulvio fühlte sich in der Anwesenheit Pulchers gedungen. Der Wunsch, einfach zu gehen wurde immer stärker, und widerwillig sträubte er sich gegen die Anwesenheit des Patriziers. Von diesem Fuchs ging etwas Unheimliches aus, etwas Niederträchtiges und Hinterhältiges, und was auch immer in ihm vorging, der Killer musste sich schnellstens etwas überlegen. Einen Plan zurecht legen, um unbeschadet aus diesem nervenden Abenteuer wieder herauszukommen. Pulcher raubte ihm seine Luft. Entzog ihm den Atem. Hier konnte er nur verlieren, und sterben wollte er noch nicht.
„Nun?“, fragte er und sah tief in das Gesicht seines Gegenübers. Der Senator erinnerte Fulvio an seinen verstorbenen Vater. Ebenso verschlagen und brutal in seinen Zügen. Kalte Augen, die ihn anstarren und ihn zu verschlingen drohten, bohrten sich tief in das Innere seines kalten Wesens. Aalglatt und dem Wahnsinn nahe. In diesen dunklen Augen befand sich keine Leben. Nur Machthunger, Geldgier und Mordgelüste. Ein Dämon hatte sich tief in Pulchers Wesen eingenistet. Fulvio kannte die Anzeichen, denn in ihm tobte auch so ein Monster, welches ihn nicht mehr losließ.
Aber, und das wusste er vom Hören sagen, diese Familie schon immer so gewesen. Der letzte große Skandal, den dieser Clan über sich gebracht hatte, lag sechzig Jahre zurück und wurde von dem großen Cäsar unterbunden. Sein Ahne hatte seinen Spaß gehabt, indem er sich in die heilige Zeremonie von Cordelia platzte. Sie und ihre weiblichen Gäste bloßlegte, nur um seine Neugierde zu befriedigen, und in ihre heilige Zeremonie zu platzen.
Nun, nach so langer Zeit trat sein Enkel in seine Fußstapfen und entwarf in seinem irrationalem Denken des wirren Kopf ebenso genau einen hinterhältigen Plan, wie sein Vorfahre. Diese Entschlossenheit las er in seinem Blick. Ein Funkeln, dass den Senator verriet.
Der Optio plante seinen Rückzieher. Egal, wie verlockend das Angebot war. Egal, was es zu kosten schien. Er wollte einfach nur noch weg und das schnellstens.
„Was würdest du sagen, wenn es eine Front von Republikaner gibt, die sich das Ziel gesetzt haben, Augustus und die seinen in den Tateros zu befordern, denn es wird Zeit, den Mörder der Republik für immer von der Erde zu tilgen und aus den Annalen der Geschichte zu streichen. Es gibt einen harten Kern, der ebenso wie ich, das Attentat geplant haben und bewerkstellen wollen, und du wärst unser Werkzeug für diese glorreiche Tat, die noch in Jahren Erwähnung findet. Du wärst der Held Roms, der das Reich von ihm befreit hat.“
Fulvio starrte in das regungslose Gesicht des Patriziers. Warum verwunderte es ihn nicht? War es nicht offensichtlich für solch eine Made? Augustus stürzen und dann? Für ihn war die Sache ganz klar. Er wollte diesen Platz besetzten, und dem Reich seinen Willen aufzwingen. Solche Reden hatte er viel zu oft in den Tavernen gehört, und diese Front der konservativen Republikaner gab es schon seit den Zeiten Cesars. Stets im Dunklen operierend. Auf jede Gelegenheit wartend, um der Schlange den Kopf abzuschlagen. Von diesen Idealisten gab es viele, doch am Ende lagen sie alle in der Grube. Der letzte, der versuchte Augustus ein Ende zu bereiten, und von dem Fulvio wusste, war Julus, der in einer heimlichen Beziehung mit Julia, der Tochter des Augustus, stand. Sie regelmäßig in sein Bett zerrte, und ihren Geist mit seinen Ideen verwirrte. Als der Junge erwischt wurde, war er ein Fressen für die Henker. Augustus Tochter verschwand in der Verbannung, und keiner hörte mehr etwas von ihr. Fulvio würde es viel schlechter ergehen, wenn das geplante Attentat des Ekels schief lief. Schon jetzt sah er sich schon in Lumpen in der Arena mit einem der unzähligen, stinkenden Löwen kämpfen. Am Ende dahinvegetierten. Die Gedärme in den vor Blut tropfenden Sandes hängend. Nur ausgestattet mit einem dumpfen Schwert. Die Gnade, sich gegen einen Gladiatoren zu bewesen und einen ehrenvollen Tod zu sterben, entfiel. Über ihm tobten die Massen, grölten und bejubelten seinen Untergang. Dieses Schauspiel hatte er schon viele paar Mal gesehen, sich selbst darüber ergötzt, wie auch die Menge. Ihm sollte es nicht so ergehen. Er fühlte sich noch zu jung, um aufgefressen zu werden. Der Tod sollte noch eine Weile auf ihn warten.
Fulvio schwörte sich in diesem Moment, heil aus der Sache herauszukommen. Schon alleine das Wissen, dass dieses Wiesel freigab, riet ihm, so schnellst wie möglich aus der Stadt verschwinden zu verschwinden. Nur gut, dass er in Rom keinen Verwanden hatte, den er in Gefahr bringen konnte, denn er schätzte den Senator so ein, dass er an ihnen Rache verübte, nur weil er danach seiner nicht mehr habhaft wurde. Schließlich verschwanden genug Leute, und keiner bewegte auch nur ein Finger. Flüchtige Bekannte zählten nicht, von denen sie weder seinen richtigen Namen, noch seine Herkunft kannte. Er war der Geist von Rom, und dabei sollte er bleiben.
„Danke, dass ihr an mich gedacht habt. Ich werde mir euer Angebot überdenken, und dir dann Bescheid geben, wie ich mich entschieden habe. Falco hat es ja schon einmal geschaffte, mich ausfindig zu machen und hierher geschliffen.“
Diplomatie war nicht gerade einer seiner besten seiner Stärken, und er hoffte, dass keinem auffiel, als seine Stimme leicht erbebte. Furcht keimte auf, und mühsam unterdrückte er dieses Gefühl.
„Das war keine Bitte. Sondern ein Befehl. Das kennst du doch. Oder nicht? Schließlich hast du gedient hast“, zischte Pulcher grimmig. Er schien ein Nein nicht zu akzeptieren, wenn er offenbar seine Fälle davonschwimmen sah. Er setzte Fulvio unter Druck. Dieses Verhalten verriet dem Killer, dass seinem Gegenüber die Zeit weglief, und er handeln musste, oder wollte. Waren gar die Prätorinaner hinter ihm her? Schnösel, wie ihn, hatte er früher bei den Legionen zum Frühstück verspeist und zum Mittag wieder ausgeschieden.
Bei Dis und allen Furien der Unterwelt. Seine Gladiatoren, oder was sie irgendwie darstellen wollten, konnte er mit einem Wink ausschalten. Den Senator danach zum Tapaischen Felsen schleifen, um ihn mit der allergrößten Genugtuung in die Tiefe zu fallen zu lassen. Morgen würden ihn die Stadtwachen finden. Er las seinen Sturz schon im Tagesblatt, worauf in größten Buchstaben stand, dass es einen Patrizier weniger gab, und die Ermittler des Augustus sich wie Bluthunde an die Fersen seine Mitverschwörer hefteten.
Tief atmete er ein. Wie blöd war seine Antwort. Fulvio hatte sich mit diesem mächtigen Mann angelegt, und dieser tollwütige Hund gab nicht so leicht auf, wie er sich es sich gewünscht hatte. Es gebot seine Ehre, diesen innerlichen Rückzieher zu machen. Schließlich war er in seinem Wesen immer noch ein Soldat. Kein Mörder, oder gar ein Landesverräter. Politische Ambitionen hatte er nie besessen. Das Gerangel um die Herrschaft überließ er den Geier in der Kurie, die sich, wie um eben jene Vögel, um ein Stück des Aases der Macht im Reiche prügelten. Für Fulvio ein rotes Tuch.
„Kein Grund mir zu drohen“, fauchte er zurück. „Wir sind doch alle Römer, und zivilisiert genug, um uns hier nicht an die Kehle zu gehen.“
Beschwichtigen hob der Senator seine Hände. Fulvio durchschaute jedoch sein Theaterstück, dass er hier am Fuße des Tempel des Apolls produzierte. Pulcher hatte zwei Gesichter, wobei ein noch gefährlicheres Raubtier tief in seine Inneren tobte.
Fulvio trat zurück. „Wie ich schon erklärt habe, werde ich diesen Auftrag überdenken, und dir morgen eine Botschaft schicken, ob ich mit dabei bin, oder nicht.“
„Was gibt es da noch zu bedenken?“, fauchte Pulcher giftig. Er duldete kein „Nein“. Das war zu offensichtlich. Fulvio schnaufte aus. Die Zerreißprobe seiner Nerven nahmen ein neues Ausmaß an.
„Jede Menge. Ihr wollt Augustus ans Leder. Die Sicherheit ist das eine. Er ist paranoid, was Anschläge angeht, und wie ich das sehe, braucht ihr jemand für`s Grobe, damit ihr eure adligen Krallen aus der Schlinge heraushalten könnt und nicht als Verräter entlarvt werdet. Es ist eine größere Operation, und du hast sie
anscheinend bis in das kleinste Detail ausgetüftelt wurde. Dennoch besteht die Gefahr, in die Schwerter der Prätorianer, oder seiner germanischen Leibwache, zu stolpern. Deswegen, und verzeih mir, wenn ich dir jetzt diese Worte sage, ist es nicht verwunderlich, wenn ich mich noch etwas sträube, und mir deinen Vorschlag genaustens überlege, ehe ich zustimme, um nicht in das Maul der Bestie zurennen und von ihr verschlungen werden. Was ich nun möchte, ist nur eine kurze Bedenkzeit, denn es ist mein Leben, um das es geht.“ Fulvio stemmte seine Fäuste in die Hüfte. Egal, wie er es sah, er hatte überzeugende Argumente geliefert und keine Lust mehr, mit dem Senator zu diskutieren. Dieser starrte ihn an. Er musste einlenken. Fulvio war ein freier Bürger, und kein Sklave, dem man einen Mord befehlen kann.
„Na gut. Sei es drum. Ich gebe dir deine Bedenkzeit. Wir treffen uns morgen zur gleichen Zeit wieder. Du wirst es auch nicht bereuen. Glaub mir.“ Erneut erfasste ihn ein Schauer. Seine Stimme beunruhigte ihn. Sanft und lauernd, wie ein garstiges Ungeheuer, dass sich in ihm Nacken saß.
Heimlich schaute er sich um. Falco war nun wirklich kein Hindernis. Der fette, wabblige Kerl war bei weitem kein Held. Eher ein Feigling, der sich bei der geringsten Bewegung in deine Unterhose machte, sollte er eine anhaben. Der Wirt machte nur seine widerwärtige Schnauzte auf, wenn er im Rücken einen Dominus hatte, der ihn deckte, und ihn nicht im geringsten gefährlich, oder gar umbringen würde.
Bei den beiden Leibwächter des Falco sah es anders aus. Sie waren von einem ganz anderes Kaliber.
Er musste aufpassen, und freundlich lächelte er sie an. Seine Gedanken füllten sich mit Fluchtpläne, und als erstes durchdachte er seinen Rückzug. Schaute der Bestie in sein furchteinflößendes Maul, und seine garstigen Zähne wurden größer und größer. Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit brach durch und erfüllte seine Sinne.
„Sicher, warum soll ich an deiner Ehrlichkeit zweifeln? Mein Preis erhöht sich jedoch hinsichtlich deiner Unternehmung. Immerhin willst du etwas Ungeheuerliches tun. So ist es nur logisch, dass ich mir auch ein größeres Stück vom Kuchen abschneide. Oder, wie würdest du es sehen?“
„Gerissen.“
„Jeder riskiert hier seine Spiele in dieser Posse. Glaub mir. Ich mache mich auf den Weg. Man sieht sich dann morgen.“ Es war leicht zu lügen. Fulvio war überrascht, wie leicht ihm diese Worte über die Lippen gingen. Schließlich hatte er jahrelange Übung darin. Leicht drehte er sich um. Sein Weg war lang und nichts war gefährlicher, als Rom bei Nacht. Er musste von diesem Ort verschwinden. Zum Abschied hob er seine Hand. Falco hatte sich zu seinem Boss gesellt, als der Optio hinter der Ecke zum Forum verschwand und sah seinen neuen Herren begierig an.
„Was hältst du davon?“, fragte Pulcher nachdenklich. Fulvio war für seine Verhältnisse ruhig gewesen. Zu ruhig fand der fette Wirt. Seine Gedanken konnte er nur erahnen. Gut waren sie nicht. Eher düster und grausam.
„Er wird kneifen. Normalerweise ist er sehr umgänglich und schnell zu begeistern. Sein jetziges Verhalten war mir neu.“
Pulcher dachte nach. Es war eine Schnapsidee gewesen, die ihm der fette Kerl unter die Nase gerieben hatte. Einen Außenstehenden mit hinzuzuziehen, von dem man nicht weiß, und ihm auf keine Weise erpressen kann. Darauf hätte er nie einsteigen sollen.
Fulvio war ein Mysterium. Ein Schatten, den man nicht fassen kann. Nicht greifbar.
Pulcher wusste nur eins. Fulvio war früher bei den Truppen gewesen. Die Spur seiner Existenz verlor sich in den Jahren. War er desertiert? Wie war sein richtiger Name? Woher kam er? Fragen, auf die er keine Antwort fand, noch je welche finden würde, egal, wie oft er auch nachstocherte, oder wie viele er bestechen müsste, um seine Geheimnisse in Erfahrung zu bringen.
Pulcher überkam die überwältigende Angst. Falco hatte recht. Der ehemalige Optio wollte wie ein Feigling kneifen. Einen Rückzieher machen. Seine Befürchtung des Verrats stieg in ihm hoch. Was wäre, wenn er eine Möglichkeit fand, Augustus und seiner loyalen Brut eine Nachricht zukommen zulasse? Seine Anstrengungen wären umsonst gewesen. Er verschwand in dem Loch unterhalb des Carcer im Tullianum, genau da, wo auch die Verschwörer des Catilina eingesperrt waren und auf Befehl des Cicero erdrosselt worden. Wollte er so in das Gras beißen? Er liebte seine Macht zu sehr, und sein Vermögen. Der Posten des Konsuls war erstrebenswerter, als die stinkende Kloake in der Nähe des Tempels von Mars-Ultor.
Nachdenklich tippte er mit seinem Finger an die Lippe. Dieser hirnverbrannte Idiot kannte seine Plane und sein Gesicht. Die anderen blieben im Dunklen. Er hatte nur die vier Ankömmlinge gesehen.
„Wird er uns verraten?“, flüsterte er leise und schaute zum Tempel hinauf. Die Säulen hatten sich trotz seines Alters sehr gut gehalten. Staatssklaven kümmerten sich tagtäglich um das Wohlergehen der staatlichen Gebäude und schützten sie vor dem Verfall. Seine Gedanken schweiften ab. Vielleicht sollte er sich nach einem geeignetem Versteck um sehen, das keiner kannte, um im Notfall zurück zu schlagen.
„Das kann man nicht wissen. Er bindet sich noch heute an den Eid der Standarten.“
„Hmmm,“ grummelte Pulcher tief. Er hätte nie auf diesen Menschen hören sollen. Einen Fehler, denn er nicht noch einmal machen würde. Er beschloss, die Sache in seine eigene Hand zu nehmen, und dieser Widerling sollte ihm dabei helfen. Pech, wenn sie ihn erwischten. Er wusste, dass er heil herauskommen würde.
„Na gut. Der Typ muss weg“, entschloss er sich. „Verfolgt ihn und lasst es wie einen Unfall aussehen. Sollte er etwas bei sich tragen, bringt es mir. So kann ich mir sicher sein, dass nichts auf mich deutet. Alles Klar?“ Seine beiden Schläger nickten.
„Dann los“, befahl er harsch.