Читать книгу Charmante Tribune küsst man nicht - S.A. Michael - Страница 8

Kapitel IV

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Anfang September war das Wetter noch warm, und der junge Tribun Marcus Cornelius Scipio Africanus, den alle seine engen Freunde nur Scip nannten, brütete leise fluchend unter der herbstlichen Sonne vor sich her, ohne auch nur einen sinnvollen Gedanken erfassen zu können. Die Sonne schaffte ihn. Strahlte hämische auf ihn nieder und verspottet den jungen Offizier, der den langweiligen Dienst abgrundtief hasste.

Das, was er sich jedoch wünschte und sich tief in seinen Hirnwindungen festfraß, war Drang nach dem Feierabend und einem kühlen Bad in den Fluten des nahe liegenden Flusses, gefolgt von dem anrüchigen Würfelspiel in dem provisorischen Zelt der griechischen Hure Alexandra, mit dem einzigsten Ziel, dass der Verlierer splitternackt vor dem Sieger saß. Kennengelernt hatte er sie im vergangenen Sommer, als sie abgekämpft und maulend auf das Sommerlager der drei Legionen traf. Im Schlepptau einen chattischen Fürsten mit seinem Sohn, in dessen Lager er am nächsten Morgen mit einem riesigen Kater aufwachte. Wie er dahingekommen war, fragte er sich noch an diesem Tag. Eigentlich immer, wenn er an der kleinen Gasse vorbeikam, die ihn daran erinnerte und ihn mahnend anstarte.

Scip hatte einen Riecher für gute Laune und wollte sie auch verbreiten. Aber nach dem gewaltigen Rüffel von Vala, der ihn mitten im Rausch von Wein und Hanf auf griff, musste der junge Offizier extreme Vorsicht walten lassen, um nicht noch einen Verweis zu kassieren und seine stimmungsvollen Aktivitäten nach Dienstschluss verbannen.

Der Reiterführer pferchte ihn ein, passte ihm nicht, und er wusste, dass Valas Arm lag war. Viel zu lang, und Scip sich seinem Willen fügen. Auf eine unehrenhafte Entlassung hatte er keine Lust. Sein Vater würde ihn, wenn er von diesen Verfehlungen erfahren würde, entgültig aus dem Hause jagen und nicht nur für ein Jahr zu den Truppen verbannen.

Vorsicht war geboten. Scip verhielt sich unauffällig. Überall spürte er Valas Blick im Nacken, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Unten am Fluss tummelten sich die ersten Soldaten der neunzehnten Legion. Sie hatten ihren Dienst hinter sich gebracht, und Scip beneidete sie um diese Abkühlung in den kalten, nassen Fluten. Schwitzte unter seiner ledernden Kluft. Zupfte an dem roten Leinen seines Halstuchs unterhalb des schweren Wollstoffs, welches er fein säuberlich um seinen Hals gewickelt hatte und den Schweiß, der seinen Nacken hinunterrannte, auffing. Wund scheuerte, wenn die Nässe nicht trocknete. Kippelte und zwickte, wenn sie die wunden Stellen in der Nacht verheilten. Wütend schielte er nach den Pferden der ankommenden Händler. Der Geruch der Tiere war mörderisch. Der beschwerliche Weg zum Lager weit. Meile um Meile auf unwirklichen Strassen. Voller Staub, Ungeziefer und Hitze, gepaart mit Gewitter, dass sich plötzlich ergoss. Zecken, die an den Straßenrändern lauerten. Sich an ihnen hängte. Blutsaugend. Im Lager nach neuen Opfern suchend. Bären und Wölfe. Banditen und anderes Gesindel. Wegelagerer. Krieger feindlicher Stämme. Oder die Ehefrau, die der untreuen Seele einen Mörder hinterherschickte. Zu unwirklich, wie das Land selbst. Und doch. Auch die Strassen im Imperium waren nicht sicher. Wie jeder Reisende wusste.

Der Zorn, den Scip tief in seinem Inneren mit sich trug, galt nicht ihnen, sondern einzig und allein seinem Vater, der ihn mitten in diese obskure Wildnis verpflichtet hatte. Hart schmiss er ihn aus dem geliebten, seichten Sumpf der Großstadt und stopfte ihn in die grausame Welt der Wirklichkeit des Erwachsenwerdens. Der Frust, der sich in diesem halben Jahr aufgestaut hatte, ließ er knurrend an den nächstbesten Händlern ab, die ihn von da an abgöttisch hassten. Ihn mit funkelnden Augen anstarrten, und ihn, in ihren Gedanken, im nächsten Sumpf ertränkten.

Tat ihn seine arrogante Art leid? Eigentlich nicht. Warum belästigten sie ihn in seinem mitleidsvollen Zustand mit sinnlosen Fragen, Floskeln und Gespräche tonloser Argumente, dessen Antworten sie sowieso schon kannten.

Die Aufsicht über den Markt zu haben, war eine undankbare Aufgabe. Für Scip war diesen Posten eine Strafe, den sich Vala und Sabienus, der Vorgesetzte des jungen senatorischen Tribuns und Legat der neuzehnten Legion für ihn ausgedacht hatten, um ihn tierisch auf die Nerven zu fallen. Oder ihn davon abzuhalten, irgendwelchen Blödsinn anzustellen, was ihn sichtlicher besser lag, als die eiserne Disziplin der Truppe, die ihn Numerius gnadenlos lehren wollte. Na ja. Zugmindestes war er an der frischen, wohlduftenden Luft. Eine Abwechslung zu dem stickigen und müffelnden Legatszelt, wo er bei der schwummrigen Dunkelheit die Berichte, Anordnungen und Befehle anstarren und seine Augen ruinierte, selbst wenn neben ihn eine der Öllämpchen brannte.

Am Rande des Platzes, wo die angereisten Händler ihre Waren verhökerten, wiegten sich die alten Bäume im Wind. Sangen wispernd ihr einsames Lied. Wer diesen Platz ausgesucht hatte, musste ziemlich blind gewesen sein. Der Schauer, den Scip jedes Mal über die Arme zog, kam von dem düsteren Rachen der germanischen Wälder, die gierig ihren Schlund auftaten. Ihre Zähne zeigten, um ihn in das Moor zu ziehen und hinabzuziehen. Flimmernde Lichter zogen über den Abgrund. Lichter mit einem eigenen Willen. Einer eigenen Seele. Unruhe durchzog das Lager. Von Verrat und Täuschung wurde gemunkelt. Die Verschwörer, wenn es denn wirklich welche gab, waren wie die feinen, zart gesponnenen Nebelschwaden des rohen Landes. Nicht zu fassen und verschwanden genau so schnell, wie die morgendlichen Dunstschichten in der aufgehenden Sonne des farbenfrohen, bunten Herbst, der gerade anfing, seinen Zauber wirken zu lassen. An den Spitzen der Blätter fing der Pinsel von Mutter Natur an malen. Erst in einem hellen Gelb auf grünen Grund. Später, in einen Monat, in einem hellen bis satten Rot. Kündigte den Winter an, der darauf folgte.

Scip hatte keinen Blick für die anbahnende Schönheit. Solange wollte er nicht an diesem Ort des Grauen, wo es nicht mal ein anständiges Bad gab, bleiben und seufzte gelangweilt auf. Nicht mehr lange, höchstens drei Tage, dann würden die Legionen zum Rhein in ihr Winterlager aufbrechen. Der gierige Schlund der Gefahren des Sommers blieb hinter ihnen, und im Frühjahr endete Scip`s Dienst, und er würde Rom wiedersehen. Jene Stadt, aus der ihn die Häscher der Sicherheit besoffen herausgerissen hatte, um ihn gegen seinen Willen verschleppten. Respekt zollten sie ihm nicht. Hart fassten sie ihm unter die Arme und zerrten ihn mit sich. Scip protestierte laut. Trat um sich und schupste sie zurück. Schließlich war er der Sohn eines Senators. Doch sein Vater rührte keinen Finger, verzog keine Miene, um die rohen, groben Dollköpfe bei der Verschleppung seines jüngsten Ablegers aufzuhalten. Ende der Geschichte.

Scip öffnete ein neues Kapitel seines Lebens, auch wenn es für ihn hieß, die harte Knute der Truppen zu ertagen. Er überlebte auf seine Weise den unerträglichen Dienst, den sie ihm aufzwang.

„Eh“, brüllte er genervt über den Platz und scheuchte ein paar cheruskische Hühner auf, die schnatternd in die nächste Taverne schlenderten. Schnell merkten, dass nicht sie den Unmut des jungen Tribuns auf sich zogen und finster im Inneren verschwanden. „Wenn du schon versuchst, deinen dämlichen Esel anzubinden, dann doch bitte an den Ort, der dafür zur Verfügung steht. Ich habe nämlich keine Lust, noch mal in diesen Mist zu latschen.“

Auslöser seines Ärgers war der trotteliche, gallische Schmuckhändler vom Vortag, der ihm immer noch wie ein schwerer Kloß im Magen saß und versuchte, sein Zugtier an die nächst beste Eiche zu binden und genau in dem richtigen Moment vor der Nase des jungen Tribuns die Strasse beschmutzte. Scip war es leid. Warum sollte ausgerechnet er sich mit solchen Typen abgeben?

„Esel halb blind“, brummelte der alte Mann in einem gebrochenen Latein, dessen Gesicht von der Sonne und den kalten Winden des Nordens hart gegerbt wirkte. Eine lange Narbe zog sich lang über die rechte Wange seines Gesichtes und wirkte recht frisch. Er war wohl von Banditen überfallen wurden, die ihre Tat im nachhinein bereuten, denn er hatte sichtlich all sein Hab und Gut bei sich auf seinem Wagen

Scip sah die Furche immer wieder an. Was für ein tiefes Ding sie war.

„Was geht mich diese Sache an? Das hier ist eine Strasse. Kapiert. Dahinten ist der Pferch für die Viecher der Händler und Halsabschneider“, fauchte er ihn an und nickte mit dem Kopf zum hinteren Teil des Platzes. „Also, Kumpel. Esel dahinten.“

Sein plumpe Versuch war lächerlich. Scip schnaufte auf. Dieses Spielchen war einfach nur dämlich.

„Wenn du das blöde Tier nicht bald von hier wegführst, ziehe ich meinen Dolch heraus und durchschneide ihm die Kehle.“ Wie weit würde er seine Geduld noch strapazieren?

Der alte Mann nickte Scip wütend zu, wankte mit seinem anscheinend kaputten Bein zu seinem Tier und spuckte vor sich in den ausgedörrten Staub.

In seinem Gesicht las der junge Offizier mordflüsternden Gedanken. Scip interessierte sich nicht sonderlich dafür und stellte sich breitbeinig auf den Weg. Er war auf seinem Platz der Boss. Sein Gegenüber wurde kleiner und kleiner und versuchte, ihn noch einmal auszutricksen.

„Esel läuft gern anderen Pferden hinterher und kommt dann nicht mehr zurück. Besser hier, als da.“ Die Sache wurde komplizierter. Scip fuhr genervt durch sein kurzes, schwarzes Haar. Warum hielt er sich nicht einfach aus der Sache heraus?

Dieses Eselproblem wurde lästiger, als er gedacht hatte und hielt ihn davon ab, irgendwann, in der nächsten Stunde, seinen Dienstschluss anzutreten.

Zornig schnaufte er auf und räusperte sich hinter vorgehaltener Hand. Warum war er auch immer der Depp für solche Torfnasen? Wieso tauchten solche Probleme nicht erst später auf und nervten die Vertretung? Das wäre doch mal eine gelungene Maßnahme, und er konnte erleichtert verschwinden. Aber nö. Er hatte das Patent für die ganz besonders schwierige Fälle und zog, egal, wo er auch immer war, den Ärger an, wie der Honig den Bären. Oder das Licht die Motte.

Auf der anderen Seite wollte der Gallier seine Autorität untergraben, und diese blödsinnige Aktion gefiel dem jungen Tribun nicht gerade. Der alte Maulheld wollte ihn bloßstellen. Ihn demütigen. Seinem Stolz einen Dämpfer verpassen.

„Dann las das blöde Viech bewachen. Schließlich hast du eine Horde von Sklaven, die für dich die Drecksarbeit machen und nun, gerade jetzt, faul in der Sonne dahinschmachten, um ja keinen einzigen Finger zu rühren. Klar!“ Es war ja nicht so, dass Scip nichts anderes zu tun hatte, als ihn in den Hintern zu treten und aufzupassen, dass der Händler nicht anfing zu schummeln. Ein Moment später, und er hätte ihn ausgetrickst, währe nicht das wilde Geschrei, was hinter ihnen ertönte.

Scip drehte sich um. Zwei wild aufsehende Germanen wollten sich mal wieder gegenseitig ihre Schädel einschlagen. Sie hatten Probleme mit ihren holpernden Wagen der Breite des Weges zu folgen. Eigentlich unsinnig hinsichtlich der Tatsachen, dass locker noch ein drittes Vehikel durch die Mitte gepasst hätte. Sie konnten sich nicht leiden und das reichte ihnen schon, um vor dem Lager einen Mords Aufstand anzuzetteln.

Scip schmunzelte und hob eine Augenbraue. Wie hatten sie es geschafft, ihren beiden globige Wagen mit ihren Räder zu verkeilen, warf Fragen auf. Scip legte seinen Kopf schief in den Nacken. Das Problem mit dem Esel rückte in den Hintergrund, und amüsiert sah er zu, wie zwei seiner untergebenen Legionäre die beiden Streithähne außer sich vor Zorn auseinander zutreiben versuchten, wobei der lange Optio einen Kinnhaken kassierte, und der bullige Centurio schreiend, nach einem unfreiwilligen Flug, im Matsch landete, in dem er knietief einsank. Schwimmend, sich am Rande festhielt, um seinen schmatzenden Stiefel, der in der angetrockneten, großen Pfütze festhing, unter größten Anstrengungen fluchend aus dem Morast zu ziehen.

Scip bewunderte die Ausdauer der beiden Querulanten. Kaum hatten sie sich der Sicherheitskräfte entledigt, schnauften und stampften sie zähneblitzend aufeinander zu, zogen jeweils am Wagen des anderen, um siegesgewiss das Holz auseinander zunehmen. Ein Kraftakt der Verzweiflung. Die Wagen machten einfach nur das, was sie wollten und bleiben auf ihrer Stelle stehen. Knarrten gefährlich unter der enormen Kraftanstrengung.

Scip kicherte in sich hinein. Ein Szenario nach seinem Geschmack und beobachtete, als andere Soldaten herbeiströmten. Zwei Helfer versorgten die ramponierten Offizieren, während die zweite Gruppe händeringend versuchte, die Fahrzeuge von der Strasse zu ziehen. Die dritte Abteilung legte sich mit den Germanen an, die sich immer wieder selber an Kehlen gehen wollten. Bestimmend. Das Knäuel um die beiden Streithähne verdichtete sich, und wenn Scip gewettet hätte, hätte er sicherlich seinen Einsatz verloren. Er setzte auf die Germane. Im Stillen seiner Gedanken und ihrer feurigen Wut.

Der Große der beiden Kämpfhähne gab nach, knickte mit den Knien ein und landete mit vier Soldaten im Nacken auf dem Boden. Sein kleiner Prügelsack strampelte und schnauft. Entwich immer wieder seinen Fesseln, die unter seinem Körper verschwanden, wie eine windige Schlange.

Robbte mit seinen Beinen aus dem Würgegriff seiner Häscher und rutschte auf dem staubigen Boden hin und her. Der völlig verdreckte Centurio blieb stehen und atmete kräftig aus.

„Alter, lass das!“, befahl er. Wich in der letzten Sekunde den aufblitzenden Zähnen seines Opfers aus. Der Germane wollte ihm beißen, schlug mit seiner flachen Hand in sein Gesicht und zog einen neuen Satz Stricke hervor. Arme und Beine. Ein einziges Wirrwarr auf der schmutzigen Straße, wobei die Fesseln immer wieder verrutschten. Gefangen, unter dem leichte Gewicht des naseblutenden Optio, fügte er sich seinem Schicksal.

„Nicht mit mir. Du schnappst nicht noch einmal nach meinem Arm.“ Heftig sog der Centurio die Luft ein und legte seine Hände auf seine Knien, während er den drahtige, kleine Germane nach oben zogen. Reichte seine Geisel weiter. Die Wucht, die sein Bewacher an den Tag legte, überraschte einen jungen Rekruten und verwundert über sich selbst, knallte er seinen Gefangenen an die nächste Holzwand, die drei Schritte weiter weg von dem Kampfplatz lag. Sein Gefangener kam wieder zur Besinnung und stiert ihn verwundert an. Grimmig, als er erkannte, dass sein Wächter nur ein Junge von siebzehn Jahren war. Wand sich in seinem Griff.

„Mach das noch einmal, und es setzt was,“ brüllte ihn der Rekrut erschrocken an. Der Germane verzog verächtlich sein Gesicht. Ihm dröhnten die Ohren.

Sein Gegner wurde auf die Beine gehievt.

„Was für ein Scheiß“, schnaufte er in einem wunderlichen Latein außer sich vor Wut und schaute in den Himmel. Stieß ein tonloses Gebet zu seinen Götter, die ihm in diesem Moment nicht helfen konnten. „Ich hasse dieses Kaff.“

„Dann bleib doch einfach weg.“ Der Centurio schaute ihn an, reckte sich noch einmal und führte seine Beute stolz ab.

Heimlich stimmte ihn Scip zu. Wie recht der Germane doch hatte. Das Leben wäre um so viel einfacher. Die ramponierten Karren wurden brutal auseinander gerissen und in den Straßengraben geschoben. Wenn die beiden Böckchen sich wieder beruhig, wurden sie aus ihren Zellen freigelassen, und sie bekamen ihr Eigentum unversehrt zurück. Sofern sich nicht ein Dieb daran zu schaffen machte, denn keiner, der an dem Kampf beteiligten Legionäre, würden sich nach dieser heftigen Weigerung dazu niederlassen, ihre Ware zu bewachen. Wer ihren Verlust dann ausglich? Keine Ahnung. Scip fiel wieder der Esel ein.

Der Gallier war weg. Sein Tier ebenfalls. Das Geschenk. Der Haufen Mist des Tiers. Warum hatte er sich auch auf den Kampf konzentrieren und nicht auf seinen Umweltverschmutzer, der diesen riesigen Haufen liegen ließ? Man traf sich immer zweimal im Leben. Scip grinste böse und atmete zischend ein.

Als sich die Abendsonne neigte zog über den Fluss, nahe des Lagers, der Hauch des ersten, kalten Herbstwindes aus dem Osten. Schleichend. Fröstelnd versteckte er seine Arme in seinen mollig warmen Wollumhang. Die Zeit, um doch noch in die Fluten zu springen, war vorbei. Der Markttag hatte ihm dieses Vergnügen gründlich versaut. Die seichten Wellen sahen ihn höhnisch an, und schnaufend ging er zu seiner Unterkunft. Von irgendwo her würde er warmes Wasser auftreiben. Einen Sklaven hatte er von seinem Vater nicht mitbekommen. Eine strafende Maßnahme, die griff, und Scip in den Wahnsinn trieb. Der elterliche Raub des Luxus war der glanzvolle Höhepunkt des stoischen, sturen Verhaltens seines alten Herren.

Zum Glück gab es Rekruten, die sich für ihre Hilfe etwas hinzuverdienen wollten, wenn es ihre Zeit und ihr Dienst erlaubte, was für manche in diesem Punkt kaum zu realisieren war. Manchmal musste Scip in den sauren Apfel beißen, und seine persönlichen Angelegenheiten eben selber regeln. Was ihn zu tiefst widerstrebte, war er doch von klein an gewöhnt, dass man ihm alles nachtrug

„Herr!“ Ein zartes Stimmchen riß ihn aus seinen frustrierten Gedanken. Scip war über den überraschenden Überfall froh, riß er ihn aus seinen deprimierten Gedanken, die in diesem Moment genau so kalt waren, wie der kühle Abend.

Einer der Schreiber des Vala grinste ihn an, als er sich erschrocken umdrehte und in das sommersprossige Gesicht des Burschen schaute. Der Junge kam aus Marcillia und erfreute sich nun an dem, was er sein zu Hause nannte. Mit siebzehn Jahren war er von seinen Eltern weggelaufen. Prügel, sagte er einmal, konnte er auch bei den Truppen bekommen, und anders, als bei sich zu Hause, konnte er nun auch kräftig austeilen.

Scip zuckte mit den Schultern. „Was jetzt?“ Genervt blinzelte er mit seinen Augen. Der Bursche schluckte, kannte er den arroganten Ruf des Tribuns, indessen Gegenwart er nie die richtigen Worte zu finden schien.

„Vergebung, dass ich störe. Der Präfekt Vala bitte dich zu einer Unterredung. Es klang äußerst wichtig, fügte er seinen knappen Worten ein „sofort“ hinzu. Natürlich nicht so wie in meinem Ton. Eher fordernder und viel, viel lauter.“

Was auch immer kommen sollte. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Oder doch? Lag es vielleicht an der gestrigen, versteckten Wasserbombe? Er war nicht zugegen gewesen, als sie den Kopf des chattischen Fürsten traf. Dabei war der Germane nicht einmal Scip`s Ziel gewesen. Die Bombe war sein Werkzeug der Rache. Der lustige, kleine Privatkrieg zwischen ihm und dem senatorischen Tribun der siebzehnten Legion war seit einem halben Jahr legendär und sorgten regelmäßig für ein, zum Eigenleben erwachten,

lustiges Getratsche unter den Männern. Nur zu dumm, wenn bei diesem Spiel der beiden Scherzbolde Unbeteiligte daran glauben mussten. Schon einmal hatte er die dümmliche Spielerei mit dem Wasserballon vom Stapel gelassen. Damals ging Asperenas in die nicht für ihn bestimmte Falle, und Scipio stand seitdem auf seiner roten Liste. Ebenso wie Cato. Des Legaten erster ritterliche Tribun. Ebenso wie Asperenas fand der Chatte diesen Streich nicht lustig. Das wusste Scip von seinen Freund, der mit ihm der gleichen Meinung war, und den Dienst sowieso zum Sterben langweilig fand. Wie manche der anderen Soldaten den Dienst bei den Standarten für fünfundzwanzig Jahre durchziehen könnten, ohne durchzudrehen, waren für die jungen Offiziere eines der größten Mysterien ihrer militärischen Existenz. Hatte der Fürst gar gepetzt?

Scip`s Herz pochte wie wild, je weiter er zu dem Zelt des Reiterpräfekten kam. Vala würde ihn sicherlich einen Strafdienst aufbrummen, wenn er davon wusste. Eigentlich wäre das Sabienus Aufgabe gewesen, seinen jungen Stellvertreter zu maßregeln, doch dieser kümmerte sich eher um seine undurchsichtigen und illegalen Angelegenheiten, als Scip in die richtigen Bahnen zu lenken. Vala hatte sich dem Jungen angenommen und versucht, nach seiner Vorstellung zu formen.

Scipio war ihm dankbar. Vala wusste das.

Das Lager war, wie alle anderen Lager der römischen Lager auch, in der gleichen Anordnung der Gebäude angeordnet. So lief man nicht Gefahr, stundenlang nach dem richtigen Gebäude umherzuirren. Selbst das Sommerlager wurde nach diesem bewerten System, welches sich Jahrhunderte lang bewert hatte, ausgerichtet worden, und Vala`s Unterkunft fand sich passend dazu bei der Reiterei. Seine Bude war größer, als die der anderen Reiter, und am weitesten von den Ställen der Pferde entfern, was ihm auch nicht weiterhalf. An bestimmten Tagen flüchtete er aufgrund der Geruchsbelästigungen aus seinem Zelt und schleimte sich bei seinen anderen Offizierskollegen in der Infanterie ein.

Feuer brannten vor den Behausungen. Vereinzelt stopften Legionäre im schwummrigen Schein der Flammen ihre Socken, andere kochten ihr Essen, und der Hauch des selbsterlegten Wild, Thymian und Knoblauch kroch in die Nase des jungen Tribuns. Sein Magen jubilierte. Das Essen war etwas anderes als der Haferbrei, der ihn jedes Mal, im wahrsten Sinne des Wortes, zu kotzen brachte, sowie der trockene Zwieback, der im Mund staubte.

Wer es sich leisten konnte und nicht wegen unerlaubten Entfernen in die Zelle wandern wollte, bestach die miesgelaunte Wache mit einem kleinen Teil des Fanges. Das ersparte ihnen das drohende Kittchen. Scip kannte diese heimlichen Jäger zur Genüge, denn der Chefcalone rühme sich mit ungenießbaren Essen und paranoiden Verhalten, wenn es um eine Inspektion ging. Wen wunderte es dann, wenn sich die Leute weigerten, bei ihm zu Essen und auf einen nächtlichen, nach Feierabend gelegenen, Spaziergang zu begeben. Scip kannte seine Wandersleute, und sie kannten ihn als besonders launisch und hitzköpfig, dass, wenn sie ihm in die Arme liefen, nichts mehr zu lachen hatten. So schmiedeten die Delinquenten Pläne, um seinem Zorn entschlüpfen zu können.

Vor Vala`s Unterkunft stand ein kleines Tischlein mit Essgeschirr. Scip schmunzelte. Gut. Er hatte schon etwas gegessen. Das machte ihn umgänglicher, und der junge Tribun stande keinen hungrigen Löwen gegenüberstand, der ihn hätte fressen könnte. Numonius alter, bequemer Stuhl stand seitlich zum Eingang, und diese Tür war der

Schlund zu seiner eigenen privaten Hölle. Vala hatte ihn schon von Weiten heranschlürfen sehen, hinsichtlich seiner Schnelligkeit mit den Augen gerollt und bereitete sich auf den Rüffel für den Jungen vor. Scip zog eine der Augenbraue nach oben und schaute nervös zum Zelt. Seine Leibwache hatte er weggeschickt. Verwundert war er nicht. Vala wollte mal wieder keine Zeugen.

„Komm herein!“, fluchte seine Stimme aus seinem Inneren, gefolgt von einen lauten, scheppernden Knall und einen gefährlichen Quietschen. Scip schob die Plane beiseite. Das Eintreten erwies sich, anders als bei den anderen Monaten zuvor, als äußerst schwierig. Hinter seiner Tür, im Schlummerlicht, türmten sich mehrere Kisten und Truhen für den Tross und verbreitete eine befreiende Aufbruchsstimmung. Der Junge von Vala hatte sie zuvor gepackt und hoffte, dass sie jemand am nächsten Morgen abholen würde. Das eventuell auch andere Trottel diesen Eingang benutzen mussten, daran dachte der Bursche in seinem Eifer für diesem Moment nicht.

Scip versuchte, sich durch das Labyrinth des Eigentums von Vala hindurch zuquetschen. Der Ausgang fand er nach langem Suchen hinter einem Brett und stürzte über einen Beutel, der von dem schiefen Gebilde hinunterfiel. Fing sich händeringend an der Tischkante, die er aus dem Augenwinkel heraus erspähte.

Vala bemerkte seinen Faststurz aus dem Augenwinkel heraus und schüttelte mit dem Kopf. Die Jugend. Sie machte nichts als Ärger. Immer darauf bedacht, den älteren und weitaus erfahrenen Offizieren in den Ohren zu liegen. Wütend schnallte er mit der Zunge und blitze genervt mit den Augen. Scip ging in Deckung, um nicht Opfer seines Zorns zu werden.

Vala schob seinen Frust noch etwas auf. In diesem Moment hatte er andere Probleme. Sein Sklave schaute ihn von unten herauf schuldvoll an. Ein Eimer aus Bronze lag umgekippt auf dem Boden, und das einst in dem Gefäß befindliche Wasser sickerte langsam in den weichen Boden und auf einen nicht gerade geringen Teil der Klamotten des Präfekten. „Trottel“, presste er zwischen seinen Zähnen hindurch und schaute den rothaarigen Knirps giftig an. Seine Hand zuckte auf. Der Junge hob schnell den Eimer auf und entging nervös der Strafe seines Herren.

„Jetzt hänge meine Kleidung auf, sonst drehe ich noch durch.“ Vala sah zu, wie der Bursche die Kleidung in den Eimer stopfte und mit einen der Lappen das Wasser von den Panken wischte. Scip fand diese Putzerei unnötig. Lief doch das Wasser von selbst ab, und das Wetter war noch warm genug, dass das Holz unter seinen Füßen trocknen konnte. Das war zumindest die Ansicht von Scip. Sein Vorgesetzter war von einem anderen Kaliber.

Vala beobachtete immer noch seinen unsicher werdenden Jungen, während Scip versuchte einen Weg durch dieses Wirrwarr zu finden, stolperte weiter, um einen Platz vor dem Präfekten zu finden, angemessen zu salutieren und musste zuhören, was der Bengel nicht alles richtig machte. Heimlich rollte der junge Tribun mit den Augen. Kein Wunder, dass der Sklave die Arbeitsmoral einer Kaulquappe besaß.

Vala schnaufte auf. Ein Geräusch, welches Scip so noch nie von ihm gehört hatte. Selbst nicht einmal bei seinen Ausrutschern. An diesem Abend war der sonst so nüchterne Mann leicht cholerisch und brütete weiter leise maulend vor sich hin.

„Idiot!“ Scip schrak auf. Ging es also wirklich um den mit Wasser gefüllten Ballon? Hatte der Fürst schlussendlich doch gepetzt? So hätte er ihn nicht eingeschätzt. Scip`s Wangen errötete ein wenig und unschuldig, schuldig schauend sah er schräg auf.

„Äh... wie bitte? Ich kann dir das erklären.“

„Ich habe echt keine Ahnung von was du da sprichst!“

Erleichtert atmete Scip auf, und beide Attentäter schienen aus dem Schneider zu sein. Vielleicht hatte sich auch Caldus bei dem Fürsten entschuldig und ihm den kindischen Sachverhalt erklärt. Sollte er Vala die Wahrheit sagen? Zu viele Gedanken, die ihm durch den Kopf kreisten. Nervös knetete er seine Hände und atmete schwer auf. Sah zu, wie der Präfekt den Jungen zur Seite schob, ihm den Eimer entriss und ihn an den schwer zu findenden Eingang stellte.

Schüchtern nahm der Bursche den alten, kostbaren Weinschlauch und goss dem Tribun den edlen Falerner in den tönernen Becher. Seine Hand zitterte auf. Verschüttete etwas von der Flüssigkeit. Ängstlich schielte er durch seine Wimpern und befürchtete den nächsten Anranzer. Diesmal von dem Tribun.

Scip lächelte ihm jedoch an. Seine gespielte Freundlichkeit gab den Knaben zumindestens etwas Zuversicht, um nicht noch deprimierter in sein Bett zu gehen.

Vala versuchte unterdessen den kargen Rest seiner trockenen Kleidung in Sicherheit zu bringen und schmiss sie wütend schnaubend auf sein Feldbett. Das Scip anwesend war, hatte er anscheinend vergessen. Doch nicht den Blödsinn des Jungen und fauchte erneut ziellos in den Raum, dass selbst eine Wildkatze in den unwirklichen Wälder Germaniens erblasste und mit eingekniffenen Schwanz verschwand.

„Anstelle dort blöde herumzustehen, könntest du dich bequemen, die nasse Kleidung nach draußen zum Trocknen zu bringen.“ Der ganz normale Irrsinn. Wahnsinn!

Scip machte sich klein. Der Junge wuselte mit seinen Eimer in die schwarze Einöde der Nacht davon. Scip sah ihn nach, nippte an dem Wein und versuchte sich, angesichts des Alkoholpegels des roten Weins Mut zu machen.

„Herr.“ Laut räusperte er sich. Nach zwei Schlückchen des edlen Stöffchens fand er seine Stimme wieder. Vala grummelte leise und verhäderte sich in seinen Schnürsenkeln seines Stiefels.

„Herr?“, fragte der junge Tribun nach einmal. Der Präfekt befand sich in einer totalen Existenzkrise.

„Och, man eh. Ich höre dich!“, fauchte er in den Raum. Ein lautes „Scheiße“ und das zornige Knacken seines Mantels folgte. „In wie weit bist du in die Korruptionsvorwürfe gegen Sabienus verwickelt?“, fragte er schnaufend und wütend. Er war endlich seiner Klamottenfalle, die weit verstreut auf seinem Bett lag, entkommen, stellte er sich gerade hin und schaute ihn scharf an.

„Ich versehe nicht ganz.“ Scip runzelte die Stirn. Diese direkte Andeutung gegen seinen Legaten war für ihm neu, obwohl der verkalkte Depp die ganze Zeit irgendwelche zwielichte Geschäfte betrieb. Doch aber nicht er! Er fraß zwar viel aus. Aber dieser Vorwurf ging selbst ihm zu weit.

Scip wurde heiß, und seine Gedanken kreisten wilder durch seinen Kopf. Er war nicht bestechlich, und wenn er auch nur einen Hauch davon wagte, durfte er sich in Rom bei seinem Vater nie wieder sehen lassen. Sich gleich selbst in die Sklaverei verkaufen. Ansonsten würde ihn sein Vater umbringen. Das durfte er, laut dem allgegenwärtigen, römischen Rechts. Für Scip eine totale Katastrophe. Ein Leben ohne Luxus. Ein Desaster.

Vala setzte sich schwer auf sein Bett, schob seinen Berg an die Wand und starrte Scip an. Nein. Vala hatte sich nicht getäuscht, und das echte Entsetzten des Tribuns verriet ihm, dass der jüngste Welpe des Lucius keine Ahnung von den Machenschaften des Sabienus hatte. Zumale war der Bengel, egal, was für ein Querulant er auch immer war, zu solch einer bösartigen Mittäterschaft nicht fähig.

„Na gut“, stieß er fröhlich hervor und sprang mit einem Satz von seinem knarrenden Bett. „Nicht`s für ungut. Belassen wir es dabei und vergiss einfach, was ich gesagt habe.“

Was war das denn? Entgeistert starrte ihn Scip an. Was wusste Vala, dass es solche Vorwürfe in den Raum stellte? Welcher Spur schien er zu folgte? Sabienus fett, dumm und schwerfällig waren illegale Geschäfte gut zuzutrauen. Schließlich pflegte er die übelsten und anrüchigen Kontakte, die ihn unglaublich reich machten. Keine unübliche Praktik bei den Truppen in den Provinzen. Doch, wenn das stimmte? In wie weit war Scip unbewusst hineingerutscht?

Schwer seufzte er auf. Wenn überhaupt. Sabienus hielt sich gegenüber von Außenstehenden bedeckt und versuchte seine Aktivitäten zu verschleiern. Den Einzigste, den Scip der Mittäterschaft verdächtigen konnte, war Galba, der ebenso, wie der Legat, gekonnt den Bestechungsgeldern nachlief. Scip selbst hatte diesbezüglich nie ein Angebot erhalten. Sie wusste auch warum.

„Hast du einen Verdach? Ich meine ja nur, dass du meine Person anzweifelst.“ Scip senkte seine Kopf. Meine Güte. Jetzt kommt der Hammer. Vala kam näher. Er war nicht mehr verärgert. Was ihn nur noch mehr verunsicherte. Leicht, vielleicht auch zu leicht, legte er seine Hände auf die Schultern des jungen Scherzboldes.

„Du bist vieles, Marcus. Eines bist du nicht. Ein Lügner. Es wäre mir auch vollkommen neu, wenn du plötzlich anfingst, dich an soll eine gierige und hinterhältige Made zu hängen. Hätten doch nur andere deinen Spürsinn und deine Nase.“

„Du schmeichelst mir?“

„Nein. Warum sollte ich? Würdest du nur einmal deinen kindsköpfigen, streichausheckenden Schädel richtig benutzen, würde aus dir ein hervorragender Offizier werden. Die reinste Ironie ist das. Dein Scharfsinn speist die Verweise in deiner Akte.“

Vala trat zurück. In seinem Gesicht las Scip seine typische, tiefe Enttäuschung und raue Bitternis lag in seiner Stimme. Wie sollte man auch einen Zwinger voller junger Hunde zähmen können? Im Frühjahr wäre der junge Tribun wieder in Rom und brauchte sich keinerlei Gedanken mehr zu machen. Vala hatte ihn freiwillig unter seine Fittiche genommen. Sabienus kümmerte sich keinen Deut um den cornellischen Bengel.

Scip fühlte sich in die Ecke gedrängt. Reue stieg auf und verbrannte ihn von innen. Warum konnte er sich auch nie beherrschen und seine Finger im Zaume lassen? Normalerweise rollte er bei einem Rüffel mit den Augen. Autorität konnte er kaum ertagen. Schuld war wie immer sein Vater und seine ständigen Alltagallüren, versteckt in dem beißenden Sarkasmus, denn auch sein jüngster Sohn perfekt beherrschen.

Müde setzte sich der Präfekt hin und entließ ihn mit einem schwachen Wink. Fade lächelte ihn Scip an, salutierte und schlängelte sich stolpernd zum Ausgang. Der Rüffel saß, gab ihm Stoff zum Nachdenken und brüllte in seinen Gedanken, ohne aufhören zu wollen. Noch mehr Verweise konnte er sich kaum leisten und hoffte, dass seine letzte Schandtat bei Caldus blieb, obwohl da immer noch Proculus und Lerius waren, die das Lagerleben wie Adler die Mäuse im Blick behielten. Den Unruhestiftern spionierten sie gnadenlos hinterher, um sie im Notfall aufzuhalten und sie davon abzuhalten, irgendetwas noch dämlicheres und blödes anzustellen, sowie die beiden legionsbekannten Spaßvögel, die, die Konsequenzen kaum nachvollziehen wollten und konnte.

Scip blickte in den Himmel. Selbst er, der sich in seiner ganzen Pracht über ihn spannte, konnte ihm keine Antwort auf seine Fragen geben, und der Mond, der nur zur Hälfte zu sehen war, lachte ihn spöttisch aus. Die Tage wurden kälter, und der junge Tribun war nicht an das Wetter im Norden gewöhnt.

Als Kind des Südens liebte er die Wärme, das Meer und den sanften Hügeln der Campanie. Was war das nur für ein Land, in des ihn sein Vater verbannt hatte? Welche miesen Launen schob sein alter Herr? Für den Ableger des altes Scipio Africanus eine wahre Katastrophe. Wenn er doch nur etwas dagegen unternehmen könnte?

Solange sein Erzeuger noch lebte, hatte er keinerlei Verfügung über sein eigenes Leben. Nur die Rechte, die er ihm zugestand, und sollte es ihm einmal zu viel werden würde, könnte er ihn sogar in die Sklaverei verkaufen, um ihn den nötigen Respekt zu lehren. Sein Vater, so hoffte er inständig, sollte nicht auf diesen perversen Gedanken kommen, denn dieser Schmach wollte sich Scip nun wirklich nicht aussetzen.

Gequält seufzte er auf. Viel lieber währe er in diesem Moment an den Stränden der Adria, oder in der Nähe von Pompeji, einer Hochburg der Reichen und Berühmten, und nicht an diesem stinkenden Sumpf des Nordens, wo unsichtbare Geister und Monster der Germanen hausten. Diese Geschichten und Legenden erzählten sich jedenfalls die altgedienten Veteranen, die, wie üblich, in den im Kopf herumspukenden Gedanken des tiefverwurzelten Aberglaubens saßen, sodass sie bei jedem Schrei der neugierigen Raben aufschraken und das Krächzen als böses Omen ansahen.

Scip verstand diese Furcht nicht. Obwohl er von Hause aus spirituell angehaucht war. Nichts ging ohne den Segen der Ahnen, die in der Galerie neben den Eingang ihren Dienst an den Lebenden verrichteten. Über die Ungeheuer in den Tiefen der Wälder konnte er nur schmunzeln. Andere Hirngespinst wiegten viel schwerer. In Gedanken versunken stellte er sich an den Fluss, beobachtete das leichte Tänzeln seiner Wellen und erschrak, als laut die Parolen der Nachtwachen geschrieen wurden.

Scip hatte frei. Ein andere pflichtbewusster Offizier huschte über die Hügel, der ihn erblickte und Scip zuwinkte. Caldus schlürfte auf ihn zu, grinste ihn an und drückte seinen Rücken durch. Laut schmatzend zerpflückte er ein Stück Brot, welches er von der Küche hatte mitgehen lassen. Der lahme Chefcalone bemerkte diesen Diebstahl und drohte mit Schlägen. Caldus kratzte die Kurve, denn sich mit dem alten Küchenbullen anzulegen, war nicht zu empfehlen. Zumale er gleich nach dem Beil griff. Scip nahm ihn einen Krümel ab und stopfte ihn in seinen Mund.

„Kannst du mir mal sagen, warum du über beide Ohren so dümmlich schmunzelst? Welcher Schelm hat dich den gebissen?“, fragte er mampfend und mit dem zynischen Gedanken. Er wollte ihn doch noch über die Wasserbombe auszuquetschen, formte einen weiteren Teigklumpen mit seinen Fingern zu einer Kugel, die er danach über seine Zunge tanzen ließ.

„Ha“, stieß sein Freund aus. „Schelm ist gut, und dem zum Frühstückt.“

Wütend blinzelte Scip ihn an. „Alter, was soll das denn wieder heißen?“ Für derartige Scherze hatte er nach Valas Rüffel nun echt keine Lust mehr. Caldus war andere Meinung.

„Wärst du heute morgen bei der Besprechung dabei gewesen, wüsstest du davon.“

„Was sollte ich bitteschön wissen?“ Diese Hinhaltetaktik seines Freundes schmeckte Scip absolut nicht, und er zu neugierig, um darüber hinweg zu sehen. Er wusste etwas. Dieses Wissen, welches sich tief in den Gedanken von Caldus verbarg, folterte den anderen jungen Tribun.

„Ömm...“

„Ach man, mach schon. Außerdem sollte ich mich schon beim Morgengrauen auf diesem beschissen Marktplatz einfinden. Da war keine Zeit mehr für diese langweilige Diskussion, die Stunden in Anspruch nimmt.“

„Von wem kam das den?“

„Was denkst du denn? Von Sabienus natürlich. Er wollte mich danach aufklären, und ist seitdem verschwunden. In seiner Unterkunft ist er auch nicht. Da habe ich schon nachgesehen.“

„Na, wenn das so ist“, flüsterte Caldus leise und schaute auf seine Füße. Scip riß der Geduldsfaden. Diese Geheimnistuerei und ausweichenden Bemerkungen kannte er schon von ihm.

„Du weißt schon, dass es unhöflich ist, mich so auf die Folter zu spannen. Wenn ich dich nicht kennen würde, würde ich dir diesen Gedanken aus deinem Kopf prügeln“. Maulend schob er das letzte Stück seines Brotes in den Mund. Ahnung vom Brotbacken hatte der angebliche Lucullus ja. Wenn er sonst nicht viel auf den Kasten hatte.

„Hmmm..“

„Spuck es schon aus.“

„Was hier auf die Wiese? Du bist aber gemein!“, prustete es auf. Scip kochte vor Wut.

„Lass den Scheiß, Gaius Caldus. Das ist einfach nur dümmlich.“

„Was sind wir aber heute zickig. Na denn.“ Sein Freund schnaufte auf. „Spaßbremse“, zischte er hervor und legte eine ernste Miene auf, welche Scip noch im Schlafe verfolgen würde. Etwas schien seinen Kumpeln zu beschäftigen. Er sah seine Gedanken ganz deutlich in seinem Gesicht geschrieben.

Scip runzelte mit seiner Stirn. Caldus schaute sich vorsichtig um, denn der Platz, hatte wie überall im Lager Ohren, und nichts war beliebter, als der übliche Legionstratsch und die Geheimnisse und Verfehlungen der höheren Offiziere, die danach unter den Mannschaften ausgetauscht wurde. Auch Scip war schon Opfer des Spottes geworden, und schnell mussten die Lästermäuler lernen, was es hieß, den Zorn des jungen Offiziers auf sich zu laden, denn er fackelte nicht lange und verpflichtete sie zu Strafdienst.

„Es ist nämlich so“, flüsterte er in sein Ohr. „Sabienus hat dich entschuldigen lassen.“

Zwei der Wachen schritten an ihnen vorbei. Für einen kurzen Moment hielt er inne und erwiderten ihren Gruß.

„Und weiter?“, fragte er, nachdem sie außer Hörweite waren.

„Na jedenfalls, nach der Sitzung blieben nur noch Vala und Sabienus im Raum. Das Gespräch, welches sie führen wollten, war nicht für fremde Ohren bestimmt. Aber ihr Gezanke wurde so laut, dass ich jedes Wort mitbekam, und es grenzt an ein Wunder, dass das lautstarke Gespräch außer mir keinen anderen Zuhörer anzog.“

Caldus sog scharf die Luft ein und suchte nach den passenden Worten.

„Was ist danach passiert?“, fragte Scip angespannt.

„Vala stellte ihn zur Rede. Er schmiss in den Tatbestand der Korruption entgegen und den Verkauf irgendwelcher illegalen Sklaven, die er sich eingeheimst hat und heimlich an Sklavenhändler verscherbelt, die sie ohne Lizenz über den Rhein schippern. Keine Einfuhrgebühren, die sie sich in die Taschen stecken. Da wird man schnell reich. Vala will gegen ihn und seine Handlanger eine Untersuchung einleiten. Ist doch ein Ding. Oder?“

„Da sagst du was“; antwortete er nervös. Da war es wieder. Das Wort, welches ihn schon bei Vala aus der Fassung gebracht hatte. Der Präfekt hatte ihn im unklaren gelassen, und Scip unwissend weggeschickt, nur um ihn zu schützen. Doch der Buschfunk funktionierte tadellos. Scip konnte seinen Wissensdurst befriedigen. Langsam dämmerte er ihm, von seinem Vorgesetzten missbraucht worden zu sein, und hätte er damals, im Sommer, Meldung über seine Rücksichtslosigkeit gemacht, hätte er schon eher diese miese, feige Ratte von der Backe bekommen. Der Dumme war nur er, und er musste damit klar kommen. Seine Wut wuchs in das Unermäßliche. Fraß sich in seine Gedanken und konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Sein Freund bemerkte seine schlechte Stimmung. Doch Gaius war zu höfflich, um nachzufragen und klopfte ihm auf die Schulter.

„Wir sehen uns. Bis dann.“

Zurück blieb ein nachdenklicher Scipo. Wenn Sabienus so offen sprach, dann müssten die Beweise gegen ihn erdrückend sein, und er selbst, wenn es Vala in den Finger juckte, der Mittäterschaft bezichtigt werden konnte. Scip brauchte Klarheit. Diese würde er sich noch an diesem Abend holen.

Charmante Tribune küsst man nicht

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