Читать книгу Charmante Tribune küsst man nicht - S.A. Michael - Страница 9
Kapitel V
ОглавлениеDer Abend der Offizier im Feldherrenzelt lief wie immer ab. Nur mit dem einzigsten Unterschied, dass der Koch Mühe und Zeit aufbringen musste, um etwas Anständiges für die hohen Herren zum Abschiedsessen zu zaubern und seine spärlichen Reserven anzapfte. Die Händler, wo er gerne versuchte, doch noch etwas abzustauben, befanden sich ebenfalls in wanderlustiger Laune einer Aufbruchstimmung und sahen nicht ein, dass er etwas von ihnen schnorren. Sie ließen ihn nicht an ihre Reserven, die sie für den Aufbruch und der Reise zurück in das Reich gebunkert hatten. Schimpften, schnauften wie Bulldocken und hastig verzog er sich knurrend in seine Ecke. Schwor den Hamstern bittere Rache. Wusste er doch, wo die meisten der Händler wohnten.
Wie auch in den letzten Tagen zuvor gab es Wild. Welche arme Sau dafür durch das weitentfernte Unterholz kriechen musste, blieb unbekannt, denn zu dieser Zeit in der unmittelbaren Nähe etwas aufzutreiben, war kein leichtes Unterfangen und bedurfte sehr viel Glück. Die fetten Braten wussten, wer sie da zu erjagen gedachte und suchten ihr Heil in den kilometerweit entfernten Gegenden der tiefen, undurchdringlichen Wälder.
Während Vala und Glaba, einer der anderen Offiziere, der Braten auseinander nahmen und über den rothaarigen Germanen ablästerten, der sich bei Varus einschleimte, betrat Scip die gelangweilte Runde. Sah in den Raum und verfluchte innerlich seine Unpünktlichkeit. Das aufklärende Gespräch mit Caldus hatte ihm fragende Blicke seiner Verspätung eingebracht. Doch er war nicht der einzigste. Sicherlich stand Gaius wieder wie ein Waschweib vor der Truhe, nur um das passende Kleidungsstück herauszukramen.
Scip betrachtete die Suche nach einem geeigneten Kleidungsstück viel einfacher. Er schnappte sich das Teil, welches ihm gerade in die Hände fiel und ihm nicht den Stress einbrachte, den Stoff mit der Hand zu glätten. Diese Suche hatte er bei seinen Eltern perfektioniert. Ärger mit seiner Mutter war bei seiner Gleichgültigkeit immer noch das größte Übel, da es sich zumeist um das selbe Stück handelte. Im Lager blieb das ewige Gemecker aus. Er zog die Tunika an, die er wollte, ohne auf die elterliche Etikette römischer Eitelkeit zu achten.
Widerspenstig studierte er das Essen und runzelte seine Stirn. Zu viel Fleisch, zuwenig von dem, was ihm wirklich schmeckte, denn er war nun wirklich kein Fan von Schweine- und Rindfleisch. In seiner Kindheit hatte er diesbezüglich ein dramatisches Erlebnis gehabt, als Porky, das Schwein und Marcia, seine Lieblingskuh, auf den Tellern seiner Eltern und deren Gäste landeten. Hysterisch schreiend rannte er aus dem Landhaus in Campanie und verirrte sich in den umliegenden Wäldern auf dem riesengroßen Landsitz der Familie Scipio Africanus. Verzweifelt suchten ihn seine Eltern stundenlang, und erst um Mitternacht fand ein Sklave den völlig verängstigten, vierjährigen Jungen. Verdreckt und schlafend in der Höhle nahe einer murmelnden Quelle vor. Seit jenem Tag rührte er dieses Fleisch nicht mehr an. Stattdessen spezialisierte er sich auf Geflügel, Fisch und sehr, sehr viel Gemüse.
Das Vala ihn anstarrte, spürte er in seinem Nacken. Ganz deutlich, als er ihm den Rücken zukehrte, um das Fleisch der Forellen inspizierte, ob es auch wirklich seinen Wünschen entsprach. Das war nicht immer so, davon konnte er ein Liedchen singen. Viel zu oft versaute sein Lieblingscalone das Essen und zwar immer dann, wenn die hübsche Cattin Brün in seiner Nähe verweilte, die mit ihrem Vater Felle verkaufte. Brün jedoch würdigte ihn mit keinem ihrer Blick, und machte den liebeskranken Trottel nur noch unglücklicher.
Scip fand sein Stücken in Ordnung. Beim Gemüse ließ er Vorsicht walten, hatte er beim Vorbeigehen an der Küche die Originalstücke betrachtet, schüttelte nachdenklich den Kopf, ließ seine Hand vor seinem Bauch hin und her wandern. Mit welchem der halb verrotteten Stückchen sollte er seinen fast trockenen Fisch diesmal versauen?
„Was sind wir aber heute wieder pingelig.“ Vala trat zu ihm, schaute ihn amüsiert zu, was er wohl als nächstes auf seinen Teller aus rotem Ton schaufelte. Vala wurde enttäuschte. Scip legte schnaufend seinen Löffel auf den Lauch und hob seinen Kopf. „Du wärst auch vorsichtig, wenn du wüsstest, was der Bursche alles beschaffte hat. Ich weiß es, denn ich saß heute in der ersten Reihe des Schauspiels, als man versuchte das gammlige Zeug doch noch irgendwie zu retten.“
„Und doch baust du dir einen Berg.“
„Der Hunger treibt es hinein, und ohne das Grünzeug ist der Fisch eintönig und langweilig.“
Vala schmunzelte. Viel zu oft hatte er Scip beim Basteln seines Essens zugesehen, und viel zu oft beschwerte er sich bei den Calones, wenn ihm etwas ganz und gar nicht passte. Schon seit der ersten Woche hassten sie ihn abgrundtief. Vala verstand ihren heimliche Zorn, denn diese verwöhnten Senatorensöhnchen gab es jedes Jahr aufs Neue.
Scip schnupperte an seinem Teller. Er suchte das Haar in der Suppe. Der Präfekt drückte seinen Arm herunter.
„Wenn du so weiter machst, glaubt jeder in diesem Raum, dass man uns entgültig umbringen will. Lass deine Spielerei mit dem Essen“, ermahnte er ihn. Scip schaute ihn nur garstig an.
„Was ist den jetzt wieder?“ Den Blick, den er von ihm kassierte, blieb ihm nicht verborgen. Der Junge spielte augenblicklich die beleidigte Leberwurst, und der Präfekt wollte eine Antwort haben.
„Darf ich offen sprechen?“, fragte Scip ungehalten.
„Natürlich.“ Vala trat etwas zur Seite und schaute sich langsam um. Scip zog ihn etwas in den Hintergrund, denn das was er wissen wollte, sollte nicht jeder im Raum mitbekommen. Tief atmete er ein.
„Warum, bei allen scheiß Göttern auf dieser Erde, hast du mich nicht eingeweiht“, brach es fauchend aus Scip heraus, wie bei einem zornigem Kater, der gerade auf einen räudigen Hund getroffen war. „Schließlich geht es um meine Ehre und den Ruf meines Hauses.“
Verwundert schaute ihn Vala an. Mit diesem plötzlichen Wutausfall hatte er keineswegs gerechnet. „Kannst du mich mal aufklären. Ich habe nämlich keine Ahnung von was du da eigentlich redest?“ „Ach, ernsthaft jetzt? Ich erinnere dich nur an deine wagen Andeutungen von vorhin. Ich kenne die Wahrheit, und es wäre wirklich nett von dir, wenn du mich mal richtig aufklärst. Oder hast du kein Vertrauen?“
Vala zuckte zusammen. Wie war der Bengel nur an diese Informationen gekommen?
„Benimm dich nicht wie ein unreifes Früchtchen! Ich will dich da raus halten.“ Hastig drehte er sich um und schaute ihn scharf von der Seite an. „Und zweitens. Ich weiß, dass du schon seit langen den Wusch hegst, deinem Legaten eins auszuwischen und versuchst, ihm einen Dolch in den Rücken zu rammen. Oder etwa nicht?“
Vala traf einen Nerv. Scip nickte grummelnd. „Alter, ich will dich nur vor einer Dummheit bewahren und vor dir selbst schützen. Nicht auszudenken, wenn die Blödheit des Sabienus auf dich überschwappen sollte. Ich hoffe doch, dass du endlich deinen cornellischen Dickschädel anstrengst und verstehst, was ich damit sagen will“, stupste er ihn an. „Noch etwas! Kein Wort zu Sabienus. Der brät dir eine über, wenn er mitbekommt, dass du etwas von der Untersuchung weißt und hättest in dem nächsten halben Jahr keine friedlichen Stunden mehr. Rom und dein Vater sind weit weg. Klar? Wo steck der Legat eigentlich?“
„Hoffentlich unter der Erde, als Festmahl für die Würmer.“
Scip schnaufte verächtlich auf, verstummte in der Sekunde, als Galba auf sie zuschritt.
„Oh man, ihr zickt euch an, wie ein altes Ehepaar. Soll ich den Scheidungsanwalt holen?“, lächelte er keinesfalls so anmutig. „Ihr sucht Sabienus? Och, der hängt hier irgendwo herum. Währe auch mal ein Wunder, wenn dieser Nichtsnutz etwas zustande bringen würde. Wie der überhaupt zu dem Kommando der neunzehnten Legion gekommen ist, ist mir bis jetzt schleierhaft. Nur Gülle und eins ins Nichts abdriftendes Vakuum im Hirn.“ Glaba lachte über seine eigen Worte. Verschluckte sich an einer Weintraube, die er sich während seines verachteten Vortrags in den Mund stopfte. Vala klopfte ihn auf den Rücken.
„Vielleicht solltest du beim Essen nicht so angestrengt über andere Personen ablästern?“
Galba schmunzelte, und der Saft der Traube rannte seinem Kinn hinunter. „Ah, ah. Blöder Spruch.“ Sauer stieß ihm das Obst auf. Freiwillig stellte er seine Schale weg. „Schluss damit. Es ist wie bei unseren, alles geliebten, Augustus. Zu viel von ihm ist ungesund“, schniefte abfällig auf, während Vala sich nervös um sah.
„Ich würde noch lauter schreien, dass es ja alle mit bekommen. Varus hat die Ohren wie ein Luchs und ihm ergeben, denn schließlich ist mit einer der Großnichten des Augustus verheiratet. Also, halte endlich einmal deine ...“
Der Tumult, der draußen in der Dunkelheit entstand, zügelten seine Worte. Garstige, germanische, kehlige Töne rügten barsch die Wache, die am Eingang standen und ihn nicht herein ließen, als er um Einlass baten. Scip verstand seine Sprache. Sein ehemaliges Kindermädchen stammte aus diesem rauen Land und hatte ihm, auf seinen eigenen Wunsch hin, ihre Sprache beigebracht, wobei er bei den regionalen Dialekte noch so manches Probleme hatte und genauer hinhören musste.
Glaba schrak auf, und Vala wand seinen Kopf zu dem jungen Tribun.
„Was ist da draußen los?“
Scip schüttelte mit seinem Kopf und kniff ansträngt seine Augen zusammen. „Man überschlägt der sich. Ich verstehe nur die Hälfte von dem, was er da von sich hin brabbelt. Aber im Groben würde ich sagen, dass er Segestes heißt, und Varus aufgrund einen Hinterhaltes warnen will.“
Glaba schaute ihn scharf an. „Hat der nicht anderes zu tun, als die Pferde scheu zu machen?“
„Lass ihn sich doch erst einmal zu seine Vermutungen äußern, wenn es wirklich eine solche Ungeheuerlichkeit gibt“, warf der Präfekt ein und schaute zur Tür. Kräuselte nachdenklich seine Stirn und spielte mit seinen Fingen. Scip schaute ihn verwirrt an. In diesem Land kochte sowieso jeder sein eigenes Süppchen.
Der germanische Fürst drängelte sich durch die Leibwächter des Varus, und stand in der Mitte des Raumes, umringt von den Offizieren der Legionen. Der Fürst wusste, dass ihn keiner anrühren würde, galt er doch als ein Freund der Römer. Häufig wurde diese Einstellung zu seinem Verhängnis unter den anderen Fürsten der Stämme, denn einen Römling sahen sie nicht gern bei den Think. Ja, sie hassten sie sogar. Sein Opfer. Der rothaarige Offizier, der sich hämisch grinsend neben Varus auf einer Liege aalte.
„Feldherr“, begann er mit seiner Rede, die er vorher einstudiert hatte. „Ich habe dich schon wiederholt gewarnt, und ich tue dies zum letzten Mal. Vertraue diesen beiden. Die sich deine Verbündeten nennen nicht. Eine allgemeine Erhebung ist im Gange, nicht nur der Aufstand einer abgelegenen Völkerschaft, und diese beiden sind die Anstifter.“
Scip folgte seinem Arm und schaute auf die zwei Cherusker, die doch treue und loyale Anführer waren und ihre Pflicht im Dienst Roms erfüllten. Scip bezweifelte die Worte des Fürsten, den in diesem Land war nichts so wie es schien, und wer noch am Abend der beste Freund war, konnte am Tag darauf der schlimmste Feind sein. Ein besonderes Spiel, vollgepackt mit Zank und Streit. So wie jetzt. Arminius war in Rom erzogen worden, ebenso wie sein Bruder.
Glaba starrte in sein Glas, während der Reiterpräfekt einen Schritt nach vorne wagte, um das Unwetter, welches im Begriff war zu entstehen, genauer anzuschauen. Varus schaute ihn für einen Moment fragend an, winkte danach aber mit einer abfälligen Handbewegung ab, um ihn zum Schweigen zu bringen. Segestes ließ es jedoch nicht zu.
„Wenn du mir nicht glaubst, dann mache die Probe. Lass uns ein paar Tage lang in Ketten legen. Ihrer Anführer beraubt, werden die Verschwörer nichts gegen dich unternehmen. Du aber hast genug Zeit und kannst den Vorgang genaustes untersuchen und wirst feststellen, dass ich recht gehabt habe.“
Die Stille im Raum war gespenstig. Fast schon unheimlich. Während alle gebannt auf Varus schauten, versuchte Vala ruhig auf den Fürsten einzureden. Leise, ohne das ein anderer der um sie herumstand ein Wort verstand.
Scip beobachtete sie, hielt noch immer seinen Teller fest, schloss erst nach einer Weile seinen Mund und bemerkte, nachdem die Ansprache des Segestes geendet hatte, dass er immer noch den Fisch auf seinen bronzene Löffel hatte. In seinem Inneren tobte ein Orkan, der an die Oberfläche wollte. Zitternd stellte er seinen Teller ab. Was ist, wenn diese Geschichte wahr wäre?
„Der hat sie doch nicht alle!“, zischte Glaba zwischen seinen Zähnen hervor. „Die und ihre Eifersüchteleien. Päh, da gönnt doch der einer dem anderen nicht einmal sein Krümelchen vom Butterbrot. Diese Feten sind doch so alt wie ihre Götter. Bei Pluto und seinem Miststück von Weib, wer weiß, was die drei Napfsülzen miteinander zu regeln haben.“ Scip beruhigte das keineswegs. Was, wenn es wirklich zu so einen Überfall käme? Er wäre total aufgeschissen, und er hasst Wälder abgrundtief.
Hastig wischte er seine verschwitzten Hände am Tischtuch ab. „Wie weit sie wohl ihr Spiel treiben?“, murmelte er.
Glaba drehte sich um. „Na solange, bis einer anfängt zu heulen. Solange wir das nicht sind. Bei Jupiter, dann wird mir dieses nervtötende Gebrabbel aber so etwas von egal sein. Oder, was denkst du?“
Vala trat wieder zu ihnen und wirkte beträchtlich ruhig. „Lieblingscherusker hin oder her. Möglich wäre alles.“
„Ha, dann ist er bescheuerter, als ich dachte. Der Heuchler kennt doch die Stärke Roms und weiß, das es beinah unmöglich ist, die Legionen zu besiegen. Blöde nenne ich das. Was hat der andere Streithammel gesagt?“ Vala schaute nachdenklich zur Decke und sagte kaum hörbar „Etwas ungeheuerliches.“, was Scip jedoch verstand. Dann lauter. „Nur von einem Wispern in nächtlichen Ecken. Feine Gespinst, die man spinnt.“
„Wie poetisch. Hat er Zeugen, die gegen diesen rothaarigen, windigen Hund einer läufigen Gorgone?“
„Nicht, dass ich wüsste. Zumindestens hat er sich mir nicht anvertraut. Doch hege ich den Verdacht, dass er mehr weiß, als er preis gibt, und er später noch einmal auf mich zukommt, wenn er von Varus nicht gleich aus dem Lager geschmissen wird.“ Valas Gesicht wurde ernster, und nachdenklich schaute er zu den Klinen auf der sich der Feldherr still sitzend am Kinn strich und Segestes mit starrer Mine betrachtete. Seine Mimik sprach Bände. Doch würde er auch auf sein Innerstes hören? Numonius bezweifelte in diesem Moment die Urteilskraft des Varus. Scip schien es, als wäre der Cherusker seiner Sache sehr sicher, und plötzlich sah er ihn mit anderen Augen.
„Außerdem“, stieß Glaba hervor. „Wenn er wirklich so etwas vorhätte. Wann? Wo? Wie? Darauf weiß dieser Nörgler auch keine Antwort. Nein, Leute, daran glaub ich nicht im Geringsten und macht unseren Truppenspaßvogel lediglich Angst. Nicht wahr, Frischling?“
Scip blitzte ihn an und verzog verächtlich seine Mundwinkel. Die Versuchung war groß, ihn eine passende Meinung unterzujubeln., ohne auf das stetige mahnende Geheule des Vala zu achten.
„Herr.“ Der junge Tribun zuckte zusammen und drehte sich um. Er war zu sehr mit dem sich entwickelnden Drama beschäftigt, indem Segestes immer mehr in die Ecke gedrängt wurde, und sich Arminius immer mehr bei Varus einschleimte, sodass der Herr des Feldes keinerlei logischen Gedanken mehr fassen konnte und ihm beipflichtete.
Vala`s Schreiber trat auf sie zu, salutierte. Stocksteif, wie ein Stock. Scip musste schmunzelten. Bei seinem schlaksigen Körper des achtzehnjährigen Burschen könnte dieser Spruch passend sein.
„Was gibt es?“, fragte Vala und sah ihn an.
Der Junge nagte nervös an seiner Unterlippe und suchte nach den passenden Worten. „Ich wollte gerade die Verpflegungslisten der Reiterei auf deinen Tisch legen, als ich bemerkt habe, dass deine Sachen durchwühlt worden sind.“
Vala grinste hämisch. „Wir befinden uns im Aufbruch. Natürlich sind meine Sachen durcheinander.“
„Vergebung, Herr. Auch in der kleine Truhe, die du normaler Weise verschlossen hältst?“, antwortete er mit einen ungeheuerlichen, versteckten Genugtuung, welche er eigentlich verbergen wollte, und nur Scip seinen Sarkasmus bemerkte. Der Schreiber wartete Numonius Reaktion ab und wurde nicht enttäuscht. Der Reiterpräfekt wurde kreidebleich. Hielt seinen Atem an und überlegte. „Verdammt“, fauchte er auf und wand sich suchend um. Sah Scip nachdenklich an, der gerade versuchte, einen Apfel nach braunen, verfaulten Stellen abzusuchen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Vala`s Auforderung, atmete schwer und schaute genervt. Ausgerechnet er. Wieso kein anderer der Anwesenden hier im Zelt?
„Los, komm mit. Ich brauch einen Zeugen!“ Scip blieb nichts erspart. Angewidert ließ er seine halbverfaulte Frucht in den Korb fallen, während Glaba, froh, dass es ein anderes Opfer erwischt, unbeteiligt an seinem Pfirsich zupfte. Die weiche Schale vom Fleisch pellte, mit solch einer Hingabe, dass er völlig seine Umgebung vergaß. Sein Blick hinter dem Schleier der saftigen Frucht verschwand, und sie begierig anstarrte, um seine Zähne in die wonnige Süße zu schlagen. Ohne eine Reaktion auf seine Umwelt und der Dinge, die sich um ihn herum abspielten. Wie immer, wenn es kompliziert erschien. Dabei war er ein hervorragender Offizier und Vorgesetzter.
Vala nickte Scip zu. Dieser wischte sich die Hände am Tischtuch ab und verschwand nach ihm durch die Tür in die Nacht. Hinter ihnen ertönte ein schallendes Lächeln des Feldherren und seinem inneren Kreis an Speichelleckern. Für den Fürsten eine Schmach, denn Varus hatte sich für den jüngeren Cherusker entschieden und seinen Glauben an ihm, in der Hoffnung, dass er keinen Fehler begangen hatte.
Vala stürmte voraus. Scip hatte Probleme ihm zu folgen, trotz seiner körperlichen Fitness.
In Vala`s Behausung hatte sich nichts verändert.
Noch immer herrschte das übliche, gewohnte Chaos wie vor zwei Stunden, mit der einzigsten Ausnahme, dass der Bursche nicht da war, und der Präfekt zielsicher zu seiner kleine Truhe, die am Rande seines Bettes stand, zusteuerte. Daneben thronte sein Regal, indem er seine unzähligen Rollen und Wachstäfelchen stapelte.
Nervös schaute er in das Innere der Truhe, nahm er eine schmale Schatulle in die Hand drehte sie wie ein gehetztes Tier in alle Richtungen. Seine Finger fingen an mit zittern, und Scip fragte sich, was den sonst so nüchternen Kerl aus der Fassung bringen konnte, als er das Kästchen immer noch fluchen um seine eigene Achse drehte, um sich seiner Unversehrtheit zu versichern.
Scip kannte diese Kassetten von seiner Mutter. Wer nicht`s von seinem Geheimnis wusste, blickte in ein tiefen Abgrund der Unwissenheit. Fanden nicht das Geheimfach hinter der gläsernen Perle. Wer auch immer nach diesem Inhalt suchte, kannte sein Heimlichkeit nicht, obwohl es sein Hersteller in der Touristenhochburg um Pompeji in Massen produziert hatte und nur dort erworben werden konnte. Oder der Einbrecher war einfach nur gestört worden. Unter der schwarzen Perle befand sich ein Knopf, dessen Mechanismus ein kleines Fach offen legte. So zumindestens in der Praxis der Kästchens seiner Mutter. Aber bei Vala? Der Getriebe funktionierte nicht. Er hatte seine eigene Methode an seinen Inhalt zu kommen und bohrte mit einem kleines Stockchen in das Loch unterhalb der Zierkugel. Die Lade sprang auf, und die Augen seines Besitzers fingen an zu glänzen. Ein lauter Jauchzer drang über seine schmalen Lippen und aufgeregt ließ das Schächtelchen fast fallen.
Scip schaute fragend auf. Einen solchen Ausbruch hatte er bei ihm noch nie erlebt.
„Soll ich raten?“, fragte er neugierig. Vala schaute ihn leicht gereizt auf. Was auch immer er darin versteckte, musste enorm wichtig sein, dass er es keinem verriet. Geschweigeden sich einem Außenstehenden anvertraute. Vorsichtig zupfte er an einem der Enden des kleingefalteten Papyrus und schaute sich nach einem neuen Versteck um. Was in seinem Kopf vorging, konnte der jüngere Offizier nur erraten und eine erleichterte Ruhe legte sich über seinen Körper, starr durch Scip hindurch, was sein Gegenüber leicht irritierte. Vala`s Gedanken glitten in den bodenlose Abgrund seiner Geheimniskrämerei. Immer weiter weg. Seine Mine wurde immer starrer, wie eine der grusligen Masken in einer griechischen Tragödie.
„Bist du noch anwesend?“, fragte er leise und wagte einen Schritt auf ihn zuzulaufen. Seine Stille war gespenstig, unheimlich. Zögerlich hob er seine Hand und fuchtelte winkend langsam vor seinen Augen herum.
Vala zuckte zusammen. Schnell kehrte er aus seiner Starre zurück und blickte ihn nachdenklich an.
„Ömm. Den Jungen hast du nicht gesehen?“
„Nein. Der ist nicht hier. Was ist denn los?“
„Später. Wir sollten uns aufraffen und ihn suchen gehen, denn es ist wichtig, dass wir ihn finden.“
„Sicher. Er wird sich sicherlich noch um dein Zeug kümmern. Oder er lauscht irgendwelchen Tratsch der Truppen. Wer mit wem? Oder ähnliches Dummzeug, was gerade so durch die Gegend schwebt.“
„Mag sein.“ Vala hielt inne. „Nein, wir sollten ihn suchen. Das ist besser, und ich habe Gewissheit, wo er sich herumtreibt.“ Hinter dem Gebäude und dem Lärm der Soldaten, die ihre allabendlichen Beschäftigungen nachgingen, führe ein Pfad vom dem hellen Schein der Lagerfeuer weg, hinein in das Dunkel der Nacht. Zu finster, um irgendetwas richtig sehen zu können. Schemenhaft wogen sich die alten, mächtigen Bäume des noch nicht gefällten Waldes. Wirkten so unwirklich, wie das Land selbst.
Angestrengt blinzelte Scip auf das Gras. Seine Augen fingen an zu schmerzen, ehe sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, und er undeutlich erkennen konnte, wo er sich befand. Vorsichtig tastete er sich an der Wand weiter und verfluchte den Umstand, mit Vala durch das Lager zu kriechen. War sein Wille überhaupt ein Befehl gewesen? Konnte er sich noch weigern? Wenn ja, könnte er, während er einen Fuß an den anderen setzte, sauer werden und es ihm brühwarm in sein Gesicht schreien. So sein Plan. Er ließ seinen wütenden Ausbruch und versuchte, seine Balance nicht zu verlieren. Das Jonglieren zwischen den schmalen Gängen war nicht leicht. Wankend wich er immer wieder dunklen Hindernissen aus, die sich unsichtbar machten, wenn er nahe an ihnen vorbei stürzte, indem sie mit ihrer Umgebung garstig verschmolzen. Stieß hin und wieder mit seiner Stiefelspitze hart gegen Kisten und aus seinem Mund drang laute ein stetiges Fluchen. Wieder einmal war Vala schneller als er, und Scip hatte das Gefühl, dass er es extra machte, nur um ihn zu quälen. Wäre auch nicht das erste Mal gewesen, wie sich Scip in diesem Moment schmerzlich erinnern konnte.
Vala unterdessen schlich suchend über die Wiese hinter dem Lager und ließ auch nicht die Umzäunungen der Pferde außer acht. Sein Junge liebte diese Tiere und konnte sich stundenlang bei ihnen aufhalten. Klaute Äpfel aus der Küche, wann immer er konnte und erkaufte sich so ihre Zuneigung mit diesen saftigen Stückchen. Der Küchenbulle fand den Diebstahl nicht lustig. Ebenso wie Vala, der sich seine Beschwerden anhören, wenn sein Früchtchen wieder einmal auf Beutezug gegangen war, wohlwissend, dass er nur jene entfernte, die sowieso keiner mehr wirklich essen wollte. Der junge Tribun drehte sich nach ihm um und schaute sich auf der anderen Seite. An den Waldrand. Ein Fehler, den er im selben Augenblick bereute. Mit seinem Fuß stieß er gegen einen weichen Körper und rutschte seitlich auf dem Gras aus.
Unter ihm griff der feuchte und glitschiger Erdboden nach ihm. Beraute ihn seines Gleichgewichtes, und laut schrie er auf. Mit seinen Knien landete er hart in einer klebrigen Masse, indessen seine Unterschenkel versanken und die knielange, rote Hose durchnässte. Ekel überkam ihn, und wütend fragte er sich, wer seinen Müll bei den Pferden ablud. Der Sack, auf dem er sich abstütze, gab nach, als er hastig den Entschluss fasste, aufzustehen. Die Erde unter ihm hielt ihn weiter fest und rutschte erneut im Matsch aus. Den Geruch, der von unten nach oben in seine Nase drang, kannte er gut und setze sich in seinem Magen fest. Scip bekam Panik. Sein Herz schlug schneller.
Vala folgte dem Aufschrei des Tribuns. Aber auch die Wache, die auf dieser Seite des Lagers ihren Dienst verrichteten, schnappten sich jeder eine Fackel. Rannte zu der hysterischen Quelle des nächtlichen Aufruhr und brachten Licht in das schaurige Bild, welches sich zu Füßen Scip`s abspielte. Sein Hindernis. Der Junge des Vala`s, der leblos mit dem Gesicht nach unten auf dem Erdboden lag. Ein riesige, breite Wunde klaffte an seiner Kehle und benetzte Scip`s Beine mit dessen noch immer herausströmenden, dunkelroten Blutes. Heftig zuckte er zurück. Dem Bild des Grauens entkam er nicht.
„Was für ein Scheiß ist das den?“, stieß er hervor und strampelte mit seinen Füßen. Seine Hand rutschte auf der Kante ab und währe nach hinten weggekippt, wenn ihn nicht Vala aufgefangen hätte, und dessen Hände unter seine Armen gab ihn den nötigen Halt.
Dankbar schaute er ihn an. Vala sah an ihm vorbei, auf die Leiche seines Sklaven. Traurigkeit lass er in seinem Gesicht ab. Bitternis und Verzweiflung auf einen Verrat eingehend mit Folter. Unbändiger Zorn, auf jenen, der sein Gewissen beschmutzte und das Eigentum anderer schädigte, nur um an dessen Geheimnisse zu kommen. Aber auch Zweifel. Er hätte sich nicht einmischen sollen. Die Sache ruhen lassen, dann lebte der Junge noch und wurde nicht so früh aus seinem Leben gerissen.
Vala zog den jungen Offizier nach oben. Scip huschte einen Schritt zurück.
„Dreht ihn um“, befahl der Präfekt den beiden Wächtern, die im selben Augenblick Beine und Arme in ihre Hände nahmen, und den schmächtigen Jungen auf den Rücken drehten. Sein Kopf kippte nach hinten. Sein Nacken hielt den Schädel nur noch an einer Stelle fest. Die rostbraune Tunika war rot durchtränkt. Breite Fäden seines Blutes rannte zäh über den Stoff. Bildeten auf den Boden eine schwarze Pfütze. Die Wache legte ihn auf die kalte Erde.
„Schleifspuren“, meldete sich der erste der beiden Soldaten und zeigte mit einem Kopfnicken auf die durchpflügte Erde. Sie begann nicht weit von weg und zeichnete den Weg, den der Mörder genommen hatte. Vala schaute sie angestrengt an. Verlor keinen Kommentar der offensichtlichen Tatsache, denn es handelten sich um Militärstiefel. Erkennbar durch die eisenbeschlagenen Sohlen, die sich in den Erboden bohrten.
Vala atmete schwer auf, verwandelte sich erneut in jene Statue, die er schon in seinem Zelt erfolgreich erprobt hatte. Starrte in die Nacht und spielte mit seiner runzelnden Stirn.
Scip brach das Eis. Er fror und traute sich nicht so recht zu verschwinden, um sich wenigstens eine neue Tunika anzuziehen und nicht wie der Penner von neben an auszusehen.
„Schafft die Leiche weg. Aber so, dass sie keiner sieht und die Männer in Panik versetzt. Nach dem vorherigen Zankerei bei Varus ein gefundenes Fressen für irgendwelche angstverbreitenden Gerüchte und Vermutungen, die keinerlei Sinn ergeben und wie ein Lauffeuer um sich greifen, nur um den Lästermäulern Zündstoff zu geben, die hinter jeder Ecke den Feind, oder irgendwelche Terroristen vermuten.“
Vala nickte stumm und reichte der ersten Wache seinen Umhang, der ihn auf den toten Leib des Jungen bettete. Scip atmete auf. Dieses Bild würde er nie wieder aus seinem Kopf bekommen. Er hatte zwar schon Tote gesehen, aber keine, an der eine unbarmherzige, bestialische Wut getobte hatte und wünschte sich insgeheim, nie wieder einen solchen Ausblick haben zu müssen.
Vala blickte schuldbewusst. Scip fragte sich warum. „Wenn du mich dann nicht mehr brauchst, sollte ich mich frisch machen. Es ist ein widerliches Gefühl, denn ich mich ausgesetzt fühle, und ich brauch dringend neue Klamotten“, murmelte er und kratzte an seinem Ellenbogen die schon eingetrocknete Erde an, die in Bröckchen zu
Boden fielen und dort von dem leichten Nachtwind davontragen wurde.
„Mach das“, atmete er schwer auf, verkniff sich eine Träne über den Verlust des Sklaven, der durch seine Schuld den Tod gefunden hatte. Scip schaute ihn an. Soviel Trauer um einen Unfreien? Diese Sentimentalität hatte er dem Präfekten nicht zugetraute, immerhin hatten Sklaven ja keine Seele. Es wäre wie bei den Tod eines Welpen, den man kurz zuvor gekauft hatte, und er auf brutaler Art und Weise von dem ersten, schweren Karren überfahren wird. Kein passender Vergleich. Aber immerhin. Oder vielleicht doch? Vielleicht heulte er aus einem ganz anderen Zweck heraus. Als Knabenliebhaber hatte ihn Scip nie eingeschätzt.
Scip ging. Die nach Blut triefenden Klamotten fingen an auf seiner Haut an zu jucken. Es waren tausend Maden, die alles auf einmal erwachten und nun anfingen, über seinen Körper zu schliddern, um sich unter seiner Haut ein Nest zu bauen. Heftig griff er nach dem Stoff seiner Tunika, zog ihn auseinander, als er den Ausgang erreichte.
„Warte.“ Vala hielt ihn zurück und schaute ihn nachdenklich an. Seine dunkelbraunen Auge verengten sich und angestrengt biss er sich auf seine Unterlippe. Langsam schlich er auf den jungen Offizier zu.
Scip zuckte zurück, als er sich nah an ihn heranstellte und ihn mit seiner Hand in den Nacken fuhr. Was ihn in diesem Moment durch den Kopf schossen waren tausend Fragen, die ihn zweifeln ließ. Wollte er ihn vielleicht anmachen?. Doch eh er etwas sagen konnte, löste der Präfekt die Befürchtungen des Scip`s auf.
Leise flüsterte Vala in sein Ohr: „Nimm das an dich und versteck es gut. Gib acht, dass es niemand findet und...“. Streng sah er in Scip`s Augen. „Sollte mir etwas zustoßen, bring es nach Rom und händige das Papier Augustus aus. Und nur ihm. Sollte dich jemand danach fragen, weißt du von nichts. Du hast es nie gesehen. Noch eins. Traue niemanden. Das ist wichtig. Hast du mich verstanden?“
„Darf ich...?“ Vala ließ ihn los und trat zurück. „Nein, darfst du nicht. Also schwöre mir, dass du meine Worte verinnerlicht hast?“
Scip fühlte das Papier. Aufpassen und es niemanden verraten. Wie schwer konnte das schon sein?
„Ich schwöre es auf den Stein des Jupiters.“ Vala fühlte sich erleichtert. „Auf Jupiters Stein.“ Danach holte er aus und gab Scip eine Ohrfeige. Verwunderte schaute er ihn an und rieb seine schmerzende Wange. Vala zuckte mit dem Schultern. „Das war dafür, dass du es nicht vergiss. Klar?“
„Klar“, knurrte er, und schwor sich, dass er ihn nicht noch einmal Mal eine Backpfeife präsentierte. Das Papier war eng zusammengerollt und passte in seine Hand. Ebenso wie das hölzerne Röllchen, dass seinen Inhalt wohl behütete und man es aufgrund seiner Größe leichter verstecken konnte. Von seiner Mutter hatte er einst ihre Regeln gelernt, und die erste Maßnahme, die sie ihrem Jüngsten eingehämmert hatte, war die Tatsache, dass das beste Versteck, welches man je haben konnte, am Körper lag. Sachen konnte durchsuchen werden, wenn der Eingeweihte nicht da war. Häuser abbrennen und Grundstücke pfänden.
Unter den Augen des Vala schob er es in seinen ledernen Armschutz, an dessen oberen Ende eine Wölfin zierte und zum ersten Mal an diesem Abend sah er seinen Vorgesetzen aufatmen. Er lächelte zufrieden. Von ihm fiel eine schwere Last ab. Dafür fühlte Scip die Bürde, die, wie ein schwerer Sack auf seinen Schultern drückte, und heimlich frage er sich, wie lange es dauern würde, ehe er sie loswurde.
„Ich sollte...“, murmelte er und straffte seine rote, vor Blut triefende Tunika.
„Aber klar doch.“ Vala schlug ihn auf die Schulter. „Kaltes Wasser. Dann geht das Blut vielleicht heraus.“
Scip lächelte gequält auf. „Oder, ich gebe sie einfach Androhmache. Die hat Ahnung von diesen Dingen.“
„Ich wusste ja nicht, dass sie auch Wäsche waschen kann?“
„Oh, sie hat vielerlei Talente.“ Scip trat in die Nacht. Vala folgte ihn und stellte den Stuhl an den Tisch. „Warum verwunderte mich dieses Wissen eigentlich nicht, dass du darüber auch Bescheid weißt.“
Scip zuckte mit den Schulter und grinste über beide Wangen. Vala antwortet mit einer Handbewegung. „Verschwinde endlich. Sonst fällt mir noch irgendeine Strafarbeit für dich ein. Und ich. Ich muss mir einen Rekruten schnappen, der mir helfen soll. Der Junge wusste Bescheid. Der Neue hat keine Ahnung.“
Tief schnaufte er auf. Wieviel hatte er wohl verraten? „Du machst dir keine Gedanken über den Mörder?“
„Doch, doch. Glaub mir das. Wenn ich ihn erwische, hat der kein leichtes Leben mehr. Und ich habe da schon jemanden in Verdacht.“
„Klärst du mich auf?“
„Später, Marcus. Du solltest zu Bett gehen, denn du hast früh morgens Dienst.“
Scip nickte und verabschiedete sich. Das Verhalten Vala`s war ungewöhnlich. Die Neugierde des jungen Tribuns stieg, und er unterlag fast der Versuchung, das Papier hervorzuziehen und seine Nase in diese geheime Angelegenheit zu stecken. Seine Gedanken kreisten. Seine Hand glitt über das weiche Leder des Armschutzes, und hastig zuckte er sie zurück. Sein heftig pochendes Herz, welches bis in den Hals schlug, brachte ihn auf den Boden zurück. Nachdenklich blieb er stehen. Schaute auf seinen Arm und auf das von den Fackeln erhellte getrocknete Blut, welches sich mit der Erde vermischt hatte. Keiner war zu sehen. Keiner konnte ihn gefährlich werden, und Vala hatte sich wieder in das Innere verzogen. Niemand konnte ihn daran hindern, dass er einen schnellen Blick darauf werfen konnte. Warum war er dann so nervös?
Vala`s mahnende Worte drangen in seine Gedanken. Brannten sich in seinem Gehirn, und verbannte diese Neugier in den hintersten Bereich seiner Überlegungen.
Erleichtert atmete er auf. Warum sollte er sich in diese intriganten Angelegenheiten einmischen? Der Präfekt würde schon wissen, was er tat, ohne Scip in Gefahr zu bringen und das obskure Ding so schnell wie möglich wieder zurückfordern. Wenn nicht, würde Scip im Winterlager auf seine Rücknahme bestehen, denn diese Geheimniskrämerei gefiel ihm nicht im geringsten. Wenn überhaupt, dann wollte er die Rätsel lösen und im Leben anderer herumschnüffeln. Dieses Wissen konnte er dann gegen sie verwenden. Eine Lektion seiner Mutter, denn sie war eine Meisterin der hochkarätigen Intrigenschmiederei. Dieses Talent entwickelte er seit seinen frühsten Kindertagen. Bei dem Gedanken ihrer Verhöre legte sich Gänzehaut über seine Arme und ließ ihn erschaudern. Dabei währe er fast über ein Spannseil des Zeltes von Vala gestolpert.
Hinter ihm ertönte ein halblautes Streitgespräch. Sabienus war irgendwie wieder aufgetaucht und legte sich mit dem Präfekten an.
Viel verstand Scip nicht. Er war einfach zu weit weg. Und doch. Die beiden Streithähne schienen sehr nervös zu sein.
Scip musste mehr wissen. Leise und vorsichtig setzte er seinen Schritt an den nächsten und kauerte sich in die Dunkelheit. Blendetet das Gemurmel des Lagers aus.
„...und jetzt muss ich mich mit deinen selbstfabrizierten Mist herumschlagen. Als Legat, dem eine Legion unterstellt ist, müsste du eigentlich mehr Grips in seiner Birne haben und nicht von einem Desaster in das nächste stolpern. Gibt es sonst noch etwas, von dem ich wissen sollte?“, fauchte Vala stocksauer und schlug mit seiner Hand auf den Tisch. Scip hörte den Knall. Das Rascheln der Papiere, die durch die Wucht des Schlages zu Boden raschelte. Sabienus brummelte vor sich hin, stürmte hinaus und verschwand im Schein des Feuers. Scip schielte hinter ihm her. Lugte vorsichtig um die Ecke und sah zu, wie er zwei Legionäre anfauchte, sie sollen doch gefälligst Platz machen, wenn er auftauchte.
Scip gefiel die Packung, die sein Vorgesetzter von dem Reiterführer kassierte all zu gut, und gehässisch grinste er auf. Warum sollte es ihm anders ergehen? Schließlich waren die Anklagen des Vala gegen ihn fiel schwerwiegender, als die Streiche, die Scip gerne spielte. Das waren in diesem gewaltigen Rädchen militärischer Eitelkeiten nur Kleinigkeiten. Der Skandal des Sabienus wirkte dagegen wie ein Erdbeben, und es lohnte sich nicht, dass Scip seinetwegen die Nerven ruinierte. Scip schaute sich noch einmal um, ob ihn nicht jemand herumlungernd gesehen hatte, und fröhlich pfeifend verschwand er in seiner Unterkunft.
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Das Versteck hatte er mit Bedacht gewählt. Hinter den Büschen mit einem Blick über den Teil des Lagers, welches er für notwendig erachtete. Neben den Futterboxen der Pferde, die ihn kannten und nicht aufbegehrten. Hin und wieder sah er ihre mächtigen Schädel, die nach ihn schnappten und ihn aufforderten, ein Leckerlie zu spendieren, die er als Bestechung mitgebrachte hatte.
Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war der Umstand, dass nach ihrem plötzlichen Verschwinden der junge Scipio und Vala hinter dem Zelt auftauchten, und sein Opfer liegen sahen. Das Vereitelte seine Pläne, die er geschmiedet hatte, gewaltig, um an das Geständnis des Sklaven zu kommen. Dabei war doch alles so simpel gewesen, als er vor Kurzem in das leere Zelt geschlichen war. Einzig der Junge des Präfekten überraschte ihn, als er mit der Kleidung im Inneren auftauchte und ihm beim Herumschnüffelt in der Truhe ertappte. Der rothaarige Bengel wollte fliehen. Wohin er wollte, wusste sein Mörder nur all zu gut. Das konnte er jedoch nicht zulassen. Reagierte blitzschnell, überholte ihn am Ausgang mit einem harten Schlag in den Nacken. Brachte ihn zu Fall und ihm danach den Mund zuhielt. Schwer war der Junge nicht, und er wusste, dass seine Zeit knapp bemessen war, als er ihn wie einen nassen Sack schnappte und über das Gras nach hinten schleppet.
„Wo ist das Geständnis?“, flüsterte er leise. Der Bursche schaute ihn an und schüttelte mit seinem Kopf. „Ich weiß, dass du über alles informiert bist. Also, wo?“ Wieder schüttelte er den Kopf. Er kam nicht weiter. „Na gut. Ich komme schon dahinter. Dafür brauche ich dich allerdings nicht mehr.“ Todesangst zeichnete sich im Blick des Jungen ab. Vala hatte ihn zum Stillschweigen trainiert, und der Angreifer gab die Hoffnung auf, dass der Knabe noch irgendetwas preisgab. Hart riss er seine Kopf nach hinten, setzte seine Klinge an und zog sie tief durch den Hals. Weich wie Butter fuhr sie durch sein Fleisch. Laut knackte der Kehlkopf und sein Aufschrei erstarb im Ansatz seinen Versuches nach Hilfe zuschreien. Erleichtert sah sein Mörder zu, wie sein Blut in Strömen aus der tief gaffenden Wunde schoss und seine dunkelrote Tunika benetzte. Damit kam er klar. Aber nicht mit der Tatsache, versagt zu haben.
An den Boxen vernahm er lautes Gemurmel. Hatte sie ihn entdeckt? Das Tratschen über die germanische Mädels verrieten ihn, dass seine Tat noch unentdeckt geblieben war, und leise ließ er den Körper los. Er musste von diesem Platz herunter und schnell wie ein Dieb in der Nacht verschwand er in sein versteck. Das Geständnis blieb verborgen, und er wollte so schnell wie möglich sein Versteck aufspüren. Fand Vala seinen Sklaven, war er alarmiert und würde sich einen neuen Platz für die
Papiere finden.
Das nachfolgende Szenario enttäuschte ihn nicht. Wie raffiniert der junge Tribun sein konnte, wusste er nur zu gut, und er musste einen Plan entwickeln, um Scipio das Schreiben abluchsen zu können, und er auf keinerlei dumme Gedanken kam, denn er kannte auch die Erzfeindschaft zwischen ihm und Pulcher. Den Hass, den beide verband. Nicht auszudenken, was der cornellische Kindskopf damit anstellen konnte. Er als Kind der Großstadt, indem die Schattenwelt der Intrigen und Erpressungen regierten. Amelia hatte ihre Kinder gut trainiert. Sie wussten, wie sie die Geheimnisse anderer für ihren Vorteil ausnutzten. Nein, dieser Trotzkopf durfte von dessen Inhalt nichts wissen. Vala reichte ihn schon. Heimlich schnüffelte er unter den Genannten der Liste, die der Verräter preisgegeben hatte, ihnen nach und mischte sich in ihr Leben ein.
Wütend hockte er sich hin. In dieser Nacht konnte er nicht mehr ausrichten. Vorsichtig ging er auf alle viere und schlängelte sich rückwärts durch das wirre Unterholz. Wich kleinen Ästchen aus, denn ein Knacken der Hölzchen alarmierte die Wache. Ihre Aufmerksamkeit wollte er nun wirklich nicht auf sich ziehen.
Am Ende des Wäldchens atmete er auf, wickelte sich in seinem Umhang ein und schaute nach links und rechts. Hastig stand er auf, klopfte auf seine Sachen. Im Lager herrschte Ruhe ein. Hier und da tauchten die letzte Nachschwärmer durch die Feuer und verschwanden zum Schlummerschlaf in ihren Betten. Sehnten sich nach den Annehmlichkeiten im Winterlager am Rhein. Dem Luxus der Zivilisation. Den ersehnten Urlaub oder den Abschied von den Truppen. Schon jetzt hörte er den Zahlmeister jammern.