Читать книгу Götterfunken- sieben Höllen - Sabine Claudia - Страница 4
Die Reise
ОглавлениеDie Vampire verließen, den kleinen Ort am Harzhorn ohne Bedauern. Cordelia hatte befürchtet, Rüdiger wieder zu begegnen, doch sie erfuhr, dass er und Mona ebenfalls abgereist waren.
Sie war erleichtert, ihren Bruder Dorian noch anzutreffen, da sie unbedingt seine Unterstützung brauchte, um dem Ziel ihrer Sehnsüchte nahe zu kommen. Die Mönche in dem rumänischen Kloster, waren sehr bestimmt gewesen, was seine Anwesenheit betraf.
Sie fuhren mit dem Zug nach Frankfurt und bestiegen dort das Flugzeug nach Bukarest. Von Bukarest aus würden sie einen Wagen nehmen und zu dem kleinen Dorf unterhalb des Klosters fahren, wo Eleonora sie erwartete. Zu dritt wollten sie dann die Mönche aufsuchen.
Cordelia begann Dorian zu erzählen, was sie in Rumänien herausgefunden hatte.
»Das Kloster liegt sehr abgeschieden auf einem Berg und die Mönche dort sind seit Generationen damit beschäftigt, ein Weltentor zu hüten. Es kostete eine Menge guter Worte und Geldspenden, um überhaupt ansatzweise aus ihnen heraus zu bekommen, was sie wussten.« Cordelia verzog ihr Gesicht zu einer säuerlichen Miene.
»Gegen Gedankenmanipulation sind sie erstaunlicherweise immun, gegen die Macht der baren Münze zum Glück nicht«, fügte sie grinsend hinzu. »Jedenfalls haben sie uns schließlich anvertraut, dass es eine Möglichkeit gibt, das Weltentor zu öffnen. Hier kommst jedoch du, mein Bruder, ins Spiel. Ihre Bedingung war, dich zu ihnen zu bringen, sonst wollen sie uns nicht dabei behilflich sein, den Weg in die Vorwelt zu öffnen.«
Dorian hörte ihr nachdenklich zu und sah sie bei ihren letzten Worten misstrauisch an. »Warum bestehen sie darauf, dass ich zu ihnen komme? Woher wissen sie überhaupt von meiner Existenz?«
Cordelia zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, doch es schien ihnen außerordentlich wichtig zu sein.«
Dorian dachte nach. Was konnten Mönche in einem abgelegenen Kloster von ihm wollen? Ihm fiel keine schlüssige Erklärung darauf ein. Doch was hatte er schon großartig zu verlieren? Er war unsterblich, er war stärker als jeder Mensch und sie hatten einen Eingang zur Vorwelt, die angeblich in die Götterwelt führte. Sie wollten, dass er kam und er wollte zu ihnen, um in die Götterwelt zu gelangen.
Denn in der Götterwelt war sie. Inoa. Das Einzige wonach er sich schmerzlich sehnte, war ihre Nähe. Jeder Schlag seines Herzens schien ihren Namen zu rufen. Ihm war jedes Mittel recht, den Weg zu ihr zu finden.
Seine Gedanken schweiften zurück zu jenem Augenblick, in dem er sie wiedererkannt hatte, bevor er sie nach einem bittersüßen Kuss wieder verlor. Der Schmerz erzeugte einen unglaublichen Druck auf seiner Brust, sodass er mehrmals tief durchatmete, in der Hoffnung ihn so abschütteln zu können.
Cordelia warf ihm einen Blick zu und erkannte, was in ihm vorging. »Du wirst sie wiedersehen«, flüsterte sie tröstlich und drückte seine Hand. Leise fügte sie hinzu: »Und ich werde Siegbert wiedersehen.«
Sie verstand ihn so gut, weil auch sie ihre große Liebe, Siegbert, verloren hatte. Sie waren beide durch ein ähnliches Schicksal vereint, wobei Dorian sich eingestehen musste, dass er an ihrem Schicksal große Mitschuld trug.
Dorian war froh seine Schwester bei sich zu haben, denn niemand verstand seine Seelenqualen so gut wie sie. Nur sie hatte ihn gekannt, als er noch ein Mensch war, nicht ein übermächtiges unsterbliches Wesen, sondern einfach ihr geliebter großer Bruder, der sie verwöhnte und mit dem sie stets innig verbunden war.
Dorian lächelte ihr zu. »Wer hat dir erzählt, dass der Weg durch die Vorwelt in die Götterwelt führt?«
»Der Abt dieses Klosters, in das wir nun fahren.«
Ihre Anspannung war für Dorian fühlbar und er wusste, dass sie darauf brannte, endlich zu erreichen, was sie so unermüdlich versuchte.
Cordelias Augen waren voll Zuversicht. Sie war diesmal sicher den Weg, in die Vorwelt zu finden, um wieder mit Siegbert vereint zu sein, der dort so lange schon gefangen war.
Dorian fürchtete jedoch insgeheim, dass sie ihr Ziel nicht erreichen würde. Siegbert befasste sich zwar mit Hexerei, doch er war kein unsterbliches Wesen, sondern ein Mensch, als er vor über 200 Jahren in der Vorwelt verschwand. Rein physiologisch musste er längst tot sein.
Der Zug ratterte dahin und sie dösten ein wenig ein, in dem einlullenden Gerüttel. Die Zeit verging schnell und ehe sie sich versahen, waren sie in Frankfurt angekommen. Dort nahmen sie ein Taxi zum Flughafen.
Sie checkten ein und während sie auf das Boarding warteten, stillten sie ihren Blutdurst an einigen ahnungslosen Reisenden. Sie verhielten sich dabei unauffällig, brachten keines ihrer Opfer um, sondern tranken in Maßen von ihnen. Danach manipulierten sie ihre Erinnerung, sodass sie nichts mehr davon wussten.
Frisch gestärkt sassen die Geschwister schließlich angeschnallt auf ihrem Flug nach Bukarest und als das Flugzeug abhob, verspürte Dorian neugierige Vorfreude auf dieses abgeschiedene Kloster mit seinen ungewöhnlichen Mönchen.
In Bukarest nahmen sie sich einen Wagen und Cordelia drängte darauf, dass sie trotz der vorgerückten Stunde losfuhren. Es waren 2,5 Stunden bis zu dem Kloster und sie wollte es noch schaffen, am selben Tag dort anzukommen.
Sie konnte es nun kaum erwarten, endlich ihr Ziel zu erreichen. So viele Jahre hatte sie darauf gewartet, einen Weg zu ihrem geliebten Ehemann, Siegbert zu finden. Jetzt war die Erfüllung ihrer Sehnsüchte zum Greifen nahe.
Auf der kurvigen Straße musste Dorian etwas Tempo zurücknehmen und sie erblickten, eine kleine Raststätte mit einer Tankstelle.
Dorian warf ihr einen fragenden Seitenblick zu, ob er anhalten sollte, doch sie schüttelte energisch den Kopf.
Cordelia sah flüchtig zu der Tankstelle und ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, als sie meinte den Mann zu erkennen, der dort lässig an sein Auto gelehnt, eine Zigarette rauchte.
Rüdiger! Es musste Rüdiger gewesen sein, oder ihre überreizten Nerven spielten ihr einen Streich und sie sah ihn schon in wildfremden Menschen. Beide Möglichkeiten beunruhigten sie.
Wenn sie in Fremden Rüdiger zu sehen glaubte, so hieß es, dass er ihre Gedanken weit mehr beschäftigte, als ihr lieb war. Wenn er es wirklich gewesen war, umso schlimmer. Dann würde er keine Ruhe geben, bis er sie eingeholt und von ihrem Vorhaben abgebracht hatte.
Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz herum.
»Bist du so nervös, wegen Siegbert oder wegen Rüdiger?« Dorians Stimme klang sarkastisch.
Cordelia schluckte und warf ihm einen ängstlichen Blick zu. »Hast du ihn gesehen? War er das eben an der Tankstelle?«
Dorian zuckte lässig die Schultern. »Schon möglich. Ich habe nicht so sehr darauf geachtet und mir ist es auch gleichgültig, ob er es war.«
Cordelia atmete tief ein und wieder aus. Sie hatte seinen tadelnden Unterton bemerkt, wollte jedoch nicht näher darauf eingehen. Sie wusste, dass Dorian ihr die Passion für Rüdiger, den er verabscheute, übel nahm.
Zudem hatte sie sich geschworen Rüdiger zu vergessen. Ihr Stolz verbot ihr jedoch, das ihrem Bruder mitzuteilen. Sie sah keinen Grund, sich zu rechtfertigen.
So fuhren sie schweigend weiter und als die Dämmerung hereinbrach, erreichten sie das kleine Dorf über dem mächtig, dunkel und bedrohlich, das alte baufällige Kloster thronte.