Читать книгу Götterfunken- sieben Höllen - Sabine Claudia - Страница 7
Rumänien, Kloster Varg
ОглавлениеDer Mond schien nicht in dieser Nacht und das wuchtige Kloster war nur schemenhaft zu erkennen. Düster und bedrohlich ragte es aus dem kahlen Fels empor. Nirgends war ein Lichtschein zu sehen. Zu dieser späten Stunde schliefen die Brüder in ihren Betten im Refektorium.
Das Kloster und seine Mönche waren offiziell rumänisch-orthodoxen Glaubens. In Wahrheit gehörten sie längst einer anderen Glaubensgemeinschaft an, die absolut nichts mehr mit dem Christentum gemeinsam hatte.
Einst waren sie wirklich orthodoxe Mönche gewesen. Bis zu jener fragwürdigen Nacht vor langer Zeit.
Vor über 150 Jahren war ihr Abt Vlad Zapos in einer kleinen Kammer auf eine mit Holz verkleidete Wand gestoßen. Als er sie abklopfte, klang es hohl dahinter. Neugierig geworden, schlich er eines Nachts wieder in die Kammer und begann die Wandverkleidung zu lösen.
Dahinter lag ein Raum, der direkt aus dem steinigen Fels gehauen schien. In dessen Mitte stand ein Altar aus Stein, an dem eiserne Ringe angebracht waren. Offenbar, dafür vorgesehen ein Opfer dort festzubinden. Abt Vlad meinte, bräunliche Spuren an dem Stein gesehen zu haben. Er hatte ein mulmiges Gefühl, doch seine Neugierde siegte.
Auf dem Altar lag, von einer dicken Staubschicht bedeckt, ein altes Buch. Es enthielt seltsame Formeln in einer ihm unbekannten Sprache.
Er nahm das Buch an sich und verschloss den Raum wieder mit der Holzverkleidung. Vlad beschloss, seinen Brüdern vorerst nichts zu erzählen, von dem, was er gefunden hatte. Er wollte zuerst die Bedeutung seiner Entdeckung ergründen.
In aller Verschwiegenheit befasste er sich mit dem Inhalt des Buches, das ihn immer mehr faszinierte. Fast schien es, als würde es von ihm Besitz ergreifen und längst waren ihm seine Gebete und die täglichen Pflichten lästig geworden. Seine Brüder sorgten sich um ihn, denn immer öfter geschah es, dass er sich auch am Tage zurückzog, um das Buch zu studieren.
Vlad kümmerte sich nicht darum. Eines Nachts hatte er sich mit dem Buch in den verborgenen Altarraum zurückgezogen. Murmelnd las er die unbekannten Worte, als plötzlich die Luft zu flirren begann und eine Gestalt erschien. Es war ein Mann mit blonden Locken und blauen Augen. Vlad hielt Ihn für den Erzengel Michael. Der Mann sprach sanft und eindringlich zu Vlad und erzählte ihm, das Zimmer mit dem Altar wäre eine Pforte zum Himmel.
Vlad war überwältigt von der Erscheinung und fragte sogleich, wie er Gott am besten huldigen konnte.
Er sah das nachsichtige Lächeln im Gesicht des vermeintlichen Engels und hörte genau auf dessen Worte, mit denen er dem Abt auftrug einen Raum des Klosters für Rituale vorzubereiten.
Vlad machte sich sofort ans Werk. Er richtete in den Kellergewölben einen Raum ein, der ihm abgelegen und groß genug erschien, um darin Rituale durchzuführen.
Die Erscheinung war zufrieden mit ihm und versprach ihm ewiges Seelenheil. Immer wenn Vlad ein Ritual machte, erschien der blonde Mann und erzählte ihm von Kräutern und ihren Wirkungen. Vlad schrieb alles penibel auf.
Der Mann gab ihm Anweisungen, wie er sein Leben und das seiner Brüder gestalten sollte. Ehe sich Vlad versah, war er absolut abhängig von der Erscheinung und tat nur noch, was der blonde Mann forderte.
Schließlich zwang er auch seinen Brüdern den Willen des Blonden auf und verstieß diejenigen, die nicht mitmachen wollten, bei seinem neuen Kult. Die meisten der Mönche blieben jedoch und folgten Vlads Anweisungen.
Sie gerieten immer mehr in den Bann, des blonden Mannes und es entwickelte sich eine neue Glaubensgemeinschaft, die sie tunlichst vor der Öffentlichkeit zu verbergen wussten.
Der neue Kult hielt sich über all die Jahre. Bis in die heutige Zeit wurden die Riten und Gebräuche stetig ergänzt und vervollkommnet.
Das Kloster war mittlerweile ein Ort, der einen Zugang in eine absolut dunkle Welt barg. Es beherbergte eine Pforte in die Vorwelt, die Hölle. Dieses Tor wurde gehütet von der dunklen Bruderschaft, der die Mönche nun in Wahrheit angehörten.
Der jetzige Abt Viral, saß im spärlichen Schein einer Kerze in seiner kleinen feucht-kalten Kammer, die das kümmerlich prasselnde Feuer im Kamin nicht wirklich zu erwärmen vermochte.
Er fühlte die Kälte nicht. In seinem Inneren hatte sich das warme Gefühl von Triumph und Vorfreude breitgemacht.
Endlich war es ihm gelungen, nicht nur einen Vampir heranzulocken, sondern sogar zwei von Ihnen.
Er hatte ihr Anliegen, das Weltentor zu öffnen, angehört und bereitwillig ihr Geld genommen. Dann hatte er sich Bedenkzeit erbeten, sie fortgeschickt und sie angewiesen, am nächsten Tag wieder zu kommen.
Danach war er die unzähligen feuchten Stufen bis in die tiefsten Gewölbe unter dem Kloster herab gestiegen, hatte den Kreis gezogen, die Kerzen entzündet und seinen Meister beschworen.
Wie immer erschien dieser mit Rauch und Feuer. Demütig hatte sich Viral zu Boden geworfen und nicht gewagt ihn anzublicken bis der Herr das Wort an ihn richtete: »Sprich! Was ist der Grund deines Rufens?«
Viral hatte sich in eine kniende Position begeben, hielt seinen Kopf gesenkt und blickte unterwürfig zu Boden während er von den beiden Vampir-Frauen erzählte, die den Weg zu ihm gefunden hatten.
Als er seinen Bericht beendet hatte, herrschte Stille. Nur das leise Zischen der Flammen war zu vernehmen. Er wartete voller Ungeduld, doch er wagte nicht seinen Blick zu erheben.
Schließlich vernahm er die Stimme des Meisters: »Sie waren alleine? Es war kein Mann bei ihnen?«
Viral nickte. »Die Frauen waren alleine, es war niemand bei ihnen.«
»Wie sind ihre Namen?«
»Cordelia und Eleonora.«
Wieder blieb es merkwürdig still.
»Hör mir nun gut zu«, vernahm er aus den Flammen, »die eine von ihnen, Cordelia, hat einen Bruder, Dorian. Sie soll ihn hierher bringen, dann erkläre dich damit einverstanden, dass du das Tor zur Vorwelt öffnen wirst. Sind sie alle hier im Kloster, dann bringst du sie jedoch in diesen Kellerraum.«
Die Flammen zischten noch einmal auf, von irgendwoher erklang ein Brausen, dann war das Feuer erloschen und der Meister verschwunden.
Viral hob zaghaft den Kopf, doch um ihn herum starrte nur kalte Finsternis.
Er verließ, das Gewölbe und begab sich zurück in die oberen Räume des Klosters. Er hatte den Befehl deutlich verstanden und würde genau so verfahren, wie der Herr ihm befohlen hatte.
Als am nächsten Tag die beiden Frauen wieder bei ihm erschienen waren, begrüßte er sie freundlich. Er kochte ihnen Tee aus wohlschmeckenden Kräutern und genoss ihre gespannte Erwartung, zu erfahren, ob er ihrer Bitte nachkommen würde.
Er musste sich ein boshaftes Lachen verkneifen, als er ihre freudige Reaktion sah, mit der sie seine Entscheidung das Tor zu öffnen, begrüßten.
Als er seine Bedingung nannte, dass der Bruder der blonden Vampirin, Dorian, hierher kommen sollte, reagierte Cordelia gelassen. Sie verzichtete darauf, weitere Fragen zu stellen.
Ihre Begleiterin Eleonora, sah ihn jedoch prüfend an. Sie schien misstrauisch zu sein. Viral lächelte unschuldig und entschuldigte sich damit, dass es Zeit zum Gebet war.
Er begleitete die Beiden hinaus. Viral klopfte sich im Geiste selbst auf die Schulter und gab sich dem erbaulichen Gefühl hin, seinem Herrn gut gedient zu haben. Das war seine Art von Gebet.
Siegbert war mit Viral sehr zufrieden.
Der einfältige Mönch dachte, er würde einen dunklen mächtigen Dämon anbeten, der ihm zu Reichtum und Einfluss verhalf.
Er hatte keine Ahnung, dass Siegbert nur ein sehr begabter Hexer-Dämon mit eigenen Interessen war. Siegbert ließ ihn in seinem Aberglauben.
Dorian konnte zu einem gefährlichen Gegner für ihn werden.
Es war für seine Zwecke besser, wenn der Vampir nicht in der Welt der Menschen blieb. Er wollte ihn lieber in der Vorwelt haben, wohlwissend, dass er von dort nicht mehr wegkonnte.
Aus gutem Grund hatte er einst vor vielen Jahren Abt Vlad Zapos angewiesen einen Ritualraum im Kloster zu schaffen. Dieser Raum war durch zahlreiche dunkle Zeremonien dafür präpariert worden, ein Höllenloch zu werden.
Im Gegensatz zu einem Weltentor, das von beiden Seiten unter gewissen Voraussetzungen passierbar war, war ein Höllenloch nur dazu bestimmt, jemanden in die Vorwelt zu holen.
Er würde Dorian durch dieses Loch, in die Hölle befördern.
Offenbar hatte Dorian, Cordelia in einen Vampir verwandelt. Sonst würde sie wohl kaum noch leben, nach all den Jahren.
Die andere, Eleonora, war Siegbert unbekannt. Wahrscheinlich eine Freundin von Cordelia. Sie war unwichtig für ihn.
Cordelia sollte ebenfalls aus dem Weg geschafft werden.
Siegbert wollte die Welt beherrschen.
Das letzte das er brauchen konnte, war ein verwöhntes Weibchen, das schmachtend an ihm hing. Er hatte nicht so viel Wissen gesammelt, so viel gelernt, so viel Macht erworben, nur um in gefühlsduseliger Zweisamkeit mit einer Frau zu leben, die ihm rein gar nichts bedeutete.
Ihr Tod würde ihm größeren Nutzen bringen, denn ihr Blut ermöglichte ihm, die Vorwelt zu verlassen.
Dass er jeden einzelnen Tropfen davon brauchte und sie damit endgültig ihrer Existenz berauben würde, störte ihn nicht im Geringsten.