Читать книгу Götterfunken- sieben Höllen - Sabine Claudia - Страница 8
Die Erscheinung
ОглавлениеEleonora fühlte sich in der schäbigen kleinen Pension keineswegs wohl, doch sie zog diese Unterkunft dem Kloster bei Weitem vor. Schon weil es einfacher war, in dem kleinen abgeschiedenen Dorf ihren Blutdurst zu stillen, als an dem Ort, an dem die Mönche lebten.
Eleonora hatte erkannt, dass hier in Rumänien das Blut- Trinken generell nicht so einfach war, wie in anderen Ländern. Die Menschen waren gewohnt, an die Existenz von Vampiren zu glauben und sie waren auf der Hut.
Überall hingen Amulette, Kreuze und Knoblauch und obwohl all das einen Vampir nicht fernhielt, fühlte sich Eleonora dennoch merkwürdig beklommen.
Das Kloster selbst war ein noch düstererer Ort, als das kleine Dorf am Fuß des Berges. Eleonora war dort direkt unheimlich zumute. Sie spürte instinktiv die Aura des Bösen, die davon ausging.
Bei ihrem ersten Besuch vor über 100 Jahren, hatte sie das nicht so empfunden. Doch sie wusste nicht, ob sie damals nur einfach zu traurig und zu unglücklich gewesen war, um die bedrückende Atmosphäre wahrzunehmen.
Als sie ihre Bedenken Cordelia gegenüber erwähnte, tat die es mit einem trotzigen Schulterzucken ab. Was kümmerten sie mögliche Gefahren? Sie war endlich am Ziel. Sie hatte einen Weg in die Vorwelt gefunden, und Mönche, die das Weltentor für sie öffnen konnten.
Unbekümmert war sie losgezogen, um Dorian zu holen, dessen Erscheinen Bedingung der Mönche für ihre Hilfe war. Eleonora war nachdenklich zurückgeblieben. Sie traute den Mönchen, allen voran Abt Viral, nicht über den Weg.
Ihrer Meinung nach, verfolgten sie dunkle Ziele.
Sie konnte sich genau an christliche Symbole und Zeremonien erinnern, wenn sie auch schon lange kein Bestandteil ihres Lebens mehr waren. In dem alten Kloster vermisste sie den Geruch von Weihrauch und die Existenz von Kruzifixen. Die gesamte Atmosphäre war ihrer Meinung nach wenig religiös.
Eleonora war als Katholikin geboren worden. Sie kannte sich nicht aus mit dem orthodoxen Glauben. Vielleicht unterschied er sich in Vielem von den vertrauten Symbolen ihres Glaubens. Dennoch. Sie konnte ihr Unbehagen nicht abschütteln.
Es war Abend geworden und dämmerte bereits, als sie aus ihren Grübeleien gerissen wurde.
Das Geräusch von Schritten und Stimmen drang aus dem Flur. Ihr feines Gehör erkannte Dorians Stimme und freudig öffnete sie die Tür.
Cordelia und ihre einstige große Liebe traten ein. Cordelia umarmte sie herzlich. Sie waren sich in den letzten Wochen näher gekommen und Freundinnen geworden.
Dorian begrüßte sie zurückhaltend. Wie immer wirkte er in ihrer Gegenwart beklommen. Eleonora entschied, es einfach nicht zu beachten.
»Ich bin froh, dass ihr hier seid.« Sie drückte warmherzig seinen Arm und lächelte ihn freundlich an.
Es war nicht so, dass er sie nicht mehr mochte. Eleonora war mit ihrer sanften, hilfsbereiten Art durchaus liebenswert.
Er hatte Angst, sie wieder zu nah an sich heranzulassen. Dorian wollte in ihr keine Hoffnungen wecken, auf ein Neuerwachen ihrer Liebe.
Besonders jetzt nicht, wo er seiner Seelenverwandten Inoa wieder begegnet war. Er würde nie wieder eine andere Frau als sie lieben können, da war er sich völlig sicher.
Eleonora sah es in seinen Augen. Doch es war lange her, dass er sie verlassen hatte und der Schmerz hatte seine Schärfe verloren. In ihr war nur ein Hauch von Wehmut zurückgeblieben.
»Nun, da wir alle zusammen sind, möchte ich sofort aufbrechen und zum Kloster gehen.« Cordelias Ungeduld war greifbar. Sie sah die beiden anderen erwartungsvoll an.
Dorian war es gleichgültig. Heute, morgen, es spielte keine Rolle. Früher war ihm lieber als später. Er zuckte die Schultern. »Von mir aus, können wir los.«
Nun sahen beide Eleonora an und die befiel wieder ein Gefühl dumpfen Unbehagens. Was sollte sie sagen? Ihr wäre es am Liebsten gewesen, sie würden, diesen Ort verlassen und nie wieder hierher zurückkehren.
Sie spielte kurz mit dem Gedanken, die anderen hier zu verlassen. Dorian war jetzt da. Er und Cordelia hatten dasselbe Ziel. Eleonoras Anwesenheit war nicht weiter von Nöten.
Doch sie zögerte. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Sie hatte im Gegensatz zu den Beiden kein Ziel, keinen Plan. Vor ihr lag nur die Einsamkeit ihrer Unsterblichkeit. Sie gab sich einen Ruck und wischte ihre Bedenken beiseite.
»Dann los. Gehen wir.«
So fuhren sie die kurze Strecke zu dem alten Kloster, dass in der Dunkelheit, wie ein Ungeheuer längst vergangener Zeiten vor ihnen aufragte. Als sie die steinernen Stufen zum Haupttor hochstiegen, verwandelte sich Eleonoras Beklommenheit in dumpfe Angst.
Sie schalt sich selbst eine Närrin. Das waren Menschen da drinnen. Keiner von ihnen, ja sie alle zusammen, konnten es mit drei Vampiren aufnehmen. Ihr Verstand sagte ihr, dass ihre Angst lächerlich war und sie behielt ihre Gedanken für sich.
Auf Cordelias energisches Klopfen wurde das Tor geöffnet. Der Bruder Pförtner erkannte sie und bat sie lächelnd herein. Sie warteten in dem überdachten Vorhof, während er Abt Viral holte.
»Ah, ihr seid zurück und wie ich sehe, habt ihr uns einen neuen Gast mitgebracht. Sie müssen Dorian sein.« Abt Viral kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um sie zu begrüßen. Das breite Lächeln, das er aufgesetzt hatte, erreichte seine Augen jedoch nicht.
Aber das schien nur Eleonora aufzufallen.
»Wir sind eben angekommen«, begann Cordelia. Sie war aufgeregt und man merkte es ihr an. »Mein Bruder ist jetzt hier, Abt Viral. Können sie uns noch heute, jetzt gleich, zu dem Tor, das in die Vorwelt führt, bringen?« Cordelia war stets direkt. Es fiel ihr so nah am Ziel schwer, ihre Ungeduld zu zügeln.
Der Abt schien zu überlegen, doch dann lächelte er verbindlich. »Warum nicht. Die Nacht ist ein guter Zeitpunkt, um das Tor zu öffnen. Bitte folgt mir.« Er griff sich eine Öllampe und zündete sie an. »Es gibt keine Elektrizität hier«, erklärte er entschuldigend.
Viral führte sie in das Refektorium und von dort in einen langen Gang. Er öffnete eine Tür und dahinter lag eine steile Treppe, die in den Keller des Klosters führte. Sie schien ihnen endlos, als sie sie hinabstiegen und Eleonora hatte das Gefühl, als würden sie in den Bauch eines Ungeheuers gezogen.
Am Ende der Treppe gelangten sie in einen höhlenartigen Gang, dessen steinerne Wände schienen, als wären sie direkt aus dem Berg herausgehauen.
Der Gang mündete in einen großen ovalen Raum. Der Abt stellte die Lampe ab und machte die Fackeln an den Wänden an. Es herrschte eine düstere Atmosphäre hier. Eleonora schauderte, als sie sich umblickte. Der Raum war unmöbliert, bis auf einen kleinen Tisch, der am Eingang stand.
»Stellt euch hier hin«, sagte der Abt und deutete auf die Mitte des Raumes. Dann trat er hinter sie. Eleonoras Nackenhaare sträubten sich, als er anfing, seltsame Formeln zu murmeln.
Zuerst geschah gar nichts. Dann wurde ein kühler Luftzug spürbar und der Boden fing an zu leuchten. Kleine Flämmchen züngelten hoch und Dorian, der sich umsah, bemerkte dass die Flammen um sie herum einen Ring bildeten. Abt Viral klatschte in die Hände und zischte das letzte Wort: »Beschin.«
In dem Moment schossen die Flämmchen zu mannshohen Flammen auf, von denen sie nun eingeschlossen waren. Sie fühlten sich nun alle unbehaglich und sahen sich beunruhigt um. Abt Viral stand außerhalb des Flammenringes und ließ nun ein meckerndes Lachen hören.
Das war zuviel. Die drei Vampire machten einen Schritt auf die Flammen zu, in Richtung der Tür durch die sie diesen Raum betreten hatten. Doch das Feuer fuhr wütend in die Höhe und bildete eine undurchdringliche Wand vor ihnen.
Noch bevor sie überlegen konnten, was sie tun sollten, bildete sich dichter Rauch um sie herum. Sie husteten und ihre Augen tränten.
Plötzlich wurde schemenhaft eine Gestalt in den Rauchwolken sichtbar. Sie versuchten zu erkennen, wer da bei ihnen war. Langsam nahm die Gestalt immer mehr Form an. Als sie sich so verdichtet hatte, dass auch das Gesicht erkennbar wurde, streckte das Wesen eine Hand aus und schleuderte Dorian feinen Staub ins Gesicht.
Cordelia und Eleonora, fingen ihn auf, als er bewusstlos zu Boden sackte.
Noch bevor die beiden Frauen reagieren konnten, wurden sie angegriffen. Es waren ein Dutzend Mönche, die in den Raum eindrangen und versuchten sie zu überwältigen.
Die Vampirinnen kämpften mit ihnen und es sah so aus, als würden sie gewinnen.
Da trat Abt Viral an Cordelia heran und drückte ihr eine Handvoll scharf riechenden Pulvers an Nase und Mund. Sofort wurde sie von bleierner Müdigkeit erfasst und während sie darum rang nicht das Bewusstsein zu verlieren, wandte sich die Gestalt im dichten Rauch ihr zu.
Cordelia glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Es war Siegbert, der da vor ihr stand.
Sie sah, wie er den schlaffen Körper ihres Bruders mit sich zog, ihn festhielt und etwas unverständliches murmelte.
Dabei fiel für einen Moment sein Blick auf sie. Das letzte das sie erkennen konnte, bevor ihr endgültig die Sinne schwanden, waren Siegberts blaue Augen, die sie ohne die Spur eines Gefühls anstarrten.
Rüdiger lag mit geschlossenen Augen auf der harten Pritsche der Polizeiwache. Doch er schlief nicht, sondern war wach und hörte, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Er blinzelte durch einen Spalt seiner Lieder.
Zwei Polizisten betraten vorsichtig die Zelle, wobei einer voranging und in seinen Händen einen Holzpflock hielt, den er fest umklammerte. Der andere war dicht hinter ihm, mit der Pistole im Anschlag, um ihm Deckung zu geben.
Rüdiger war sich sicher, dass die Waffe mit Holzpatronen geladen war, und der Ordnungshüter nicht zögern würde, sie abzufeuern.
Offenbar hatten die Beamten sicher gehen wollen, dass sie Vampire waren, bevor sie sie umbrachten. Ihre geschlossenen und verheilten Schusswunden, waren der Beweis dafür. Jetzt wollten die Polizisten sie endgültig töten.
Er beschloss vorzugeben, dass er noch immer schlief.
Mona ahnte auch, das Vorhaben der Polizisten. Sie bleckte ihre spitzen Zähne und sprang fauchend auf. Sofort richtete sich die Waffe auf sie und der Polizist schoss sein Magazin leer. Mona wurde getroffen und ging stöhnend zu Boden.
Beide Beamten richteten ihre Aufmerksamkeit auf sie, als Rüdiger seine Gelegenheit gekommen sah und zuschlug. Blitzschnell war er bei den Polizisten und brach ihnen mit einer flinken Drehung ihres Kopfes das Genick. Sie waren tot, bevor sie überhaupt wussten, wie ihnen geschah.
»Du hast einfach schwache Nerven, meine Liebe.« Rüdiger kniete sich zu Mona und zog die Kugeln aus ihrem Körper. Mona stöhnte überdrüssig.
»Sehen wir zu, dass wir hier bloß wegkommen! Ich habe die Schnauze voll, von diesen Holzgeschossen.«
Rüdiger lächelte nachsichtig und half ihr, auf die Beine zu kommen. Er suchte in den Taschen der toten Polizisten nach den Schlüsseln für ihre Handschellen. Er fand sie und befreite Mona und sich selbst von den hinderlichen Fesseln.
Die Ordnungshüter hätten ihnen die Hände hinter dem Rücken fesseln sollen, dann würden sie vielleicht noch leben.
Tja, ihr Pech und unser Vorteil, dachte Rüdiger und warf die Handschellen auf den Boden zu den beiden Leichen.
Die Vampire verließen das Gebäude ohne weitere Zwischenfälle. Sie konnten mit ihren feinen Ohren hören, dass sich noch mehr Menschen auf der Polizeiwache befanden. Rüdiger verzichtete ausnahmsweise in diesem Fall auf ein Blutbad. Er hatte es jetzt eilig zu dem Kloster zu gelangen.
Vor dem Haus der Wache entdeckten sie ihren Wagen und schlossen ihn kurz, da die Polizisten ihnen den Schlüssel abgenommen hatten. Ungehindert fuhren sie davon und versuchten sich in der Dunkelheit der Nacht zu orientieren. Sie mussten die Straße finden, die zu dem Kloster führte.
Rüdiger war sich ziemlich sicher, dass sie im Kloster Varg richtig waren und er Cordelia dort finden würde.
Nachdem sie den kleinen Ort mit der Polizeiwache verlassen hatten und einige Male falsch abgebogen waren, befanden sie sich plötzlich wieder an der Gabelung, an der die beiden Polizisten sie geschnappt hatten.
Ohne zu zögern, folgte Rüdiger der Straße, die bergan zu dem alten Kloster führte. Der klapprige Wagen mühte sich den steilen Weg hinauf und verlor merklich an Tempo. Endlich hatten sie es geschafft und hielten an dem gepflasterten, mit Unkraut bewachsenen Vorplatz des Klosters. Das alte Gemäuer ragte wie ein urzeitlicher Riese düster und drohend vor ihnen auf.
Kein Lichtschein war zu erkennen und die dicken Mauern verschluckten alle Geräusche, die aus dem Inneren hätten dringen können.
Sie stiegen aus und erklommen die ausgetretenen Stufen die hinauf zu dem großen, hölzernen Eingangsportal führten. Rüdiger fasste nach dem eisernen Türklopfer und wollte ihn eben gegen das Holz schlagen, als die Tür schwungvoll aufgerissen wurde.
Eleonora kämpfte unterdessen wütend und verbissen weiter gegen die Mönche.
Doch als sie sah, wie Dorian von dem Kerl der wie aus dem Nichts im Rauch aufgetaucht war, weggeschleppt wurde und ihr ein Seitenblick auf Cordelia zeigte, dass diese reglos am Boden lag, beschloss sie zu fliehen.
Sie stieß zwei der Angreifer, die sich an sie gehängt hatten wuchtig von sich, schickte einen Mönch mit einem Hieb ihres Ellenbogens zu Boden und verpasste einem anderen einen kräftigen Fußtritt.
Dann nahm sie alle Kraft zusammen und rannte los Richtung Eingang. Die Flammen schossen wieder hoch, doch sie schloss die Augen und sprang durch die Feuerwand. Sengende Hitze und scharfer Schmerz begleiteten sie, als sie zu Boden krachte. Sie wälzte sich über den Steinboden, um die kleinen Flämmchen an ihrer Kleidung zu ersticken.
Sie hatte es geschafft, sie war durch die Flammen hindurch.
Hastig rappelte sie sich hoch und jagte wie von Sinnen zurück zu der Treppe, die Stufen hinauf, bis sie die Tür erreichte, die ins Kloster führte. Dort erst blickte sie sich ängstlich um, aber es schien ihr niemand zu folgen.
Dennoch sah sie zu, schleunigst von diesem Ort zu verschwinden. Sie lief raus aus dem Gebäude, in den Vorhof, zurück durch das Eingangsportal. Niemand begegnete ihr, niemand hielt sie auf.
Als sie das Tor aufriss, um hinauszustürmen, standen plötzlich Rüdiger und Mona vor ihr.