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1 Das Mädchen mit den goldenen Augen

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Wenn ich irgendetwas sehe, höre oder fühle, was ein anderer getan oder gemacht hat, und wenn ich in der Spur, die er hinterlässt, einen Menschen entdecken kann, seinen Verstand, sein Wollen und sein Ringen – das ist für mich Kunst.

I. Gall, Theories of Art

Rastlos bewegte seine Hand den Pinsel über die Konturen ihres Gesichtes, so als versuchte er, ihnen dadurch mehr Kraft und Lebendigkeit zu verleihen. Wie ein Besessener malte Vincent seit Tagen am Bild einer Unbekannten, die täglich um die Mittagszeit seinen Stand auf dem großen Marktplatz in der Mitte der Stadt aufsuchte, um seine Bilder ehrfürchtig zu betrachten. Der Zauber ihrer anmutigen Erscheinung ließ sich nur schwer in Worte fassen. Ihre außergewöhnliche Erscheinung erhellte seinen grauen Alltag und stellte alles um sie herum in den Schatten. Kaskaden seidiger Locken, die wie heller Bernstein schimmerten, wann immer sich das Licht der Sonne darin fing, umrahmten feine Gesichtszüge, wobei ihn die Zartheit ihrer Wangenknochen, die Geradlinigkeit ihrer Nase, die sanft geschwungenen Lippen stets aufs Neue begeisterten und ihn geradezu herausforderten, sie zu malen. Doch am meisten faszinierten ihn ihre Augen, die, wie er fand, etwas Magisches hatten und ihn tagsüber um seine Ruhe und nachts um den notwendigen Schlaf brachten. Es waren bemerkenswert leuchtende Augen, deren goldene Farbe er noch nie bei einem Menschen gesehen hatte, und sonderbarerweise auch sehr traurige Augen, die das strahlende Wesen der Fremden sichtlich überschatteten.

Der junge Mann hätte viel gegeben, um das Geheimnis dieser Augen zu lüften, doch so oft er versuchte, mit dem Mädchen ins Gespräch zu kommen, löste es sich unversehens in Luft auf.

Vincent seufzte und trat einen Schritt zurück. Von der Arbeit übermüdet, betrachtete er sein Bild. Das Porträt war zwar künstlerisch perfekt ausgeführt, jedoch nicht halb so bezaubernd wie das Original. Trotz größter Anstrengungen war es ihm nicht gelungen, die Lebendigkeit und Schönheit der Unbekannten einzufangen.

Umrahmt von einem in Lavendel, Grün und Weiß gehaltenen Hintergrund, blickte ihm die namenlose Schöne mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen entgegen, um das sie selbst Mona Lisa beneidet hätte. In ihrem auf Vincent gerichteten Blick lag eine rätselhafte Bitte, die er nur zu gern erfüllt hätte, um die Traurigkeit aus ihren Augen verschwinden zu lassen. Nie zuvor hatte ein Blick anziehender auf ihn gewirkt, trotz der unliebsamen Tatsache, dass ihm die sprühende Lebhaftigkeit seiner Besitzerin fehlte. Von seinen malerischen Fähigkeiten enttäuscht, schlang der junge Maler, erschöpft von der mit Malen zugebrachten Nacht, beide Arme um den Oberkörper. Obwohl Vincent mit seinen Kräften am Ende war, wollte er nicht aufhören zu malen. Zumindest noch nicht. Jeder Nerv in seinem Körper schien in einer nie gekannten Spannung zu schwingen und regelrecht darauf zu brennen, das ätherische Wesen der unbekannten Schönheit in nie gekannter Vollendung auf der Leinwand einzufangen. Deshalb war er die ganze Nacht wach geblieben. Da er jedoch mit seinem Werk nicht zufrieden war, beschloss Vincent, ein neues Bild von ihr zu malen, von dem er bereits wusste, dass es wieder nur eines von vielen sein würde. Gedankenverloren hob er seine Hand, um ihr Gesicht zu berühren, um mit seinen Fingern federleicht über seine von ihr geschaffenen Linien zu streichen, denen trotz aller Bemühungen der Höhepunkt eines gelungenen Meisterwerkes, die nach dem letzten Pinselstrich eingehauchte Lebendigkeit, fehlte.

Durch das geöffnete Fenster fielen bereits die ersten Strahlen der Novembersonne in Vincents Atelier und kündigten einen schönen Herbsttag an. Während der Maler versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, da er ganz und gar im Malen aufgegangen war und sich noch immer im dichten Nebel fein skizzierter Striche und Linien befand, nahm er draußen Schritte wahr, welche die knarrende Holztreppe zu ihm hoch eilten.

„Kann ich reinkommen, Junge?“, vernahm er kurz darauf die Stimme seiner Haushälterin.

„Klar, nur hereinspaziert, Dora!“, versuchte er ein Gähnen zu unterdrücken. Einen Moment später wurde die Tür geöffnet. Neugierig und etwas verwundert blieb eine grauhaarige Frau auf der Türschwelle stehen, um den jungen Mann mit dem schulterlangen, dunklen Haar, das nach hinten zusammengebunden war, zu betrachten. Vincent war groß und schlank. Seine Haut war noch leicht von der Herbstsonne gebräunt und verriet, dass er viel Zeit im Freien verbrachte. Der Maler wandte sich nicht sofort zu ihr um. Sein Blick ruhte noch immer auf dem sanften Lächeln der rätselhaften Schönen und sein Kopf war gebeugt, als fürchtete er sich davor, seinen Blick von ihr abzuwenden.

„Guten Morgen“, wünschte die kugelrunde Frau und trat in sein Atelier ein.

„Morgen“, erwiderte Vincent schläfrig und versuchte, Dora ein Lächeln zu schenken, das ein wenig schief ausfiel.

„Gut geschlafen?“, erkundigte sie sich, obwohl die dunklen Schatten unter seinen meergrünen Augen genau auf das Gegenteil schließen ließen.

„Nein“, erwiderte Vincent, und Dora glaubte neben der Müdigkeit eine Spur von Enttäuschung in seinen Augen zu erkennen.

„Fühlst du dich nicht gut?“, fragte die ältere Frau besorgt und nahm den jungen Mann genauer in Augenschein. „Soll ich einen Arzt rufen?“

„Nein, nein“, winkte Vincent ab und blickte zerstreut auf sein Bild.

„Ist es nicht noch ein bisschen früh zum Malen?“, wunderte sich Dora und betrachtete sein Werk interessiert. Eingetaucht in das weiche Licht der herbstlichen Morgensonne strahlte das Gesicht des Mädchens eine außergewöhnliche Lieblichkeit und Lebensfreude aus.

„Findest du?“, entgegnete Vincent selbstvergessen, da er beim Malen immer jedes Gefühl für Zeit verlor.

„Auf jeden Fall ist sie bildhübsch“, fand seine Haushälterin. „Und ein echtes Meisterwerk“, fügte sie anerkennend hinzu, während ihr Blick ruhig auf goldenen Augen hinter dunklen, dichten Wimpern ruhte.

„Nein, leider nicht“, brummelte Vincent leise und seine Miene verfinsterte sich augenblicklich.

„Nein, leider nicht?“, zog Dora überrascht eine ihrer buschigen Augenbrauen in die Höhe. „Du findest sie nicht hübsch?“

„Nein, nein!“, widersprach Vincent schnell, während sein Blick kritisch auf dem Bild ruhte. „Sie ist eine Augenweide! Es ist meine Arbeit, die armselig ist, da ich nicht im Stande bin, ihrer Ausstrahlung und ihrem Liebreiz gerecht zu werden.“

„Du darfst nicht so streng mit dir sein, Junge“, meinte Dora mit einem gutmütigen Lächeln, das einige ihrer Falten wegzauberte und sie jünger aussehen ließ, als sie tatsächlich war.

„Muss ich aber“, lächelte Vincent gequält, „da die Kunst das Gewissen der Menschheit ist. Und mein Gewissen solange nicht ruhen wird, bis ich das Wesen der Unbekannten so eingefangen habe, dass die Wirklichkeit im Vergleich zu ihr wie ein Abklatsch wirkt.“

Was? Du malst ein Bild von einem Mädchen, das du nicht kennst?“, fragte die ältere Frau überrascht und betrachtete sprachlos den Stapel zahlloser Skizzen und Zeichnungen, die neben Vincent am Boden lagen.

„Ich male, weil ich ihr Bild nicht aus meinem Kopf bekomme“, entgegnete der junge Maler freudlos und suchte Doras Blick, als gäbe es dort ein wenig Verständnis für seine missliche Lage. Vincent stand wie ein Häufchen Elend da und tat seiner Haushälterin leid. Am liebsten hätte sie tröstend über seinen Kopf gestreichelt, wie sie es oft getan hatte, als er noch klein war, doch diesem Alter war er mittlerweile entwachsen. Die ältere Frau beobachtete wortlos, wie er bekümmert das Porträt des bildschönen Mädchens aus dem Rahmen nahm, um es unbarmherzig zu den übrigen auf den Boden zu schicken und gleich darauf ein neues Blatt einzuspannen.

„Und“, fuhr der junge Mann fort, „um mich von meiner Unfähigkeit als Künstler abzulenken.“

„Hat sich zu dir noch nicht herumgesprochen, dass es Kunst ist, wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst!“, versuchte Dora ihn aufzuheitern und warf ihm einen schelmischen Blick zu.

„Nein, bis jetzt noch nicht, aber nun, da du es erwähnst, geht es mir gleich viel besser“, lächelte Vincent matt. Einen Moment lang hielt er inne und fragte dann unvermittelt: „Stecken wir gerade in einer Kunstdiskussion?“

„Nein, tun wir nicht“, entgegnete Dora, „obwohl ich gern mit dir diskutiere. Nur ist der Zeitpunkt nicht der richtige, da deine Freundin auf dich wartet.“

„Veronika?“, fragte Vincent mechanisch.

„Sie heißt Monika!“, wurde er von Dora korrigiert, die über seine Zerstreutheit kurz schmunzeln musste.

„Stimmt“, pflichtete er ihr bei. „Was will sie?“

„Sie behauptet, mit dir zum Frühstück verabredet zu sein.“

„Da hat sie … recht“, entgegnete Vincent kleinlaut, während sein schlechtes Gewissen an ihm zu nagen begann. „Unverzeihlicherweise hab ich das … äh … vergessen.“

„Ich weiß, deshalb habe ich das hier mitgebracht!“, reichte ihm Dora fürsorglich ein weißes Hemd, Socken und frisch gewaschene Jeans. „Du musst dich umziehen, Vincent“, forderte sie ihn auf. „Nicht, dass du im Pyjama eine schlechte Figur machen würdest, doch bevor du deine Herzensdame siehst, brauchst du eine ordentliche Verpackung.“

„Verpackung?“

„Ja. Denn eine gute Verpackung stärkt die Marke!“, fügte sie augenzwinkernd hinzu.

Vincent legte kurz seine Stirn in Falten und warf ihr einen gespielt überraschten Blick zu.

„Entdecke ich gerade einen Anflug von Humor bei dir?“

„Scheint so“, meinte Dora verschmitzt. „Manchmal bricht so etwas bei einem Urgestein wie mir durch!“

„Du bist kein Urgestein, sondern ein interstellarer Diamant“, musste Vincent schon wieder lächeln, was in letzter Zeit nicht oft vorkam. Nur wenigen Menschen gelang es, ihn zum Lachen zu bringen. Dora glückte dieses Kunststück ab und zu. Seit dem Tod seiner Großmutter war sie zu einer echten Stütze für ihn geworden, um die er sich selbst beneidete. Sie half ihm nicht nur, das Haus in Ordnung zu halten, sondern stand ihm auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn er Hilfe brauchte.

„Zuviel der Ehre“, winkte sie ab, obwohl sie das Kompliment freute. „Ich gehe und werde der jungen Dame sagen, dass du in fünf Minuten bei ihr bist“, kündigte sie an und bewegte sich auf die Tür zu.

„Gut“, murmelte er und sah ihr an, dass sie noch etwas loswerden wollte.

„Du bist ein sehr talentierter, junger Mann, Vincent“, nahm ihre Stimme einen ernsten Ton an und eine halbe Ewigkeit schien zu verstreichen, bevor sie fortfuhr. „Deine Großmutter war sehr stolz auf dich und ganz besonders auf deine künstlerischen Fähigkeiten als Maler!“

„Danke“, erwiderte Vincent gerührt und wünschte sich tief in seinem Inneren, auch andere von seinem Talent überzeugen zu können. Doch da ihm dies bisher nicht gelungen war, wurde er immer öfters von Selbstzweifeln gequält, und er fragte sich, ob die Malerei tatsächlich das Richtige für ihn war.

Nachdem sich der junge Maler in Windeseile umgezogen hatte, machte er sich auf den Weg in die Stube, wo seine Freundin bereits ungeduldig auf ihn wartete.

„Vincent!“, rief Monika erfreut, als er die Tür öffnete und auf sie zueilte. Der Raum war nicht besonders groß, jedoch gemütlich, und von den Fenstern aus hatte man einen schönen Ausblick auf den kleinen Garten, der sich unmittelbar vor dem Haus befand.

„Morgen, Moni!“, begrüßte der Maler seine Besucherin, während ihm ein angenehmer Duft nach Kaffee und frischem Brot in die Nase stieg. Die junge Frau erhob sich, bewegte sich anmutig auf ihn zu und streckte beide Hände nach ihm aus.

„Vincent – endlich!“, wisperte sie erleichtert, während ihr Blick den seinen festhielt. „Ich dachte schon, du hättest mich vergessen!“

Ich – das hübscheste Mädchen der Stadt vergessen?“, schmeichelte er und bedachte sie mit einem charmanten Lächeln, während er ihre Hände wieder losließ. Das war natürlich eine faustdicke Lüge, doch Vincent konnte ihr unmöglich gestehen, dass ihm die Verabredung zum Frühstück gänzlich entfallen war, während er am Porträt eines unbekannten Mädchens gearbeitet hatte. Hübsch war Monika tatsächlich, diesbezüglich hatte er nicht gelogen. Sie trug ein taubengraues Etuikleid mit dazu passendem Jäckchen und grauen Schuhen. Ihr schulterlanges, braunes Haar trug die junge Frau hochgesteckt, und auf ihrem Kopf thronte ein keckes Hütchen, dessen Grauton vollendet zu Kleid und Schuhen passte. Ihr Erscheinungsbild war vollkommen, wie Vincent feststellen konnte. Für seinen Geschmack allerdings ein wenig zu perfekt. Vielleicht auch ein bisschen zu grau.

„Ich habe Neuigkeiten, sehr gute Neuigkeiten“, strahlte die junge Frau den Maler an. „Für uns“, fügte sie bestimmt hinzu, „und möchte sie dir beim Frühstück erzählen.“

Nachdem sie Platz genommen hatte, gab sie Vincent ein Zeichen, sich zu ihr zu setzen. Sogleich kam er ihrer Bitte nach und setzte sich an ihre Seite.

„Darf ich dir Kaffee einschenken?“, fragte sie zuvorkommend und griff nach einer Porzellan­kanne mit Zwiebelmuster.

„Gern“, erwiderte Vincent und genoss es sichtlich, von ihr bedient zu werden. Ihr Besuch brachte ihm genau die Ablenkung, die er dringend brauchte, um sich von seiner Malwut und den mittelmäßigen Ergebnissen zu erholen. Monika schenkte den aromatischen Morgentrunk mit großer Geschicklichkeit ein und schob die schöne, zur Kaffeekanne passende Tasse samt Untertasse Vincent zu.

„Danke, meine Liebe“, lächelte er und angelte sich ein Croissant, in das er hungrig hinein biss. Dann griff er nach seiner Tasse und genehmigte sich einen Schluck Kaffee. „So, und nun schieß los!“

„Sofort“, erwiderte sie sanft sein Lächeln und musterte ihn eingehend mit ihren grauen Augen hinter dezent getuschten Wimpern, als versuchte sie abzuschätzen, wie er das, was sie ihm gleich sagen wollte, aufnehmen würde.

„Macht es dir etwas aus, wenn ich zuvor noch kurz die Jalousien herunterlasse? Die Morgensonne blendet mich!“

Ja, es macht mir etwas aus!“, wollte Vincent rufen, da er Licht durchflutete Räume mehr als alles auf der Welt liebte und allein den Gedanken, in einem Raum mit heruntergezogenen Rollläden frühstücken zu müssen, unerträglich fand. Monika gegenüber erwähnte er jedoch kein Sterbenswörtchen und schüttelte nur stumm seinen Kopf. Das fasste sie als Zustimmung auf. Schnell erhob sich die junge Frau und bewegte sich geschmeidig wie eine Raubkatze durch den Raum, um die Morgensonne mit ein paar Handbewegungen aus der Stube zu verbannen. Einen Augenblick später saß sie wieder neben ihm.

„Du kannst deinen Beruf als Maler an den Nagel hängen, Vincent“, kam sie zur Sache. „Papa bietet dir eine Stelle als Kassier in seiner Bank an. Das ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber ein Anfang. Von nun an musst du dich nicht mehr bei Wind und Wetter auf den Markt stellen, nur um deine lächerlichen Bilder zu verkaufen, die – unter uns – sowieso niemanden interessieren und auch kaum Geld einbringen. Wenn du dich erst einmal ins Tagesgeschäft eingearbeitet hast und fleißig arbeitest, steht einer Bankkarriere nichts im Wege. Das ist wirklich eine einmalige Gelegenheit, Vincent, die du unbedingt ergreifen musst. Stell dir nur vor, welche Möglichkeiten dir von nun an offen stehen, … uns offen stehen. Eine sichere Stelle in einem krisensicheren Unternehmen, ein regelmäßiges Einkommen und keine Diskussionen mehr mit Leuten, denen ihre Nasen in deinen Bildern nicht gefallen.“ Die junge Frau hielt kurz inne und warf dem Maler einen selbstgefälligen Blick zu. „Wir können endlich Pläne für die Zukunft schmieden. Für unsere Zukunft!“

Vincent blieb bei ihren letzten Worten beinahe der Bissen im Hals stecken, und er begann laut loszuprusten. Ruckartig sprang er auf, so dass er beinahe seine Kaffeetasse umgestoßen hätte. Ihre Neuigkeiten legten sich wie eine Schraubzange um seinen Brustkorb, und er rang kurz nach Luft. Er liebte seine Bilder, hing an der Malerei, und allein bei dem Gedanken, Tag für Tag in Anzug und Krawatte hinter einem Schalter stehen zu müssen, zog sich sein Magen krampfhaft zusammen.

Monikas Blick ruhte noch immer erwartungsvoll auf dem Maler, doch seine Miene war völlig ausdruckslos. Er wartete darauf, dass sie noch etwas sagte, doch sie schwieg und eine unangenehme Stille begann sich zwischen ihnen auszubreiten.

„Was hältst du von Papas Vorschlag?“, fragte Monika nach einer Weile vorsichtig, da sie intuitiv spürte, dass sich seine Begeisterung in Grenzen hielt.

Vincent, der ihre Befürchtung ihren Augen ablas, streckte eine Hand aus und legte sie sanft auf die ihre.

„Das ist wirklich sehr … sehr großzügig von ihm“, begann er behutsam, um sie nicht zu verletzen. „Es ist nur …“, suchte er nach den richtigen Worten, „dass ich meine Arbeit mag … und … äh … gern Maler bleiben möchte.“

„Heißt das, dass du Papas Angebot ausschlägst?“, erkundigte sich die junge Frau ungläubig.

Vincent sah ihren fassungslosen Gesichtsausdruck und wünschte sich an einen weit entfernten Ort, um einer Antwort zu entgehen. Er wollte Nein sagen, er wollte alles tun, um sie glücklich zu sehen. Doch er konnte es nicht.

„Ich fürchte, ja“, erwiderte er leise.

Monika glaubte sich verhört zu haben. Sie begann leicht zu zittern, jeder Tropfen Blut wich aus ihrem Gesicht und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Der Schock, den seine Antwort in ihr auslöste, saß so tief, dass sie einen Moment nur dasaß und keinen Laut von sich gab. Ihr Mund fühlte sich ganz trocken an und ihre Lippen waren so fest aufeinander gepresst, dass sie eine schmale, weiße Linie bildeten. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Fassung wiedergewann, aber sobald sie zur Gänze begriff, was er gerade gesagt hatte, beschloss sie, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Seine für sie demütigende Entscheidung wollte sie auf gar keinen Fall widerstandslos hinnehmen. Sie senkte kurz den Blick, damit er die Tränenschleier in ihren Augen nicht sehen konnte, und nachdem sie sich wieder gefangen hatte, schluckte sie das Nilpferd in ihrem Hals tapfer hinunter und sah ihn scharf an.

„Verstehe“, stieß sie gepresst hervor, entzog ihm ihre Hand und verschränkte die Arme, um sich Halt zu geben. „Du ziehst also das Malen von Rotkäppchen, Rumpelstilzchen und Rübezahl einem großzügigen und äußerst gut gemeinten Angebot meines Vaters, der übrigens große Stücke auf dich hält, vor.“

Der junge Mann nickte. Es fiel ihm schwer, ihr Kummer zu bereiten, daher senkte er schuldbewusst den Blick. In der Zwischenzeit versuchte Monika nachzudenken, wie sie ihn doch noch dazu bringen konnte, auf das Angebot ihres Vaters einzugehen.

„Schau jetzt nicht auf den Boden, Vincent!“, fuhr sie ihn wütend an. „Sondern sag mir direkt ins Gesicht, dass du Papas Hilfe nicht willst!“

Vincent war nicht unbedingt stolz auf seine Antwort, als er in ihre vor Zorn blitzenden Augen sah, doch er war froh, dass er für klare Verhältnisse gesorgt hatte. Dennoch fühlte er sich miserabel.

„Ich will dir nicht weh tun, Moni“, begann er stockend. „Das musst du mir glauben. Dennoch kann ich das Angebot deines Vaters nicht annehmen. Weil ich kein Banker bin, sondern jemand, der die Welt mit Farbe und Pinsel einfängt. Oder es zumindest versucht“, fügte er im Stillen hinzu.

„Du tust mir aber weh, wenn du dich wie ein Dummkopf benimmst“, sagte sie mit bebender Stimme, „und ich werde mein Leben nicht an jemanden verschwenden, der weltfremd in seinem Luftschloss sitzt und seinen hoffnungslosen Tagträumen nachhängt.“

Vincent fühlte sich vom Kopf gestoßen. So sah sie ihn also. Als weltfremden Dummkopf. Es war, als zerbräche eine Welt in ihm, und seine Schuldgefühle wichen herber Enttäuschung. Mit einem Mal fühlte er sich unsagbar einsam neben ihr.

„Ich lebe in keinem Luftschloss“, begann er tonlos. „Sondern in einem wunderschönen, alten Haus, das mir meine Großmutter hinterlassen hat, wie du weißt, und habe mich bis jetzt ganz gut ohne die Hilfe deines Vaters durchs Leben geschwindelt.“

„Genau das ist der Punkt, Vincent!“, fiel ihm Monika ins Wort und legte beschwichtigend eine Hand auf seinen Arm. „Du schwindelst dich durch dein Leben, so gut es eben geht, aber du lebst es nicht!“, fügte sie hart hinzu.

Vincents unglückliche Miene ließ sie kurz verstummen. Da sie nicht sicher war, auf dem richtigen Weg zu sein, ihn von seiner unvernünftigen Haltung abzubringen, beschloss sie, mit stärkeren Geschützen aufzufahren.

„Wie viele deiner Märchenbilder hast du diese Woche verkauft?“, fragte sie herablassend, obwohl sie die Antwort genau kannte.

„Das weißt du“, erwiderte Vincent verbittert und senkte seinen Blick, damit sie nicht sah, wie sehr ihm die Frage zusetzte.

„Keines!“, stellte Monika nüchtern fest und funkelte ihn aus grauen Augen an.

Und warum?“, bohrte sie weiter und konnte den aufgestauten Zorn in ihrer Stimme nicht mehr unterdrücken. Vincent sagte nichts und wollte auch nichts mehr hören. Aber Monika fuhr aufgebracht fort.

„Vielleicht weil sich niemand für diesen Kinderkram interessiert?“, fragte sie spitz, und warf ihm schell einen Blick zu, damit ihr seine Reaktion nicht entging.

Vincents Miene war angespannt und allmählich fiel es ihm schwer, seinen aufkommenden Ärger vor ihr zu verbergen.

„Märchen sind kein Kinderkram!“, verteidigte er seine Arbeit. „Sie sind ein kostbarer Schatz, der unsere Wert- und Moralvorstellungen hütet. Sie sind eine unversiegbare Quelle für Schöpfergeist, Kreativität und Fantasie!“

Der junge Maler hatte eine Vorliebe für Märchen und Zaubergeschichten. Wie ein roter Faden zogen sie sich durch sein Leben und beeindruckten ihn seit frühester Kindheit. Seit jeher hatten sie ihn mit Begeisterung erfüllt und zum Malen angeregt. Und sein Leben gerettet, als er es als Achtjähriger vorzog, bei seiner Großmutter zu bleiben und in alten Märchenbüchern zu lesen, anstatt an einem Busausflug teilzunehmen, bei dem seine Eltern ums Leben kamen. Seit dem tragischen Unfall hatte Vincent bei seiner Großmutter nicht nur ein liebevolles Zuhause, sondern in ihr auch eine Seelenverwandte gefunden, die seine Liebe zu Märchen unumschränkt teilte. Stundenlang saßen die beiden zusammen und sahen sich gemeinsam faszinierende Bilder von wundersamen Fabelwesen, Hexen und Zauberern an, und wenn Vincent seine Augen schloss und ganz tief in sich hineinhorchte, konnte er noch immer ihre Stimme hören, wie sie lebhaft von Dornröschen erzählte oder den gefräßigen Meister Isegrim aus Der Wolf und die sieben Geißlein nachahmte, obwohl sie bereits seit drei Jahren tot war. Sie war es gewesen, die in ihm eine tiefe Liebe für Märchen erweckt hatte, die er als Erwachsener mit seiner Schwäche für Farben und Licht beruflich zu verbinden versuchte.

„Erzähl doch keine Märchen!“, konterte Monika provokant. „Ich kann keine Werte entdecken, wenn eine alte Frau von Kindern in den Ofen gestoßen wird, ein armer Wolf im Schlaf erschossen oder ein kleiner Frosch als Dank für seine Hilfsbereitschaft an die Wand geklatscht wird!“, fügte sie ungnädig hinzu.

„Das Märchen bestraft eben die Bösen und belohnt die Guten“, meinte der Maler und warf ihr einen leicht vorwurfsvollen Blick zu.

„Womit bewiesen wäre, wie wirklichkeitsfremd diese Lügengeschichten sind.“

„Märchen sind keine Lügengeschichten!“

„SIND. SIE. DOCH!“, herrschte sie ihn an. „Unglaubhaft und frei erfunden! Weißt du, woran man das erkennt?“, funkelte sie ihn an, und als er nichts sagte, beantwortete sie ihre Frage selbst: „Weil der Prinz immer reich, attraktiv, nett und obendrein auch noch ein Single ist!“

Obwohl Vincent nicht zum Lachen zu Mute war, konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er spürte ihren Ärger und die Tatsache, dass sie jeden Augenblick vor Wut zerplatzen konnte, erheiterte ihn. Zumindest ein bisschen.

„Das sehe ich nicht so“, meinte er. „Viele kleine Mädchen werden dir jederzeit bestätigen, dass ihre Märchenprinzen sehr glaubhaft sind!“

„Dieses hier nicht!“

„Du bist ja auch kein kleines Mädchen, sondern ein großes!“, hielt er entgegen.

Ihre Blicke kreuzten sich wie Klingen und Monika spürte, dass er sie absichtlich ärgerte, was sie noch mehr zur Weißglut trieb. Daher beschloss sie, den Spieß umzudrehen. „Märchen sind lebensverachtend und irreführend!“, ging sie in die Offensive.

„Nein, das sind sie nicht“, schüttelte Vincent seinen Kopf. „Sie bereiten auf das Leben vor und zeigen, dass der Alltag nicht nur aus Erfolg, Glück und Freude sondern auch auch Angst, Intrige und Bestrafung besteht. Trotzdem vermitteln sie eine positive Einstellung zum Leben.“

„Das glaubst du ja selber nicht!“

„Und ob! Nimm doch Aschenputtel als Beispiel. Das Mädchen wird von seiner Stiefmutter und ihren Töchtern täglich schikaniert und zeigt trotz der verzweifelten Situation innere Stärke und Durchhaltevermögen, bis sich ihr eine Chance auf ein besseres Leben bietet. Ihr Ringen gegen die täglichen Widrigkeiten spiegelt anschaulich den Alltag des menschlichen Lebens wider.“

Das nennst du eine positive Einstellung?“, fragte Monika und sah den Maler fassungslos an. „Also mir käme diese sehr schnell abhanden, wenn ich täglich Gemüse aus dem Dreck klauben müsste und mir niemand dafür eine vernünftige Erklärung geben könnte.“

„Es waren Hülsenfrüchte, die sie auslesen musste, meine Liebe“, wurde sie von Vincent verbessert. „Um genau zu sein, Linsen. Linsen aus der Asche und nicht aus dem Dreck!“, fügte er neunmalklug hinzu. Ihre Blicke trafen sich abermals, und der Maler fühlte sich wie in Eiswasser getaucht.

„Mir doch egal!“, entgegnete sie schnippisch.

„Auch wenn du einen hübschen und steinreichen Prinzen abbekommen würdest?“, zog Vincent seine Augenbrauen zusammen, „und wie eine echte Prinzessin leben könntest?“

„Wer will das denn!“, rief Monika gereizt, „wo doch jeder weiß, wie empfindlich und überdreht diese Zicken sind. Kein Wunder, dass die Märchenkönige den Königsöhnen mindestens ihr halbes Reich anbieten müssen, damit diese ihre Bräute nicht woanders suchen. Prinz Werauchimmer weiß schon, warum er Aschenputtel diesen überzogenen und weltfremden Tussis vorzieht. Der Grund dafür ist, dass sie wie ein Pferd arbeitet, noch dazu gratis und ihre Situation noch nicht einmal in Frage stellt. Was für eine bescheuerte Hoffnung auf Gerechtigkeit!“, meinte die junge Frau spöttisch und sah Vincent so verbissen ins Gesicht, dass er abermals lächeln musste.

„Das Leben ist auch für Prinzessinnen nicht immer rosarot, Monika!“, erklärte er. „Weder im Märchen noch im echten Leben.“

„Das ist aus den Klatschblättern einschlägig bekannt“, gab die junge Frau spitz zurück. „Trotzdem sind Märchen nichts weiter als lächerliche Lügengeschichten, die jeder Wirklichkeit entbehren. Außerdem finde ich es bedenklich, wenn sich die angeblich Guten ihre Lorbeeren durch Quälerei und Vernichtung der vermeintlich Bösen verdienen, damit durchkommen und am Ende auch noch mit halben oder ganzen Königreichen belohnt werden.“

Damit hatte sie nicht ganz Unrecht, musste Vincent zugeben, weshalb er die Augen zusammenkniff und über das Gesagte nachdachte. Dann räusperte er sich, während er sich zurücklehnte. Einen Moment lang glaubte er, seine Müdigkeit in allen Knochen zu spüren und senkte die Lider. „Nimm dich zusammen!“, mahnte er sich, hob den Kopf und begegnete erneut ihrem anklagenden Blick.

„Dieses bescheuerte Hoffen, um deine Worte zu wiederholen, ist wichtig, um im Märchen Ängste zu bewältigen“, bemerkte er schließlich nach einer Weile unangenehmen Schweigens.

„Die wir ohne sie erst gar nicht hätten“, fiel ihm Monika ins Wort.

Vincent öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch es fiel ihm kein überzeugendes Argument ein, und seine Freundin sah sich bereits als Siegerin des Duells.

„Möchtest du vielleicht noch eine Tasse Kaffee?“, fragte sie triumphierend.

„Nein, danke“, lehnte er kühl ab. Dabei musterte er ihr geschminktes Gesicht und wünschte sich von ganzem Herzen, ihr überhebliches Grinsen daraus fortwischen zu können.

„Trotzdem“, nahm Vincent den Faden wieder auf, „sind Märchen wichtig, da sie unsere Fantasie beflügeln“. Mit diesen Worten beugte er sich nach vor, um ein paar Brotkrumen von seiner Hose zu streifen. „Davon gibt es nicht mehr viel in unserer technokratischen und ausschließlich am Geld orientierten Welt!“

„Komm mir ja nicht so“, erwiderte Monika mit einem zornigen Unterton in ihrer Stimme. „Mit all ihren Rohheiten und Grausamkeiten sind Märchen im Hinblick auf eine vernünftige Fantasie keinen Pfifferling wert!“

„Fantasie ist nicht vernünftig“, rief Vincent und biss sich sogleich auf seine Unterlippe, da sie ihn dazu gebracht hatte, sie nicht ausreden zu lassen.

„Da habt ihr ja etwas gemeinsam“, stichelte die junge Frau und verzog dabei ihr Gesicht zu einer Fratze, so dass Vincent sich ernsthaft fragte, was er jemals an ihr gefunden hatte.

„Bin ich wirklich unvernünftig, weil ich nicht bereit bin, meine Seele für Geld und Karriere zu verkaufen?“, fragte er aufgewühlt.

„Nein, du bist unvernünftig, weil du nicht einsehen willst, dass du von deiner Malerei nicht leben kannst. Es ist nun mal eine allseits akzeptierte Tatsache, dass der Mensch Geld braucht, um sein Leben zu bestreiten. Wenn du genug verdienst, um deine Rechnungen zu bezahlen, kannst du dich gern acht Stunden vor deine Staffelei hinstellen und falls es dich glücklich macht, auch in deinen Farbtöpfen baden!“

Vincents Miene verfinsterte sich. Geld war ein wunder Punkt in seinem Leben, da er als Künstler nicht so viel verdiente, wie er brauchte, um seine Rechnungen zu bezahlen. Das Haus, das ihm seine Großmutter hinterlassen hatte, verschlang große Summen, und seine finanziellen Reserven schmolzen dahin. Der Erlös, den seine Bilder und Porträts einbrachten, reichte oft nicht einmal aus, um sein Essen zu bezahlen. Der junge Mann schauderte bei dem Gedanken an sein finanzielles Fiasko, war aber trotzdem nicht bereit, seinen Standpunkt aufzugeben.

Monikas feine Antennen schienen dies zu spüren, daher beschloss sie, ihren letzten Trumpf auszuspielen.

„Deine Ersparnisse und das bisschen Geld, das dir deine Großmutter hinterlassen hat, werden nicht ewig reichen, Vince. Leider wirst du mit dem Verkauf deiner Bilder ihr Haus nicht behalten können!“, betonte sie eindringlich und war davon überzeugt, dass die sorgsam gewählten Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. Das taten sie auch nicht. Vincent fühlte sich bis ins tiefste Innere elend. Der Stich in seiner Brust tat nicht halb so weh, wie das Gefühl, ein kompletter Versager zu sein. Das Schlimmste war, dass seine Freundin Recht hatte. Bald war er tatsächlich nicht mehr in der Lage, seine finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen. Resignierend spürte er, wie Monika seine Hand tätschelte.

„Ich weiß, es hört sich schrecklich an“, raunte sie ihm selbstgefällig zu, „aber vielleicht denkst du noch einmal in aller Ruhe über das Angebot meines Vaters nach.“

Vincent sagte nichts. Er saß einfach nur da. Beklommen. Benommen. Besiegt.

„Ich meine es gut mit dir. Wirklich!“, brach sie nach einer Weile das drückende Schweigen und warf ihm einen scheinbar mitfühlenden Blick zu.

Vincent schluckte. „Ich weiß“, würgte er heraus, versuchte noch etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Ton mehr hervor.

„Dann gehe ich wohl besser, damit du dir die Sache gründlich durch den Kopf gehen lassen kannst“, kündigte sie mit einem siegesbewussten Lächeln auf den Lippen an und hauchte Vincent zum Abschied ein Küsschen auf die Wange. „Mitunter ringt uns das Leben schwere Entscheidungen ab, aber eine Banklaufbahn bedeutet nicht, dass du nie mehr einen Pinsel anrühren darfst.“

„Schon klar“, erwiderte Vincent leise und zog nachdenklich seine Stirn in Falten. Vielleicht war es wirklich an der Zeit etwas Neues anzufangen. Einen Augenblick später stand er auf, um sie zur Tür zu begleiten. Auf der Schwelle blieb sie kurz stehen und sah ihm selbstgefällig ins Gesicht. „Du musst dich nicht sofort entscheiden“, meinte sie großzügig. „Allerdings wird Papa nicht ewig auf dich warten.“

„Ich werde darüber nachdenken“, versprach Vincent leise.

„Tu das“, erwiderte sie zufrieden und wollte sich umdrehen. Dann hielt sie unvermittelt inne. „Werd’ endlich erwachsen, Vincent!“, bat sie ihn mit eindringlicher Stimme. „Wenn schon nicht dir, dann wenigstens mir zuliebe.“

Mit diesen Worten fuhr sie auf dem Absatz herum und stöckelte davon. Vincents Blick blieb niedergeschlagen auf ihrem Rücken kleben. Nachdem sie außer Sichtweite war, beschloss er ein wenig die Vormittagssonne in seinem Garten zu genießen. Denn was er nun ganz dringend brauchte, war frische Luft und viel Sonnenschein.

Der Märchenmaler

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