Читать книгу Cara - Drachenseele - Sabine Hentschel - Страница 11

Dunkle Ruine

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Punkt halb acht klingelte es endlich an der Tür. Unsere Hände waren schon schweißnass und ich musste erst einmal ein Taschentuch zücken, bevor ich die Tür öffnete.

Da standen sie, Rey und Stene.

Beide herausgeputzt mit schicken Hemden. Sie lehnten an einem blauen BMW. Lisy und ich zogen schnell unsere Schuhe an und liefen raus, um die beiden zu begrüßen.

Ich wollte eigentlich nur „Hallo“ sagen, aber stattdessen gab ich Rey einen flüchtigen Begrüßungskuss auf die Wange. Sein wundervolles Aftershave hatte mich dazu verleitet. Er roch einfach unglaublich gut.

Er grinste mich sichtlich erfreut an. Dann hielt er mir die hintere Tür des Wagens auf und ich stieg ein. Lisy und ich saßen hinten. Rey und Stene vorn. Stene fuhr den Wagen, was für uns hieß, dass er wohl ihm gehörte.

Lisy war total aufgedreht. Sie rutschte auf dem Sitz hin und her, stupste mich hin und wieder an, als sollte ich etwas sagen.

Die Fahrt kam mir unterdessen ziemlich lang vor.

Wir fuhren gemeinsam aus der Stadt hinaus, durch ein paar kleine Dörfer und Orte in Richtung der Berge. Dann einen Steilpass hinauf bis zu einer Bergkuppe.

Noch bevor wir oben ankamen, erklärte uns Stene: »Wir sind auf dem Weg zur Burg Lendenstein. Na ja, eigentlich ist es eher ein uraltes, romantisches Schlösschen, als eine Burg.« Er lachte laut.

Rey ergänzte: »Es gibt einige Legenden über diese Burg.

Der Geschichte nach lebte hier im 15. Jahrhundert ein reicher Mann, der seine Untertanen vor einer Hungersnot bewahrt hatte, indem er selbst sechs Monate auf sein Essen verzichtete.

Die Untertanen waren ihm alle sehr dankbar gewesen, aber die Bürger der Nachbarstadt, welche die Hälfte ihrer Angehörigen durch den Hunger verloren hatten, streuten vor Neid das Gerücht, dass dieser Mann ein Vampir sei und nur deshalb noch am Leben wäre.

Beweis dafür wäre, dass jede seiner vier Ehefrauen bereits nach vier Wochen, angeblich an Blutmangel, verstarb. Die Untertanen weigerten sich, das zu glauben und beschützten ihren Wohltäter bis zu dem Tag, als er spurlos verschwand.

Danach verließen viele die Umgebung und es wurde still. Die Burg wurde verriegelt, damit sie keiner betreten konnte. Denn die Bürger waren der festen Überzeugung, dass nur ihr Wohltäter oder ein Angehöriger seiner Familie das Recht hätten, jemals wieder die Burg zu bewohnen. Seit jenem Tag stand sie leer und unbewohnt. Über all die Jahrhunderte. Lediglich das Tor zu ihr wurde Tag und Nacht von den Familien der einstigen Untertanen bewacht«, Rey blickte zu uns hinter und deutete mit der Hand auf ein Tor, auf das wir geradewegs zufuhren.

In der Dunkelheit konnte man kaum etwas sehen. Lediglich die riesigen Metalltorflügel sowie eine steinerne Fassade waren zu erkennen. Stene hielt an. Er stieg aus dem Wagen und schloss das Tor auf. Ich wunderte mich. Sollte das Tor nicht bewacht sein?

Rey grinste, als hätte er meine Gedanken gelesen.

Stene stieg wieder ein: »Du musst ihnen die ganze Geschichte erzählen! Nicht nur die Hälfte!«

Rey nickte zustimmend und fuhr fort: »Bis ins 17. Jahrhundert ist hier nichts mehr passiert. Die Familien bewachten das Tor und hofften auf die Rückkehr der

Adelsfamilie. Aber am 25.06.1686 geschah etwas Unerwartetes. Ein Mädchen, gerade einmal 12 Jahre alt, war mit ihrem Vater hierhergekommen, um wie immer das Tor zu bewachen, ... als sie ein leises Flüstern aus dem Haus hörten. Ihr Vater ermahnte sie, das Flüstern zu ignorieren und sich vom Inneren der Burg fernzuhalten.

Doch sie wartete, bis ihr Vater am Torpfosten eingeschlafen war und schlich sich dann hinein. Laut dem Bericht des Ortsvorsitzenden ist er erst aufgewacht, als er einen lauten Schrei vernahm. Er sah das offene Tor und rannte hinein, aber alles, was er dort fand, war ein Tier ..., das die Zähne in den Hals seiner Tochter gebohrt hatte.

Er erstarrte, bangte um sein Leben, doch das Tier verschwand. Seine Tochter überlebte nicht.

Ihre Leiche wurde von der Polizei geborgen und der Rat der Stadt verkündete, dass niemals wieder jemand den Berg zur Burg betreten sollte.«

Rey sah uns beide mit einem finsteren Blick an, in der Hoffnung, dass es seine Gruselgeschichte unterstützen würde. Lisy zuckte erschrocken zusammen und rutschte näher an mich heran.

Ihr war sichtlich unwohl.

Rey schmunzelte, als er es bemerkte: »Das ist nur ein albernes Märchen. Sie wollten wahrscheinlich nur diese alte Tradition des Torbewachens abschaffen.«

Dann drehte er sich zurück nach vorn und blickte in die Dunkelheit. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, ob es richtig gewesen war, hierherzukommen.

Die Geschichte machte mich nachdenklich. Normalerweise glaubte ich nicht an Märchen oder Sonstiges. Aber seit mich der Traum wieder jede Nacht einholte, war ich mir nicht mehr sicher, was ich denken sollte. War es ein Omen?

Stenes Worte durchbrachen meine Gedanken: »Da sind wir! Willkommen auf Burg Lendenstein!«

Die Burg war hell erleuchtet. Überall waren Scheinwerfer, die das Gemäuer anstrahlten. Die beiden hatten recht. Es war viel eleganter als eine Burg.

Überall waren reiche Verzierungen an der Fassade zu erkennen. Aber wie eine Ruine wirkte es auch nicht.

»Eigentlich ist nur ein Viertel der Burg zerstört, der Rest ist sogar noch bewohnbar!«, sagte Stene: »Mein Großvater hat mir den Schlüssel gegeben. Er ist hier Verwalter. Soll retten, was noch zu retten ist!«

Lisy grinste mich an, als wollte sie sagen: »Mein Schatz hat den Schlüssel zu einer Burg.«

Es interessierte mich nicht sonderlich, wer uns das hier ermöglicht hatte, viel mehr ging mir die Geschichte nicht aus dem Kopf. Stene parkte das Auto direkt vor dem Eingang und wir stiegen alle aus. Ich blickte zum Horizont. Alles war schwarz, nirgendwo ein Haus, ein Baum, eine Linie. Nur eine rabenschwarze Nacht, wie in meinen Träumen. Ich zuckte zusammen, als mich ein kalter Windhauch umspielte.

Rey bemerkte es sogleich und bat uns: »Geht doch schon einmal hinein! Drinnen ist es wärmer!«

Er deutete mit der Hand auf eine große, schwere Tür. Lisy folgte seiner Aufforderung. Ich jedoch zögerte einen Moment, bevor ich es ihr gleichtat.

***

Stene blieb am Auto zurück.

Rey trat zu ihm: »Tu ihr nicht weh! Du weißt, dass ich sie sehr gerne habe! Sie soll mich nach diesem Abend nicht hassen!«

»Das wird sie schon nicht! Beruhige dich!«, er klopfte Rey auf die Schulter: »Falls sie überhaupt etwas merkt! Schließlich benötigt es mehrere Anwendungen, ehe es vollständig ist! Ich würde sagen, wir geben ihnen erst einmal das Schlafmittel. Hast du es dabei?«

Obwohl Rey unwohl zumute war, holte er ein kleines Röhrchen aus der Tasche: »Ja!«

Stene nickte und nahm es ihm ab. Dann traten die beiden ebenfalls in die Burg hinein.

***

Wir standen in der Vorhalle. Ringsherum brannten Kerzen und beleuchteten den Raum. Eine wundervolle geschwungene Treppe führte auf beiden Seiten des Raums in das Obergeschoss. Sie dominierte das Bild des Raumes.

Stene führte uns durch eine Flügeltür direkt vor uns ins nächste Zimmer. In dem dumpfen Kerzenschein hatte ich die Tür zunächst gar nicht bemerkt.

»So, meine Süßen, zur Feier des Tages gibt’s einen kleinen Drink!«, sagte er, als er in den Wohnraum trat.

»Oh, danke!«, entgegneten wir fast zeitgleich.

Wir setzen uns auf eines der alten Sofas, die dort um den Kamin angeordnet standen. Der Raum wurde durch einen großen Deckenleuchter hell erleuchtet.

Hier fühlte ich mich wohler als in der Halle. Der Kamin brannte bereits.

»Ist noch jemand hier?«, fragte ich.

»Nein!«, antworte Rey schnell.

Was hatte er nur? Er war plötzlich merkwürdig angespannt. Als wollte er etwas vor uns verbergen.

»Mein Großvater war vorhin noch hier und hat alles hergerichtet. Er war so freundlich!«, sagte Stene, als er das Tablett mit den Getränken auf den Tisch abstellte.

Er gab jedem von uns ein Glas in die Hand, erhob dann das seine und verkündete: »Auf das Leben und uns!« Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Oder wie sehr er damit recht behalten sollte.

Rey stieß mit mir an und ich trank schließlich. Es schmeckte nach Erdbeeren und etwas Minze. Eigentlich eine sehr gute Kombination, dennoch war etwas Seltsames daran. Kaum dass ich einen Schluck genommen hatte, überkam mich ein Gefühl der Müdigkeit.

Was war nur los mit mir?

Ich konnte doch jetzt nicht schlappmachen. Jetzt, in diesem Moment, wo ich endlich mit Rey zusammen war. Ich versuchte, mich wach zu halten, aber es funktionierte nicht. Das Letzte, was ich hörte, war Lisy: »Danke! Schmeckt gut, aber irgendwie – ich werde so müde.«

Dann schlief ich ein.

***

Lisy fiel Stene direkt in die Arme.

»Sie schläft!«, sagte er erleichtert.

Rey trat zu Cara herüber: »Sie auch! Träum süß!«

Stene rempelte ihn an: »Hör auf mit dem Blödsinn! Los. Schaffen wir sie rein, bevor die Nacht vorbei ist!«

Cara - Drachenseele

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