Читать книгу Zenissimos Jagd - Sabine Ibing - Страница 10
Die Vorbereitung
ОглавлениеZurück in St. Heinrich durchforstete Jeremias eine Website. Mehr als zwei Stunden stöberte er im Angebot der Firma, Spunk GmbH, Fachwerkzeug für Überwachungsund Schutzfirmen. Als Erstes setzte er den Spezialeinsatzkoffer Lock Picking, Equipment für Polizei und Schlüsselnotdienst, auf seine Liste. Neben Spezial-Ziehwerkzeugen für Schließzylinder war eine Elektro-Sperrzeugpistole enthalten, die nach dem Perkussionsprinzip funktionierte. Dabei werden durch enorm hohe Schlagfrequenzen Zylinderschlösser ohne Beschädigung geöffnet. Das Schlüssel-Kopier-Set schrieb er ebenfalls auf, schaden würde es nicht. Damit konnte er, ohne Rohlinge kompliziert zu feilen, aus dem Wachsabdruck einen Nachschlüssel gießen. Er bestellte sechs Miniatur-Telefonsender, sowie Sender für Telefon und Armbanduhr und ein Peilgerät. Fünfzehn Minisender mit dem Namen Floh folgten in den Einkaufskorb.
Das kompakte Richtmikrofon reizte ihn. Man war in der Lage Zusatzgeräusche zu reduzieren, die Empfindlichkeit der Lautstärke auf die Ohren zu regulieren, es war sogar windund wasserfest, auch ließ es sich an ein Aufnahmegerät koppeln. Das Nachtsichtgerät Jimmy hatte es ihm angetan, ziemlich klein, mit Wechselobjektiven für den Nahund Fernbereich geeignet. Wasserfest erlaubte es freihändige Handhabung am Kopf und konnte an eine Videokamera angeschlossen werden. Was wollte er mehr? Per Mail schickte Jeremias die Bestellung ab. Diskret erfolgte die Lieferung über das Ausland innerhalb von 48 Stunden.
Vergnügt lehnte sich Jeremias in seinem Stuhl zurück.
»Zelloloid Paradies, in der Paus joov et Ihss und wenn’t tragisch woot, Träne«, sang Jeremias mit seiner BAP-CD mit, »Wood metjeflennt. Doch ein Saach, de woor kloor, t’kohm nix andres en Frooch, janz ahm Schluss – wat och sons? – e Happy End!«
Jeremias streckte sich wohlig, griff nach seinem Glas.
»Diesmal ist das Happy End in greifbarer Nähe! Ihr meint doch nicht, ich lasse euch so davonkommen?« Jeremias lachte.
Als Erstes war Julian dran. Nach allem, was Jeremias durch Laura herausfand, hatte Julian Carina getrieben, ihn zu verlassen. Moritz schien damit nichts zu tun zu haben, der tauchte erst nach seinem Verschwinden wieder auf.
Carina besaß die Kaltblütigkeit, ihm vorzuspielen, sie liebte ihn. Er hatte sich ihr preisgegeben, seine Geheimnisse verraten, sich Carina ausgeliefert. Nur darauf hatte sie es von Anfang an abgesehen, zu suchen, wie sie ihn treffen konnte. Carina hatte ihn betrogen, ihn in die Dunkelheit seiner Depressionen zurückgetrieben. Jeremias war nun weit verschlossener, noch misstrauischer gegenüber anderen Menschen geworden. Er nahm sich vor, niemals mehr Vertrauen zu einer Person zu fassen, zu niemandem.
Ein paar Tage später bastelte Jeremias an seinen Instrumenten. Die Vernetzung der Computer, die Internetverbindung über den Laptop funktionierte. Die Verbindung der Aufnahmegeräte, die zwei Schaltpulte, Anschluss an die Kamera, die auf dem Dach installiert werden konnte, alles schien in Ordnung. Nun stand ihm bevor, die Geräte in das Wohnmobil einzubauen. Den Caravan, der von außen wie ein Lieferwagen wirkte, hatte sein Vater umgebaut. Auf dem unteren Bett würde Jeremias seine Computeranlage montieren. Das obere Bett klappte er aus. Somit befand sich sein Schlafplatz einige Zentimeter über der Anlage. Heizung, Herd, Schränke, er war perfekt eingerichtet. Eine Toilette fehlte, ebenso eine warme Dusche. Er konnte das alte Chemieklo hineinstellen. Aber vor nichts ekelte er sich mehr! Eigentlich wollte er nicht in dem Auto wohnen, ein Hotelzimmer oder eine Mitwohngelegenheit gefielen ihm besser. Camping war in seiner Vorstellung das Allerletzte. Auf dem Fußboden kampieren, nur eine dünne Isomatte oder eine wabbelnde Luftmatratze trennten den Körper vom Erdreich. Ameisen und sonstiges Getier huschten herum. Es roch muffig und alles erschien primitiv. Auf dem Boden kochen und essen, auf wackligen Tischen und Stühlen, eine Fiktion, die ihn erschauderte. Nachts hörte man das Schnarchen aus dem Nebenzelt. Pinkeln und waschen in Gemeinschaftsräumen, die man sich mit mehreren hundert Leuten teilte, in stinkenden, versifften Hütten. Die feinen Haare auf seinen Armen richteten sich bei dem Gedanken auf. Typhus, Cholera, Salmonellen, Enteritis, Wurmerkrankungen, Chlamydien, Geschlechtskrankheiten, die Vorstellung davon ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. Jeremias fing an zu zittern, öffentliche Toiletten und Waschplätze ekelten ihn bis zum Erbrechen. Wie konnten sich zivilisierte Individuen freiwillig in diese Lage begeben? Er verstand es nicht. Jeremias griff nach der Flasche mit Glasspray und putzte das Wohnmobil noch einmal pedantisch von innen aus. Immer wieder rieb er über einen Fleck, der wohl in den Lack eingedrungen und nicht mehr zu beseitigen war.
Die CD war fast zu Ende, Jeremias probierte eine letzte Steckverbindung aus, wohlig warm breitete sich ein überlegenes Gefühl in ihm aus. »Hier sieht es bald aus, wie in einem professionellen Überwachungsbüro!« Er pfiff die Melodie des Songs fordernd mit.
Jeremias war mit sich selbst eins. Dieses Szenario reizte ihn seit langem. Die totale Überwachung einer Person, ohne dass sie wusste, wie einfach es war, an ihre tiefsten Geheimnisse heranzukommen. Kein Mensch dachte darüber nach, ob ihn jemand ausforsche. Niemand rechnete damit, beobachtet zu werden, wozu auch. Das war der Reiz!
»Ich werde euch drei beobachten, ohne dass ihr mich bemerkt, im richtigen Augenblick zuschlagen. Keiner wird nur den leisesten Verdacht hegen, ich sei in die Geschichte involviert!«
Jeremias starrte in den Monitor. Einen Plan besaß er nicht. Er musste herausbekommen, wo der wunde Punkt jedes Einzelnen saß. Und hier würde er ansetzen. Er putzte erneut alle Geräte ab.
»Nix als Horizont gesinn. Ich will neu würfele, neu Spill, neu Glöck, will die Kaate neu gemisch.«
Jeremias sang laut mit: »Wann kütt Land in Sicht?« Er lächelte vor sich hin.