Читать книгу Zenissimos Jagd - Sabine Ibing - Страница 11

Die Überwachung

Оглавление

»Sag mal, Julian, willst du wirklich auf die Malediven zum Tauchen? Ich würde lieber woanders hinfahren«, bat Laura.

»Im Herbst ist es auch anderswo noch warm genug zum Tauchen!«

»Du kannst hier bleiben, du wirst dich nur langweilen, außer Sand und Palmen findest du nichts, absolut nichts. Die Insel ist in fünfzehn Minuten zu erforschen. Es gibt keine Bars, Pools, Boutiquen, Tennisplätze, nada, niente!« Julian wirkte ermüdet.

»Carina und Moritz würden mit uns nach Griechenland oder in die Türkei fliegen, dort gibt es gute Tauchgebiete, ich finde schon eine andere Beschäftigung!«

»Dann fahr mit ihnen, ich will einen reinen Tauchurlaub, nur tauchen, verstehst du? Ich habe wieder solchen Spaß an der Unterwasserwelt auf Teneriffa bekommen. Oder was hältst du von einem Tauchkurs? Es ist nicht schwer, die Meeresbewohner sind fantastisch, ehrlich!«

»Ist ja gut! Ich nehme den Laptop mit und meine Zeichensachen, schreibe ein neues Buch. In einer völlig unbekannten Umgebung kommen mir sicher Ideen! Vielleicht schnorchele ich ein bisschen, ich würde dich nur stören mit meiner Angst!«

»Tu, was du nicht lassen kannst, nur nerv nicht abends, wenn ich den ganzen Tag unter Wasser verbracht habe! Tauchen ist anstrengend und ich will dann wahrscheinlich nur noch essen und ins Bett!«

***

Die Tonqualität des Richtmikrofons war hervorragend. Allerdings lag das Gebäude ungünstig. Jeremias kundschaftete das Haus von Julian und Laura aus. Ein Reihenhaus mit offenem Vorgarten, jeder würde ihn sehen, wie er die Wohnung betrat. Gegenüber wohnte eine alte Dame, die den lieben Tag lang am Fenster saß. Rechts und links davon lebten Hausfrauen mit Kindern, lauter unberechenbare Personen, die minütlich vor der Tür oder am Fenster auftauchen konnten. Von hinten besaß das Gebäude keinen Eingang, aber eine alarmgesicherte Terrassentür. Dort befand sich ein Garten, umgeben von einer dichten Hecke, die sich für einen Bruch optimal gestaltete. Wie sollte er ungesehen hineinkommen? Nur die Dunkelheit gab ihm Sicherheit, sobald die beiden das Haus verließen.

Nun stand Jeremias im Nieselregen und fror. In einer solchen Gegend fiel sein Bus sofort auf. Alle würden wissen wollen, wem der Wagen gehörte, was er hier zu suchen habe. Er hasste diese nachbarschaftsorientierten Reihenhaussiedlungen. Jeder kümmerte sich um jeden, auch wenn es ihn nichts anging. Das hatte er sich anders vorgestellt.

***

»Treffen wir uns heute Abend im Reisebüro oder kommst du erst nach Hause?«, fragte Laura.

»Verabreden wir uns in der Stadt, dann gehen wir ins Reisebüro und bummeln ein wenig über die Kö. Ich lade dich zum Thai ein!« Julian zog sein Jackett an.

Jeremias ging ein Stück weiter die Straße hinauf, Julian durfte ihn nicht sehen.

»Prima!«, hörte er Laura. Julian öffnete die Haustür.

»Halt, Julian, vergiss nicht deine Mappe!«, rief sie von hinten.

»Verdammt! Wenn ich dich nicht hätte!« Julian gab seiner Frau einen Abschiedskuss. »So gegen fünf, halb sechs, ich rufe dich vorher an!«

***

Das klappte ausgezeichnet, überlegte Jeremias. Reisebüro, einkaufen, essen. Er rechnete. Bis neun würde bestimmt Zeit sein, vielleicht noch länger. Sein Puls stieg. Um halb acht war es dunkel genug. In der Dämmerung saßen die Nachbarn sowieso vorm Fernseher. Die Wohnzimmer lagen nach hinten hinaus. Vorsichtig steckte Jeremias das zigarettenschachtelgroße Richtmikrofon in die Jackentasche. Er wirkte wie ein großer Junge mit Kopfhörern, dem Mikro in der Hand, das jeder für einen MP3-Player hielt. Langsam rollte er auf seinen Inlineskatern die Straße entlang, zog seine Baseballmütze tiefer ins Gesicht. Er lief zur Hauptstraße zurück, wo er den Bus geparkt hatte. Nun ins Hotel und aufwärmen.

***

Um acht Uhr parkte Jeremias den Bus in einer Seitenstraße. Locker schlenderte er zum Gebäude hinüber. Zu Hause hatte er die Werkzeuge bereits ausprobiert. Spielend ließ sich jede Tür unkompliziert in Sekunden öffnen.

Mit seinem Schlagfrequenz-Zylinderöffner sperrte er die Tür auf, ohne das Schloss zu beschädigen. Jeremias schaltete im Flur das Licht an und schritt die unteren Räume ab. Küche und Bad interessierten ihn nicht. Von der Küche ging ein langes Durchreichefenster zum riesigen L-förmigen Wohnzimmer in die Essecke. Hier setzte er einen Minisender an einen Bilderrahmen.

»So, du kleiner Floh, jetzt kannst du mir die Küche und den Essbereich belauschen!« Jeremias war entzückt. Einen weiteren Sender bettete er in den Sitzbereich ein, versteckt in einem Trockenblumenstrauß auf einem Beistelltisch. Er schaute sich um. Das Wohnzimmer im amerikanischen Landhausstil war mit wuchtigen Möbeln eingerichtet. Vor dem Kamin standen eine bequeme Couch und Sessel in Naturweiß sowie ein Holztisch. Der massige hölzerne Esstisch besaß trotz seiner Rustikalität eine feine Note. Ein imponierender Geschirrschrank im Kolonialstil und ein altes Buffet passten sich in die Einrichtung ein. Das ganze Zimmer hinterließ einen behaglichen Eindruck. Nicht sein Geschmack, aber eine Anziehung konnte Jeremias nicht abstreiten.

Das nächste Zimmer schien das Arbeitszimmer von Laura zu sein. Ein aufgeräumter Mahagoni-Schreibtisch, ein PC mit Drucker, ein geblümtes Sofa mit Rüschen im englischen Stil und viele Bücher füllten den kleinen Raum. Alle Wände waren mit einem durchgehenden Regal bedeckt. Hinter der Tür standen säuberlich geordnet und beschriftet eine Menge Aktenordner, am Fenster hing ein Blumenvorhang. Beim Hinausgehen schaute sich Jeremias noch einmal um, es war eindeutig Lauras Zimmer, Laura Ahsley ließ grüßen. Jeremias ging die Treppe nach oben. Hier befanden sich ein großes Bad, das Schlafzimmer, ein winziges Gästezimmer und Julians Arbeitsraum. Ein absolut anderer Stil als im unteren Zimmer zeugte von einem völlig anderen Charakter des Benutzers. Eine mächtige Glasplatte, aufgebockt auf Yton-Steine, diente als Schreibtisch. Blätter verteilten sich anscheinend wahllos auf der Platte, auch der Boden war mit Zetteln überhäuft. Über dem Arbeitsplatz hing ein Regal mit diversen Softwareprogrammen und daneben eins mit Fachbüchern. An einem Haken an der Wand baumelten unterschiedliche USB- Sticks. Zwei Laptops waren miteinander verbunden, ebenso mit einer externen Festplatte. Weiter hinten stand ein schweres englisches Ledersofa mit vielen Lederknöpfen, gegenüber prunkte ein hoher Lederohrensessel. Auf dem Beistelltisch lag ein flaches Messingtablett bestückt mit verschiedenen Glasflaschen, mit ausgewählten Alkoholika. Jedes der Gefäße trug ein Messingschild mit Kette, vermutlich handgearbeitet. Die Aufschriften waren zu differenziert für Kaufhausware. Martinique-Rum, Jamaica-Rum, Malt-Whisky, portugiesischer Sherry, Calvados, Marillenwasser, las Jeremias. In der Mescal-Flasche schwamm sogar der Wurm. Angeekelt schüttelte sich Jeremias. Allerdings zeugte die Auswahl von einem anständigen Männergeschmack. Ein Regal mit Büchern nahm die gesamte Breite in Besitz. Jeremias blickte auf die Titel, wahrscheinlich Julians Lieblingsbücher. Auf dem Tisch lag aufgeklappt ein Lyrikband von Rilke, daneben, mit Lesezeichen versehen, ein Band von Stephen Hawking sowie eine Taucherzeitung. Hier saß Julian offenbar meist allein.

Jeremias verließ das Zimmer. Der Schlafraum war klassisch eingerichtet: ein Bett, ein eingepasster Schrank, der die vollständige Wand einnahm, Nachttische. Jeremias betrachtete das gebürstete italienische Pinienholz, die Patchworkdecke, die Blümchengardine und den Blumendruck von Ernst Fuchs – Lauras Stil. Ein Raum, der nur zum Schlafen taugte, am besten, man löschte sofort die Lampe und klappte schnell die Augen zu. Sollte er hier einen Sender montieren? Warum nicht, grinste Jeremias, er hatte genug dabei. Das Bild eignete sich am besten. Er installierte den Sender auf der Innenseite des Rahmens, nahm ihn wieder ab. Jeremias sah sich nochmals um und entschied sich für den Rauchmelder an der Decke. Er stieg auf die Bettdecke und erreichte die Plastikdose mühelos. Anschließend richtete er die Schlafstatt gerade, in der er eine tiefe Grube hinterlassen hatte.

Jeremias ging zurück ins Arbeitszimmer von Julian. Hier konnte er ungestört Licht einschalten. Das Zimmer lag zum Garten hin. Achtsam schaute er sich auf dem Schreibtisch um. Fast alle Papiere zeigten chemische und physikalische Formeln, für Jeremias uninteressant. Auf den ersten Blick entdeckte er nichts, was er für verwertbar hielt. Er durchkämmte den Schreibtisch nach Zetteln, Passworten, Codes und Ähnlichem. Julian besaß ein gutes Gedächtnis oder ein effizientes Passwortprogramm. Jeremias schaltete den Hauptrechner an. Der Computer verlangte ein Kennwort. Ende, vorbei, ein Passwortknacker dauerte zu lange. Er durchwühlte den Schreibtisch vorsichtig, erblickte ein Telefonverzeichnis. Aber kein Fünkchen wies auf versteckte Codes hin, kein Jota auf Scheckkartennummern, kein Deut auf Zugangsworte. Er suchte unter und hinter dem PC, im Bücherregal nach einem Notizbuch. Die USB-Sticks fielen ihm ein. Jeremias holte sein Notebook aus der Tasche, kopierte die vier USB-Sticks auf seinen Mobilrechner, verließ den Raum und ging zurück in Lauras Zimmer.

Dieses lag auch nach hinten hin. Jeremias knipste die Schreibtischlampe an. Zumindest lagen Dokumente geordnet in Mäppchen, ordentlich beschriftet, er fand sich leicht zurecht. Der Ablagekorb bewies sich wohlsortiert. Jeremias zog die Papierstapel genau auf Linie, parallel zur Tischkante. Auf der Platte lag ein Jahresplaner. Jeremias durchblätterte die Einträge. Es gab hier nicht die Bohne, was ihn interessierte. Jedoch bei den Telefonnummern fiel ihm ein Kingkong mit der Ziffer 857022 auf. War dies ein Chatpseudonym mit der Log-in-Nummer oder der Name für den Laptop mit Passwort, die Eurocardnummer oder Ähnliches? Jeremias notierte die Ziffernfolge, schaltete den Rechner ein. Er sah auf die Uhr, er hatte noch genug Zeit. Die Workstation verlangte den Code vom Bios. Jeremias tippte die Zahlen ein, falsch. Er probierte es mit Kingkong und hatte Glück. Was sollte die Kennziffer bedeuten? Vielleicht sicherte Laura damit bestimmte Dokumente? Jeremias schaute in den Dateimanager, die Daten zeigten sich ungeschützt. Briefe und Manuskripte, viel mehr gab das Gerät nicht her. Jeremias blätterte weiter in der Agenda. Im Telefonverzeichnis unter Wölkchen lagen alle Forumspassworte, verzeichnet mit genauer Angabe, zu welchem Forum oder Chat sie gehörten. Jeremias rief das Chemikerforum auf und loggte sich mit Wölkchen ein. Eine KatzenbergerihreSchwester fragte über den Yahoo Messenger, ob Wölkchen nicht mit TesaFilm essen gegangen wäre. Julian hieß hier also TesaFilm, recht originell!

»Wir gehen gleich«, antwortete Jeremias.

KatzenbergerihreSchwester erkundigte sich, ob sie das Geschenk bekommen hätten, sie habe diverse Geschäfte abgeklappert, nur auf Vorbestellung, vier Wochen Lieferzeit.

Verdammt, dachte Jeremias, das war Carina oder Moritz. Er brach die Verbindung ab. Er musste vorsichtiger sein, aber zumindest wusste er wieder mehr.

Chemikerforum, KatzenbergerihreSchwester = Carina oder Moritz, TesaFilm = Julian notierte er.

Jeremias beendete die Anwendungen und schaltete den Rechner aus. Er verließ achtsam das Haus, setzte sich in den Bus und lauerte an der Hauptstraße auf Julian und Laura. Zwanzig Minuten später sah er den Wagen um die Ecke fahren. Er wartete eine Minute und parkte in der Nähe des Hauses.

***

Julian schloss das Garagentor, öffnete die Haustür. Laura, die Hände voller Tüten, stapfte von einem Fuß auf den anderen.

»Mann! Wann lernst du es endlich abzuschließen?«, schimpfte Julian. »Jedes Mal das Gleiche! So haben die Einbrecher leichtes Spiel, meine Liebe!«

»Ich habe zugesperrt!«, fauchte Laura. »Schon, weil ich mir nicht dein Gemecker anhören wollte!«

»Dann war der Weihnachtsmann hier und hat die Tür beim Verlassen nur zugezogen!«

»Schatz, ich schwöre, ich habe abgeschlossen! Ich weiß doch, was ich tue!« Laura hob die Stimme sichtlich empört.

»Sicher?«, grinste sie Julian frech an.

»Es könnte auch sein, dass du beim Aufschließen gar nicht bemerkt hast, wie oft sich der Schlüssel gedreht hat!«, postulierte sie säuerlich.

Julian lachte laut. »O.k., ich bin schuld und du hast gewonnen!«

Die beiden betraten den Flur und Laura stellte die Tüten ab. Sie schnupperte auffällig im Raum, schritt den Flur ab.

»Was ist, hast du etwas auf dem Herd angelassen?«, fragte Julian.

»Es duftet ein bisschen nach Boss-Parfüm, riechst du das nicht?« Laura hob ihren Kopf, schloss die Augen und atmete langsam ein.

»Ich rieche kein Parfüm. Außerdem benutze ich die Marke nicht! Muss noch von deinem Lover in der Luft liegen!« Julian umarmte seine Frau. »Mein Wölkchen schwebt wieder ganz oben!« Er küsste sie zärtlich. »Ich schnuppere nicht die Spur von einem Boss! Nur Dich!«

»Du bist sensibel wie ein Auerochse!«, spottete sie, schob Julian liebevoll beiseite und fing an, ihre Tüten auszuräumen.

»Nach wem soll es duften? Die Heinzelmännchen kommen ja leider nicht vorbei!

Ich rufe schnell Carina an und sage ihr, dass wir das Tablett mit Tischdecke, passend zu Mamsis Geschirr, bekommen haben. Endlich äußert meine Mutter mal einen Wunsch, doch kein Laden führt das Zeug! Da rennt man sich die Hacken ab, bis man es bekommt.« Julian redete mehr mit sich selbst und ging zum Telefon.

***

Jeremias lehnte sich zufrieden zurück. Die Sender funktionierten, er verstand jedes Wort, jetzt, wo Julian ins Wohnzimmer kam, schien es ihm, als stehe er daneben. Ein warmer Schauer lief ihm über den Rücken. Ein behagliches Gefühl von Macht breitete sich in ihm aus. Er schaltete auf den Telefonsender. Beim nächsten Mal würde er kein Parfüm auflegen. Wer eine feine Nase besaß, roch die ätherischen Öle noch nach Stunden!

***

»Nabend Schwesterchen! Moritz bereits zu Hause?«, fragte Julian.

»Ja, er ist gerade eingetrudelt, wir sind beim Abendbrot!«, antwortete Carina.

»Da will ich nicht weiter stören, wir sind just nach Hause gekommen. Das Zeug für Mamsi haben wir bekommen, frag mich bloß nicht, wie viele Geschäfte wir abgeklappert haben. Ihr holt die Blumen!«

»Na prima! Wieso seid ihr schon wieder daheim, wart ihr Polnisch essen?«, witzelte Carina.

»Eine Krakauer am Würstchenstand mit Laura? Du bist lustig!«

»Weshalb seid ihr bereits zu Hause? Vor einer halben Stunde war Laura noch im Forum!« Carina grübelte.

»Quatsch, war sie nicht! Sie benutzt ihr Mobile wirklich nur zum Telefonieren und meistens liegt es sowieso zu Hause oder ist ausgeschaltet.«

»Echt, sie war es, korrekte Schreibweise im Chemikerforum! Sie hat mir doch geantwortet, also war sie am Rechner.«

»Carina-Maus, du hast dich verguckt, war sicher ein bisschen anders geschrieben!«, meinte Julian zärtlich.

»Na gut, vielleicht de facto! Sie hat meine Frage im Messenger erwidert! Willst du Moritz sprechen?«

»Lass ihn essen, ich klingle ihn vormittags an! Sag ihm, die Malediven sind völlig ausgebucht, zumindest die drei Inseln, die ich mir ausgesucht hatte. Wir dachten nun, wir düsen in die Türkei, ist ja auch günstiger. Weißt du, wie teuer die Malediven sind? Habe ich mit den Ohren geschlackert! Wie wäre es, wenn wir als Gruppe fahren? Wir telefonieren mal herum, wer noch mitkommt.«

»Kein schlechter Einfall! Valentin taucht nie im Leben, Laura kann mit ihm angeln gehen oder mit Eike, der taucht bestimmt auch nicht. Unter Wasser kann er nicht telefonieren!«

»Du Bestie!«, lachte Julian. »Überlegt es mal, ich rufe Moritz morgen an, in Mannheim könnten wir die Idee mit den anderen bereden.«

Probier es nur über das Mobile, das Telefon wird morgen abgestellt. In zwei Tagen geht es los mit dem Umzug, aber wir lassen diesmal tragen!« Die beiden verabschiedeten sich.

Carina war KatzenbergerihreSchwester. Jeremias grunzte zufrieden. Anscheinend reisten sie zum Geburtstag der Mutter in den nächsten Tagen nach Mannheim. Ein willkommener Anlass, in Ruhe nach Material zu suchen. Jeremias fuhr ins Hotel zurück.

Julian schenkte zwei Gläser Wein ein und setzte sich zu Laura auf das Sofa, legte die Beine gemütlich auf den Sitzhocker. Es schien merkwürdig, fast unheimlich, Carina hatte Laura auf dem Messenger gesehen, obwohl sie es mit Sicherheit nicht gewesen sein konnte. Vielleicht irrte sich Carina, doch das war nicht ihre Art, sie schaute eher dreimal hin bei solchen Gelegenheiten. Julian erzählte Laura von dem Gespräch.

»Sag mal«, meinte Laura, »warum haben sich Moritz und Carina damals getrennt?«

»Wenn das einer wirklich wüsste. Sie waren halt sehr jung, als sie zusammenkamen, keine zwanzig. Irgendwann meinten sie, der eine stehe dem andern im Weg und behindere ihn in seiner Entfaltung. Dann ging jeder seiner Wege, einfach so. Nachdem Carina eine ziemlich herbe Zeit mit dem Psycho durchgestanden hat, muss dies die beiden wieder zusammengebracht haben.«

»Wieso nennen du und Moritz den Kerl eigentlich nur Psycho? Wie hieß er, Jeremias oder so?«

»Weil er einer ist! Erst mal hat der so einen Spleen mit Hygiene. Kein Kerl durfte bei denen im Stehen pissen. Er ist an die Decke gegangen, wenn er es mitbekam, putzte den ganzen Tag vor sich hin, die Wohnung war mikrobisch rein. Er konnte nie sitzen, lief immer herum und wischte. Wollten sie weggehen, wartete Carina eine Stunde, bis er gekämmt und gebügelt war, schlimmer als jede Frau! Carina sagte, sie wunderte sich irgendwann, warum ihr Peeling und ihre Schlammmaske leer waren, da sie sie kaum benutzte. Hatte er in Beschlag genommen, ebenso ihr Parfüm, die Sorten, die unisex benutzbar waren. Shampoo und Duschgel hat der kiloweise verbraucht, ständig war die Dusche verstopft. Haarpflege, Fußspray, Fußdeo, Masken, Nährcreme, Haargel, das volle Pflegeprogramm.«

»Na gut, ein bisschen mehr Ordnung würde dir gut tun! Bloß weil ein Mann sich pflegt und ordentlich ist, muss er nicht sofort krank sein. Ich könnte dir Frauen zeigen, die genauso sind, und dann stört es keinen Menschen! Du kennst ihn doch gar nicht, oder?«

»Zum Schluss habe ich täglich mit Carina oder Lena, ihrer Freundin, gesprochen, nur wegen Jeremias. Findest du es normal, wenn einer aufs Klo geht, dass er es gleich mit Reiniger schrubbt und nach dem Händewaschen das Waschbecken mit Pftpft reinigt? Ich habe es ja nur gehört. Ich wohnte damals in Holland, war nur selten hier, habe den Typ nie gesehen, nur paarmal mit ihm telefoniert.«

»Was ist ein Pftpft?« Laura schaute Julian verdutzt an.

»Carina meinte damit Glasreiniger, sie verbrauchten anderthalb Flaschen pro Woche, in jedem Zimmer befand sich ein Spray.«

Laura lachte. »Aber das war es doch wohl nicht allein?« Laura beugte sich zu Julian, strich ihm zart über die Schulter, ihre Stimme war leise geworden. »Hast du nicht mal von Gewalt geredet?«

»Carina spricht darüber nicht gern. Hin und wieder hat er ihr eine gescheuert und zum Schluss drohte er, sie umzubringen. Maxi, der Sohn von Jeremias, wohnte auch mit ihnen zusammen, der war anscheinend gleichermaßen nicht ganz frisch in der Birne. Frag sie selbst. Dazu kam noch sein Vater, der sich überall einmischte und versuchte Kontrolle über alle zu haben. Komm, lass uns schlafen gehen, ich bin hundemüde!«, gähnte er.

Julian stand auf und zog Laura aus dem Sessel.

»Du hast recht, es war ein anstrengender Tag«, sagte sie schlaff.

Zenissimos Jagd

Подняться наверх