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TODESSTRAFE – HEILIGT DER ZWECK DIE MITTEL?
ОглавлениеDie Todesstrafe wird besonders nach einem verabscheuungswürdigen Verbrechen von nicht wenigen Menschen für akzeptabel gehalten. So etwa nach von IS-Terroristen begangenen und in den sozialen Medien zelebrierten Enthauptungen. Da schwingen, menschlich verständlich, Vergeltungs- und Rachegefühle mit. Wer so handele, habe kein Recht auf Achtung seiner eigenen Würde, er habe es quasi verspielt.
Dieses Empfinden lässt vollkommen außer Betracht, dass dem Staat jegliche Legitimation fehlt, sich als Instanz über Leben und Tod zu begreifen. Er darf sich nicht auf diese Ebene begeben. Die Todesstrafe ist deshalb in einer Spezialvorschrift des Grundgesetzes von 1949, in Artikel 102, verboten. Damit wird der personale Achtungsanspruch der Menschenwürde konkretisiert. Und das aus guten Gründen.
Bei den Beratungen zur Verabschiedung des Grundgesetzes hatte ein Abgeordneter der rechtsgerichteten Deutschen Partei überraschend ein Verbot der Todesstrafe vorgeschlagen. Sein durchsichtiger Beweggrund war, weitere alliierte Todesurteile für NS-Kriegsverbrecher anzuprangern, ehemalige Nationalsozialisten für die Partei anzuwerben und Druck auf die Alliierten auszuüben, die Entnazifizierung zu beenden. Eine Mehrheit bekam aber der dann von der SPD eingebrachte Vorschlag zur Abschaffung der Todesstrafe, weil damit die Abkehr von der NS-Barbarei sichtbar gemacht werden sollte.12
Der Bundesgerichtshof hat seine „unüberwindlichen Bedenken“ gegen die Todesstrafe in einer Urteilsbegründung 1995 wie folgt zusammengefasst:
„Aus humanitären Gründen kann keinem Staat das Recht zustehen, durch diese Sanktion über das Leben seiner Bürger zu verfügen. Vielmehr erfordert es der Primat des absoluten Lebensschutzes, dass eine Rechtsgemeinschaft gerade durch den Verzicht auf die Todesstrafe die Unverletzlichkeit menschlichen Lebens als obersten Wert bekräftigt. Darüber hinaus erscheint es unbedingt geboten, der Gefahr eines Missbrauchs der Todesstrafe durch Annahme ihrer ausnahmslos gegebenen Unzulässigkeit von vornherein zu wehren. Fehlurteile sind niemals auszuschließen. Die staatliche Organisation einer Vollstreckung der Todesstrafe ist schließlich, gemessen am Ideal der Menschenwürde, ein schlechterdings unzumutbares und unerträgliches Unterfangen.“13
Diese Argumente überzeugen. Anders als der Bundesgerichtshof in seiner klaren juristischen Bewertung sehen es aber nach wie vor nicht wenige Staaten, in denen es jährlich Hinrichtungen gibt. Dazu gehören die Volksrepublik China, der Iran und Saudi-Arabien. Auch in den USA ist die Todesstrafe erlaubt.
Zu unterscheiden ist die Todesstrafe bei Verurteilung wegen schwerster Verbrechen von dem sogenannten finalen Rettungsschuss der Polizei, der zum Beispiel eingesetzt wird, um das Leben von Geiseln in der Hand eines Entführers dadurch zu retten, dass der Entführer erschossen wird. Das kann in einer sonst ausweglosen Situation als Nothilfe gerechtfertigt werden, aber nur als absolute Ausnahme, wenn weder Verhandlungen, Lösegeld oder andere Polizeimaßnahmen das Leben der Menschen in der Gewalt eines Täters retten konnten. Von dieser gezielten Tötung wird in Deutschland nur in ganz seltenen Fällen Gebrauch gemacht.
Der Rechtsstaat kann schlimme Verbrechen ahnden und die Allgemeinheit durch die Verhängung langer Freiheitsstrafen, gegebenenfalls auch Sicherungsverwahrung vor gefährlichen Tätern schützen. Der Rechtsstaat erfüllt dann seinen Anspruch an Recht und Gerechtigkeit, wenn unabhängige Gerichte in fairen Prozessen auf der Grundlage der Unschuldsvermutung und ohne Vorverurteilung des /der Angeklagten zu einer Entscheidung kommen. Mit zumindest einem Rechtsmittel hat der Verurteilte die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Gerichtsurteile, die rechtskräftig geworden sind, müssen respektiert und eingehalten werden, ob sie nun dem gesunden Menschenverstand entsprechen oder nicht.