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WATERBOARDING UND RETTUNGSFOLTER – IM NOTFALL GERECHTFERTIGT?

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Im Gefolge der Terroranschläge von 9/11 schreckten die USA nicht davor zurück, gegen die auserkorenen Feinde staatlicherseits Gewalt anzuwenden. Waterboarding, sogenanntes simuliertes Ertränken, wurde jahrelang als Verhörmethode der amerikanischen Sicherheitsbehörden bei möglichen dschihadistischen Terroristen angewandt, um Aussagen zu erzwingen. Dies geschah mit ausdrücklicher Unterstützung des damaligen amerikanischen Präsidenten. Folter zur besseren Terrorbekämpfung – heiligt hier der Zweck die Mittel? Die Frage kann man für die amerikanischen Geheimdienste anscheinend bejahen, obwohl die USA die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gezeichnet haben, die in Artikel 5 die Folter ohne Wenn und Aber verbietet. Das gilt aber nicht für die Europäer, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich und verbindlich jede unmenschliche Behandlung verbieten. Auch ein Terrorist, auch Verbrecher haben einen Anspruch auf Achtung ihrer Menschenwürde, selbst wenn sie die ihrer Opfer mit Füßen treten. Auf dieses Niveau darf sich ein Rechtsstaat nie begeben, genau daraus zieht er seine Stärke, nämlich die Stärke des Rechts und nicht die Macht des Stärkeren gegen den Schwächeren. Daraus erwächst Autorität.

Bei einer anderen Art der Folter, der sogenannten Rettungsfolter, zeigt sich das ganze Dilemma schon im Begriff. Darf Folter angewandt werden, um ein Menschenleben retten zu können? Soll die Unantastbarkeit der Menschenwürde nur in einem eingeschränkten Bereich gelten? Kann es überhaupt Werte geben, die vorrangig, die gewichtiger sein können? Das ist keine theoretische Überlegung; es gab einen ganz konkreten Anlass, sich damit auch in Deutschland zu befassen. Es ging um die Entführung des Sohns einer Frankfurter Bankiersfamilie. Dem Entführer wurden von örtlichen Polizeibeamten schwere Schmerzen angedroht, um ihn so zu einer Aussage über den Aufenthalt des entführten Kindes zu bringen und damit möglicherweise dessen Leben zu retten. Wie sich später herausstellte, war das Kind bereits tot.

Für die juristische Bewertung, ob die Androhung einer unmenschlichen Behandlung zu diesem Zweck vertretbar war, ist das nicht ausschlaggebend. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof14 hat entschieden, dass das absolute Verbot unmenschlicher Behandlung völlig unabhängig vom Verhalten des Opfers oder den Beweggründen der Behörden gilt und keine Ausnahmen zulässt. So sehr in einer derart belastenden Situation diese Form der Nötigung verständlich scheint, so klar muss die Absage an ein solches Handeln sein. Begibt sich der Rechtsstaat erst einmal auf diese schiefe Ebene, geraten die fundamentalen Werte unseres Zusammenlebens ins Wanken.

Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar. Wäre dies nicht der Fall, stünde man vor der Frage, wann sie zumindest ein bisschen angetastet werden dürfte. Nur wenn es um das Leben eines Kindes oder mehrerer Kinder geht? Oder nur bei erwachsenen kaltschnäuzigen Tätern ohne Empathie? Die Beispiele zeigen, dass es keine zu rechtfertigenden objektiven Kriterien für eine derartige Abwägung gibt. Es gilt deshalb aufzupassen, dass entsprechenden Stimmungen nicht nachgegeben wird, denn angesichts erschütternder Verbrechen kann der Mainstream schnell dahin gehen, etwas Folter für einen „guten Zweck“, wie etwa die Rettung eines Menschenlebens oder den Kampf gegen Extremisten, doch zuzulassen.

Trotz der Verankerung des Schutzes der Menschenwürde auf den verschiedenen politischen Ebenen – in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Grundrechte-Charta der Europäischen Union und natürlich in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Deutschland – finden überall auf der Welt Menschenrechtsverletzungen statt. Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit jährlich mehreren Tausend Verfassungsbeschwerden beschäftigen, und der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg kann sich vor Arbeit nicht retten.

Menschenwürdeschutz darf nicht zu einem leeren Lippenbekenntnis verkommen.

Das ist ein schlimmer Befund, denn hinter fast jeder Klage steht das Schicksal von Menschen, für die diese Gerichte oft die letzte Hoffnung sind. Menschenwürdeschutz darf nicht zu einem leeren Lippenbekenntnis verkommen, indem er immer dann, wenn es ernst wird, nicht ernst genommen wird. Das große Bedürfnis vieler Menschen danach, dass Verletzungen der Menschenwürde auch gerichtlich nachgegangen werden soll, ist berechtigt.

Auf internationaler Ebene ist mit dem Internationalen Strafgerichtshof ein Rechtsweg geschaffen worden, der auch für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Minister und Präsidenten eines Staats zur Rechenschaft ziehen kann und das auch bereits getan hat. Dieses Gericht braucht ausreichende Ressourcen und viele Staaten, die seine Urteile anerkennen. Der Trend ist leider gegenläufig. Die Kritik wird lauter, manche Staaten verlassen das multilaterale Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, weil sie eine Strafverfolgung wegen Menschenrechtsverbrechen in ihrem Land fürchten.

Die Missachtung, wie sie der amerikanische Präsident in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt und damit die Rolle der wichtigen Weltmacht USA beim Kampf für die Menschenrechte minimiert, sollte für uns Ansporn sein, uns erst recht für den internationalen Menschenrechtsschutz einzusetzen.

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