Читать книгу Nervensägen - Sabine Schäfer - Страница 5
Leuchtender Fleck
ОглавлениеNach einer Weile wurde ich in ein weiteres Zimmer gerufen. Dunkel war es hier, bis auf eine beleuchtete Lichttafel und die Umrisse eines Arztes konnte ich nur ein ziemliches Papier- und Aktenchaos auf dem Schreibtisch erkennen.
Ich wurde aufgefordert, mich neben den Arzt vor die Lichtwand zu setzen, und er begann mit seinem Fachchinesisch. Dabei zeigte er mir einen leuchtenden Fleck in meiner Halswirbelsäule und beruhigte mich mit den Worten, dass es sich zumindest vermeintlich nicht um einen Tumor handele.
Dieses leuchtende Ei, das mir erbarmungslos entgegen schien, wäre ein entzündlicher Herd mit randständiger Kontrastmittelaufnahe. Meine Halswirbelsäule wäre ok. Ich bekam einen großen braunen Umschlag mit den Bildern, einen kurzen Arztbrief und einen schönen Tag gewünscht.
Also - ein Bandscheibenvorfall war ausgeschlossen, ein Tumor auch, was sollte mir jetzt noch passieren, war doch der Übeltäter meiner Pein gefunden und könnte jetzt sicher vernichtet werden, dachte ich mir und wartete auf das weitere Urteil meiner Neurologin in den kommenden Tagen.
Die Schmerzen waren zwar immer gegenwärtig und meine Arm war langsam aber sicher gänzlich taub und kribbelig, aber es schien nichts Sensationelles zu sein, was ich da hatte, denn der kurze Arztbrief gab mir wenig mehr an Information. Es handele sich um irgendeinen entzündlichen Herd im Rückenmark, 2,5 cm lang und so breit wie das Rückenmark und zwischen den Halswirbeln C2 und C3.
Das Übel war entdeckt und geortet.
Ich entschied mich, gegen meine üblichen Abläufe zu handeln und nicht im Internet zu “googlen” und zu suchen, um mich nicht weiter verrückt zu machen.
Ich kann im Nachhinein kaum erklären, in welchem Stadium meines Bewusstseins ich mich in diesen Zeiten befand, schon zwei Worte aus dem Arztbrief hätten mich todsicher auf die entsprechenden Seiten geführt.
Und ich ahnte zu diesem Zeitpunkt wirklich rein gar nichts.
Vielleicht war es auch eine unbewusste Vermeidungsstrategie meines lädierten Bewusstseins, keine Ahnung! Ich ging der Sache nicht weiter auf den Grund und wartete Tabletten schluckend und schmerzhaft verzerrt meinen Neurologentermin ab.
Mit meinem Arztbrief und den Bildern meiner Halswirbelsäule enterte ich später das Sprechzimmer und starrte erwartungsvoll auf meine mir mittlerweile vertraute Ärztin.
Ihr Gesicht verriet nicht viel, aber Erleichterung brachte mir ihre bemüht aussagelose Optik nun wirklich nicht.
“Ich möchte, dass Sie am Montag ein MRT vom Schädel machen lassen, und danach würde ich Sie gerne in die Neurologie des Krankenhauses einliefern lassen.”
Ich schluckte schwer.
Während meines Schwerschluckens rief sie wiederum in der Radiologischen Praxis an und verschaffte mir, wie von Zauberhand, einen Termin am Montagmorgen. Ebenso sprach sie wortkarg, aber irgendwie wissensschwanger mit einer Oberärztin der neurologischen Abteilung und kündigte mich für Montag an. Ich verstand nur ‚Bahnhof’ und ergab mich in meine erste Schockstarre, Krankenhaus, wie schrecklich!
Bisher hatte mich in meinem Leben nur die Geburt meiner beiden Kinder ins Krankenhaus bringen können. Selbst die schmerzhafte OP an meinem Fuß habe ich todesmutig ambulant vornehmen lassen.
Krankenhaus - nur im äußersten Notfall! Ich musste einsehen, dass dies wohl durchaus einer war.