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Zimmerdiagnose

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Nach ein paar weiteren Untersuchungen und einer Erfahrung namens SEP, die ich keinem Feind wünschen würde und die ich mir ebenso in irgendwelchen Foltergefängnissen vorstellen konnte, war ich immer noch ahnungslos.

Nach besagtem SEP traf ich meinen Zirkusdirektor im Aufzug wieder.

“Na, wie war`s?” fragte er mich fröhlich. Der Herr Doktor Sorgenfrei wagte es sich, mich ungläubig anzusehen, als ich ihm antwortete:

“ Schrecklich!! „ und das wäre Folter, und jeder hätte wirklich alles aus mir herauskriegen können, meine Geheimnummern - einfach alles eben.”

Er wagte es sogar zu sagen: “ Aber ich bitte Sie, das habe ich ja noch nie gehört. Das tut doch nun wirklich nicht weh.”

Diese kurze Begegnung sollte ein paar Tage danach für ihn zu einem saftigen Rüffel bei der Oberarztvisite führen. Nicht ich war wehleidig, meine Herren, der Zirkusdirektor hatte keine Ahnung, was man so durchmacht. Jawohl!

Ich erwähnte ja bereits, dass wir zwei keine Freunde werden könnten. Meinen Zirkusdirektor habe ich übrigens nicht wieder an meinem Bett gesehen. Aber dies nur am Rande.

Wie gesagt, ich hatte immer noch keinen blassen Schimmer von den Ergebnissen und quatschte mich unbedarft mit Claudia zusammen durch den Tag.

Bis zu einem wirklich entscheidenden Moment in meinem Leben, der mir im Nachhinein noch lange, lange zu knabbern geben sollte.

Verdeckt von verschiedenen Rauchopfergebern, hörte ich das vorbeihuschende Weißkittelgeschwader folgende Sätze raunen:

“ Wo liegt denn jetzt die Frau Schäfer? Im Zimmer 1? Na, das ist ja nicht üblich, dass man zwei MS-ler zusammenlegt”. Mich trafen diese Worte wie ein Hammerschlag.

Meine geheimen Befürchtungen hatten sich auf dem Gang anhand einer Zimmernummerdiagnose bewahrheitet, und die Gewissheit traf mich wie ein Betonklotz.

Wie im Nebel erwartete ich die Visite. Endlose leere Warteminuten bis sie ins Zimmer traten. Claudia sagte nichts, ich sagte nichts. Wir warteten gemeinsam.

Mit kurzen knackigen Worten teilten sie mir das Urteil mit. Ich hätte sehr wahrscheinlich Multiple Sklerose, Herde im Rückenmark und im Gehirn, oligoklonale Banden in meinem Liquor, jene Werte, diese Abweichungen und ich hätte gerade einen schweren Schub, und sie wollen mich ab sofort mit 3 x 1 g Cortison behandeln. Sie würden vermuten, ich hätte dies schon seit mindestens 8 Jahren, und der diagnostizierte Morbus Sowieso wäre auch ein Schub gewesen, und das Rheumatische Fieber nach den Ringelröteln meiner Tochter, als ich drei Wochen meine Arme nicht mehr benutzen konnte, wohl auch. Und ob ich vielleicht ein Buch darüber lesen wolle, man hätte so einiges im Ärztezimmer, und man wünsche mir noch einen schönen Tag.

Ich saß da verloren auf einem weißen Bettlaken und sammelte mich, denn wenig später kam mein Mann zu Besuch. So teilte ich dem Fassungs-losen meine Diagnose völlig distanziert von mir selbst und sehr gefasst mit.

Das Kind hatte einen Namen, der Peiniger der letzten Wochen war gefunden, man würde mir Cortison geben und dann sei alles gut.

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