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4. Strophe: Vom Lügen, Leugnen und der legendären Frauensolidarität
ОглавлениеDa werden Weiber zu Hyänen.
Friedrich von Schiller
Die Wunden, die Frauen sich zufügen, sind oft ganz alltägliche Kratzer. Da ist die Nachbarin im Treppenhaus, die genüßlich die Putzstreifen der anderen moniert. Da ist die Busenfreundin, die sich klammheimlich über den grottenhäßlichen Pullover freut, der die Freundin grün aussehen läßt. Da ist die Kollegin, die tröstend den Arm um die Schulter der anderen legt, weil die gerade einen Rüffel von oben kassiert hat, wobei sie gleichzeitig spürt, daß ein leises Triumphgefühl in ihr hochsteigt: Siehste, die kann’s auch nicht besser. Da ist die Vertraute, die unter dem Ich-mache-mir-Sorgen-um-Deckmantel die intimsten Nöte der liebsten Freundin preisgibt. Alles läßliche Sünden, kleine Schönheitsfehler, peinliche Ausrutscher? Nein, denn die Wunden, die Frauen einander auf diese Weise reißen, schmerzen sehr.
Viele auf totale Innigkeit getrimmte Frauenfreundschaften geraten zu alltäglichen Katastrophen. Wie häufig enden gerade die vertrautesten Bündnisse schon im kleinsten Konfliktfall mit Türenknallen, Rückzug in den ewigen Schmollwinkel und dem grausamen Schwur: Die ruf ich nie mehr an, die dumme Kuh! Plötzlich erinnern sich Busenfreundinnen an zweihundertzwölf Charaktermacken der ehemals liebsten Kameradin und Seelenschwester. So weh tut das mit einem Mal, daß sie den Kontakt auf immer abbrechen. Wie aus dem Nichts tauchen böse Erinnerungen auf: an falsch gemeinte Komplimente (»Ohne Schminke siehst du toll aus«) oder voreilige Ratschläge (»Laß den Typ einfach sausen«, »Nimm ihn einfach, wie er ist«). Wie viele weibliche Jammerschwestern konkurrieren in Wahrheit darum, wer von beiden schlimmer leidet!
»Mein Otto trägt nie den Müll herunter.«
»Pah, das ist gar nichts gegen meinen Otto, der wirft seinen Müll nicht mal in den Abfalleimer.«
»Ha, da müßtet ihr erst mal meinen Otto kennenlernen, der zieht mir abends eins mit dem Papierkorb über, wenn ich ihn nicht geleert habe.«
Nur für Frauen, die solche Ottos nicht kennen oder nicht kennenlernen wollen, haben Schwestern des Jammers überhaupt kein Verständnis.
Wie viele Töchter hadern bis ins hohe Alter mit ihren Müttern, weil diese zu lieb, zu böse, zu gefühlig, zu kalt, zu dominierend, zu nachlässig, zu was weiß ich was waren! Hauptsache, Mutti ist an allem schuld, darauf legen sie großen Wert. Wie viele Mütter hadern mit ihren Töchtern, weil diese nicht brav, ehrgeizig, gefühlsbetont oder vernünftig genug sind! Und das mehrmals die Woche, wenn sie anrufen, um sich Sorgen zu machen.
Die Mängelliste, die unsere Mütter uns und wir unseren Müttern anpappen, ist schier endlos und Vorbild für unsere Frauenfreund- und -feindschaften. Wie viele berufstätige Frauen schütteln resigniert den Kopf, wenn man sie auf Kolleginnen anspricht! Wie viele von ihnen beteuern: Nie wieder eine Chefin, Frauen an der Spitze sind schlimmer als jeder Mann! Wie viele berichten von einer Zimtzicke aus der Rechnungsabteilung, deren einziges Ziel die endgültige Vernichtung anderer Frauen zu sein scheint! Und wie viele wünschen sich endlich mehr Frauen an der Macht, die ihnen eine Chance geben, selbst an die Macht zu kommen.
Ich sage dazu nur zweierlei:
Erstens: Schluß mit lustig und Friede-Freude-Eierkuchen, Schluß mit der Harmoniesucht und dem Leugnen jeglicher Konkurrenzgefühle, Schluß mit ewiger, innigster Verschmelzung, bloß, weil wir »Määädchen« sind! Schluß damit deshalb, weil die Forderung nach seliger Friedfertigkeit unter allen Frauen keiner Wirklichkeit standhält und schon gar nicht der nächsten weiblichen Bürointrige aus der Teeküche ... oder dem nächsten giftigen Blick auf unsere neuen, sündhaft schönen Krokoimitatschuhe ... oder der neidgetränkten, zuckersüßgemeinen Bemerkung über unsere »perfekt-leckere« Salatsoße, von der wir genau wissen, daß sie mißlungen ist oder aus der Tüte. Frauen sind nun mal keine Superweiber, keine ewigen Girlies und schon gar keine Engel. Nicht an sich und auch nicht für andere. Warum sollten sie auch? Engel sind überirdische Wesen, ohne Geschlecht, ohne Rasse, ohne Klasse, ohne Charakter. Sie sind ganz einfach nicht von dieser Welt. Wie immer hat das ein großer Dichter schon mal viel besser ausgedrückt als ich, diesmal zur Abwechslung Gottfried Keller: »Lieblichste der Dichtersünden, süße Frauenbilder zu erfinden, wie die bittre Erde sie nicht bürgt.« Keller ist natürlich out. Heute versorgt uns die Werbung mit der lieblichsten Dichtersünde und erfindet süße Frauenbilder – und das mit mehr Erfolg als Gottfried Keller, denn den konnte man nicht vom Sofa aus einschalten.
Zweitens: Schluß mit dem von uns gehegten und gepflegten Bild von der stets aufnahmebereiten Busenfreundin, Schluß mit dem Bild von der hilfreichen, solidarischen Kollegin, die an unserer Seite kämpft, Schluß mit dem Bild von Mutti, deren Liebe niemals endet. Schluß damit deshalb, weil diese überlebensgroßen Bilder – ob wir sie nun anderen anheften oder uns selbst stets strebend danach formen – ausgesprochen gefährlich sind, und zwar gerade dadurch, daß sie so unbeschreiblich weiblich sind.
Es sind diese Bilder, mit denen wir oft genug uns selbst und ab und zu auch anderen Frauen ein Beinchen stellen. Es sind diese Bilder, die so angenehm und hilfreich, so unbequem und zwiespältig und immer verlockend parat liegen wie ein Wonderbra: Er hebt und stützt und macht eine gute Figur, er kratzt und fesselt und sorgt doch stets für schönen Schein, wobei er uns zugleich – bedrückend – daran erinnert, daß wir keineswegs perfekt sind. Und schon wieder schielen wir einer anderen neidvoll aufs Dekollete. Da fällt mir ein, wie war’s denn mal mit einer zünftig feministischen Wonderbra-Verbrennung? Nach gründlicher Lektüre habe ich nämlich festgestellt, daß selbst zu den Hochzeiten der Frauenbewegung kein einziger BH verbrannt wurde. Das, so entlarvte zuletzt Susan Faludi in ›Backlash – Die Männer schlagen zurück‹, war nur einer der vielen Mythen über die feministische Bestie, einer, der den Feminismus überlebt hat. Keine Bange, auch ich will das Bügelwunder keiner Frau wegnehmen. Ich will mir nur von keiner Wonderbra-Trägerin einreden lassen, daß ein paar Schaumstoffpolster zu meiner Befreiung beitragen. Wer sich darin sexy fühlt – fein.
Ich halte fest: Ohne offenkundige Mitwirkung von Männern können Frauen einander das Leben zur Hölle machen. Selbst ist die Frau, und in Zeiten, in denen Superweiber zu Vorbildern gekürt werden, machen wir das perfekter denn je. Frauen behindern ihre Emanzipation ganz allein und gegenseitig. Das tun sie in weit undurchschaubarerer Art und Weise, als der letzte überlebende Macho es könnte, wobei sie auch noch hartnäckiger als so mancher Kerl leugnen, daß sie es tun.
Es ist verlockend, an dieser Stelle einige besonders unterirdische Weibs- und Mannsbilder mit Namen und Adresse in die Pfanne zu hauen. Gespräche mit Frauen bestätigen mir das. »Au ja, mach mal, ich kann dir da Dinge erzählen ...« Ja, ich auch, Schwester. Stundenlang, ohne Punkt und Komma, ohne Maß und Ziel. Jeder einzelne Fall von Frauenfeindschaft und Frauenfreundschaft ist so verschlungen, komplex und schillernd, daß kein Buch auch nur einem davon gerecht werden könnte. Das will ich auch gar nicht, denn klarkommen muß jede anständige Zicke ohnehin ganz allein. Ich glaube nämlich, pardon, trotz allem daran, daß es starke, selbstbewußte und streitbare Frauen gibt, Frauen, die ich nicht mit Fallbeispielen von Angelika H. oder Britta K. (Namen erfunden) belehren oder totquatschen muß, damit sie mir und sich auch glauben, daß verlogene Weibsbilder uns gefährlich werden können, wenn wir ihnen auf den Leim gehen ...
... was wir ab sofort nicht mehr müssen, denn jetzt geht es überhaupt erst richtig los! In den folgenden Kapiteln werde ich solche falschen Typen entlarven, Musterfrauen zeichnen, Medienbilder demontieren, die Zicken wie mir im Kopf herumspuken, mein Mißtrauen gegen mich und mein Geschlecht schüren und selbst meine besten Freundschaften manchmal empfindlich stören. Dabei werde ich von Stefanie Statistik und Detlev Durchschnitt reden und kräftig überzeichnen, im Guten wie im Bösen. Ich werde den Teufel an die Wand malen, um ihn zu bannen. Es wird um Gefühle und Verhaltensmuster gehen, die wir alle kennen und leugnen, weil sie scheinbar so schlecht zum Bild des schönen Geschlechts, seinem Teamgeist, seiner Friedfertigkeit, seinem harmonisierenden Potential passen. Es sind unheimlich heimliche Bilder, die uns die Schamesröte ins Gesicht treiben und unsere Herzen in Wut verzerren. Um es mit Alice Schwarzer zu sagen: »Es ist für uns unabdingbar, die Wahrheit des Frauseins bis ans Ende zu denken. Das sind zumeist bittere Wahrheiten. Die bitteren Wahrheiten auszuhalten, sie zu benennen und zu durchdringen, ist an sich schon ein Akt des Stolzes und des Mutes. In einer Sklavenseele kann der häßliche Wunsch wachsen, es den Herren gleichzutun. Unseligerweise wächst aus Selbsthaß zunächst der Haß auf das Ähnliche. Im Falle von Frauen also auf Frauen.« Also dann, öffnen wir unsere Sklavenseelen, und lassen wir unsere inneren Bestien aufeinander los.