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3. Raus aus der Schublade: Madeleine Kühne, Interim Managerin & SAP-Beraterin @ Kühne Consulting

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Madeleine Kühne, Interim Managerin & SAP Beraterin, Kühne Consulting; Bildrechte: Sarah Vogel

Über mich: Ich vereine viele Facetten in mir. Ich passe in keine Schublade und das ist gut so. So habe ich in mehreren Fortune 500 Firmen in Führungsfunktionen gearbeitet, erfolgreich Firmen gegründet und bin derzeit mit meiner Consultingfirma im IT-Markt beratend tätig. Als ausgesprochener Familienmensch ist es seit jeher mein Antrieb gewesen, Menschen zu verbinden und Brücken zu bauen, um Gräben zu überwinden. In über 15 Jahren in diversen Führungspositionen habe ich erfolgreich Teams zusammengestellt, umstrukturiert und zu neuen Erfolgen geführt. Als Frau in einer männerdominierten Branche bin ich dabei oft neue Wege gegangen und habe Mut und Durchhaltevermögen bewiesen, wo andere schon längst eingepackt hätten. Das Thema Future Leadership liegt mir besonders am Herzen. Ich möchte vor allem, dass junge Menschen wieder Spaß am Führen haben. Aus diesem Grund habe ich ein Buch für Millennials geschrieben und halte zudem Vorträge zum Thema generationsübergreifende Führung.

Kontakt:

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Liebe Madeleine, wie kam es dazu, dass du heute als SAP-Beraterin selbstständig bist?

Ich habe ursprünglich BWL studiert und habe nach meinem Studium mit viel Fleiß und Energie Karriere im Bereich Finanzen und Controlling gemacht. Darunter einige Positionen bei großen, namhaften Konzernen, wie zum Beispiel Volkswagen, Siemens, Deutsche Bahn, Coca-Cola oder General Electric. Ich hatte einige Stationen im Controlling und mich im Bereich Treasury und HR ausprobiert. Wobei ich festgestellt habe, dass Finanzen und Controlling mir am meisten liegen. In diesem Bereich bin ich recht schnell durchgestartet und habe bereits mit Anfang 30 für einen amerikanischen Konzern in Luxemburg die europäische Finanz- und Controlling-Abteilung geleitet. Von außen betrachtet hatte ich in der Tat eine Bilderbuchkarriere mit vielen namhaften Stationen. Das hat mich gleichzeitig an meine Grenzen gebracht.

Inwiefern?

Die vielen Dienstreisen haben mich damals mehr belastet, als ich das subjektiv wahrgenommen habe. So landete ich nach einer anstrengenden Dienstreise abends am Flughafen Düsseldorf, um dann festzustellen, dass mein Firmenwagen noch am Kölner Flughafen stand. Ich war drei Wochen am Stück quer durch Europa gereist und bei der Planung der Dienstreisen war ein kleines Detail untergegangen. Glücklicherweise war das nur eine geringe Distanz. Es hätte wesentlich schlimmer sein können. Doch ich habe mich gefragt: ‚Was mache ich hier?‘. Ich hatte kein Privatleben mehr. Ich war für den Job nach Luxemburg gezogen. In ein Land, in dem ich keinen Freundeskreis und keine Familie hatte. Mein Leben bestand nur noch aus Arbeit. Das gesamte Konstrukt erschien mir plötzlich surreal. An diesem Punkt, als ich in Düsseldorf am Flughafen stand, habe ich beschlossen: So kann es nicht weitergehen. Ich musste die Reißleine ziehen.

Eine herausfordernde Situation, wie hast du dich neu orientiert?

In dem anschließenden Reflexionsprozess habe ich festgestellt, dass ich mir vor allem mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit wünsche. Zudem waren meine Fähigkeiten und Kenntnisse am Markt sehr gefragt, so dass ich mich schlussendlich als Interim Managerin und SAP Consultant selbstständig gemacht habe. In diesem Bereich bin nun seit vielen Jahren tätig und habe beinahe keine Leerlaufzeiten zwischen den Projekten. Es sei denn, ich plane diese bewusst ein. Was mich erfolgreich macht, ist, dass ich die Brücke zwischen Fachbereich und IT äußerst natürlich herstellen kann und die Sprache beider Welten spreche. Ich bin quasi die Übersetzerin und stelle sicher, dass beide Welten nicht nur miteinander kommunizieren, sondern sich tatsächlich verstehen.

Was verbindet dich mit IT?

Mit IT bin ich früh in Berührung gekommen. Schon in der Schule habe ich meine ersten Schritte in der Programmierung gemacht, damals in der Sprache Pascal. Ich fand es spannend und faszinierend zu sehen, was damit möglich ist. Richtig auf den Zug aufgesprungen bin ich damals jedoch noch nicht. Programmierung war in meinen Augen prädestiniert für die blassen, pickeligen Keller-Nerds. Und doch haben mich die technologischen Themen seither nicht mehr losgelassen. Und selbst wenn ich viele Jahre im kaufmännischen Bereich tätig war, habe ich mir über die Jahre hinweg eine große IT-Kompetenz angeeignet.

Als ich Mutter wurde, hat sich mein bis dahin abwesendes Sicherheitsbedürfnis gemeldet. Ich brauchte jetzt mehr Stabilität und Kontinuität. Nachdem ich noch einige Monate in der Selbstständigkeit gearbeitet hatte, entschloss ich mich, erneut zurück in eine Anstellung zu gehen. So ergab es sich, dass ich für zweieinhalb Jahre die Leitung des SAP-Teams der Mediengruppe RTL am Standort Köln übernommen habe. Die größte Herausforderung dabei war, Strukturen, Prozesse und Tools neu aufzubauen sowie neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Mein Team von 30 Mitarbeitern und ich waren dabei sehr erfolgreich. Nach zweieinhalb Jahren musste ich jedoch feststellen, dass ich die Abwechslung, Selbstbestimmtheit und Freiheit meiner unternehmerischen Tätigkeit sehr vermisse. Der Weg dahin zurück war leicht und ich bin seitdem erneut selbstständig in der SAP-Beratung unterwegs.

Neben der IT begeistert dich vor allem das Thema Leadership.

Auf meiner Reise habe ich meine Leidenschaft für Führung entdeckt und ich bin heute neben der Beratung ebenso als Speakerin zum Thema ‚Leadership der Zukunft‘ tätig. Ich bin davon überzeugt, dass die Generationen, die nach uns kommen, viel Wert auf menschliche und nahbare Führung auf Augenhöhe legen. Eine emotionale Art der Führung, die den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt rückt. Ich schreibe dazu gegenwärtig an einem Buch, will aber noch nicht zu viele Details verraten. Es richtet sich an die Zielgruppe der Millennials und deren nachfolgende Generationen, um diese wieder für Führung zu begeistern. Denn die Minderheit der jungen Leute interessiert sich heute dafür, selbst in die Verantwortung zu gehen und zu führen. Daher will ich das Thema in den Vordergrund rücken und jungen Leuten zeigen, was Führung der Zukunft bedeuten kann, ohne neue Schubladen zu definieren.

Denn ich habe festgestellt, dass ich sehr häufig in Schubladen gesteckt wurde, bedingt durch das Aussehen, bedingt durch die Weiblichkeit. Zu blond, zu laut, zu leise, zu schwach, zu stark, zu groß, zu lustig, nicht humorvoll genug…, ich habe gefühlt alles schon gehört. Und wenn man in seiner Persönlichkeit nicht gefestigt ist, können Vorurteile irritieren. Daher ist es mir wichtig, zu zeigen, dass es in Ordnung ist, den individuellen Weg zu verfolgen. Vollkommen unabhängig davon, was die Masse erwartet oder gerne hätte. Es ist legitim, sich seine eigenen Gedanken zu machen und es dann auszuprobieren. Meist sind es die eigenen Ängste und uralten Glaubenssätze, die von der Umsetzung abhalten.

Können uns Ängste nicht auch vor falschen Entscheidungen bewahren?

Da malt man sich aus, was alles schief gehen könnte und was womöglich Schlimmes passiert. Am Ende passiert dann leider vor lauter Angst und Zweifeln gar nichts. Ich habe erlebt, dass sich viele junge Menschen selbst vor schwere Karriere-Entscheidungen stellen, weil sie irrtümlich davon überzeugt sind, dass ihre restliche Vita davon abhängt. Faktisch hängen allenfalls die nächsten zwei bis drei Jahre davon ab und dann ist man in der Lage, sich nochmals neu zu orientieren und neu zu bestimmen. Ich habe als junger Mensch viel Zeit damit verbracht, Jobangebote gegeneinander abzuwägen und meine Karriere zu planen. Diese Zeit hätte ich mir rückblickend sparen können. Denn es war im Nachhinein nicht wichtig, welches Angebot ich angenommen habe. Vielmehr war es entscheidend, welches ich nicht angenommen habe und warum. Als ich vor der Entscheidung stand, selbstständig zu werden, hatte ich ein sehr gutes Angebot von einem Konzern vorliegen. Die Position war super interessant und auch finanziell war es überaus attraktiv. Ich habe mich trotzdem bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Ich wollte mich nicht mehr dafür rechtfertigen müssen, für welche Themen ich mich engagiere und warum. Es war eine sehr bewusste Entscheidung, hin zu mehr Freiheit im Denken und im Handeln.

Das war mutig und beeindruckend.

Mein Beispiel zeigt, dass Erfolg nicht vom Himmel fällt und viel mit Mindset zu tun hat. Ich komme aus einer Familie, der das Unternehmertum im Blut liegt. Ich bin in Ostdeutschland aufgewachsen und habe erlebt, was mit einer Unternehmerfamilie passiert, deren Betrieb enteignet wird und die nur noch eine passive Rolle darin spielen darf. Doch das Mindset des Unternehmers bleibt und wird an die kommenden Generationen weitergegeben, ob bewusst oder unbewusst. Deswegen war das Thema Selbstständigkeit ein vollkommen natürlicher Weg für mich. Sich zu trauen, rauszugehen, Neues auszuprobieren. Mein Umfeld hat zwar auf meine Idee der Selbstständigkeit teilweise verhalten reagiert und gefragt, warum ich meinen gutbezahlten, sicheren Job im Konzern aufgebe. Aus meiner Sicht war der Weg ins Unternehmertum die logische Konsequenz.

Ich bin davon überzeugt, dass Familie und Elternhaus in hohem Maße mitbestimmen, wie wir denken und handeln, für welche Berufe wir uns entscheiden und mit welchem Mindset wir an Themen herangehen. Die Hotelbranche, aus der meine Eltern kommen, hat zwar nicht dazu geführt, dass ich selbst Hotelier geworden bin. Dennoch hat es dazu geführt, dass ich anpacken kann, klare Vorstellungen über meine Ziele habe und das Unternehmerische von Kindesbeinen an mitbekommen habe.

Bist du davon überzeugt, dass es Frauen aus eigener Kraft gelingt, in technischen Berufen erfolgreich zu sein? Oder braucht es Politik, Gesellschaft und Unternehmen?

Für mich hatte die Zusammenarbeit mit Männern eher Vorteile. Denn wenn man als Frau unter Männern einen guten Job macht, fällt man verstärkt auf. Ein einziges Mal in meinem Leben hat ein Mann den Vorzug bekommen, schlicht deshalb, weil er ein Mann war. Davon abgesehen war es eher ein Vorteil, dass ich als Frau gesehen wurde, sofern beide gleich kompetent waren. Ich bin dennoch grundlegend davon überzeugt, dass es eine Frauenquote braucht, um die erste Hürde zu überwinden, und damit die Gleichstellung schneller Fahrt aufnehmen kann. Ich denke, dass wir politisch auf einem recht guten Weg sind.

Gesellschaftlich bin ich davon überzeugt, dass wir die Individualität stärker fördern und feiern sollten. Es ist ok, wenn jeder seinen eigenen Weg einschlägt und es keine, oft falsch gewählten, Standards gibt. Frauen mit Kindern müssen nicht zwingend zu Hause bleiben. Es ist solange in Ordnung, wie es die eigene Entscheidung ist und nicht die des Mannes oder der Gesellschaft.

Bereits im Kindergarten sollten wir Kindern aufzeigen, dass es berufstätige Frauen und Frauen in Führungspositionen gibt. Dass unterschiedliche Vorbilder und individuelle Lebenswege existieren, die allesamt völlig in Ordnung sind. Ich erinnere mich da an eine sehr einprägsame Geschichte: Eines Tages holte ich meine Tochter vom Kindergarten ab und sie fragte mich, was ich beruflich mache. Als ich ihr von meinem Job erzählte, sagte sie: ‚Mama, das kann nicht stimmen. Du bist ein Mädchen und Mädchen sind keine Chefs.‘ Von daher müssen wir sehr früh ansetzen. Schulisch sollten wir Unternehmertum früher fördern und aufzeigen, dass Selbstständigkeit eine relevante Option im Lebenslauf ist, dass Lebensläufe heute nicht mehr geradlinig sein müssen. Ich würde es sehr begrüßen, noch stärker die IT-Angebote für Kinder und Jugendliche zu fördern, so dass Programmierkenntnisse oder im Allgemeinen IT-Kenntnisse zum Standard werden.

Du bist nicht nur vollzeitig selbstständig und vielseitig interessiert, sondern auch Mutter. Wie organisierst du dich?

Was mir als Vollzeit tätige, selbstständige Mutter am meisten hilft, ist mein Partner. Wir haben uns von Anfang an gleichberechtigt um Kindererziehung und Beruf gekümmert. Er ist glücklicherweise recht flexibel, weil er im Außendienst tätig ist. Selbstverständlich gab es schwierige Momente, wenn beide auf Dienstreisen waren oder das Kind krank war und dann ein Elternteil anwesend sein musste. Wir versuchen beide, unseren Alltag bestmöglich zu organisieren. In diesem Zusammenhang erwarte ich von Unternehmen, Meetings untertags zu organisieren. Meetings nach 17 Uhr sollten ad acta gelegt werden. Zudem braucht es Home-Office Möglichkeiten, das ist noch nicht in allen Konzernen Standard. In meinem eigenen Wirkungskreis als Führungskraft habe ich unabhängig vom Konzernstandard stets gemeinsam mit meinen Mitarbeitern entschieden, was für den Einzelnen und das Team die beste Lösung war. Beschwerden dazu gab es nie, denn wir waren erfolgreich. Mein Learning daraus: Erst mal machen und dann schauen, was passiert. Oftmals sind die Konsequenzen kaum negativ oder spürbar.

Was waren rückblickend deine größten Learnings?

Ich habe bereits in der Schule festgestellt, dass mir IT liegt und ich dafür eine Begabung habe. Im Berufsleben wurde mir das permanent gespiegelt. Ich hätte eventuell früher darauf hören sollen. Und ich hätte mich schon deutlich früher selbstständig machen können. Mich hätte schließlich nichts davon abgehalten. Es ist wichtig, sich zu trauen, auf seine innere Stimme zu hören, sich nicht so sehr vom äußeren Lärm und den gesellschaftlichen Normen beeinflussen zu lassen. Zum Beispiel davon, dass IT Männersache ist. Denn das ist definitiv nicht so. Zudem durfte ich lernen, dass Männer sehr gerne mit uns Frauen zusammenarbeiten. Denn die Effekte sind nicht von der Hand zu weisen. Es beeinflusst die Firmen-Kultur, das Betriebsklima und den Teamzusammenhalt sehr positiv. Dann ist die Welt plötzlich groß und bunt.

Wenn man seine Leidenschaft verfolgt, zieht man andere Menschen in sein Leben, die in gleicher Weise ticken. Das ist eine Bereicherung und dafür bin ich unfassbar dankbar. Mein Lieblingsthema ist: nicht reden, einfach machen. Träumen hilft, die Wünsche und Ziele zu visualisieren und sich ein Bild davon zu machen, wo man hinmöchte. Wichtiger ist es jedoch, den ersten Schritt zu gehen und dann einen Fuß nach dem anderen in die gewünschte Richtung zu setzen. Wege entstehen beim Gehen. Letztendlich kommt es, wie es kommt.

Ich danke dir für den anregenden Austausch!

„Die mathematische Wissenschaft zeigt, was ist. Es ist die Sprache der unsichtbaren Beziehungen zwischen den Dingen. Aber um diese Sprache zu gebrauchen und anzuwenden, müssen wir in der Lage sein, das Unsichtbare, das Unbewusste zu schätzen und zu fühlen.“

Ada Lovelace (britische Mathematikerin, gilt als erste Programmiererin)

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