Читать книгу Kates Abenteuer in Portici - Sandra Goldoni - Страница 6

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Die Ankunft

Kurz vor zwei Uhr am Nachmittag kam die Maschine sanft auf dem Boden auf.

Kate sah neugierig zum Fenster hinaus.

»Wir haben ein herrliches Wetter, Schatz. Schau dir nur diesen atemberaubend blauen Himmel an.«

»Ja«, sagte Will. Er blickte jedoch nicht hinaus, sondern kramte in Kates Handtasche herum.

»Was suchst du denn?«

»Hurley erwartet uns auf dem Parkplatz. Ich wollte ihn nur anrufen und Bescheid geben, dass wir gelandet sind.«

Mo schnaubte laut.

»Warte lieber noch, bis wir ausgestiegen sind«, warnte sie ihn. »Im Flugzeug soll man doch nicht telefonieren.«

Rooie verdrehte ungläubig seine Augen.

»In der Luft, Mo. Aber wir sind doch schon wieder am Boden.«

»Sie hat ja recht«, beruhigte Will die beiden. »Ich warte noch, bis wir ausgestiegen sind.«

Einer der Stewards öffnete ihnen jetzt die Tür.

Kate spürte eine angenehm warme Luft in die Maschine hereinkommen, die verheißungsvoll nach Lavendel, Vanille, Fisch, Salz und Meer roch.

Der Steward blieb neben der Tür stehen.

»Ihr Gepäck wird Ihnen gleich hier draußen gereicht«, sagte er, während Kate und ihre Freunde an ihm vorbei, in die warme Sonne traten.

»Danke«, sagte Kate. Sie stieg die Treppe hinunter, atmete die warme Luft tief ein und blieb mit ihren Freunden vor der Maschine stehen. »Oh ist das herrlich und man kann von hieraus sogar das Meer sehen. Sieh doch, Will.«

»Ja. Und den Vulkan auch. Du musst dich nur umdrehen, Kate. Ist er nicht toll? Das ist der Vesuv.«

Kate wandte sich zu ihm um.

Er lag da, stumm, wie ein einfaches Hügelchen in einem Mittelgebirge.

»Der sieht ja ganz harmlos aus«, sagte Kate etwas enttäuscht.

»Sei froh«, meinte Jon. Er hatte seine Reisetasche schon in der Hand und sah ebenfalls zu dem Vulkan hinüber. »Ab und an bebt die Erde hier. Es ist, als würde der Vulkan die Menschen daran erinnern, dass er noch immer aktiv ist.«

»Wirklich?«, wunderte sich Kate. »Das würde ich zu gerne einmal spüren. Ich habe noch nie ein Erdbeben miterlebt.«

Auch Will bekam jetzt sein Gepäck gereicht.

Er stellte es neben Kate ab.

»Ich rufe Hurley eben mal kurz an. Er soll wissen, dass wir gleich zum Parkplatz kommen.«

Während Will mit Hurley telefonierte, konnte Kate Allen hören, dem aufgefallen war, dass Rooies Namen auf zwei Koffern, sowie einer großen schwarzen Reisetasche stand.

»He, Rooie«, rief er ihn. »Was hast du mit dem ganzen Gepäck vor? Ich dachte, wir bleiben nur drei Tage in Portici?«

Rooie kam rasch auf ihn zu.

»Der eine Koffer«, sagte er und nahm in an sich, »gehört Mo. Nur der kleine Koffer hier ist mir.«

Granny stand ebenfalls bei ihnen und bekam gerade ihr Gepäck.

»Und diese große Tasche?«, erkundigte sie sich bei Rooie. »Da steht doch auch noch dein Name drauf? Ich habe mir extra nur leichte Sachen mitgenommen. Bei der Hitze braucht es ja nicht viel.« Sie deutete auf einen kleinen Hartschalenkoffer.

Rooie nahm die Reisetasche an sich.

»Mich hat vorgestern jemand im Fitnessstudio angesprochen, weil er mitbekommen hat, dass ich nach Neapel fliege. Er war ganz aus dem Häuschen und wollte, dass ich was für seine Familie mit hier herbringe. Deshalb habe ich diese Reisetasche dabei.«

Sie hatten jetzt alle ihr Gepäck und machten sich auf den Weg, durch das Flughafengebäude zum Parkplatz.

»Was?«, brummte Jon, der das Gespräch zwischen Rooie und Granny mitbekommen hatte. »Und was soll da drinnen sein?«

Rooie zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Jacken.«

»Jacken?«, wiederholte ihn Jon. »Im Hochsommer? Jacken?«

»Das hat er jedenfalls gesagt. Ich habe nicht hineingeschaut. Das geht mich doch gar nichts an.«

Auf dem Parkplatz angekommen, konnten sie Hurley, im Schatten einer großen Pinie, neben einem gelben Bus stehen sehen.

»Da drüben ist er ja«, rief Will. »Perfekt, er hat einen kleinen Bus für uns organisiert.«

Jon schüttelte den Kopf.

»Nein. Der Bus gehört meiner Schwiegermutter. Sie braucht ihn, für das Anwesen, auf dem sie lebt.«

»Ach ja?«, wunderte sich Will.

Bei Hurley angekommen schlug Rooie ihm dreist auf die Schulter.

»He mein Freund«, sagte er. »Herzlichen Glückwunsch. Ihr habt ja auch schon standesamtlich geheiratet. Aber, …, wo ist denn Sharon?«

»Sie erwartet euch zu Hause. Gebt mir erst mal euer Gepäck, damit ich es verstauen kann.«

Auch die anderen wollten ihm noch kurz gratulieren.

»Glückwunsch«, sagte Will, wobei er ihm das Gepäck reichte.

»Euch beiden ebenfalls«, antwortete ihm Hurley. Er nickte Kate kurz zu und nahm auch ihr den Koffer ab. »Sharon kann es kaum erwarten, euch alle wiederzusehen. Sie richtet schon den ganzen Vormittag die Zimmer für euch her.«

»Die Ärmste«, meinte Despina, die jetzt auch ihren Koffer an Hurley abgab. »Ihr macht euch so viel Arbeit. Das hättet ihr nicht tun sollen. Wir hätten uns hier doch auch ein Hotel nehmen können.«

Hurley sah sie ungläubig an.

»Das kommt doch gar nicht infrage. Du wirst sehen, wie gut wir euch hier unterbringen können. Wartet es nur ab, aber steigt doch erst einmal ein.«

Während die anderen in den Bus stiegen, kam Jon auf seinen Sohn zu.

»Herzlichen Glückwunsch, mein Junge«, sagte er und nahm ihn in seine Arme. »Jetzt bist du also auch verheiratet. Sharon ist wirklich eine tolle Frau. Ich freue mich für dich.«

»Danke, Vater«, sagte Hurley. Er verstaute noch Jons Koffer und stieg dann ebenfalls mit ihm ein. »Schade, dass du was Dringendes zu erledigen hattest und nicht dabei sein konntest, aber die kirchliche Trauung wird sowieso schöner.«

»Ja. Das hat mir Sharon auch schon gesagt.«

Während der Fahrt hakte Jon dann noch einmal bei Rooie nach.

»Wie lange kennst du den Kerl denn schon, für den du was mit nach Italien geschmuggelt hast?«

Rooie rümpfte die Nase.

»Ich schmuggel doch nicht, Jon!«

»Nenne es, wie du willst. Also, wie lange kennst du den Kerl schon?«

»Er trainiert erst seit kurzem bei mir im Studio. Warum interessiert dich das so?«

Auch Will wurde auf das Gespräch aufmerksam.

»Hat der Kerl gewusst, dass wir mit einem Privatjet fliegen?«, wollte er wissen.

»Klar. Wie oft werde ich wohl die Möglichkeit haben, mit einem Privatjet zu fliegen? Logisch, dass ich das meinen Freunden erzählt habe. Die haben ganz doof geguckt, als ich ihnen gesagt habe, dass Jack einen so großen Einfluss bei der SAS hat und uns das ermöglichen kann.«

Jon sah Rooie ungläubig an.

»Oh man«, brummte er. »Wenn du denen von Jack erzählt hast, muss ihnen doch klar gewesen sein, dass wir nicht durch den Zoll müssen. Bist du dir sicher, dass da nichts anderes in der Tasche drinnen ist, als Jacken?«

»Ach was!«, brummte Rooie leicht genervt. »Der Typ ist auch ein Italiener und möchte nur, dass ich die Jacken seiner Familie gebe. Die treffe ich morgen. Er hat mir dafür extra eine Notiz mitgegeben.«

Er zog einen zusammengefalteten Zettel aus seiner Hosentasche.

»Zeig mal her«, sagte Will. Er nahm ihm das Blatt aus der Hand und entfaltete es. »Da steht nur eine Telefonnummer drauf?«

»Ja«, brummte Rooie, nahm sich die Notiz wieder und steckte sie sich ein. »Ich soll die morgen Vormittag anrufen, damit sie die Sachen bei mir abholen können. Anders geht’s nicht, weil ich unsere Adresse doch noch gar nicht weiß.«

Will ließ die Sache nicht in Ruhe, doch wollte er Rooie nicht noch mehr reizen. Stattdessen sah er sich mit Kate die Stadt Portici an, durch die sie soeben hindurch fuhren.

Wenige Minuten später fuhr Hurley aus der Stadt hinaus und den Hang des Vesuvs hinauf.

Kate konnte Feigen, Datteln, Mandel und sogar Granatapfelbäume sehen. Am Straßenrand blühte von hellem Rosa bis hin zu dunklem Magentarot wilder Oleander.

Fünf Minuten später bog Hurley auf ein großzügiges Landgut ab und parkt den Bus in der Nähe von Olivenbäumen.

»Wir sind da«, sagte er, dann wandte er sich breit grinsend zu seinen Freunden um. »Das ist das Anwesen meiner Großmutter.« Er öffnete ihnen die Tür, ging hinaus und deutete auf die weitläufige Landschaft mit üppigen Olivenhainen und großen Getreidefeldern.

»Das ist ja Wahnsinn«, hauchte Kate.

»Komm, lass uns aussteigen«, meinte Will. »Das muss ich mir genauer ansehen.«

»Sie sind da! Sie sind da«, konnten sie eine Frauenstimme aus der Ferne rufen hören.

Als Kate aus dem Bus stieg, konnte sie Sharon sehen, die über eine breite Wiese auf sie zugerannt kam. Sie hatte ihre langen roten Haare zu einem französischen Zopf geflochten und sah wunderschön aus.

Kate fiel auf, dass Sharon sich geschminkt hatte. Außerdem trug sie ein seidenes weißes Trägertop zu einer goldfarbenen kurzen Bermudahose.

Neben einem großen Haus konnte Kate noch eine ältere Dame stehen sehen, auf die Jon jetzt zuging.

Hurley reichte ihr inzwischen ihren Koffer.

»Das ist meine Großmutter«, erklärte er ihr. »Vater hat sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«

Kate sah noch einmal zu der Frau, der Jon jetzt rechts und links einen Kuss auf die Wangen gab.

Inzwischen kam Sharon keuchend bei ihnen an.

»Toll, dass ihr alle kommen konntet«, japste sie, umarmte jeden kurz und blieb dann mit geröteten Wangen vor Kate stehen. »Ich bin so gespannt, wie dir unser Brautschmuck gefällt.«

»Da mache ich mir keine Sorgen«, antwortete ihr Kate. »Wenn ich nur schon das Bild von dieser traumhaften Kirche sehe, weiß ich, dass nichts schiefgehen kann. Wir werden euch natürlich helfen, wo es geht. Nicht, dass ihr auf der ganzen Arbeit sitzen bleibt.«

»Vergiss es«, sagte Hurley. »Großmutter lässt sich da nicht helfen. Sie ist es gewohnt, große Feiern zu organisieren.«

»Trotzdem«, erwiderte Kate. »Wir werden euch, wo es nur geht, zur Hand gehen.«

»Dann kommt«, sagte Hurley, nachdem alle ihr Gepäck bekommen hatten. »Ich möchte euch Großmutter vorstellen.«

Kate sah sich interessiert das große zweistöckige Landhaus an, auf das sie nun zugingen. Es war ein typisch italienischer Stil. Es bestand aus unverputzten Natursteinen und hatte an den Fenstern braune Klappläden, die im Moment alle zu waren.

Neben dem Gebäude ging es in den Garten, indem Kate einen gemauerten Pavillon sehen konnte. Darunter stand eine große Rattan Sitzgruppe auf deren Tisch zahlreiche Gläser und Getränke standen.

Am hinteren Ende des Pavillons befand sich noch eine kleine Mauer, in der mittig, in Kniehöhe, ein offenes Feuer brannte. Jetzt glitt ihr Blick an dem Freisitz vorbei, über eine saftig grüne Wiese zu einem weiteren Gebäude. Es war ziemlich lang, hatte nur ein Erdgeschoss und wirkte auf Kate, wie ein viel zu lang geratener Bungalow.

»Herzlich willkommen«, empfing sie Hurleys Großmutter, als sie vor ihr auf dem geschotterten Hof ankamen. Kate betrachtete sich die Frau, die mit ihren schwarzen Haaren und ihrem leuchtend roten Lippen einfach fabelhaft aussah. Sie war klein. Kate schätzte sie auf höchstens einen Meter sechzig und wie sie sich die italienischen Großmütter immer vorgestellt hatte, war sie nicht hager, sondern gut beieinander. Die leckere italienische Küche, dachte sich Kate und hoffte, dass sie in zwei Tagen noch in ihr Brautkleid passen würde.

»Ich bin Aurora«, stellte sich die Frau vor, dann bemerkte sie Kate. Sie kam auf sie zu, küsste sie auf die Wangen und sagte: »Herzlichen Glückwunsch.« Auch an Will wandte sie sich und schüttelte ihm die Hand. »Sharon hat schon so viel von euch beiden erzählt.«

»Danke«, sagte Will. »Für Ihre Gastfreundschaft und, dass wir hier mit Ihnen und unseren Freunden zusammen feiern können.«

»Ja«, sagte Kate. »Ich habe Hurley gerade schon gesagt, dass wir kräftig mit anpacken werden. Sagen Sie uns einfach, was zu tun ist, dann helfen wir Ihnen, wo es nur geht.«

»Che male«, rief Aurora lachend. »Das wird nicht nötig sein. Ich habe hier draußen für uns eindecken lassen. Aber bevor wir essen, wird Ihnen Hurley Ihre Unterkünfte zeigen und wenn Sie mögen, können Sie erst einmal Ihre Sachen auspacken und sich frisch machen.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Wie wäre es, wenn wir uns in einer Stunde hier treffen?« Sie deutete an ihrem Haus vorbei auf den gemauerten Pavillon. »Dann könnten wir gemeinsam essen.«

»Sehr gerne«, sagte Will und auch die anderen waren alle einverstanden.

Hurley winkte sie jetzt zu sich.

»Wenn ihr mir und Sharon jetzt bitte folgen würdet?«, sagte er. Will wandte sich auf dem Weg Jon zu. »Mein lieber Junge«, wisperte er. »Nicht schlecht dieses Anwesen. Sicher warst du früher andauernd mit deiner Frau hier?«

»Nein leider nicht«, entgegnete er ihm. »Seit ich bei der SAS arbeite, habe ich für so etwas kaum noch Zeit.«

Kate musste lachen.

»Na du hast es ja auf den Malediven auch nicht gerade schlecht getroffen«, meinte sie.

»Ja, da kann ich dir nur recht geben«, meinte er grinsend.

Sie waren geradewegs auf dieses längliche Gebäude zugelaufen, vordem Hurley jetzt stehen blieb.

»Das ist unsere Ferienanlage«, sagte er. »Ihr werdet euch hier wohlfühlen. Wir haben genügend Platz für euch alle.«

»Ihr habt eine Ferienanlage?«, japste Mo.

Sharon sah sie strahlend an.

»Ist das nicht praktisch?«, meinte sie.

Kate blieb völlig überrascht vor dem Haus stehen, dass, wie sie jetzt erkannte, aus mehreren Wohneinheiten bestand. Alle paar Meter gab es eine Eingangstür, auf denen in großer gelber Schrift Nummern von eins bis neun standen.

Hurley führte sie jetzt um das Gebäude herum und zeigte ihnen den Gemeinschaftsgarten.

»Von hieraus habt ihr einen wunderbaren Ausblick über ganz Neapel«, sagte er. »Und wenn ihr etwas Ruhe braucht, könnt ihr es euch auf den Terrassen gemütlich machen.« Er deutete auf die einzelnen Terrassen, die jeweils zu den Wohneinheit gehörten.

»Das ist ja toll, hier«, murmelte Kate.

Sie ging auf den Zaun zu, der das Grundstück abtrennte und blickte über Neapel hinweg zum Meer. Auch die anderen sahen sich neugierig um. Mehrere Berberitzensträucher deuteten an, an welcher Stelle eine Wohneinheit endete und die Nächste anfing.

Hurley führte sie kurz darauf wieder vor das Gebäude und zog einen breiten Schlüsselring hervor.

»Ich gebe euch jetzt eure Schlüssel, dann könnte ihr euch in den Wohnungen ein wenig umsehen, eure Sachen auspacken und wenn ihr Fragen habt, dann können wir sie beim Essen besprechen, oder habt ihr jetzt schon etwas auf dem Herzen?«

»Alles bestens, Hurley«, meinte Rooie. »Aber schade, dass wir nur drei Tage hier sind.«

Sharon lachte laut.

»Das liegt doch ganz bei euch«, sagte sie, während Hurley ihnen die Schlüssel reichte, auf deren Anhängern die jeweiligen Zimmernummern standen. »Wer möchte, kann natürlich länger bleiben. Jack wird mit dem Rückflug doch sicher etwas deichseln können.«

»Oh man«, machte Rooie. »Ich habe mir aber nicht so lange freigenommen. Ich muss am Mittwoch schon wieder zur Arbeit.« Sharon zuckte mit den Schultern.

»Vielleicht genügt ein Anruf?«, meinte sie feixend.

Kate und Will bekamen von Hurley den Schlüssel mit der Nummer zwei.

»Das ist ja gleich hier vorne«, sagte Kate. Sie konnte es kaum erwarten, sich die Wohnung anzusehen.

Während Hurley den anderen noch ihre Schlüssel reichte, ging sie mit Will schon einmal auf ihre Wohnung zu.

Will steckte den Schlüssel ins Schloss.

»Jetzt bin ich aber gespannt, wie es drinnen aussieht«, murmelte er und öffnete die Tür. »Wow. Sieh dir das an, Kate!«

Das Erste, was Kate auffiel, war das die Wohneinheit sehr hell und freundlich war.

Sie kam in einen länglichen Raum, indem gleich neben dem Eingang eine Eckbank mit einem cremefarbenen Esstisch stand. Daran angrenzend befand sich eine kleine Küchenzeile und geradeaus führte eine breite Glasflügeltür auf die Terrasse. Kate ging darauf zu und öffnete sie.

Als sie den Garten betrat, konnte sie Jojo und Derek neben sich auf der Terrasse hören.

»Nur mal probieren«, rief Jojo, der jetzt auf eine Schaukel zu rannte, die sich auf dem weitläufigen Gelände befand.

»Ach, hallo Kate«, sagte Despina. Erschöpft reichte sie ihr die Hand. »Erst noch mal in aller Ruhe; herzlichen Glückwunsch! Ich kam ja noch gar nicht dazu, dir zur Hochzeit zu gratulieren.«

»Ist schon gut, Despina. Die beiden haben dich ja voll im Griff.«

Allen kam jetzt ebenfalls zu ihnen heraus.

»Das kannst du laut sagen«, bestätigte er sie. »Lass die beiden doch etwas spielen, Despina. Hier passiert ihnen ja nichts und wir können in Ruhe unsere Sachen auspacken.« Als auch Will zu ihnen in den Garten kam, wandte sich Allen an ihn. »Ach, Will! Ich würde gerne noch mal kurz mit dir reden.« Er sah die beiden Frauen an. »Ihr könntet ja mit dem Gepäck schon mal anfangen. Ich möchte Will nur etwas fragen.«

Kate zuckte sprachlos mit ihren Schultern, ging dann aber hinein, weil sie sich sowieso noch etwas in ihrer Wohnung umsehen wollte.

Gegenüber der Küchenzeile gab es noch eine Tür, die in ein helles und freundliches Schlafzimmer führte. Auch hier gab es bodentiefe Fenster mit Blick in den Garten. Kate konnte Will sehen, der sich in Allens Händen irgendetwas ansah, das sie von hieraus nicht sehen konnte. Sie wandte ihren Blick vom Fenster wieder ab und sah sich in dem Zimmer um.

Ein großes französisches Bett stand ihr gegenüber an der Wand und auf den Nachttischen standen kleine Vasen mit Lavendel. Kate setzte sich kurz auf das Bett. Es war urgemütlich. Jetzt bemerkte sie noch eine Tür, die gleich neben einem Wandschrank war. Kate stand auf, ging darauf zu und öffnete sie. Sie fand ein kleines Bad vor, mit einer Dusche, einem Waschbecken, einer Toilette und sogar einer Waschmaschine.

Hübsch, dachte sich Kate. Sie ging wieder zurück in das Schlafzimmer und fing an, ihre Kleider auszupacken.

Fünf Minuten später kam Will zu ihr.

»Damit hätte ich nicht gerechnet«, sagte er. »Dass die hier so eine Ferienanlage haben, hat uns Hurley gar nicht gesagt.«

»Ja«, antwortete ihm Kate. Sie hatte sich mit dem Auspacken beeilt und war schon weitgehend fertig. Ihr sommerliches Brautkleid hatte sie zuerst weggehängt, damit Will es nicht vorher zu Gesicht bekam. »Was wollte Allen denn von dir?«

»Ach«, machte Will. Er nahm sich seinen Koffer, legte ihn auf das Bett, öffnete ihn und fing ebenfalls an, seine Sachen auszupacken.

Kate ließ ihren leeren Koffer zuschnappen und stellte ihn zur Seite.

»Was ist?«, fragte sie. »Stimmt was nicht?«

»Doch. Es ist alles bestens«, antwortete Will ihr. Dann sah er in ihre grünen Augen. »Ach was soll’s, ich sag’s dir einfach.«

»Wir werden doch keine Geheimnisse voreinander haben, oder?«

»Natürlich nicht«, seufzte Will, dann nahm er sie an die Hand und setzte sich mit ihr auf den Bettrand. »Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnern kannst, aber Allen ist doch Goldschmied.«

»Ach ja«, sagte Kate, der es soeben wieder eingefallen war.

»Hurley hatte die Idee, dass Allen uns die Hochzeitsringe machen könnte. Er hat sie mir gerade gezeigt.«

»Oh«, hauchte Kate. »Und? Wie sehen sie aus?«

»Sie sind fanatisch«, antwortete er ihre. »Allen hat so große Hände, ich hätte nicht gedacht, dass er so eine Fingerfertigkeit hat.«

»Jetzt bin ich aber gespannt. Ich möchte sie auch sehen.«

»Du wirst sie sehen, sowie wir vor dem Altar stehen und-«

Will hielt abrupt inne. Von draußen konnten sie Jon hören, der sich aufgebracht mit Rooie stritt. »Was ist denn da los?«

Schnell standen sie auf und verließen die Wohnung.

Vor der Ferienimmobilie standen sich Jon und Rooie gegenüber. Zwischen ihnen stand auf dem Boden die schwarze Reisetasche. Jon hielt eine Pfeffer-braune Lederjacke in seiner Hand, die er zuvor aus der Tasche geholt hatte.

»Das habe ich doch vorhin schon gesagt«, raunte Rooie ihn an. »Da sind nur Jacken drinnen. Was soll denn das?«

Will kam zu ihnen.

»Seid ihr immer noch bei diesem Thema?«

Jon reichte ihm die Jack.

»Fühl doch mal«, forderte er ihn auf.

Will nahm die Jacke an sich.

»Das ist weiches Nappaleder«, sagte er. »Was ist damit?«

»Ich meine nicht das Leder. Was meinst du, ist das für ein Futter?«

Will untersuchte die Jacke etwas genauer, dabei konnte er kleine Steine fühlen, die ganz sicher nicht in das Futter einer Jacke gehörten.

»Scheiße«, murmelte er.

»Was ist denn?«, wunderte sich Kate.

»Das würde ich auch gerne wissen«, brummte Rooie. Zu seinem Entsetzen riss Will das Innenfutter der Lederjacke heraus. »HE«, rief Rooie aufgebracht und wollte die Jacke wieder an sich reißen, doch Will wandte sich rasch von ihm ab.

»Sieh dir das an, Jon«, rief er, zog etwas aus der Jacke und hielt ihm eine kleine Plastiktüte vor die Augen.

»Auch das noch«, keuchte Jon, als er mehrere Geldscheine in dem Beutel liegen sah. »Ich habe nur die Klunker gespürt.« Er deutete auf Edelsteine, die ebenfalls in dem Futter versteckt waren.

»Ja, die habe ich auch gefühlt«, sagte Will.

Vorwurfsvoll wandte er sich wieder an Rooie.

»Sag uns bitte, von wem du die Sachen bekommen hast und gib mir diese Notiz mit der Telefonnummer!«

»Ich, …, ich«, stammelte Rooie. »Ich konnte doch nicht ahnen, dass da so was in den Jacken drinnen ist.«

»So was kann man sich doch denken«, murrte Jon. »Gib uns die Telefonnummer, Rooie!«

»Aber, was wollt ihr denn machen? Es war vereinbart, dass ich die Leute erst morgen anrufe.«

»Das ist mir egal«, fauchte Jon. »Das ist Hehlerei. Dafür kannst du in den Knast wandern.«

Rooie zog das Schriftstück aus seiner Hosentasche und gab es ihm.

»Rufst du jetzt da an oder was? Wenn die sehen, dass ihr die Jacke kaputt gerissen habt-«

»Es reicht, Rooie«, brummte Jon. »Wir müssen die Jacken der Polizei übergeben. Was meinst du, Will?«

»Ich denke, Rooie hat recht.«

Überrascht sah ihn Jon an.

»Was? Das kannst du nicht machen, Will.«

»Wir warten noch bis morgen. Jack kommt im Laufe des Vormittags. Ich würde gerne mit ihm darüber reden und ihn entscheiden lassen, was wir machen. Vielleicht lässt er die Kerle sogar hier antanzen?«

»Was?«, mischte sich Kate ein. »Du meinst hier auf das Gelände?«

»Wieso nicht? Wenn wir jetzt die Polizei einschalten, tauchen diese Kerle doch sicher gleich unter. Ich bin dafür, dass wir auf Jack warten.«

»Vielleicht hast du recht«, bestätigte ihn Jon. »Ich behalte die Tasche solange in meiner Wohnung. Da sollte sie sicher sein.«

»Wohnst du nicht vorne im Haupthaus?«, wunderte sich Kate.

»Nein«, antwortete er ihr. »Hurley und Sharon haben die Zimmer, die ich früher mit meiner Frau bewohnt habe. Ich bin viel zu selten hier. Die Räumlichkeiten würden ja ständig leer stehen.«

Er wandte sich um und ging auf seine Wohneinheit zu, die sich ziemlich am Ende des Gebäudes befand.

Will sah auf seine Uhr.

»Es ist schon spät, Kate. Wir sollten langsam vorgehen. Aurora wird uns sicher schon erwarten. Außerdem bin ich gespannt, was uns Hurley alles zu erzählen hat.«

In diesem Moment kam Mo aus ihrer Wohneinheit zu ihnen heraus.

»Am besten, wir kommen gleich mit euch mit«, sagte Rooie. Er wandte sich noch einmal kurz an Mo. »Du hast doch sicher schon alles ausgepackt, oder?«

»Na klar. Aber willst du dich nicht erst umziehen?«

»Nein, das kann ich auch später noch machen«, antwortete er ihr. »Aurora, Hurley und Sharon werden uns sicher schon erwarten. Komm schon, Mo!«

Sie liefen einen schmalen Trampelpfad über die Wiese zurück an mehreren Blechmülltonnen vorbei, die vor einem Gatter standen, die das Gelände von einer Weide abtrennte, die neben dem Anwesen war. Gleich hinter der Weide konnte Kate die Straße sehen, zu der sie hier heraufgefahren waren.

In Auroras Garten saßen Hurley, Sharon, Aurora, Etienne und ein fremder Mann bereits an dem großen eingedeckten Tisch. Sie unterhielten sich angeregt miteinander.

Kate sah sich noch einmal um.

Hinter der Mauer, in der noch immer das Feuer prasselte, standen etwa zehn Meter entfernt mehrere Olivenbäume, zwischen denen Jojo und Derek miteinander Fangen spielten.

»Ah, da seid ihr ja«, rief Aurora. »Nehmt doch Platz. Wir haben euch schon erwartet.«

Kate nahm mit Will neben Hurley und Sharon Platz.

Als Mo und Rooie sich ihnen gegenüber setzten, tauchten auch Allen und Despina bei ihnen auf.

»Ich hoffe«, sagte Despina, wobei sie mit ihrem Mann neben Rooie Platz nahm, »dass unsere Kinder nicht zu laut sind. Wenn die beiden Sie stören, dann geben Sie uns bitte Bescheid.«

Aurora schüttelte ihren Kopf.

»Aber nein. Kinder müssen spielen. Das ist wichtig. Lassen Sie die beiden ruhig herumtoben. Hier haben sie Platz und stören mich ganz sicher nicht.«

Kate wandte sich kurz an Sharon und deutete sachte auf den fremden Mann, der sich angeregt mit Etienne unterhielt.

»Wer ist das denn?«, hauchte sie.

»Das ist Hurleys Onkel, Riccardo. Er ist der Bruder von Hurleys verstorbener Mutter.«

»Und was ist mit deiner Familie, Sharon? Ist sie auch hier?«

»Ja. Meine Eltern und meine Schwester. Sie wohnen unten in Neapel. Mein Vater wollte am Meer sein, weil er es liebt, morgens eine großzügige Runde zu schwimmen. Sie kommen selbstverständlich zu unserer Trauung in die Kirche, doch zuvor wollten sie sich noch etwas die Gegend ansehen. Sie sind richtig neugierig geworden, nachdem sie sich mit Riccardo unterhalten haben.«

»Ach und weshalb?«, wollte Kate wissen. Sie sah neugierig zu Hurleys Onkel hinüber. Riccardo war gut beieinander. Fünfzehn Kilo weniger, würden ihm nicht schaden, dachte sich Kate. Er hatte dunkelbraune kurze Haare, ein markantes Kinn und um den Hals hatte er eine breite goldene Kette, mit einem großen funkelnden Kreuz hängen. Kates Blick fiel auf seine Finger, an denen er mehrere breite Goldringe trug. »Was sehen sich deine Eltern denn an?«, wollte Kate wissen.

»Na hör mal«, mischte sich Rooie ein. »Neapel ist mit Sicherheit sehenswert. Da werden wir uns auch noch mal umsehen oder, Mo?«

Mo grinste breit.

»Klar. Immerhin sind wir mindestens drei Tage hier und Neapel soll fast eine Million Einwohner haben.«

Hurley räusperte sich kurz, dann wandte er sich an Kate.

»Sharons Eltern sehen sich aber nicht Neapel an«, erklärte er ihr. »Mein Onkel ist Geologe. Er überwacht die Phlegräischen Felder.«

»Was bewacht er?«, hakte Kate nach.

»Die Phlegräischen Felder«, wiederholte Hurley. Als er Kates fragendes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Diese Felder sind sehr bekannt. Touristen aus aller Welt kommen extra hierher, um sie sich anzusehen.«

»Aber was ist das denn?«, wollte Kate wissen.

»Diese Felder liegen gleich gegenüber von Neapel auf einer Landzunge.«

»Dort raucht der Boden«, mischte sich Sharon kichernd ein. »Es dampft und zischt-«

»Was?«, japste Kate. »Ihr wollt uns doch nur was vorgaukeln.« In diesem Moment brachten mehrere Dienstboten lecker duftende, frisch gebackene Kuchen und Kannen mit Kaffee zu ihnen.

Kate fiel auf, dass inzwischen auch Granny, Jojo und Derek bei ihnen am Tisch saßen.

»Oh«, machten plötzlich alle und als Kate wieder auf die Mitte des Tisches sah, stellte ein Diener gerade eine große Torte vor ihnen ab.

Aurora winkte Jon zu, der nun auch noch über die Wiese auf sie zugelaufen kam.

»Ich habe dich schon vermisst, mein Junge«, rief sie.

»Dabei habe ich mich beim Auspacken wirklich beeilt«, sagte er grinsend.

Nachdem auch er am Tisch Platz genommen hatte, stand Aurora auf, blickte strahlend in die Runde und sagte: »Ich wünsche euch allen einen angenehmen Aufenthalt, hier auf Corte Campioli. Sollte euch etwas fehlen, könnt ihr mir oder auch dem Personal Bescheid geben, damit sie es für euch besorgen können. Die kirchliche Trauung findet, wie ihr sicher wisst, am Sonntag um zehn Uhr statt.« Jetzt sah sie zu Will und Kate. »Ihr könnt euch die Kirche morgen ansehen. Der Pfarrer möchte eh noch ein paar Worte an euch richten, bevor die Trauung stattfindet.«

»Sehr gerne«, antwortete ihr Will. »Ich hoffe, er spricht Englisch.«

Aurora winkte ab.

»Das ist kein Problem. Hurley und Sharon werden mitkommen. Sie müssen auch noch mit dem Pfarrer reden.«

»Ich kann Italienisch, keine Bange«, murmelte Hurley ihm zu. Aurora wandte sich jetzt wieder den restlichen Gästen zu.

»Nach eurem Flug habt ihr sicher Hunger. Langt kräftig zu und lasst es euch schmecken«, rief sie, dann nahm auch sie wieder Platz und wandte sich an Hurley. »Riccardo hat es zurzeit schwer. Er hat große Bedenken. Er meint, so schlimm wäre es noch nie gewesen.«

»Ach was, das hat er schon öfter gesagt«, antwortete ihr Hurley, wobei er seiner Großmutter ein Stück Torte auf den Teller gab. »Denk doch mal zurück! Wie oft wurden schon zigtausende Menschen evakuiert, ohne, dass irgendetwas passiert ist?«

Kate und Will sahen sich schulterzuckend an.

»Aber was ist denn los?«, fragte Kate.

»Bei dem Thema waren wir gerade stehengeblieben«, sagte Hurley. »Diese Felder, die mein Onkel beobachtet und die sich Sharons Eltern ansehen möchten, brodeln. Es sind graue, schlickige Tümpel die unaufhörlich blubbern. Warme Rauchsäulen steigen dort aus dem Boden auf. Es riecht fürchterlich nach faulen Eiern, weil der Wasserdampf mit Schwefel und zahlreichen anderen Gasen versetzt ist.«

»Oh je«, machte Kate. »Das hört sich aber gar nicht gut an.«

Rasch sah sie zu Riccardo, der sich immer noch angeregt mit Etienne unterhielt. Auch Jon saß bei ihnen und hörte aufmerksam zu.

Mo interessierte sich ebenfalls für das Thema.

»Ich dachte, so verhält sich ein Vulkan, bevor er ausbricht?«, japste sie. »Dieser Vesuv, der wird doch hoffentlich Ruhe halten, solange wir hier sind?«

Rooie sah mit geweiteten Augen zu Hurley.

»Aber da gibt es doch immer erst ein paar Anzeichen, bevor so ein Vulkan ausbricht, oder? Mehrere Erdbeben und so was?«

»Ihr könnt euch beruhigen«, meinte Hurley, doch seine Großmutter wusste es besser.

»In Pisciarelli, auf dem Weg von Neapel in die Küstenstadt Pozzuoli, könnt ihr sehen, dass hier etwas Gigantisches, in den Tiefen der Erde schlummert. Anders als der Classico Vesuvio-«

»Sie meint den Vesuv«, unterbrach Hurley seine Großmutter. Aurora nickte ihm lächelnd zu. »Genau.« Sie deutete über Neapel hinweg, auf eine flache Landzunge. »Ihr könnt die Felder von hieraus sehen. Anders als beim Vesuv, sind diese Felder ständig in Bewegung. Das Gebiet, auf dem sie sich befinden, ist ziemlich flach und wirkt alles andere als gefährlich.«

»Aha«, machte eine Männerstimme hinter Kate. Sie wandte sich zu ihm um und erkannte Riccardo. »Ihr seid beim Thema«, sagte er, streckte Kate seine Hand entgegen und meinte: »Ich wollte nur mal das andere Brautpaar kennenlernen. Ich bin Riccardo, Hurleys Onkel.«

»Wir haben schon von Ihnen gehört. Mein Name ist Kate Granger und das hier«, sie deutete auf ihren Mann, »ist Will Easton.«

Sharon runzelte die Stirn.

»Hast du deinen Namen etwas behalten?«, wunderte sie sich.

»Nein«, murmelte Kate verlegen. Sie wandte sich noch einmal an Riccardo. »Mein Name ist inzwischen Kate Easton, aber es wäre einfacher, wenn Sie nur Kate zu mir sagen würden?«

»Gerne, Kate«, antwortete er ihr. »Und wir könnten uns einfach duzen, wenn ihr nichts dagegen habt?«

»Gerne«, sagte Will, der ihm ebenfalls seine Hand reichte.

Riccardo packte kräftig zu, schüttelte ihm die Hand und wandte sich dann wieder seiner Mutter zu.

»Es gibt derzeit eine hohe vulkanische Aktivität. Sie zeigt deutliche Übereinstimmungen mit dem Jahr neunundsiebzig.«

»Damals gab es doch noch gar keine Aufzeichnungen«, brummte Hurley.

»Wieso? Was war den neunundsiebzig?«, wollte Sharon wissen.

Riccardo hob sachlich seinen Zeigefinger und erklärte ihr: »In diesem Jahr war der historische Ausbruch, der die Städte Pompeji und Herculaneum unter einer dicken Schicht aus Asche und Stein begrub.«

»Ach. Ich dachte, ihr redet von dem Jahr neunzehnhundert und neunundsiebzig«, sagte Sharon. Alarmiert sah sie zu Riccardo auf. »Und ihr seid der Meinung, dass erneut solch ein Ausbruch stattfinden könnte? Aber, aber, …, dann wären wir doch alle in Gefahr?«

»Vergiss es«, brummte Hurley. »Das war vor ein paar Jahren schon einmal so. Da haben sie mehrere Tausend Menschen evakuiert. Dabei war es nur ein Fehlalarm. Das wird jetzt nichts anderes sein und außerdem evakuieren sie nicht einmal.« Er sah mit zusammengekniffenen Augen zu seinem Onkel auf. »Verschrecke mir meine Gäste nicht, Riccardo!«

»In Ischia war vor kurzem ein Erdbeben«, erinnerte Riccardo seinen Neffen. »Das hängt alles miteinander zusammen.«

»Was sagt denn die Behörde dazu?«, wollte Aurora wissen.

Riccardo wandte sich ihr zu.

»Seit dem Jahr zweitausendzwölf haben wir die Warnstufe gelb. Erhöhte Wachsamkeit. Aber die Kurve der gemessenen Aktivitäten steigt stetig nach oben. Die Erde wölbt sich.«

»Und was passiert, wenn die Warnstufe auf rot springt?«, wollte Rooie wissen.

»Der Notfallplan sieht eine Evakuierung der Roten Zone vor«, erklärte ihm Riccardo. »Allerdings bezweifeln Experten, dass sechzehntausend Polizisten es schaffen werden, täglich achtzigtausend Menschen aus diesem Gebiet mit Autos, Bussen und Schiffen zu evakuieren. Vergesst nicht, dass diese Metropolregion inzwischen über viereinhalb Millionen Einwohner hat. Das ist eine ganz schöne Menge, die man da zu evakuieren hätte.«

»Oh, aber doch nicht ausgerechnet jetzt?«, seufzte Kate.

Hurley funkelte seinen Onkel gefährlich an.

»Was soll das, Riccardo?«

»Es ist Realität, Hurley. Das Problem ist, dass man die Eruptionen nicht vorhersagen kann. Es könnte nichts passieren, aber wir sollten immer damit rechnen.«

Er nickte ihnen noch einmal aufmunternd zu, dann ging er wieder auf seinen Platz zurück.

»Das hört sich aber gar nicht gut an«, murmelte Kate. Sie sah über Neapel hinweg zu den Feldern, die ihr Aurora gezeigt hatte. Dampf konnte sie von hieraus nicht erkennen. Alles was sie sah, war ein karges flaches Landstück.

Will nahm sich noch ein Stück von der Apfel-Tiramisu-Torte, dann wandte er sich noch einmal Hurley zu.

»Ist es nicht gefährlich, wenn Touristen dort herumlaufen?«, erkundigte er sich.

»Wenn es unsicher wäre, dürften die Menschen und auch die Häuser nicht so nah bei den Feldern stehen«, antwortete ihm Hurley schulterzuckend. »Vergesst diese Felder, reden wir lieber über unsere Hochzeit.«

Weil Sharon noch ein paar Änderungen vornehmen wollte, was die Musik und die Getränke bei der abendlichen Feier anging und Kate noch mehr von der Kirche wissen wollte, vergingen die Stunden nun wie im Flug.

Gegen sieben Uhr wurde ihnen noch einmal üppig aufgetischt. Riccardo ließ es sich nicht nehmen auf einem gewaltigen Schwenkgrill diverse Fische zu grillen.

»Du musst ihn noch mit etwas Zitrone beträufeln, dann schmeckt er, zu dem Wein, den Aurora euch servieren lässt ausgezeichnet«, erklärte er Kate, wobei er ihr ein Stück Thunfisch auf ihren Teller lud. Will ließ sich eine Makrele geben während sich Hurley und Sharon für Lachs entschieden. Nach dem Essen gesellten sie sich an ein paar Stehtische, die zwischen dem gemauerten Pavillon und den Olivenbäumen standen. Rund um das Haus leuchteten bunte Lampions und leise, im Hintergrund konnte Kate italienische Musik klingen hören.

»Es ist einfach traumhaft hier«, sagte sie, wobei sie über das weite Land zum Meer hinübersah und den Sonnenuntergang beobachtete.

»Es könnte keinen schöneren Ort geben, um sich das Jawort zu geben«, bestätigte sie Will.

Etienne und Jon kamen jetzt auch zu ihnen an den Tisch.

»Habt ihr Riccardo gehört?«, wollte Jon wissen.

Will stellte sein Weinglas ab und nickte.

»Ja. Aber Hurley meint, dass es schon öfter falsche Meldungen gegeben hat und wir nicht weiter darüber nachdenken sollen.«

»Das ist rischtig«, sagte Etienne. »Außerdem sind wir nur über das Wochenende ’ier. Da wird schon nischt’s passieren.«

Kate war erleichtert, dass auch Etienne so dachte.

Lautes Kindergekicher lenkte sie ab.

Rechts von sich, konnte sie Hurley sehen, der Derek und Jojo auf der Wiese nachrannte und Fangen mit den Kindern spielte. Jojo lachte schallend auf, als Hurley stolperte und schlitternd im Gras landete.

Kate beugte sich etwas zu Despina hinüber, die am Nebentisch mit Allen, Aurora und Granny stand.

»Die Kinder haben anscheinend ihren Spaß hier«, sagte sie.

»Oh ja«, sagte Despina. »Aber nicht mehr lange. Ich werde sie in einer halben Stunde ins Bett schicken. Dann haben wir auch endlich Feierabend.«

Kates Abenteuer in Portici

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