Читать книгу Kates Abenteuer in Portici - Sandra Goldoni - Страница 8

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Die Übergabe

Nachdem Tom das Geld und die Juwelen in Jacks Koffer gefunden hatte, verließen auch er, Kate und Will die Ferienwohnung.

Tom schloss noch kurz die Tür ab, dabei fiel sein Blick auf Jon, der noch immer hinter der Blechmülltonne stand und Jack beobachtete.

»Sind die Kerle schon da?«, fragte er, als er mit Will und Kate zu ihm herüberkam.

»Nein«, antwortete ihm Jon. »Aber das wird nicht mehr lange dauern.« Angespannt sah er auf seine Armbanduhr. »Ihr könnt ruhig schon vorausgehen. Ich komme nach, sowie die Polizei eingetroffen ist.«

Will blieb neben ihm stehen. Er sah ebenfalls zu Jack hinüber.

»Ich bleibe lieber auch noch hier. Wer weiß, wie die sich verhalten, wenn sie merken, dass Jack ihnen nicht alles zurückgibt?«

»Also, um ehrlich zu sein«, murmelte Tom, der Jack ebenfalls beobachtete, »würde ich ihn die Übergabe nicht alleine machen lassen. Vielleicht wäre es besser, wenn einer von euch bei ihm ist. Die könnten ungemütlich werden, wenn sie merken, dass das Geld und die Klunker nicht mehr in den Jacken sind. So schnell wird die Polizei nicht hier sein.«

Kates Augen weiteten sich.

»Die Polizei«, japste sie.

»Wo?«, murrte Jon, der sich sofort suchend nach ihnen umsah. »Ich habe die doch noch gar nicht angerufen?«

Kate schüttelte fieberhaft ihren Kopf.

»Aber nein. Vielleicht können die gar nicht hier herkommen? Hurleys Onkel hat doch gesagt, dass in der Stadt ein Ausnahmezustand herrscht. Die haben sicher alle Hände voll zu tun. Die Straßen, die hier heraufführen, sind womöglich alle gesperrt.«

»Da ist was dran«, brummte Will.

Jon wandte sich sofort an Tom.

»Du bleibst bei Kate. Sowie die Kerle kommen, rufst du die Polizei an! Danach geht ihr vor zu den anderen.« Er drückte Tom Jacks Smartphone in die Hand, dann wandte er sich Will zu. »Wir beide gehen rüber. Hast du deine Waffe dabei, Will?«

»Nein«, antwortete er ihm. »Eigentlich sollten wir jetzt in der Kirche sitzen und mit dem Pfarrer reden. Ich hole sie kurz, warte.«

Jon nickte, dann bemerkte er Kate, die aufgeregt von einem Fuß auf den anderen tippelte.

»Ihr beiden geht zu den anderen, sowie ihr die Polizei gerufen habt«, wiederholte sich Jon. »Ist das klar, Kate?«´ »Ja, natürlich«, murrte sie.

Jon deutete auf das Handy in Toms Hand.

»Du brauchst nur auf diese Taste zu drücken, dann hast du eine Verbindung zu der hiesigen Polizei.«

»Kein Problem«, antwortete ihm Tom. »Und was ist, wenn das irgendwelche Profis sind?«

»Das sind wir auch«, schnaubte Jon.

Will kam wieder zu ihnen zurück, hob seine Waffe empor und meinte: »Ich habe sie, wir können los.«

»Gut. Beeilen wir uns!«

Zehn Minuten später konnten Kate und Tom eine schwarze Limousine sehen, die den Hang heraufgefahren kam.

»Da sind sie«, hauchte Kate.

Tom beobachtete das Fahrzeug.

»Ich hoffe nur, dass die Polizei auch hier heraufkommen kann«, murmelte er. »Ich rufe sie am besten gleich an.«

»Aber wenn diese Kerle, die Straße hier hochkommen, dann kann das die Polizei doch auch.«

»Das sind Kriminelle, Kate. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die sich an Straßensperren halten?«

»Aber, das muss die Polizei doch auch nicht.«

»Warten wir’s ab.«

Inzwischen hatte die Polizei Toms Anruf entgegengenommen.

»Können Sie mich verstehen?«, fragte er den Beamten. Es dauerte ein paar Sekunden, dann sagte er erleichtert: »Gut.«

Kate war klar, dass Tom kein Italienisch sprechen konnte.

Tom erklärte dem Beamten kurz, um was es ging und dass sie möglichst schnell hier heraufkommen sollten.

Nach dem Gespräch sah er Kate schulterzuckend an.

»Die haben gesagt, dass sie es versuchen. Allerdings wäre auf den Straßen das reinste Chaos. Einsatzkräfte aus der ganzen Region sind hier, um für Ordnung zu sorgen.«

»Mist«, hauchte Kate. Sie deutete zu Jack. »Sieh mal. Jon und Will kommen gerade bei ihm an.«

Tom wandte seine Aufmerksamkeit Jack zu, der jetzt ziemlich aufgebracht auf Jon einsprach.

»Was ist denn jetzt los?«, wunderte sich Tom.

Kate konnte sich ein breites Grinsen nicht unterdrücken.

»Der ist stinksauer, weil die beiden nicht auf ihn gehört haben und bei ihm aufgetaucht sind.«

»Sieht so aus.« Auch Tom grinste breit. »Es ist schön, Jack mal wieder in Aktion zu sehen.«

»Oh, das konnten wir zwischenzeitlich schon öfter«, sagte Kate. »Erst letztes Jahr war Jack wieder voll in seinem Element. Hast du letzten Winter etwas von den Terroranschlägen mit diesem Virus mitbekommen?«

»Ja«, antwortete ihr Tom. »Jon hat mir davon erzählt.« Dann gab er ihr mit der Hand ein Zeichen, dass sie kurz verstummen sollte. »Die Kerle steigen aus. Jetzt wird es ernst, Kate.«

»Oh je«, hauchte sie.

Leise beobachteten die beiden, was vor sich ging.

Die Beifahrertür der schwarzen Limousine öffnete sich. Sie konnten einen breitschultrigen, muskulösen Mann aussteigen sehen. Auch eine der hinteren Türen wurde geöffnet. Ein weiterer Mann, der genauso kraftstrotzend aussah, wie der Erste, stieg jetzt aus. Beide waren sie an den Armen, am Hals und im Gesicht tätowiert.

»Die sehen ja fürchterlich aus«, murmelte Kate.

»Pst«, machte Tom.

Der Beifahrer ging jetzt langsam auf Jack zu, während der andere Mann neben dem Fahrzeug stehen blieb.

»Das könnte brenzlig werden«, murmelte Kate. »Schau dir diese Typen doch nur mal an!« Kates Blick glitt zum Fahrzeug zurück, indem noch ein weiterer stämmig aussehender Mann hinter dem Steuer saß.

»Scheiße«, entwich es Tom. Er hatte Jack dabei beobachtet, wie er dem Mann die Tasche überreicht hatte. »Der sieht sich die Jacken genau an, Kate. Jetzt wird er jeden Moment wissen, dass er nicht alles bekommen hat.«

»Er hat es bemerkt«, keuchte Kate. »Schau doch nur, wie er Jack anfunkelt. Oh, …, er hat eine Pistole gezogen.«

Sie beobachteten den Mann, der nun Nase an Nase, Jack gegenüber stand.

»Sieht aus, als wäre der Kerl fuchsteufelswild«, hauchte Tom.

»Wir wissen ja, wie Jack darauf reagieren kann.«

Kate hatte kaum ihren Mund geschlossen, da griff Jack nach der Pistole, überwältigte gleichzeitig den Mann und hatte ihn in Sekundenschnelle im Hebelgriff.

»Jack ist einfach genial«, murmelte Tom. »Der hat ihn voll im Schwitzkasten.«

»Sieh mal«, japste Kate. »Der Kerl am Auto hat ebenfalls seine Pistole gezogen!«

Tom wandte seinen Blick dem Mann zu.

»Sieht so aus, als würde er sich Jon vorknüpfen wollen. Ha, er sieht erst jetzt, dass Jon und Will auch bewaffnet sind.«

»Oh nein«, hauchte Kate.

Mit geweiteten Augen beobachtete die beiden, wie Will und Jon mit vorgehaltenen Waffen auf den Mann zugingen.

»Lassen Sie die Waffe fallen«, rief Jon, gleich darauf bemerkte er, dass der Fahrer aussteigen wollte. »Bleiben Sie im Wagen sitzen!«, rief er ihm zu. »Wir sind von der Antiterroreinheit. Die Polizei wird jeden Moment hier eintreffen. Die werden Sie wegen Schwarzhandels verhaften.«

Alarmiert, was Jon ihnen gesagt hatte, versuchte sich der Mann, den Jack in seiner Gewalt hatte, zu befreien.

Der Mann am Auto, auf den Will und Jon langsam zugingen, richtete seine Waffe abrupt auf Jack.

»Wenn ihr eure Waffen nicht runternehmt«, rief er, »erschieße ich ihn!«

PENG Eine Kugel, die vom Fahrer abgefeuert wurde, traf Jon an der Brust. Jon keuchte, tastete sich ab und zog an der Stelle, an der er getroffen wurde, sein Smartphone hervor.

Will zielte unterdessen auf den Fahrer, schoss und traf ihn tödlich zwischen den Augen.

»Du miese Ratte«, rief Will. »Du wirst nie wieder auf uns schießen!«

Jon wandte sich dem Mann zu, der seine Waffe auf Jack gerichtet hatte, er ruckte kurz, Jon schoss, ohne zu zögern.

»Nicht!«, rief Jack. »Wir brauchen auch noch einen lebend.« Wütend stieß er den Mann, den er im Hebelgriff hatte auf den Boden und sah auf ihn hinab. »Deine Freunde sind tot«, zischte er. »Du wirst aufstehen und mitkommen!« Er riss ihn hoch, drückte ihm den Lauf seiner Pistole an den Rücken und drängte ihn über die Weide zu Auroras Anwesen.

»Was hast du vor?«, wollte Jon von ihm wissen. »Ich dachte, wir warten auf die Polizei?«

»Ich bleibe doch nicht hier, wie eine Zielscheibe stehen, Jon. Es könnte sein, dass uns jemand beobachtet hat und nun Verstärkung holt. Die Schießerei hat man sicher noch bis ins Tal gehört.«

»Willst du ihn etwa mit, zu Hurleys Familie nehmen?«, wunderte sich Will.

Jon schnaubte laut.

»Das ist auch immer noch meine Familie. Natürlich werden wir ihn mit dort hinnehmen.«

»Bist du verletzt?«, erkundigte sich Jack bei ihm.

»Nein«, sagte Jon. »Ich werde nur einen blauen Fleck kriegen, aber das hier«, er zeigte ihm sein zerstörtes Handy, »hat sich wohl erledigt.«

»Da hat doch jemand geschossen?«, erschrak sich Aurora.

Rooie sprang sofort von seinem Stuhl auf.

»Das muss Jack gewesen sein«, keuchte er. »Ich muss ihm helfen. Das ist alles meine Schuld.«

»Du bleibst hier«, fauchte ihn Allen an. »Jack macht das schon.«

Granny lehnte sich entspannt auf ihrem Stuhl zurück und sah grinsend zu Aurora.

»Sie kennen Jack noch nicht«, sagte sie. »Ihm passiert nichts, das weiß ich.«

»Es wurde geschossen, Granny!«, betonte Aurora. »Und wo sind überhaupt all die anderen? Wo ist Jon?« Sie stand schnell auf. »Da wird doch Jon nicht dabei sein? Sagt mir bitte, was hier vor sich geht!«

»Beruhige dich doch«, bat sie Hurley. »Jack, Jon und Will kümmern sich nur um eine Tasche, die Rooie jemandem mitgebracht hat.«

»Ich wusste das doch auch nicht«, jammerte Rooie.

»Aber was ist denn mit dieser Tasche?«, wollte Aurora wissen. Rooie verzog das Gesicht.

»Da sind Jacken drinnen«, murmelte er schmollend. »Ein Bekannter, der im gleichen Fitness-Studio trainiert, wie ich, wollte, dass ich die Sachen seiner Familie mitbringe. Aber Jon hat in dem Innenfutter der Jacken noch was anderes gefunden.«

»Da sind sie ja«, rief Allen, der in diesem Moment Jon, Will und Jack, über die Wiese, auf sich zukommen sah. »Die haben ja einen von diesen Kerlen mit hier hergebracht?«

Hurley stand auf und lief den Männern entgegen.

»Was ist passiert?«, rief er ihnen auf halbem Weg zu.

Tom und Kate sahen verwirrt dabei zu, wie Jack, ohne auf die Polizei zu warten verschwand.

»Wir müssen zu den anderen«, meinte Tom. »Die gehen vorne auf das Haupthaus zu. Wo bleibt denn nur die Polizei?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass die vielleicht gar nicht aus der Stadt herauskommen.«

»Egal, Kate. Komm mit. Ich möchte wissen, was da läuft. Jack hat den einen Kerl ja immer noch im Schwitzkasten.«

Daraufhin beeilten sich die beiden und rannte zu ihren Freunden, die sich alle unter dem Pavillon versammelt hatten. Als Tom und Kate bei ihnen ankamen, fuhr ein Geländewagen die Zufahrt herauf und hielt neben ihrem Bus an.

»Das ist Riccardo«, wunderte sich Hurley. »Ich dachte, er hätte in der Stadt alle Hände voll zu tun?«

Riccardo stieg aus und kam auf sie zu.

»Wir müssen hier weg«, rief er. »Los! Kommt, schnell! Sie beginnen mit der Evakuierung, und zwar im großen Stil.«

»Das kann doch unmöglich dein Ernst sein«, murrte Hurley, doch zeitgleich bebte der Boden unter ihren Füßen.

Despina nahm verschreckt ihre beiden Söhne an die Hand, dann hörte das Beben auch schon wieder auf.

»Aber wohin werden wir denn gebracht?«, fragte Despina. »Können wir unsere Sachen wenigstens noch mitnehmen?«

»Nein«, brummte Riccardo. Er stand jetzt bei ihnen am Tisch, funkelte seine Mutter an und meinte: »Aurora, sei bitte so gut und komm mit. Wir müssen alle Personen von hier wegbringen. Damit bist auch du gemeint.«

»Aber Riccardo-«

»Kein aber!« Riccardo wandte sich an Hurley. »Du nimmst den Bus. Fahr mir mit deinen Freunden hinterher.« Jetzt wandte er sich wieder an Aurora. »Du fährst bei mir mit. Und deine beiden Dienstboten, die heute hier sind auch. Ruf sie und beeile dich.«

Jack wandte sich dem hünenhaften Kerl zu, den er noch in seiner Gewalt hatte.

»Verschwinde«, riet er ihm. »Sei froh, dass es im Moment wichtigeres gibt, als dich und deine windigen Geschäfte.«

Jack stieß den Mann von sich, der nun der Länge nach auf den Boden fiel.

Unverständlich vor sich hin brummelnd, stand er auf und lief über die Wiese davon.

Jetzt kam Aurora mit ihren beiden Dienstboten wieder zu ihnen heraus.

»Los!«, rief Riccardo. »Beeilt euch!«

Sie folgten ihm über die Wiese, zu den Autos, doch, noch bevor sie die Fahrzeuge erreicht hatten, bebte der Boden erneut. Dieses Mal war das Beben um einiges heftiger.

Kate riss es glatt weg von den Füßen. Es ging so schnell, dass sie sich beim Stürzen nicht einmal abfangen konnte. Sie lag gestreckte längs auf der Wiese, rappelte sich schnell wieder auf, doch im selben Augenblick rumpelte es erneut. Erschrocken sah sie sich um.

Sie konnte Granny sehen, die ebenfalls auf dem Boden lag. Derek und Jojo klammerten sich schreiend an ihre Mutter, die von Allen gestützt noch aufrecht stand. Mo krallte sich verängstigt an Rooie fest, der sich Hilfe suchend umsah. Ein paar Meter entfernt konnte sie den Mann sehen, den Jack laufen gelassen hatte. Er taumelte und stürzte jetzt auch zu Boden. Es war ein heilloses Durcheinander. Steine, die sich durch das Beben gelöst hatten, prasselten laut polternd den Hang zu ihnen herunter.

»Scheiße«, schrie Riccardo, den es ebenfalls von seinen Füßen gerissen hatte.

Kate versuchte aufzustehen, doch das Beben wollte einfach nicht aufhören. Sie sah die Steine auf sich zukommen und beschloss rasch über die Wiese zu den Olivenbäumen zu krabbeln.

Sie stützte sich gerade mit ihren Händen auf dem Gras ab, da ließ der Boden unter ihr nach. Ihre Hände sackten tief in die Erde hinein.

»Oh mein Gott«, rief sie entsetzt.

Der Boden unter ihr riss der Länge nach auf.

Sie sah sich Hilfe suchend nach ihren Freunden um, bemerkte dann, dass die Erde sich nicht nur unter ihr geöffnet hatte, sondern über die komplette Wiese hinweg, bis kurz vor Auroras Haus.

Schreiend und um Hilfe kreischend fielen sie hinab und wurden von der Erde verschluckt.

Alles war dunkel und still.

»Kate, …, Kate«, hörte sie aus der Ferne Will rufen. »Kate. Komm schon, wach auf!«

Es war nur ein Traum, dachte sich Kate. Es war ein schrecklicher Albtraum. Langsam öffnete sie ihre Augen.

Sie konnte kaum etwas erkennen. Alles war so finster, nur langsam konnte sie ihre Umgebung wahrnehmen.

»Na also«, sagte Tom. Er stand neben Will und sah besorgt auf sie herab. »Wach ist sie schon mal. Tut dir was weh?«

»Ich, …, ich denke nicht. Puh«, machte Kate. »Es ist so fürchterlich heiß hier. Wo sind wir überhaupt?«

Kate sah sich um.

Es war so dunkel an diesem Ort.

Das einzige Licht kam von einer Taschenlampe, die Riccardo in seiner Hand hielt. Er leuchtete damit die lehmigen Wände ab.

»Riccardo meint, wir hätten Glück im Unglück gehabt«, erklärte ihr Will. »Durch die Aktivität des Vulkans hat der Boden irgendwie nachgegeben, wir sind unter der Erde.«

Kate setzte sich entsetzt auf.

»Nein?«, schrie sie. Erneut sah sie sich um. »Wir sind lebendig begraben?«

Jack hatte sie schreien gehört und kam rasch auf sie zu.

Er hatte sich sein Hemd ausgezogen und trug jetzt nur noch ein dünnes Trägertop zu seiner Jeanshose.

»Hast du dir wehgetan, Kate?«, fragte er.

»Nein«, seufzte sie. »Aber Will hat mir gerade gesagt, dass wir unter der Erde begraben sind.«

»Beruhige dich«, sagte Jack. »Wir werden einen Weg finden, wie wir hier hinauskommen.«

»Einen Weg finden?«, schrie sie schrill. »Es wird gerade alles evakuiert, Jack. Wir müssen hier weg, und zwar ziemlich schnell.«

»Kate!«, entrüstete sich Jack. »Beruhig dich doch. Wir haben Verletzte. Denen müssen wir erst mal helfen. Wenn du dir nicht wehgetan hast, könntest du dich auch nützlich machen und nicht nur jammern.«

»Jack!«, herrschte ihn Will an. »Sie ist gerade erst wachgeworden. Mach mal langsam. Wir helfen ja. Sag mir lieber, wie schlimm es die anderen erwischt hat.«

»So, wie es aussieht, hat Granny sich den Arm gebrochen«, fing Jack an. »Derek und Jojo sind in Ordnung, aber verstört. Hurley kümmert sich um sie. Allen und Despina liegen dort drüben.« Er deutete rechts zu Allen, der an einer lehmigen Wand saß, während seine Frau vor ihm am Boden lag. »Despina hat es schlimm erwischt. Ich weiß nicht, ob sie durchkommt. Allen hat zum Glück nur eine Beule an seinem Kopf. Er kümmert sich um seine Frau.«

Etienne kam auf sie zu.

Kate konnte ein paar Kratzer auf seiner Wange sehen, seine Hose war zerrissen, doch ansonsten sah er gesund aus.

»Aurora ist jetzt wach. Isch ’abe ihr so gut isch konnte ge’olfen. Isch ’abe sie dort drüben ’ingelegt. Sie sagt, ihr würde nur der Bauch etwas wehtun.«

»Wo ist Sharon?«, wollte Kate wissen. »Ich kann sie nirgends sehen.«

Riccardo kam jetzt mit seiner Taschenlampe zu ihnen.

»Sharon ist bei Hurley. Ihr geht es gut«, antwortete er ihr. Riccardo leuchtete sie von oben bis unten ab. »Hast du dir wehgetan?«

Kate versuchte aufzustehen.

Ihre Knöchel taten ihr weh, doch schien ansonsten alles heil geblieben zu sein.

»Ich glaube«, antwortete sie ihm, »es ist alles in Ordnung. Ich habe mir anscheinend nur die Knöchel verstaucht, mehr nicht.«

»Gut.« Riccardo wandte sich an Jack. »Könntest du mit mir zu dieser Japanerin gehen? Ich glaube, da stimmt etwas nicht.«

Kate folgte seinem Blick und konnte Mo, nicht weit von ihnen entfernt, auf dem Boden liegen sehen.

Als Riccardo den Schein seiner Taschenlampe zu ihr flackern ließ, bemerkte Kate, dass Mo käseweiß war.

Rasch folgte sie Jack und Riccardo.

Rooie saß neben seiner Freundin und versuchte sie zu beruhigen.

»Das wird wieder«, murmelte er.

Jack kniete sich neben sie.

»Wo tut’s denn weh?«, wollte er von ihr wissen.

»Es tut mir nichts weh«, jammerte sie. »Das ist es ja. Ich spüre nichts und kann mich nicht mehr bewegen. Ich kann nichts bewegen, Jack«, wiederholte sie aufgebracht.

Jack nahm ihren Kopf in seine Hände. Er untersuchte ihn, kontrollierte kurz, ob Blut an seinen Händen war, während ihm Riccardo das nötige Licht spendete.

»Dein Kopf scheint unverletzt zu sein, Mo«, sagte Jack erleichtert. Jetzt tastete er vorsichtig ihren Hals ab. »Sag mir, was du fühlen kannst«, bat er sie.

Ihr Augen füllten sich mit Tränen.

»Ab den Schultern abwärts nichts mehr.«

Will ging ebenfalls in die Knie.

»Das ist der Schock«, sagte er.

»Ja«, murmelte Jack. »Das dürfte ein Schockzustand sein.«

Rooie schnaubte.

»Und was soll das heißen?«

Jack ignorierte ihn.

»Kannst du meine Hände auf deinen Schultern spüren?«, erkundigte er sich sicherheitshalber noch einmal bei Mo.

»Ja. Aber ich kann meine Hände nicht bewegen und Rooie sagt, er hätte sie vorhin berührt. Ich habe ihn aber nicht gespürt.« Tränen kullerten ihr aus den Augenwinkeln.

»Es ist nicht, wie du denkst«, versuchte Jack sie zu beruhigen. »Du stehst unter Schock, da kann so etwas vorkommen. Du wirst wieder gesund.« Er wandte sich jetzt an Rooie. »Das kann allerdings ein bisschen dauern.«

»Wie lange?«, kam es sofort von ihm.

»Stunden, manchmal auch ein paar Tage.«

»Aber sie wird doch irgendwann wieder etwas fühlen können?«, hakte Rooie nach. »Wird sie wieder ganz gesund werden?«

»Auf jeden Fall«, versicherte ihm Jack. »Aber wir sollten vorsichtig sein, weil wir in diesem Zustand nicht feststellen können, ob sie sich doch verletzt hat, weil sie keine Schmerzen fühlt.«

Betroffen sah Rooie zu seiner Freundin.

»Ich trage dich, keine Angst. Wir bleiben zusammen.«

»Das geht nicht«, brummte Riccardo. »Wenn sie innere Verletzungen hat, darfst du sie nicht anheben.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach sonst tun?«

Jack seufzte laut.

»Wir müssen sowieso erst noch hier bleiben, Rooie«, erklärte er ihm.

Die Erde wackelte erneut.

»Hört das denn nie auf?«, stöhnte Kate. »Ich muss hier raus. Ich bekomme hier unten Beklemmungen.«

Jojo und Derek schrien hinter ihnen laut auf.

Kurz darauf hörte das Beben schon wieder auf.

»Das, was vorhin passiert ist«, erklärte ihnen Riccardo, »da hatten wir mehr Glück als Verstand. Sollte es den Gipfel des Vulkans in die Luft sprengen, dann sind wir hier fürs Erste am sichersten. Die Evakuierung ist in vollem Gang. Bis wir hier hinausfinden, wird es womöglich zu spät sein. Wir müssen hier bleiben, bis der Vulkan sich beruhigt hat.«

»Du bist ja völlig verrückt«, murrte Kate.

»Du verstehst das nicht, Kate. Stell dir vor, was passiert, wenn der Vesuv ausbricht.«

Riccardo wartete mit hochgezogenen Augenbrauen eine Antwort von ihr ab.

»Wenn das passiert, sollten wir nicht in der direkten Nähe des Vulkans sein. Das sind wir hier aber!«

Riccardo schüttelte seinen Kopf.

»Ich habe mir das heute Vormittag mit meinen Kollegen genau angesehen, Kate. Im Inneren des Vulkans haben sich Gase entwickelt. Es sieht ganz danach aus, dass sie nicht entweichen können, weil das Magma zu zähflüssig geworden ist. Deshalb ist laut unseren Berechnungen auch der Gasdruck gestiegen. Wenn das Magma, das um diese Gasblasen fließt, breiförmig geworden ist, kann sich ein Hohlraum bilden-«

»Der Hohlraum«, unterbrach ihn Kate, »indem wir gerade stehen?«

»Natürlich nicht. Das würden wir nicht überleben. Aber durch dieses dickflüssige Magma kann sich eine Staukuppe entwickeln, die instabil werden könnte, sodass alles kollabieren würde.«

»Was würde passieren?«, hakte Kate nach.

»Wenn der Vesuv ausbricht, wird das Gas entweichen, Kate. Das Gas, das sich in den Blasen befindet. Dadurch entsteht ein pyroklastischer Strom.«

»Scheiße«, hauchte Jon, dem das etwas gesagt hatte.

»Ich verstehe das nicht«, murrte Kate.

»Da oben wird alles vernichtet werden«, antwortete ihr Riccardo. »Die Asche und der Staub können bis zu achthundert Grad Celsius heiß werden.«

»Scheiße«, japste Jack. »Bist du dir da sicher?«

Riccardo nickte und erklärte weiter: »Die vulkanische Asche und die Gase gleiten mit bis zu siebenhundert Kilometern pro Stunde den Hang hinunter. Die haben eine enorme Zerstörungskraft.«

Rooie deutete über sich.

»Dann steht da oben doch nichts mehr?«, murmelte er. »Und wie lange wird es dauern, bis sich das beruhigt hat?«

»Pompeji wurde, nachdem der Vesuv ausgebrochen war, achtzehn Stunden später von einem weiteren dieser pyroklastischen Ströme erfasst.«

Geschockt über das soeben gehörte sah ihn Rooie mit geweiteten Augen an.

»Das würde ja bedeuten, dass wir hier noch Stunden drinnen ausharren müssen? Weißt du, Riccardo, es ist unmenschlich warm hier drinnen!«

»Draußen könnte es jeden Moment zu solch einem pyroklastischen Strom kommen. Das würdest du nicht überleben, glaube mir.« Riccardo wandte sich von ihm ab und leuchtete zu Hurley hinüber, bei dem sich die Kinder nicht beruhigen wollten. »Komm, Jack«, sagte er. »Wir schauen mal, was da los ist.«

Etienne kam gerade noch einmal auf sie zu.

»Riccardo«, murmelte er. »Da drüben liegen swei Tote. Isch kenne sie nischt, aber Aurora ’at mir gesagt, dass es sisch um eure Dienstboten ’andelt.«

Riccardo nickte stumm.

Kates Abenteuer in Portici

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