Читать книгу Kates Abenteuer in Portici - Sandra Goldoni - Страница 9

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Ein Engel

Kate, Will und Tom blieben bei Rooie, um Mo Gesellschaft zu leisten.

Auch Granny und Aurora kamen zu ihnen herüber.

Kate deutete auf Grannys verletzten Arm.

»Wo hat Jack denn das Verbandsmaterial her?«

Granny schüttelte den Kopf.

»Das war einmal sein Hemd, Kate. Jack hat es zerrissen und um meinen Arm gebunden, damit sich die Wunde nicht entzündet und dass der Arm etwas gestützt wird. Puh«, stöhnte sie. »Ich halte diese Hitze nicht mehr aus.« Granny sah über sich an die Decke. »Wo sind wir hier überhaupt? Und warum sind über uns Felsbrocken? Wir sind da doch irgendwo heruntergefallen. Wir müssten eigentlich den Himmel über uns sehen können.«

Aurora stöhnte laut, als sie sich neben Mo setzte. Sie hielt sich ihren Bauch fest.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Kate. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

»Nein, mein Kind. Und sag einfach du und Aurora zu mir«, bot sie ihr an. »Mir ist ein Stein auf den Bauch gefallen, als wir hier heruntergestürzt sind. Das wird ein mächtig blauer Fleck werden. Aber ich denke, mehr ist nicht kaputtgegangen. Der hier«, sie tippte auf ihren Bauch, »ist unter seinem Fett gut geschützt.« Sie schmunzelte, dann wandte sie sich Granny zu. »Ich kann dir sagen, wo wir uns befinden.«

»Lass hören«, bat Granny sie.

Neugierig lauschten die anderen, was Aurora ihnen zu sagen hatte.

»Meine Mutter hat immer davon gesprochen, dass sich am Fuße des Vesuvs ein unterirdischer Gang befindet. Die Bewohner Neapels hielten meine Mutter für verrückt. Aber jetzt könnt ihr es mit euren eigenen Augen sehen. Wir müssen in diesen Gang gefallen sein und über uns«, sie deutete an die Decke, »seht ihr diese dicken Balken, auf denen diese großen Felsbrocken liegen?«

Sie sahen alle hinauf.

»War da mal eine Decke oder auf was willst du hinaus?«, murmelte Granny.

»Ich weiß nicht, wie der Gang ausgesehen haben soll, aber ich denke, dass wir durch die Decke hier heruntergefallen sind. Wir konnten doch alle noch hören, wie die Steine den Berg herunterkamen. Zum Glück haben die Balken gehalten, sonst hätte uns das Geröll erschlagen.«

»Und für was soll der Gang sein?«, erkundigte sich Rooie. »Wo führt der denn hin?«

»Der Legende nach, soll er immer tiefer und tiefer hinunterführen.«

»Noch tiefer?«, stöhnte Mo. »Noch weiter runter, zu der heißen Lava? Mir ist jetzt schon warm genug.«

Granny sah Aurora ungläubig an.

»Das glaubst du doch selbst nicht«, meinte sie. »Was hätte man dort unten suchen sollen? Hat deine Mutter dir denn nie gesagt, was es mit diesem Gang hier auf sich hat?«

»Oh doch. Es geht immer weiter hinab, bis zu einer tiefen, heißen Höhle.« Sie sah ihre Freunde reihum an, dann meinte sie: »Die Höhle des Satans. Sie ist auch als Hölle bekannt.«

Mo schrie kurz und schrill auf.

Kate wusste, dass Mo solche Geschichten für ernst nahm. Sie war auch der festen Überzeugung, dass es Geister geben würde, die in alten Burgen und Schlössern herumspuken.

»Ach lass doch, Aurora«, sagte sie, damit Mo nicht noch mehr Angst bekam. »Nach einem Gang sieht es hier ja nicht gerade aus«, überlegte sie sich laut, wobei sie sich erneut umsah. Ihr kam es eher so vor, als wären sie in einen Raum gefallen, der ungefähr sieben mal fünf Meter maß. An der Stelle, an der Despina lag, konnte sie, etwas weiter rechts, einen Durchbruch sehen, indem es um einiges schmäler weiterging. »Da drüben, das gleicht eher solch einem unterirdischen Gang. Aber ganz sicher führt er nicht in die Hölle. Das hat man früher sicher nur gesagt, weil es hier so heiß ist.«

»Das könnte ich mir auch vorstellen«, mischte sich Will ein. »Vielleicht haben die damals den Vulkan hier drinnen untersucht. Diverse Versuche gemacht, versteht ihr? Die Wärme gemessen oder so etwas.«

Etienne stieß mit seinem Schuh einen Stein zur Seite und setzte sich zu ihnen auf den Boden.

»Das müsste Riccardo doch eigentlisch wissen«, meinte er. »He«, rief er ihn und gestikulierte ihn zu sich.

Weil sich die Kinder zwischenzeitlich beruhigt hatten, kam er mit Jack wieder zu ihnen herüber.

»Despina geht es gar nicht gut«, seufzte Jack.

Riccardo nickte schulterzuckend.

»Aber hier unten können wir im Moment nichts für sie tun«, sagte er und sah zu dem Durchbruch zurück. »Ich frage mich, wohin es dort drüben geht?«

»Das wollten wir gerade von dir ’ören«, sagte Etienne.

Riccardo sah in fragend an.

»Und wieso sollte ich das wissen?«

Etienne deutete auf Aurora.

»Sie wusste von diesem Gang.«

»Natürlich«, sagte Aurora. »Deine Großmutter hatte ihn doch ständig erwähnt.«

»Ach dieser Irrglaube von der Hölle des Satans.« Riccardo tat das mit einer Handbewegung ab. »Vergesst es. Das ist so ein Geschwätz von früher-«

»Es ist kein Geschwätz«, zischte ihm Aurora dazwischen. »Du siehst es doch selbst. Du stehst in diesem Gang. Schau mal über dich. Siehst du nicht diese Holzbalken?«

Jack und Riccardo sahen hinauf.

»Meinetwegen«, brummte Riccardo. »Dann ist hier eben ein Gang, aber er führt nicht zum Teufel.«

»Will ’atte gerade gesagt, er könnte gebaut worden sein, um den Vesuv su untersuchen«, erklärte ihm Etienne. »Du arbeitest doch ’ier als Geologe. ’at denn keiner von eusch eine Ahnung von diesem Bauwerk?«

»Nein«, antwortete ihm Riccardo kopfschüttelnd. »Aber das könnte durchaus sein, dass hier früher einmal irgendwelche Untersuchungen durchgeführt wurden. Immerhin logischer, als ein Weg, der zur Hölle führt.«

Mo stöhnte erneut auf.

»Ich will hier raus«, krächzte sie.

»Das geht so nicht«, entgegnete ihr Riccardo. »Ich müsste erst einmal mit jemandem telefonieren, der weiß, was da draußen vor sich geht. Sowie wir hier rauskommen und so ein pyroklastischer Strom über das Land hinwegfegt, sterben wir und zwar in Sekundenschnelle!«

»Und wie lange sollen wir hier unten bleiben?«, wollte Jack wissen. »Deine Batterien halten nicht ewig. Diese Hitze ist kaum auszuhalten und wir haben nicht einmal etwas zu trinken hier.«

»Ja, ich weiß«, sagte Riccardo. Er setzte sich neben Aurora auf den Boden. »Weißt du, wo der Eingang zu diesem Schacht war, Mutter? Wo sind die Männer früher rein, um in diesen Gang zu gelangen?«

»Das muss in der Via Vesuvio gewesen sein«, sagte sie mit in Falten gelegter Stirn. »Ja. Soviel ich weiß, soll der Zugang in der Via Vesuvio liegen. Da bin ich mir ziemlich sicher.«

»Wo ist denn diese Straße?«, erkundigte sich Kate. »Ist das weit weg von hier? Vielleicht können wir dort wieder raus?«

Riccardo wandte sich ihr zu.

»Das Landgut von Aurora liegt in der Via Focone. Luftlinie dürften das etwa drei Kilometer sein. Je nachdem, wo sich der Ausgang in der Via Vesuvio befindet und wie der Gang hier drinnen verläuft, dürften wir mit«, er sah fragend zu Jack, »etwa fünf bis acht Kilometern rechnen?«

Jack kräuselte die Stirn.

»Ich dachte, die vielen Olivenhaine gehören auch noch zu eurem Landgut?«

»Auf jeden Fall«, bestätigte ihn Riccardo. »Du hast recht, es müsste noch etwas weiter oben hinausgehen.«

Hurley kam mit Sharon und den Kindern zu ihnen herüber.

»Allen hat uns gebeten, dass die beiden hier bleiben sollen.« Er sah eindringlich zu Jack. »Du solltest dir Despina ansehen. Allen weiß nicht, was er machen soll.«

Kate schrak hoch.

»Das sind unsere Hochzeitsgäste, Will. Wir müssen nach ihnen sehen!«

»Nein! Du bleibst hier«, forderte Will sie auf. »Ich werde mit Jack sehen, was wir tun können.«

Mit bangem Blick sah Kate den Männern hinterher.

»Hat es sie schlimm erwischt?«, murmelte Mo. Sie konnte sich nicht zu Despina umdrehen und starrte stattdessen, über sich, an die dunkle Decke.

Sharon kniete sich zu ihr.

»Sie hat starke Schmerzen«, antwortete sie Mo. »Ihre Atmung geht nur flach. Ich könnte mir vorstellen, dass sie was mit der Lunge hat.«

»Wie das?«, wunderte sich Granny. »Dann müssten doch auch ein paar Rippen gebrochen sein, oder?«

»Wahrscheinlich«, meinte Hurley. »Genau wissen wir das auch nicht. Keiner von uns ist Arzt. Und ohne ein Röntgengerät würde selbst ein Arzt nicht wissen, was mit ihr los ist.«

»Und raus, können wir hier auch nicht«, beklagte sich Rooie.

»Das würde nichts bringen«, sagte Riccardo. »Da draußen würdest du in den Krankenhäusern eh niemanden mehr finden. Zumindest nicht hier im Umkreis. Die sind mitten in der Evakuierung.« Er sah mit prüfendem Blick auf seine Armbanduhr. »Und um diese Zeit werden sie die Krankenhäuser schon leergeräumt haben.«

»Wenn da draußen überhaupt noch eins steht«, gab Aurora zu bedenken. »So, wie diese Felssteine den Hang heruntergekommen sind, könnte ich mir vorstellen, dass da mächtig viel kaputtgegangen ist.«

»Beschissene Situation«, bestätigte sie Granny.

Will kam zu ihnen zurück.

Er flüsterte Hurley etwas ins Ohr, der die Kinder daraufhin an seine Hand nahm und sie zu ihren Eltern führte, dann wandte Will sich seinen Freunden zu.

»Despina stirbt«, sagte er sachlich. »Jack ist sich sicher, dass sich ein abgebrochener Rippenbogen in einen ihrer Lungenflügel gebohrt hat.«

Kate schlug sich die Hand vor den Mund. Mit großen Augen sah sie ihren Mann an.

Auch Mo war entsetzt.

»Das ist ja furchtbar«, kam es piepsig von ihr.

»Die Kinder sollen sich noch von ihr verabschieden«, fuhr Will fort. »Deshalb habe ich Hurley gebeten, sie zu ihrer Mutter zu bringen.«

»Und Allen?«, wollte Granny von ihm wissen. »Verkraftet er es?«

Will zuckte mit den Schultern.

Jetzt kam Jack zu ihnen.

Kate sah zu den Kindern hinüber, die nicht weinten, aber auf dem Boden neben ihrer Mutter knieten. Allen gab seiner Frau einen sanften Kuss auf die Stirn.

Will sah Jack fragend an, der daraufhin seinen Kopf schüttelte.

»Was soll das heißen?«, keuchte Kate. Ihr wurde es ganz flau im Magen.

»Despina hat es nicht geschafft, Kate«, erklärte ihr Jack. »Sie war sehr schlimm verletzt.«

»Oh nein«, hauchte Kate.

Sharon kam zu ihr und nahm sie tröstend in ihren Arm.

Beide Frauen wandten sich von den anderen ab und blieben wenige Meter entfernt stehen.

»Es ist so grausam«, murmelte Sharon. »Es sollte das schönste Fest überhaupt werden und jetzt so etwas.«

»Es, …, es hätte, …, so wunderschön werden können«, stammelte Kate. »Es war von euch alles so großartig vorbereitet. Das schöne Anwesen, die traumhafte Kirche, …«

»Ich glaube nicht, dass die noch steht. Und das Anwesen, …, Kate, das Anwesen, du weißt selbst, dass sich dort der ganze Boden aufgetan hat. Und jetzt sieh hinauf, da liegen massenweise Felsbrocken.«

»Du hast recht, es wird nichts mehr sein, wie es war.«

Schweigend sahen die beiden Frauen noch einmal zu Despina.

Wieder war ein heftiger Erdstoß zu spüren.

Kate sah entsetzt zu Will zurück, dabei bemerkte sie Mo.

»Schau doch, Sharon!«, hauchte sie. Kate deutete auf die Japanerin. »Mo sitzt aufrecht.«

»Wenigstens eine gute Nachricht«, schnaubte Sharon. Sie nahm Kate an ihre Hand. »Komm, wir fragen sie, wie es dazu kam.«

»Ein erneuter Schock«, erklärte ihnen Jack gerade. »Das kann eine Umkehrfunktion hervorrufen. Zuvor hat ein Schock dazu geführt, dass Mo nichts fühlen und sich nicht bewegen konnte und nun hat der Schock, dass Despina gestorben ist, die Symptome wieder aufgehoben.«

Granny beobachtete Rooie, der verwirrt an die Wand starrte.

»Ist alles in Ordnung mit dir, mein Junge?«, fragte sie ihn.

»Ja«, murmelte er. »Ich weiß nur nicht, ob ich mich wirklich freuen kann, dass es Mo jetzt besser geht.«

»Wie bitte?«, wunderte sich Granny.

»Na«, er sah sie herausfordernd an. »Ich kann mich doch nicht freuen, dass Despina gestorben ist.«

Granny schüttelte ihren Kopf, wobei ihr der lange graue Haarzopf hin- und her baumelte.

»Darüber sollst du dich doch auch nicht freuen. Du solltest erleichtert sein, dass Mo wieder gesund ist.«

Mo stand jetzt vorsichtig auf.

»Mach langsam«, riet ihr Sharon.

Rooie sprang schnell auf und stützte sie.

»Ich halte dich.«

»Nein«, sagte sie. »Es geht schon.«

»Tut dir was weh?«, wollte Riccardo wissen.

»Nein. Mir geht es gut.« Sie sah vor sich und konnte Allen mit den Kindern auf sich zukommen sehen. »Ach herrje.«

Hurley ging direkt auf die Kinder zu.

»Derek, Jojo, kommt her zu uns«, sagte er und führte die beiden, gemeinsam mit Sharon, etwas weiter weg von ihren Freunden.

Kate wunderte es, dass sie nicht weinten, sondern nur traurig ihre Köpfe hängen ließen.

»Ich habe ihnen erklärt«, sagte Allen mit belegter Stimme, »dass ihre Mutter jetzt ein Engel ist, der über uns alle wacht.«

»Wir müssen hier raus«, schniefte Mo, als der Boden unter ihren Füßen erneut anfing zu beben.

Jack sah sich seine Freunde ringsum an.

»Seid ihr alle soweit fit, dass ihr laufen könnt?«

»Sieht ganz so aus«, meinte Riccardo.

»Aber was machen wir mit Despina?«, hauchte Kate. »Wir können sie doch nicht einfach hier zurücklassen?«

»Es hätte keinen Sinn«, krächzte Allen. »Sie ist«, er sah sich rasch zu Jojo und Derek um, die mit Hurley und Sharon wenige Meter von ihnen entfernt standen, sie jedoch hören konnten, dann räusperte er sich kurz und sprach weiter. »Sie ist ein Engel. Wir brauchen ihren Körper nicht zu tragen, weil sie jetzt fliegen kann. In unserer größten Not werden wir sie sicher wieder sehen können.«

Kate bemerkte, dass bei Derek nun doch ein paar Tränen kullerten. Er sagte jedoch nichts.

Jack wandte sich von Allen ab und trat vor seine Freunde.

»Dann sollten wir mal nachsehen, wie weit wir hier kommen«, sagte er und führte sie zu dem Durchbruch. »Es könnte auch sein, dass der Schacht teilweise verschüttet ist.«

Rooie sah durch den Durchbruch hindurch nach links den Gang entlang, dann wandte er sich nach rechts.

»Und in welche Richtung gehen wir? Auf dieser Seite könnte es genauso entlanggehen, wie da.«

»Wir müssen höher hinauf«, antwortete ihm Riccardo. »Mir kommt es so vor, als würde der Weg rechts etwas ansteigen.«

»Versuchen wir es einfach«, schlug ihnen Jack vor. »Wenn es weiter hinten wieder bergab geht, dann wissen wir, dass wir umdrehen müssen.«

Jack lief ihnen mit Riccardo voraus.

Der Schacht, indem sie sich jetzt befanden, schätzte Kate auf drei Meter in der Höhe und knapp drei Meter in der Breite. Es ging hier nicht stetig geradeaus, stattdessen führte dieser Gang immer etwas nach links, um den Vulkan herum.

Kate war es hier viel zu dunkel, heiß und stickig.

Weil Riccardo der Einzige war, der eine Taschenlampe dabei hatte, konnten die anderen, hinter ihm, nur wenig sehen. Kate und Will liefen als Schlusslicht hinter ihren Freunden her und waren fast ganz im Dunkeln.

»Es ist so muffig hier«, konnte Kate Granny vor sich raunen hören.

»Nicht nur muffig«, beschwerte sich Kate. »Mein Shirt klebt so eklig an meiner Haut und ich habe Durst, wie ein Kamel. Das halte ich nicht lange aus, bei dieser Hitze.«

»Aber die Luft ist wirklich merkwürdig«, meinte Aurora, die neben Granny herlief. Mit erhobener Nase atmete sie die warmen Dämpfe ein. »Das riecht echt komisch hier.«

»Wenn du meinen Schweiß meinst«, murmelte Kate, »dann kann ich das im Moment nicht ändern.«

»Wenn, dann ist es der Schweiß von uns allen«, beruhigte sie Rooie, der ihr Gespräch mitbekommen hatte.

»Bleibt doch mal ernst«, bat sie Aurora. »Riecht ihr das denn nicht? Es ist so, …, so, ich weiß auch nicht.«

Auch Kate nahm nun einen leicht säuerlichen Geruch wahr.

»Du hast recht«, sagte sie. »Was ist das?«

»Hoffentlich kein giftiges Gas«, meinte Will, bei dem der Schweiß die Stirn hinab tropfte. »Riccardo!«, rief er. »Riccardo! Warte mal. Was ist, wenn hier giftige Gase aufsteigen?«

»Am besten, wir drehen wieder um«, murrte Granny. »Wir räumen die Steine weg, die auf den Balken liegen und gehen da raus, wo wir hereingekommen sind.«

Riccardo war stehen geblieben und hatte sich zu ihnen umgedreht.

»Das geht nicht, Granny!«, erklärte er ihr. »Denk doch an die pyroklastischen Ströme, die mit enormer Hitze alles zerstören. Ich müsste erst einmal meine Leute anrufen, damit wir wissen, wie die Lage dort draußen ist. Hier haben wir keinen Empfang. Oben, am Ausgang hätten wir vielleicht eine Chance.«

Granny sah ihn ungläubig an.

»Aber wenn wir weiter oben hinausgehen, werden wir diese Ströme doch auch abbekommen. Was ändert sich da?«

Riccardo schüttelte den Kopf.

»Wir spazieren da nicht einfach hinaus«, sagte er. »Sollte ich dort oben immer noch keinen Empfang haben, werden wir erst einmal nachsehen, wie es draußen überhaupt aussieht. Wir haben den Berg dann noch als Schutz. Wir können uns ruckzuck hier herein zurückziehen. Wenn wir auf Auroras Grundstück die Steine über uns wegräumen, haben wir keinen Schutz mehr, versteht ihr das denn nicht?«

»Doch«, murrte Rooie. »Aber was ist das für ein Geruch? Wir könnten giftige Gase einatmen.«

»Das ist Kohlendioxid«, erklärte ihnen Riccardo. »Es hat einen scharfen sauren Geruch. Das ist, wie unser Treibhausgas. Gedanken müssen wir uns erst machen, wenn es nach faulen Eiern riecht oder der Geruch stechend wird und wir einen sauren Geschmack verspüren.«

»Wieso?«, wollte Rooie wissen. »Was ist denn dann?«

»Das sind die giftigen Gase Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff. Das sind normale Gase, die bei einem Vulkanausbruch freigesetzt werden. Aber jetzt kommt. Ich möchte nicht darauf warten und diese Gemische einatmen.«

Sie kamen nur wenige Meter weiter, dann blieben sie erneut stehen.

»Was ist denn jetzt los?«, wollte Granny wissen. Sie hielt sich ihren schmerzenden Arm und sah bekümmert an Rooie vorbei zu Jack.

»Es geht nicht weiter«, rief Jack ihr zu. »Da liegen meterhoch Steine auf dem Weg, die wir erst wegräumen müssen.«

»Nimm du die Taschenlampe, damit wir was sehen können«, bat Riccardo seine Mutter.

Aurora nickte, nahm Riccardo die Lampe ab und ließ dann den Lichtkegel über die vielen Felsbrocken schweifen.

»Hast du mal versucht mit einem der anderen Handys, die wir hier haben, Empfang zu kriegen?« Riccardo sah sie sprachlos an. »Na ja«, machte Aurora. »Vielleicht liegt es ja auch an deinem Handy, dass du keinen Empfang hast.«

Jack schüttelte den Kopf.

»Ich habe meins verloren, als wir hier heruntergefallen sind. Wir haben vorhin schon danach gesucht, es aber nicht gefunden.«

»Und meins«, sagte Jon, der jetzt anfing die Steine wegzuräumen, »hat man mir zerschossen, als wir denen die Tasche mit den Jacken zurückgeben wollten.«

Auch die anderen halfen jetzt die Steine zur Seite zu räumen.

»Hat denn sonst niemand ein Handy einstecken?«, wunderte sich Aurora. »Die jungen Leute laufen heute doch ständig mit ihren Handys vor der Nase herum.«

»Mich brauchst du auf so etwas gar nicht erst anzusprechen«, meinte Granny. Sie sah Kate und Sharon herausfordernd an. »Und was ist mit euch?«

Sharon zuckte mit den Achseln.

»Wir wollten eigentlich zum Pfarrer gehen«, erinnerte sie Sharon. »Hurley und ich haben unsere Handys extra zu Hause liegen lassen.«

Granny wandte ihren Blick Kate zu.

»Und du?«

»Ich habe mein Smartphone in meiner Handtasche und die liegt in unserer Wohnung.«

Etienne wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Isch ’abe es mit meinem Handy gerade versucht. ’ier ’at man keinen Empfang.«

»Mist«, knurrte Aurora.

Zehn Minuten später, hatten die Männer eine Stelle frei, durch die sie auf die andere Seite hindurchsehen konnten.

»Gott sei Dank, da geht es weiter«, stellte Jack fest. »Es haben sich wohl nur an dieser Stelle ein paar Steine gelöst. Ich hatte schon die Befürchtung, dass der komplette Schacht eingestürzt ist.« Er wandte sich verschreckt um.

»Was ist?«, murrte Aurora.

»Da ist doch jemand?«, murmelte Jack. Er verstummte und lauschte. Es war ein leises, schleppendes Geräusch, das er gehört hatte. »Hallo?«, rief er.

Stille.

»Du wirst dich geirrt haben«, murmelte Riccardo. »Lasst uns weitermachen und die Steine wegräumen, damit wir weiter können.«

»Macht das«, sagte Jack. »Ich bin gleich wieder da.« Er kehrte ihm den Rücken zu und schlich sich den dunklen Gang entlang zurück.

Es dauerte nur ein paar Minuten, bis Jack wieder zurückkam. Er lief schnurstracks auf Jon zu.

»Da hinten kommt der Typ, dem wir die Juwelen und das Geld nicht zurückgegeben haben.«

»Bist du sicher?«, wollte Jon wissen.

»Den erkenne ich alleine an seinem Schritt und an seiner Größe. Selbst im Dunkeln«, versicherte ihm Jack.

»Ausgerechnet der läuft uns hier unten in die Arme?«, brummte Jon.

Will hatte das Gespräch mitbekommen.

»Wir haben unsere Waffen«, murmelte er und zog seine Pistole hervor. »Der Kerl ist unbewaffnet, du hast ihm seine Pistole doch abgenommen.«

»Sie?«, konnten sie plötzlich den Mann hinter sich poltern hören. Jack wandte sich rasch zu ihm um. Er stand zwischen den Frauen und kam jetzt langsam auf Jack zu. »Geben Sie mir mein Eigentum zurück!«

»Ich habe das Zeug nicht bei mir. Es ist oben im Haus«, brummte Jack verärgert.

»Dann gehen wir jetzt raus. Sie geben mir, was mir gehört, dann lasse ich Sie laufen. Wenn Ronaldo hört, dass Sie zwei seiner Männer erschossen haben, werden Sie sowieso keine ruhige Minute mehr haben.«

»Mir ist Ihr Ronaldo schnuppe«, antwortete ihm Jack. »Merken Sie denn nicht, dass wir hier ein ganz anderes Problem haben?« Der Mann hörte ihm nicht länger zu. Stattdessen ging er auf die Steine zu, die ihnen im Weg lagen und fing an, sie wegzuräumen.

»Wir sollten auch weitermachen«, murmelte Riccardo. »Sonst stehen wir morgen noch hier herum.«

»Du hast recht«, brummte Jack und packte ebenfalls wieder mit an.

Es war eine Bruthitze.

Hurley hatte sich sein Shirt ausgezogen und um seine Stirn gebunden, damit ihm der Schweiß nicht ständig in die Augen tropfte.

»Egal was Riccardo sagt«, murmelte Sharon Kate zu. »Ich wäre jetzt gerne oben an der frischen Luft. Stell dir vor, eine kalte Dusche, …, wäre das jetzt nicht angenehm? Und dann noch eine kalte Limo!«

»Mir geht’s nicht anders«, sagte Kate. »Aber ich denke, dass Riccardo recht hat und wir hier fürs Erste am sichersten sind.«

Kates Abenteuer in Portici

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