Читать книгу Treasure Love - Sandra Pollmeier - Страница 5

Prolog

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Eiskalt peitschte der Sturm über die kleine Insel und fegte den Sand durch die leeren Gassen. Aus der Ferne hörte man das Donnern der meterhohen Wellen, die auf den Strand trafen und an den Dünen nagten, um sich ihren Weg ins Inselinnere zu fressen. Matilda stolperte die Straße entlang in Richtung der etwas abseits liegenden Inselpfarrei. Nur mühsam kam sie voran. Der Wind drückte sie zurück und zerrte an ihren schweren Kleidern, und die Krämpfe, die alle paar Minuten ihren Unterleib durchzuckten, zwangen sie in die Knie. Seitdem sie ihre Anstellung als Magd bei der wohlhabenden Familie Stevens verloren hatte, war sie bei ihrer kränklichen Großmutter untergekommen. Doch diese war zu alt und zu schwach, um ihrer Enkelin in ihrer schwersten Stunde zur Seite zu stehen.

Matilda rappelte sich wieder hoch, zog den Wollschal fester um ihren zitternden Körper und legte die rechte Hand beschützend auf ihren schweren, runden Bauch. „Wir schaffen das schon“, sprach sie sich selbst und dem ungeborenen Kind Mut zu. „Jetzt geben wir auch nicht mehr auf. Nur noch über diesen Hügel da vorne.“

Der eisige Regen durchtränkte ihr knöchellanges Kleid, machte es klamm und schwer. Von irgendwo her trug der Wind wehleidige Schreie an ihr Ohr. Ob sie es war? War es nicht eine Ironie des Schicksals, dass beide Kinder in derselben Nacht auf die Welt kommen sollten - an diesem verfluchten Ort, mitten im Höllensturm? Nur dass Rebecca Stevens in ihrem warmen Bett in weißen Laken lag, umgeben von ihrer sorgenden Familie und der extra vom Festland angereisten Hebamme. Matilda hingegen konnte froh sein, wenn die mildtätige Pfarrersfrau sich ihrer armen Sünderseele erbarmte.

Doch kaum hatte sie die Spitze des Dünenhügels erklommen, stockte ihr der Atem. In dem schmalen Tal, das das Pfarrhaus und den benachbarten Inselfriedhof beherbergte, tobten die dunklen Wellen des Ozeans. Das kleine Häuschen war bis zum Dachfirst im Wasser versunken, der angrenzende Friedhof war komplett überspült. Vom Pfarrer und seiner Frau gab es keine Spur. Nur eines ihrer Schafe trieb leblos auf den alles verschlingenden Wellen. Doch es war noch etwas anderes, das Matilda viel mehr verwirrte: Im Schein des auf und ab flackernden Leuchtfeuers sah die junge Frau ein halbes Dutzend eigenartige, schwarze Kisten auf dem Wasser treiben. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, um was es sich dabei handelte, und sie erstarrte vor Angst. Zwei der schwarzen Kisten hatten ihren Deckel verloren und enthüllten ihren grausigen Inhalt. Die dunklen Wogen hatten den Dünensand aufgewirbelt und damit wieder an die Oberfläche gebracht, was nie wieder nach oben kommen sollte: Aus einer der beiden Kisten schwamm eine in ein strahlend weißes Kleid gehüllte Leiche. Ihre blonden Haare tanzten im Auf und Ab der Wellen um ihr eingefallenes Gesicht. Die Haut der Toten war dunkelbraun und die hellen Zähne blitzten zwischen den vertrockneten Lippen hervor. In der zweiten Kiste lag ein weißhaariger Mann in einem schwarzen Trachtenanzug. Eine goldene Taschenuhr baumelte hell blinkend aus seinem viel zu weit sitzenden Jackett. Matilda konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber in ihrer wachsenden Panik glaubte sie, in den beiden Toten ihre verstorbenen Eltern wiederzuerkennen. Auch ihr Vater hatte einst eine solche Uhr besessen. Sie selbst hatte sie ihm mit ins Grab gegeben, als er vor drei Monaten vor Scham über seine unehelich schwangere Tochter an Herzversagen gestorben war. Kamen sie jetzt, um sie in die Hölle zu holen?

Voller Entsetzen stolperte sie zurück in Richtung Dorf. Nein! Sie durften ihr Baby nicht bekommen! Ihr Kind musste leben, niemals würde sie es hergeben! Auch wenn man im Dorf erzählte, dass es dieses Kind nie hätte geben dürfen. Aber da war es – sie spürte, wie es lebte, wie es sich in ihr bewegte und herauswollte. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit. Obwohl sie durch den Regen und den Wind wie zu Eis gefroren war, bemerkte sie, wie etwas Warmes, Klebriges an ihren Schenkeln herunterlief. Es war so weit. Mit einem Schrei der Verzweiflung sank sie zu Boden. Noch nicht! Nicht hier! Doch die Schmerzen waren zu stark. Sie konnte nicht mehr weitergehen. „Gott, vergib mir und steh´ mir bei!“, betete sie mit schwindender Kraft. Dann durchfuhr die erste Presswehe ihren zitternden Körper.

Treasure Love

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