Читать книгу Treasure Love - Sandra Pollmeier - Страница 9
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ОглавлениеEs duftete nach Kaffee. Der Geruch hatte mich aus meinen Träumen zurückgeholt.
Es waren verwirrende, bedrohliche, aber auch eigenartig erotische Träume gewesen. Von Liebe und Begehren und Tod und Bedauern. Als ob alles eins war, ein ewiger Kreis, der sich öffnete und schloss und von Neuem begann. Ich hatte mich auf eine Reise begeben, weit entfernt, durch Zeit und Kontinente. Hatte Emotionen gefühlt, die nicht meine eigenen waren und doch ein Teil von mir zu sein schienen – Glück und Ekstase und Schmerz und Verlust. So viel Verlust. Und jedes Mal blitzten Erinnerungen auf, stark und verschlingend, die doch nicht meine eigenen waren: Ich ertrank. Immer wieder und wieder füllte das Wasser meine Lungen, bis mein zuckender, sich windender Körper die Kraft verlor und alles schwarz wurde – nur um sich erneut zu erheben. Oder ich brannte. Ich brannte, bis meine Haut in Flammen aufging, bis Rauch meine Sinne betäubte, bis der Schmerz mich in den Wahnsinn trieb. Und dann wieder Stille. Frieden. Erwachen. Bis die Sonne mich weckte und das Schicksal erneut seinen Lauf nahm. Auf ewig.
„Hey“, hörte ich seine Stimme neben mir. Sie war sanft und warm und rau. All das in einem einzigen Wort. Benommen drehte ich mich zur Seite. Sein Gesicht war ganz nah.
„Wie geht es dir?“
Langsam, wie tropfender Honig, kamen meine Erinnerungen zurück. Meine Flucht durch den Schnee. Der arrogante Hotelangestellte… An mehr konnte ich mich nicht erinnern.
Ich wollte nicht reden. Diesen Moment nicht zerstören. Vorsichtig rutschte ich zu ihm herüber und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Wie warm er war. Und wie gut er roch. Ich atmete tief ein und schloss meine Augen. Seine Hand fuhr über meine Schulter, über meinen Rücken bis zu meinen Hüften. Es war so schön, dass ich hätte in dieser Umarmung sterben können.
„Was hast du dir nur dabei gedacht, Sofia?“, fragte die Stimme jetzt etwas tadelnd. Vorsichtig öffnete ich die Augen.
„So konnte ich dich doch nicht gehen lassen“, flüsterte ich schuldbewusst. „Vielleicht hätten wir uns nie wiedergesehen. Das ginge einfach nicht. Das hätte ich nicht ausgehalten…“
„Du bist so dumm“, flüsterte er jetzt wenig charmant. „Ich sage dir, ich werde heiraten und du lässt alles stehen und liegen und läufst mir mitten in der Nacht hinterher. Was versprichst du dir denn davon?“
Es fiel mir unendlich schwer, doch ich setzte mich auf. Willkommen zurück in der Realität. Verwundert stellte ich fest, dass ich anstatt meines Abendkleids nur ein weißes, viel zu großes T-Shirt trug.
„Ja“, sagte ich und rang mit den Worten. „Das hast du gesagt. Aber du hast mir nicht erklärt, wie es dazu gekommen ist. Das möchte ich wissen. Das bist du mir schuldig, Ben.“
Er setzte sich ebenfalls auf. Vorbei mit der vertrauten Atmosphäre. „Was willst du wissen? Ändert das irgendetwas?“
„Liebst du sie?“
Die Pause, die entstand, sagte mehr als tausend Worte.
„Darum geht es nicht.“
„Worum denn dann?“
„Sie ist schwanger von mir, verdammt!“
Ich atmete tief ein. „Wir sind nicht mehr im vorletzten Jahrhundert. Du kannst für das Kind sorgen, ohne sie gleich zu heiraten. Das ist heutzutage kein Thema mehr.“
„Ich weiß“, antwortete Ben und seine Stimme klang gequält und resigniert. „Aber so ist es nun mal. Ich habe gesagt, ich heirate sie und das werde ich auch tun. Man muss zu den Dingen stehen, die man getan hat.“ Er blickte nach unten und seine Miene verfinsterte sich.
„Und ich?“, fragte ich leise. „Sag mir ins Gesicht, dass es vorbei ist, und ich werde dich nie wieder belästigen. Sag mir, dass ich dir egal bin!“
Ben schwieg. Das war mir Bestätigung genug.
„Seitdem du fort bist, ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht habe, Ben. Weißt du noch, wie du gesagt hast, wir fahren ganz weit weg und fangen irgendwo ein neues Leben an? Ich komme mit dir, egal wohin. Schick mich nicht wieder fort, bitte.“
Es war mir bewusst, dass es sehr unterwürfig wirken musste, so um Bens Zuneigung zu bitten, aber es war mir egal. Wenn dies meine allerletzte Chance war, so musste ich sie nutzen. Er musste doch einsehen, dass wir zusammengehörten! Verzweifelt griff ich nach seiner Hand, doch noch ehe ich mich versah, entzog er sie mir und stand abrupt auf.
„Als du geschlafen hast, habe ich deinen Freund Noah angerufen. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht, weil du einfach so weggelaufen bist. Wir haben vereinbart, dass er dich um zehn hier abholt und nach Hause bringt. Das ist in einer halben Stunde. Er bringt dir auch etwas Passendes zum Anziehen mit.“
Oh Gott, das hatte er doch nicht wirklich getan! Wie konnte Ben mich so bloßstellen, mir so in den Rücken fallen? Entsetzt starrte ich ihn an, doch er wich meinem Blick aus und ging stattdessen zum Schreibtisch, um mir eine Tasse Kaffee neben das Bett zu stellen. „Was sollte ich denn tun? Du kommst hier an, ohne Geld, ohne Handy, ohne Wohnungsschlüssel! Vollkommen kopflos, aber so kenne ich dich ja schon! Denkst du, nur weil du mir sagst, dass du noch immer an mich denkst, schmeiße ich alles hin und brenne mit dir durch? So funktioniert das Leben nicht, Sofia! Werd doch endlich mal erwachsen! Nicht all unsere Wünsche erfüllen sich.“
Jetzt konnte ich nichts mehr sagen. Zu sehr schämte ich mich für meine dumme, kindische Aktion. Alles, was ich erreicht hatte, war, mich zu blamieren. So vieles hatte ich Ben noch erzählen wollen. Von meinen Träumen und Visionen, die mir sagten, dass das Schicksal uns auf irgendeine Art und Weise aneinander fesselte und dass alles in Verbindung mit dem alten
Tagebuch stand. Aber davon würde er sowieso nichts hören wollen. Für ihn waren das sicher eh nur Fantasien einer spätpubertären Stalkerin.
Resigniert stand ich auf, ignorierte den Kaffee und ging ins Bad, um mich zu duschen und mir irgendeine dumme Geschichte einfallen zu lassen, die ich Noah auftischen konnte, wenn er mich gleich abholen würde. Das war es dann wohl.
Als ich an Ben vorbeiging, streifte seine Hand meinen Arm, als ringe er mit sich, mich aufzuhalten. Müde und traurig blieb ich stehen und blickte ihn wortlos an. Er presste seine Lippen aufeinander. „Auch wenn du es nicht verstehst“, begann er und räusperte sich, bevor er weitersprach, „Manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die uns schwerfallen. Und ich habe mich entschieden, dich zu schützen. Auch wenn das heißt, dass wir uns nie wiedersehen werden.“
Redete er jetzt in Rätseln? Ich verstand kein einziges Wort, aber noch bevor ich meinen Mund öffnen konnte, um ihn zu fragen, was er damit meinte, klopfte es an der Zimmertür. Rasch schlüpfte Ben an mir vorbei und öffnete. Es war Noah.
„Entschuldige, Ben“, hörte ich ihn sprechen, noch bevor er eingetreten war. „Ich bin zu früh, aber ich habe mir solche Sorgen gemacht und konnte nicht länger untätig herumsitzen. Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Darf ich reinkommen?“
„Natürlich.“
Ben schob die Tür zur Seite und dieses Mal war es für mich zu spät, mich zu verstecken oder wegzulaufen. Beschämt musste ich Noah entgegentreten, ohne eine passende Ausrede zu haben.
„Ich lasse euch dann mal allein und geh mir unten eine Zeitung holen“, sagte Ben mehr zu sich selbst als zu uns und verschwand aus dem Zimmer.
„Sofia.“ Anstatt mich anzufahren, zog Noah mich in seine Arme und drückte mich fest an sich. Unfähig, diese Liebkosung zu erwidern, stand ich da wie eine Salzsäule.
„Gottseidank geht es dir gut. Du hättest dir ja den Tod holen können! Warum bist du nur auf einmal verschwunden? Was ist passiert? Lag es an mir? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“
Es nutzte nichts. Noah hatte es nicht verdient, dass ich ihm weiter etwas vormachte. In all den Monaten, die wir miteinander verbracht hatten, war es im Grunde nur die Arbeit an dem französischen Tagebuch gewesen, die mich zu ihm hingezogen hatte. Seine Unterstützung hatte mich dankbar gemacht und die Hoffnung in mir am Leben gehalten, dass die Entschlüsselung des Tagebuchs mich irgendwann wieder zu Ben führen könnte. Aber mit Liebe hatte das nichts zu tun.
„Noah. Wir müssen reden.“ Der Kloß in meinem Hals machte meine Stimme rau und zerbrechlich, doch ich wusste, dass es das einzig Richtige war. „Ich werde dir alles erklären.“