Читать книгу Lost Treasure - Sandra Pollmeier - Страница 6
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ОглавлениеAls ich erwachte, war es stockfinster. Unser Wagen stand auf einem dunklen Parkplatz und an den Kennzeichen der anderen Autos erkannte ich, dass wir uns bereits in Holland befanden. Ben hatte mich zaghaft am Arm geschüttelt, doch er ließ mich abrupt los, als ich ihn schlaftrunken anblinzelte. „Wir sind da“, flüsterte er.
„Komische Wohngegend“, gähnte ich und ließ meinen Blick über die Reihen der fremden Autos gleiten. „Hier wohnt auch niemand.“ Ben seufzte und schien einen Moment darüber nachzugrübeln, was er mir erzählen sollte. „Wir gehen in einen Klub, eine Diskothek. Die gehört einem … ehemaligen Arbeitgeber von mir. Er erwartet uns schon.“ Eine Diskothek! Ich stöhnte und öffnete die Autotür. Kühle Sommernachts-Luft drang in unseren Wagen. Dank vorgestern Nacht wollte ich nie wieder einen Klub betreten. „Hast du eigentlich nur Bekannte, die in Bars und Klubs arbeiten?“, grummelte ich missmutig vor mich hin und streckte meine müden Beine vorsichtig nach draußen. Ein kurzes Schnaufen hinter mir war die einzige Antwort auf meine rhetorisch gemeinte Frage. Mein altes T-Shirt klebte an meinem Rücken und meine zerzausten Haare waren während der Fahrt zu einem unlösbaren Knoten mutiert. Prima, genau das richtige Outfit für einen Discobesuch. Aber egal. Mein Aussehen störte mich nicht. Ich befand mich auf der Flucht vor einer Bande von skrupellosen Gangstern.
Mit müden Schritten wankte ich drei Meter hinter Ben her, der zielstrebig auf einen riesigen, mit Neonschrift beleuchteten Glaspalast zusteuerte. „Metropolis“ prangte in großen Lettern über dem prunkvollen Eingangsbereich. Zwei muskelbepackte Türsteher mit schwarzen Sonnenbrillen (ein Irrsinn nachts um Viertel vor zwei!) kontrollierten mit ernster Miene die Tauglichkeit des Äußeren eines jeden Besuchers. Okay, dieser Laden wirkte schon ein wenig anders als das Excelsior. Allerdings hatte ich Bedenken, dass man mir hier Einlass gewähren würde. In dem Fall könnte ich draußen warten, während mein wie immer perfekt aussehender Bruder seine alten Freunde besuchte. Ehrlich gesagt wäre mir das sogar lieber.
„Benjamin!“, freute sich einer der glatzköpfigen Hünen, als wir gerade mal die erste Stufe der Treppe zum Eingang des „Metropolis“ erklommen hatten. Der Goliath setzte seine schwarze Sonnenbrille ab und lief uns ein paar Treppenstufen entgegen, um meinen Bruder kumpelhaft an seine gestählte Brust zu reißen. Ich erwartete, dass Ben verzweifelt nach Luft ringen würde, da er neben diesem Riesen wie ein Spargeltarzan aussah. Doch er grinste nur souverän und klopfte dem Rausschmeißer freundschaftlich auf die kleiderschrankbreiten Schultern.
„Ich glaub´s ja nicht, dass du dich hier noch mal blicken lässt, du kleiner Scheißer!“, lachte das farblose Hulk-Double mit tiefer Stimme und schüttelte dabei sein kahles Haupt. Irgendwie sah er ohne seine Sonnenbrille nur halb so gefährlich aus. Die gehörte also quasi zur Arbeitskleidung, fuhr es mir durch den Kopf, genauso wie der Kaugummi zwischen den mit Gold überkronten Eckzähnen. Der Kerl war ein Paradebeispiel dafür, dass die Realität manchmal jedes Klischee übertrumpfte. „Linus wird ausflippen, wenn er dich sieht! Wir hätten alle nicht gedacht, dass du nach dem, was passiert ist …“
„Linus weiß Bescheid“, unterbrach Ben den Muskelprotz mitten im Satz. Es sah ganz so aus, als wollte er vermeiden, dass dieser Typ zu viel von seiner Vergangenheit preisgab.
„Ach so“, murmelte der Türsteher überrascht, „er weiß Bescheid. Na gut, Leute, dann kommt mal mit.“
Obwohl ich mich unglaublich underdressed fühlte, kam ich mir irgendwie wichtig vor, weil wir einfach so an einer langen Schlange Wartender vorbei spazieren konnten. Alle Blicke schienen uns zu folgen und ich versuchte zu ignorieren, dass einige der hübschen Mädchen in der Warteschlange ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, während sie mich mit bösen Blicken betrachteten.
In der gigantisch anmutenden Halle im Inneren des „Metropolis“ schmetterte uns Technobeat entgegen. Der Raum war bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt mit ekstatisch zuckenden Tänzern, die sich alle wie in Trance zum Rhythmus bewegten. Einen derart riesigen Klub hatte ich noch nie gesehen. Ben schrie mir irgendetwas zu, das ich aufgrund der Lautstärke nicht verstehen konnte. Ich schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und deutete mit den Fingern auf meine Ohren. Entnervt rollte Ben seine Augen, schnappte grob nach meinem Oberarm und zog mich hinter sich her. Offenbar hatte er Angst, dass wir uns aus den Augen verlieren könnten. Der freundliche Hüne, der übrigens Theo hieß, wie er mir kurz vorm Eingang in die Hölle verraten hatte, schleuste uns sicher durch die Massen, bis wir zu einem Treppenabsatz kamen, vor dem ein weiterer Security-Typ stand. Dieser war weniger muskelbepackt als seine Kollegen im Eingangsbereich, trug allerdings den gleichen schwarzen Anzug mit Rollkragenpulli darunter (der Arme – in der schwülen Hitze, die hier herrschte!). Eine Sonnenbrille hatte der Mann tatsächlich nicht auf der Nase (wäre hier drinnen auch wirklich zu lächerlich gewesen), dafür klemmte über seinem rechten Ohr ein Headset, das ihm ebenfalls ein sehr wichtiges Aussehen verlieh. Theo wechselte ein paar Worte mit ihm. Sein Gegenüber nickte stumm und telefonierte mit einer dritten Person. Daraufhin löste er die Kette, die die Treppe vom unteren Tanzbereich trennte, und ließ uns passieren.
Wir stiegen auf in einen mit hohen Glasfronten abgetrennten VIP-Bereich, der auf einem Balkon etwa zehn Meter über den tanzenden Massen schwebte. Mir stockte der Atem, als wir den in gedämpftem Licht beleuchteten Raum betraten. Die Musik hier oben war sehr viel leiser und sanfter als im unteren Bereich des Tanzklubs. Breite, cremefarbene Sofas luden zum Ausruhen ein, und in den dazwischen aufgestellten überdimensionalen Säulen brodelte eine bläulich schimmernde Flüssigkeit. Auf der linken Seite befand sich ein in Marmor gefasster Pool, in dem zwei Bikini-Schönheiten Champagner schlürften. Am rechten Ende des ca. 100 Quadratmeter großen Raumes befand sich das beeindruckendste Highlight: eine Cocktailbar, die in ein riesiges, raumhohes Aquarium eingearbeitet war. Bunte tropische Fische schwammen durch die Theke, vor der einige Männer in teuren Anzügen mit wunderschönen Frauen in enganliegenden Luxuskleidern flirteten. Ohne es zu wollen, krallte ich mich noch fester an Bens Arm. Die Dekadenz hier jagte mir aus unerklärlichen Gründen Angst ein. Und irgendetwas in Bens angespanntem Gesichtsausdruck bestätigte mein ungutes Gefühl.
„Benjamin Stevens!“, hörten wir plötzlich eine dunkle Stimme aus dem hinteren Bereich des Raumes. Erschrocken drehte ich mich um. Auf einer Couch links vom Treppenabsatz saß ein Mann mit platinblond gefärbten Haaren in einem teuer wirkenden schwarzen Anzug mit gleichfarbigem, halb aufgeknöpftem Hemd und grinste zu uns herüber. Der Fremde, der auffällig viel Designerschmuck wie eine massive Silberkette mit viktorianischem Kreuz, ein Panzerarmband und diverse Ringe mit Totenköpfen trug, winkte uns lässig mit einer Hand zu sich herüber, ohne von dem Sofa aufzustehen. Die beiden Damen in weinroten Seidenkleidern, die neben ihm gesessen hatten, verzogen sich dezent an die Aquarium-Bar. „Dass ich noch einmal zu dieser Ehre komme …“, lachte der Mann mit unüberhörbarem Spott in der Stimme und ließ sich genüsslich in die breiten Sofakissen zurückfallen. Dann musterte er mich mit einem süffisanten Grinsen von oben bis unten und zog dabei abschätzend seine linke Augenbraue hoch. „Süß, deine kleine Schwester, Benjamin, wirklich süß.“ Ben schob sich zwischen mich und den Fremden und atmete tief durch. „Linus“, begrüßte er den Mann mit gepresster Stimme, „ich bin hier, weil ich dich an dein Versprechen erinnern will. Falls du dein Wort hältst, dann ist jetzt der Moment, in dem du mir helfen kannst.“ Ich glaubte ein leichtes Zittern in Bens Stimme zu erkennen und wunderte mich darüber. Es war nicht seine Art, vor irgendjemandem Respekt oder gar Angst zu haben. Im Gegenteil – Ben legte ansonsten eine überheblich anmutende Gelassenheit an den Tag, dass ich bisher den Eindruck gewonnen hatte, ihn würde so schnell nichts aus dem Konzept bringen. Aber dieser aalglatte Kerl auf dem Sofa ließ Ben fast wie einen hilflosen Jungen erscheinen. Was war das für ein Geheimnis, das die beiden verband?
„Aber Benni. Ich bin ein Ehrenmann. Wenn ich etwas verspreche, dann halte ich es!“ Der drollige holländische Akzent passte nicht zu dem ansonsten eher bedrohlich wirkenden Fremden. Auch ohne dass er Linus antwortete, war mir klar, dass mein Bruder an dessen Ehrbarkeit zweifelte. Gegenseitige Sympathie verband die beiden nicht, soviel war sicher. „Setzt euch doch, bitte!“ Unser Gegenüber lächelte übermäßig freundlich und ließ seinen Blick zu mir gleiten. Dann nickte er zur Bar. Sofort kam eine hübsche Blondine herbei, um uns zwei Champagnergläser zu reichen. Auch ohne diese Geste wusste ich, dass Linus der Chef dieses Ladens sein musste. Diese Tatsache erfüllte mich mit einer gewissen Ehrfurcht. Obwohl der blondierte Holländer wahrscheinlich kaum älter als dreißig war, musste er ein außerordentlich betuchter und einflussreicher Mann sein. Wir setzten uns zu Linus auf das geschwungene Sofa, wobei Ben darauf zu achten schien, dass er zwischen mir und seinem alten Bekannten saß. Hatte er Angst um mich?
„Also, mein Freund, wie kann ich euch beiden helfen?“ Linus stellte sein Champagnerglas auf den massiven Kristalltisch vor unserer Couch und zündete sich eine Zigarette an. Dann hielt er mir und Ben eine silberne Dose mit selbst gedrehten Glimmstängeln unter die Nase. Mein Bruder schüttelte den Kopf und warf mir einen bösen Blick zu, als ich einen Moment lang überlegte, mir auch eine Zigarette zu nehmen.
„Wir brauchen neue Reisepässe und etwas Geld. Wir wissen, dass wir gefälschte Pässe nicht zum Reisen gebrauchen können, aber für eine Hotelbuchung etc. werden sie ihren Zweck erfüllen. Und ein paar Infos wären auch nicht übel …“. Bei diesen Worten legte Ben die silberne schallgedämpfte Pistole auf den Glastisch, die wir auf dem Friedhof unserem Verfolger entwendet hatten. Linus stieß einen leisen Pfiff aus und nahm die Waffe in die Hand. Mit sicherem Griff ließ er das Magazin aus dem Handlauf gleiten, schob es wieder hinein und entschärfte die Waffe. „Ein hübsches Schätzchen hast du da gefunden, Benni. Das ist eine Beretta FS Inux. Ein Sondermodell, davon gibt es nur wenige. Und sagen wir mal so: Wer ein solches Schmuckstück besitzt, der will damit keine Tauben schießen.“
Ich konnte mein Erstaunen kaum verbergen. Warum zeigte Ben ihm die Pistole? Wollte er noch heute im Gefängnis landen? Er musste den Verstand verloren haben. „Ich will nicht wissen, was für ein Modell das ist. Ich will wissen, wem sie gehört hat“, antwortete Ben mit ruhigem Ton.
Linus schüttelte lachend den Kopf. „Du bist gut, Benni“, entfuhr es ihm, „da stellst du mir eine schwierige Aufgabe. Das Geld ist kein Thema. Aber wegen der Kanone kann ich nicht eben bei Amazon nach einer Kundenliste fragen. Das wird eine Weile dauern …“
„Eine Woche“, konterte Ben. „Eine Woche, dann müssen wir weiter. Und ich weiß, dass du das hinkriegst, Linus.“ Das Lächeln des Klubbesitzers wurde gepresster, doch er unterdrückte seinen Unmut gekonnt. „Na gut“, antwortete er, „wenn wir dann quitt sind.“
„Mehr verlange ich nicht.“
„Dann steht unser Deal.“ Linus hielt Ben seine rechte Hand entgegen, doch mein Bruder überging die Geste mit einem eisigen Lächeln. Was immer es war, weshalb Linus ihm einen Gefallen schuldete – es musste etwas außerordentlich Wichtiges gewesen sein, ansonsten hätte sich Ben ein solches Verhalten wohl kaum erlauben können. Doch noch während ich über dieses ominöse Geheimnis nachgrübelte, wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen.
„Da seid ihr ja! Ich freue mich so sehr!“, erklang eine melodische Stimme hinter meinem Rücken und Bens Blick wurde mit einem Mal sanft, beinahe verletzlich. Erstaunt drehte ich mich um und blickte in das strahlende Gesicht einer wunderschönen jungen Frau mit kastanienrotem, wallendem Haar, welches sie locker an ihrem Hinterkopf hochgesteckt hatte. Die schöne Fremde trug ein schwarzes, tief dekolletiertes Cocktailkleid mit hohem Beinausschnitt und lange, funkelnde Ohrhänger mit einem dazu passenden Collier. Jede Frau im Umkreis von zehn Kilometern hätte bei ihrem Anblick in Ohnmacht fallen müssen, so beeindruckend wirkte ihr Auftritt. Ein helles, natürlich wirkendes Strahlen ging von ihr aus. Und so, wie Ben sie ansah, war er ihr verfallen. Die Schöne glitt an mir vorbei und umarmte Ben mit einem freudigen Lachen. Eine ganze Weile hielten sie sich fest, bis die junge Frau sich langsam von meinem Bruder löste und sich mir zuwandte. Anscheinend hatte ich sie angeschaut, als wäre sie ein Gespenst, denn nun wirkte die Fremde etwas verlegen und streckte mir vorsichtig die rechte Hand entgegen.
„Entschuldige bitte, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Julie, ich bin eine alte Freundin deines Bruders.“ Zögernd ergriff ich ihre Hand. Es widerstrebte mir sehr, freundlich zu dieser Frau zu sein. Eine alte Freundin von Ben! Na, ich konnte mir denken, was das bedeutete. Und so, wie er diese Julie ansah, war er immer noch ganz hin und weg von ihr. Auch wenn sie auf den ersten Blick freundlich wirkte – mit einem Mal spürte ich wieder, dass all meine Hoffnungen mit ihrem Erscheinen wie weggespült wurden. Ben und ich waren kein eingeschworenes Team. Die letzten zwei Tage hatten die Illusion in mir geweckt, dass uns etwas Besonderes verband, etwas, das uns zusammenschweißte, uns zu einer Einheit machte. Ben und ich gegen den Rest der Welt oder so was. Nun wurde mir klar, dass es immer andere Frauen geben würde – und diese hier war mit Sicherheit eine größere Bedrohung als Dana. Was uns verband, war einzig und allein die Suche nach diesem verfluchten Schatz. Und wenn dieses Abenteuer überstanden wäre, dann würde uns nichts mehr aneinander ketten. Und es würde immer eine Julie oder Dana da sein, die Ben mit offenen Armen empfinge.
„Ihr seid bestimmt müde“, sagte Julie. „Ihr könnt erst einmal bei mir übernachten.“
„Na klar, ich im Gästezimmer und Ben in deinem Bett“, dachte ich und antwortete nur mit einem falschen Lächeln. Hätte ich mir aber auch sparen können, denn mich beachtete sowieso niemand. Zumindest nicht Ben und seine Ex-Flamme. Dafür grinste mich dieser Linus mit abschätzendem Blick von der Seite an, was mir noch unbehaglicher war als Julies Anwesenheit. Er sah aus wie ein Mann, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Mit Sicherheit hatte er Dreck am Stecken, wie sonst sollte er an die Informationen kommen, die wir brauchten? Seine Musterung verursachte mir eine Gänsehaut und so schaute ich schnell in eine andere Richtung. Unterdessen standen Ben und Julie auf und schlenderten plaudernd in Richtung Ausgang, ich erhob mich und trottete hinter ihnen her. Wie redselig mein Bruder doch sein konnte. So wie jetzt hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Nicht traurig sein, kleine Schwester“, raunte plötzlich eine sanfte Stimme in mein Ohr, „auf Julie brauchst du nicht eifersüchtig zu sein. Die nimmt dir Ben nicht weg!“ Erschrocken fuhr ich herum und errötete, als ich dicht neben mir Linus erblickte.
„So´n Quatsch“, antwortete ich so schroff wie möglich und ging einen Schritt schneller, um Ben und Julie nicht in der Menge zu verlieren. Linus lachte nur wissend. Am Rande der Treppe hielt er mich plötzlich am Handgelenk fest. „Wenn du mal bei mir arbeiten willst – ich nehme dich gerne.“ Er grinste schief und steckte sich dabei lässig eine Zigarette in den Mund.
„Sicher nicht!“ antwortete ich und entriss ihm meine Hand. Wie unverschämt! Und dennoch schmeichelte mir seine Dreistigkeit ein wenig. Wenn er mir anbot bei ihm zu arbeiten, dann stellte er mich quasi auf eine Stufe mit Julie und den anderen Schönheiten dort oben – und denen konnte ich nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Ich bemerkte, wie Ben, der inzwischen in der Menge der Technofans untergetaucht war, sich zu mir umdrehte und verärgert die Stirn runzelte, als er sah, dass Linus mich angesprochen hatte. Sofort blieb er stehen und wartete, bis ich mich zu ihm durchgekämpft hatte.
„Halt dich von Linus fern, hast du gehört!“ Er brüllte mich beinahe an, was allerdings auch daran lag, dass der Technobeat gerade dabei war, die Dezibel-Grenze eines Düsenjets zu überschreiten. Ich hatte kein Interesse daran nähere Bekanntschaft mit diesem aalglatten Egomanen zu machen, aber Bens Befehlston ging mir gegen den Strich. „Ach, warum denn?“, rutschte es mir etwas patziger als beabsichtigt heraus.
Bens Augen funkelten wütend, als er mich näher zu sich heranzog. „Weil er ein falscher, hinterhältiger und gefährlicher Dreckssack ist, verstanden?“ fauchte er.
„Na dafür, dass er so ein Dreckssack ist, hilft er uns ganz schön aus der Patsche!“ Ich blitzte Ben herausfordernd an. Einen Moment lang sagte mein Bruder nichts, atmete nur tief durch und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Doch dann schüttelte er den Kopf und wandte sich von mir ab. „Na ja, wir werden sehen“, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir.