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ОглавлениеKapitel 6
Gestresste Teens
Stress ist ein großer Faktor unserer Zeit. Bis vor Kurzem ging man davon aus, dass hauptsächlich Erwachsene von Stress, Stresserkrankungen bis hin zum Burn-out betroffen sind. Inwieweit Jugendliche auch schon von Stress betroffen sind und welche Stressoren dies sein können, wollen wir uns nachfolgend anschauen. Doch schauen wir uns zunächst einmal an, was wir unter Stress verstehen.
Stress (englisch für ‚Druck, Anspannung‘; von lateinisch stringere ‚anspannen‘) bezeichnet zum einen durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung (aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Stress). |
Die sogenannten Stressoren sind heute vollkommen andere als früher. Unsere Zeit ist gekennzeichnet durch enormen Leistungs- und Erwartungsdruck. Schon im Kindergartenalter wird häufig mehr Wert auf Förderung als aufs Spielen gelegt. Kinder sollen früh aufs Lernen vorbereitet werden, doch wenn ihr Gehirn noch nicht die nötige Reife für den Entwicklungsschritt hat, dann fördern wir nicht, sondern stressen das Kind.
6.1Stress wirkt nicht nur im Gehirn
Hinzu kommt der schnelle Rhythmus unseres Lebens. Wir sind immer in Eile und wissen manchmal gar nicht, „wo uns der Kopf steht“. Wenn wir uns des Modells der drei Gunas bedienen, bedeutet das, dass wir uns in einem sehr rajas-betonten Zustand befinden (eine Erklärung der Gunas findest du in Kap. 13).
Dies führt dazu, dass unser Sympathikus quasi daueraktiv ist. Der Sympathikus ist allgemein als Kampf-und-Flucht-System bekannt. Er bewirkt, dass der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz nimmt zu und Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) werden ausgeschüttet. Früher diente dieses raffinierte System dazu, den Körper auf den Kampf (oder eben die schnelle Flucht) gegen gefährliche Tiere oder andere Angreifer vorzubereiten.
Wenn unser Sympathikus in Aktion tritt, geht es um alles oder nichts, das heißt, unser gesamter Organismus reagiert, wenn wir Stress haben. Vieles davon geschieht so subtil, dass wir es nicht wahrnehmen. Die Stressoren unserer Zeit sind jedoch keine Mammuts, Säbelzahntiger oder verfeindete Stämme mehr, sondern Zeitdruck, die Erwartungen anderer zu erfüllen, Multitaskingfähigkeit, Druck in der Schule bis hin zu Mobbing.
Nicht zu vergessen ist hier auch der Stress, den wir durch die Zunahme der neuen Medien bekommen haben. Die ständige Erreichbarkeit und die Möglichkeit, den ganzen Tag „on“ und „connected“ zu sein, ist ein zusätzlicher Stressor.
Es gibt dazu mittlerweile den Begriff des „Fear of Missing out“, was so viel bedeutet, wie Angst davor zu haben, etwas zu verpassen.
◊Hat die Freundin geschrieben?
◊Wurde etwas Neues in den sozialen Netzwerken gepostet?
◊Habe ich neue Likes?
Ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor gerade auch für unsere Teenager.
Doch es gibt auch einen sogenannten Gegenspieler zum Sympathikus: den Parasympathikus, der hingegen eine andere Aufgabe hat. Er senkt den Blutdruck und verlangsamt den Atem. Das Blut, das nun nicht mehr für Flucht oder Kampf in den Muskeln benötigt wird, kann wieder zurück in andere Systeme (Verdauungsorgane, Drüsensysteme usw.) fließen. Das parasympathische System wird im Yoga durch Pranayama (Atem- und Energieübungen) und Meditation trainiert und kann somit zur Regeneration und Entspannung führen.
Herauszufinden, dass Jugendliche sich gestresst fühlen, ist indes nicht so leicht, denn häufig benutzen sie dieses Wort nicht für ihre Empfindung. Wenn sie von stressen reden, dann bedeutet das meist, das ihnen etwas auf den Nerv geht. Sie reden in der Regel eher von Beschwerden, die sich auf Stress zurückführen lassen, wie z. B. Kopf- und/oder Bauchschmerzen, die Angst, nicht zu genügen, schlecht zu schlafen, zu viel im Kopf zu haben etc.
Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch andere Ursachen für diese Beschwerden geben kann, aber es lohnt sicher, den Faktor Stress hier im Blick zu behalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es bisweilen den Anschein hat, dass Mädchen häufig anfälliger für Stress und Stresssymptomatiken sind als Jungs.
Die Psychologin Lisa Damour hat 2016 hierzu ein Buch veröffentlicht Under pressure: Confronting the epidemic of stress and anxiety in girls, in dem sie angibt, dass circa 31 Prozent der weiblichen Jugendlichen unter Angstgefühlen, psychischem Druck, verändertem Appetit und Müdigkeit leiden. Wogegen bei den Jungs nur 13 Prozent über solche Symptome berichten. Man kann davon ausgehen, dass auf den Mädchen häufig ein noch höherer Druck liegt, anderen gefallen zu wollen (sogenanntes Pleasen).
Dies wird sicherlich durch bestimmte Fernsehsendungen, die neuen Medien und auch das allgemeine Frauenbild (das nach wie vor in unserer Gesellschaft herrscht) verstärkt. Hinzu kommt auch, dass Mädchen aufgrund ihrer hormonellen Schwankungen häufig noch größerem Gefühlschaos ausgesetzt sind als Jungs.
Dass chronischer Stress starke Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, ist hinlänglich bekannt, doch wie sieht das Ganze aus, wenn es schon im Jugendalter beginnt? Stecken die Teens das lässig weg?
Nein, ganz sicher nicht. Das Niederländische Zentrum für Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat hierzu gemeinsam mit der Universität Maastricht eine große Übersichtsstudie durchgeführt. Die Wissenschaftler kamen zu der Erkenntnis, dass es zwei Lebensphasen in Kindheit und Jugend gibt, die besonders sensibel für Stresserkrankungen sind.
So kann man sagen, dass Stress den meisten Schaden anrichtet in den ersten beiden Lebensjahren und dann wieder in der Phase der Pubertät, was darauf zurückzuführen ist, dass das Gehirn in diesen Phasen die größten Entwicklungen durchläuft. Dieser Stress wird auch „Early Life Stress“ genannt (Psychologie bringt dich weiter, 2021, S. 55).
Wir können also festhalten, dass Stress ein wesentlicher Faktor in der Erlebniswelt unserer Teenager ist, der durch unterschiedliche Stressoren ausgelöst wird. Sicherlich gilt auch hier, nicht zu verallgemeinern, denn gerade Stress ist eine sehr subjektive Empfindung, weshalb solche Sätze wie: „Stell dich nicht so an!“ oder: „Da muss man halt durch!“, absolut unangebracht sind.
Es gilt also für uns als Begleiter der Jugendlichen, sensibel wahrzunehmen, welche Signale der Jugendliche auch in Bezug auf Stress sendet. Hier können wir den Teens mittels Yoga, Achtsamkeitstechniken, Meditation, Atembeobachtung etc. viele sinn- und wirkungsvolle Techniken an die Hand geben, um besser mit Stress umzugehen und resilienzfähiger zu werden.
Und natürlich nicht zu vergessen ist unsere Vorbildfunktion. Wie gehen die Erwachsenen im Umfeld des Jugendlichen mit Stress um? Wir lernen am Modell!
Tipp
Übe dich in der eigenen Beobachtung.
◊Wo liegen deine Stressoren?
◊Was hilft dir, besser mit Stress umzugehen?