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Tag 3 Sünde

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„Was ist geschehen? Zunächst dies: Die Mitte ist betreten, die Grenze ist überschritten, nun steht der Mensch in der Mitte, nun ist er ohne Grenze. Dass er in der Mitte steht, heißt, dass er nun aus sich selbst lebt und nicht mehr aus der Mitte heraus, dass er grenzenlos ist, heißt, dass er allein ist. […] Nun lebt er aus sich selbst, nun schafft er sein Leben selbst, ist er sein eigener Schöpfer, bedarf des Schöpfers nicht mehr, ist er selbst Schöpfer geworden, sofern er sein eigenes Leben schafft. Damit ist seine Geschöpflichkeit für ihn erledigt, zerstört. […] Weil aber der Fall des Menschen in der Schöpfung Gottes sowohl unbegreiflich wie endgültig-unentschuldbar ist, darum erschöpft hier das Wort Ungehorsam nicht den Sachverhalt. Es ist die Empörung, es ist das Heraustreten des Geschöpfes aus seiner ihm allein möglichen Haltung, es ist das Schöpferwerden des Geschöpfes, es ist die Zerstörung der Geschöpflichkeit, es ist der Abfall, der Sturz aus dem Gehaltensein in der Geschöpflichkeit, und es ist dieser Abfall als ein dauerndes Fallen, Stürzen ins Bodenlose, ein Losgelassensein, ein immer weiter und tiefer sich entfernen. Und es ist eben in all dem nicht einfach ein ethischer Fehltritt, sondern es ist die Zerstörung der Schöpfung durch das Geschöpf. D. h., das Ausmaß dieses Falles ergreift die ganze geschaffene Welt, der nunmehr die Geschöpflichkeit geraubt ist, indem sie wie ein Meteor, der sich vom Kern losgerissen hat, in den unendlichen Raum blindlings hineinstürzt.“

(Schöpfung und Fall S. 100.105 – DBW 3,107.112)


„Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben; sondern Gott weiß: An dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. […] Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN zwischen den Bäumen im Garten.“ (1Mo 3,2-6.8b)


„Sünde“ ist wohl einer der bekanntesten, aber auch am meisten belasteten und missverstandenen Begriffe aus dem jüdisch-christlichen Sprachgebrauch. Oft wird mit dem Etikett „Sünde“ eine ethische Entgleisung oder ein Kavaliersdelikt belegt. Vom „Sündigen gegen die schlanke Linie“ über die „Flensburger Sünderkartei“ bis hin zu „Steuersündern“ und „Sünde als verbotener Lust“ ist im landläufigen Sprachgebrauch alles dabei. In der Regel spielt der Gottesbezug dabei keine Rolle. Bonhoeffer legt in seinem Buch „Schöpfung und Fall“ auf großartige Weise dar, was Sünde im Kern eigentlich ist. Mit Bezug auf die Paradieserzählung innerhalb der Urgeschichte zeigt er, dass das Problem von Adam und Eva darin besteht, dass sie entgegen den Weisungen Gottes die Mitte betreten und die ihnen gesetzte Grenze überschreiten. Vom Misstrauen gegenüber der Güte Gottes infiziert, lösen sie sich als Geschöpfe aus der entscheidenden Beziehung zum Schöpfer heraus. Bonhoeffer weist darauf hin, dass Sünde nach biblischem Verständnis nicht nur Pflichtverletzung oder moralisches Versagen ist, sondern Beziehungsstörung, Zielverfehlung und zerstörte Lebensmöglichkeiten. Wenn der Mensch sich selbst in den Mittelpunkt stellt und zum Maß aller Dinge macht, dann rückt er an die Position Gottes und wird damit grenzenlos, maßlos und einsam. Bonhoeffer sagt, dass er damit sogar seine Geschöpflichkeit zerstört. Das ist genauso unbegreiflich wie endgültig – und hat seit dem ersten Sündenfall Auswirkungen auf die gesamte geschaffene Welt, die dauernd fällt und blind ins Bodenlose stürzt.


»Was verstehe ich unter Sünde? Wo begegnet mir das Wort im Alltag?

»Wie zeigt es sich, dass sich Menschen an die Stelle Gottes setzen? Warum ist es gefährlich, wenn der Mensch sich zum Maß aller Dinge macht?

»Was bedeutet es für die Welt und für mich persönlich, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, um seine verlorenen Geschöpfe zurückzugewinnen?


»Ich danke dafür, dass wir als Geschöpfe von Anfang an in Beziehung zum Schöpfer geschaffen sind und darin Maß, Mitte und Grenzen unseres Lebens finden.

»Ich danke dafür, dass Gott den Riss und die Macht der Sünde durch die Hingabe des sündlosen Gott-Menschen Jesus Christus überwunden hat.

»Ich bitte um Selbsterkenntnis, wo ich Gottes Ziele für mein Leben verfehlt habe.

»Ich bitte, dass das Misstrauen vieler Menschen gegenüber Gottes Güte heilt.

40 Tage mit Dietrich Bonhoeffer

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