Читать книгу Lesesommer 2019 - Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - Sandy Palmer - Страница 10

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„Nun, wie war die erste Nacht? Hast du dich ausruhen können oder hast du noch Jetlag?“ Höflich hielt Freddy Johanna die Tür zu seinem Wagen auf.

„Danke, ich bin ganz fit.“ Johanna stieg in den nicht mehr neuen Ford.

„Dann kann’s ja losgehen.“ Freddy schwang sich hinters Lenkrad. „Am besten machen wir eine kurze Stadtrundfahrt.“

„Einverstanden.“ Johanna lehnte sich entspannt in den Polstern zurück. Sie hatte erwartet, dass Freddy entweder einen SUV oder einen rassigen Sportwagen fahren würde, doch er schien sich aus solchen Statussymbolen nichts zu machen, sein grauer Mittelklasse-Wagen hatte sicher schon ein halbes Dutzend Jahre auf dem Buckel.

Freddy lenkte das Auto sicher durch den Verkehr.

„Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir alles zu zeigen.“

„Nur zu gern.“ Für einen kurzen Moment legte er ihr die Hand auf den Arm, und Johanna wurde es bei der Berührung heiß. Das Blut strömte ihr so rasch durch die Adern, wie sie es bei Arthurs Berührungen schon lange nicht mehr gespürt hatte.

„Wir fangen am Canada Place an“, sagte Freddy. „Da gibt’s ein großes Parkhaus, von dort aus bummeln wir ein Stück am Wasser entlang, wenn du magst.“

„Du bist der Reiseleiter.“

Dem Job kam Freddy mit großer Begeisterung nach. Zunächst zeigte er Johanna den berühmten Canada Place, der anlässlich der Weltausstellung 1986 als Kanadischer Pavillon erbaut worden war. Mit seinen fünf hintereinander liegenden hohen Dächern, die weißen Segeln nachempfunden waren, bot er ein imposantes Bild.

„Sieht aus wie ein Segelschiff.“ Begeistert sah Johanna zu dem imposanten Bauwerk hoch.

„Das soll es auch darstellen - einen Ozeandampfer, der in See sticht. Aber im Innern ist viel los. Da gibt’s ein Luxushotel, ein Konferenzzentrum, ein IMAX-Theater und noch Vieles mehr. Komm mit auf die Aussichtsterrasse.“

Er streckte den Arm aus und ergriff Johannas Hand - um sie nicht mehr loszulassen. Johannas Herz schlug erneut rascher, und sie gestand sich ein, dass Freddy ihr Innerstes total aufwühlte.

„Hast du Hunger?“, fragte Freddy, nachdem sie eine Weile den Seawall entlang spaziert waren. Hier ging es ebenso lebhaft zu wie am Canada Place. Spaziergänger und Radler bevölkerten den breiten Weg, der direkt am Wasser entlang führte. In den kleinen Lokalen entlang des Weges herrschte ebenfalls reger Betrieb, und auf den Bänken, die alle paar Meter standen, saßen Einheimische und Touristen und schauten auf das Wasser hinaus, auf dem es ebenfalls lebhaft zuging.

„Der Weg zieht sich noch lange hin“, fügte Freddy hinzu. „Exakt 22 Km ist er lang. Vom Canada Place aus führt er rund um den Stanley Park, entlang dem Strand an der English Bay bis hin zum Kitisisslano Beach.“

„So lange willst du aber nicht mit mir laufen, oder?“

„Nein. Ich hab Hunger. Du hoffentlich auch.“

„Ehrlich gesagt ja.“

„Prima. Da hinten“, er wies zu einem Gebäude, das ins Wasser hinein zu ragen schien, „gibt es ein wunderbares Lokal, wo man den besten Fisch bekommt.“

„Einverstanden.“

Zehn Minuten später saßen sie auf der Terrasse des Cardero`s. Der Restaurantleiter, ein schmaler, grauhaariger Mann, begrüßte Freddy wie einen guten Bekannten und wies ihm und Johanna den besten Tisch auf der Terrasse zu. Direkt unter ihnen schwammen ein paar kleine Fische, zum Greifen nah waren die Luxusyachten, die im Hafen ankerten.

Ungefragt servierte die Bedienung zunächst ein Glas Wasser, dann erkundigte sie sich nach den Wünschen der Gäste.

„Das ist hier so üblich“, erklärte Freddy, als die junge Schwarze wieder gegangen war. „Man bekommt immer erst ein Glas frisches Wasser serviert.“

„Das ist wirklich angenehm.“ Johanna trank einen Schluck.

„So sind wir Kanadier - gastfreundlich und liebenswert.“

„Eitel bist du gar nicht, oder?“

„Nein. Nur stolz auf mein Land.“ Sein jungenhaftes Lachen war unwiderstehlich, und wieder einmal spürte Johanna ihr Herz schneller schlagen.

„Soll ich dir was empfehlen? Es gibt hier einige Spezialitäten, die du unbedingt genießen solltest.“

„Gern.“

„Ich kann dir den Lachs hier sehr empfehlen. Er wird über Zedernholz gegrillt und ist die Spezialität des Hauses.“

„Dann probier ich ihn gern.“

„Vorher hätten wir gern den Tunfisch mit den Avocados. Dazu einen trockenen Weißwein.“ Er lächelte Johanna an. „Sorry, dass ich das einfach bestelle. Aber ich bin sicher, dass du begeistert sein wirst von der Vorspeise.“

„Ich lass mich überraschen.“ Johanna sah hinüber zum Stanley Park. „Es ist wunderschön hier. Die ganze Stadt ist ein Traum.“

„Du hast noch nicht mal fünf Prozent davon gesehen. Aber ich zeig dir die schönsten Fleckchen, versprochen.“ Wieder griff er nach ihrer Hand, streichelte sanft mit dem Daumen über den Handrücken. „Es ist schön, dass du hier bist.“

Johanna musste sich erst die Kehle frei räuspern, ehe sie sagte: „Ich finde es wunderbar hier. Aber hast du überhaupt Zeit, mit mir hier herumzusitzen?“

„Alle Zeit der Welt, das hab ich doch schon gesagt.“ Er lachte leise, und fasziniert bemerkte Johanna, dass sich das Grübchen in seiner linken Wange vergrößerte. „Vergiss nicht, dass ich mein eigener Herr bin.“

„Stimmt. Aber wenn du einen Auftrag versäumst und Ärger bekommst...“

Er winkte ab. „Mach dir keinen Kopf. Ich hab ein paar sehr gute Leute, die hab ich heute morgen eingeteilt, und sie werden ihre Jobs perfekt machen.“

„Na gut.“ Johanna trank einen Schluck vom kühlen Wein. „Dann werde ich jetzt das weitere Programm genießen.“

Zunächst allerdings genossen sie das wirklich köstliche Essen, danach schlenderten sie ein wenig durch den Stanley Park.

„Wunderschön ist es hier.“ Begeistert sah Johanna auf einen der vielen kleinen Seen, die hier angelegt waren. Ebenso faszinierten sie die uralten Bäume, die hier wuchsen.

„Dieser Teil des Parks ist einer der letzten Bestände eines uralten Regenwaldes“, erklärte Freddy. „Er ist ebenso schützenswert wie die Totempfähle, die dort drüben zu sehen sind.“

Johanna sah in die Richtung, in die er wies - und wäre beinahe über eine Wurzel gestolpert. Im letzten Moment konnte Freddy sie auffangen und hielt sie fest. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange und schloss für einen kleinen Moment die Augen, als er einen Kuss auf ihre Wange hauchte.

Sie ließ es zu, dass er wieder nach ihrer Hand griff, als sie weiter gingen, diesmal jedoch zu einem der Ausgänge. Hier winkte Freddy ein Taxi heran.

„Wenn wir noch länger durch den Park laufen, wird es dunkel. Und ich möchte dir noch ein paar schöne Plätze in der Innenstadt zeigen. Zur English Bay fahren wir ein andermal.“

„Du weißt aber schon, dass ich eigentlich hier bin, um Stefanie bei den Hochzeitsvorbereitungen zu unterstützen.“

„Kannst du ja auch tun. Aber alles Wesentliche ist organisiert, das weiß ich von David.“ Er lachte leise. „David kennt seine Stefanie und hat die wesentlichen Dinge schon geregelt.“ Er half ihr beim Einsteigen, und im Fond des Wagens legte er wie selbstverständlich den Arm um ihre Schultern.

Ein warmes, lange nicht mehr gespürtes Gefühl stieg in Johanna auf, und sie musste sich zusammennehmen, um sich nicht enger an den Mann zu schmiegen. Freddy war so ganz anders als Arthur: aufgeschlossen, charmant, klug und doch von einer Leichtigkeit im Alltag, die ihr gut tat. Die ewige Melancholie, die Arthur umgab, sein Hang zur echten Depression überschattete auch ihr Leben, das wurde ihr immer deutlicher bewusst.

Freddy ließ das Taxi am Bahnhof halten.

„Von hier aus gehen wie ein paar Meter, dann sind wir im Zentrum von Gastown. Es ist der historische Kern der Stadt und war lange Zeit ein heruntergekommenes Viertel, in dem sich ein Tourist besser nicht aufhielt. Doch in den letzten Jahren ist es gelungen, die Gegend wieder attraktiv und sicher zu machen.“

Interessiert sah sich Johanna um. Alte Häuser, zum Teil exzellent restauriert, standen die Straße entlang. Ihr Blick wurde von einem Menschenpulk angezogen, der an einer Kreuzung stand.

„Das ist die berühmte Steam Clock“, erklärte Freddy. „Jeder Tourist macht ein Foto von ihr. Obwohl... eigentlich ist es eine Mogelpackung, denn die Dampfuhr, die dem Big Ben in London nachempfunden ist, wird seit etlichen Jahren bereits elektrisch angetrieben.“

„Und vorher?“

„Da wurde der Dampf, der einige Pfeifen antreibt und so God Save the Queen spielt, von einem unterirdischen Röhrensystem angetrieben. Aber es ist immer noch eine tolle Sache.“ Er lachte leise, als gerade in diesem Moment die Uhr ihren Dampf abließ und deutlich die Melodie zu hören war.

„Nett.“ Johanna und er machten einen kleinen Bogen um die Touristen, die ihre Fotoapparate bereithielten, um das Schauspiel festzuhalten.

„Dann komm mit zu Gassy Jack. Gleich neben dem Denkmal dieses berühmten Mannes ist ein sehr nettes Lokal. Ein Drink wäre doch jetzt nicht schlecht, oder?“

„Dagegen ist nichts zu sagen.“ Johanna mochte es nicht zugeben, aber sie war ein bisschen erschöpft von all dem Neuen, das auf sie einströmte. Wahrscheinlich machte ihr der Jet lag doch etwas zu schaffen.

„Über Gassy Jack hab ich gelesen. Er war ebenso trinkfest wie geschäftstüchtig. Gassy heißt doch geschwätzig, oder?“

„Richtig. Seine Bar war der Treffpunkt aller Arbeiter der Gegend. Vor allem die Männer, die im nahe gelegenen Sägewerk schufteten, kamen in seine Bar. Und Jack Deighton, so sein Name, war ebenso redselig wie trinkfest. Seine Geschwätzigkeit hat ihm den Spitznamen eingebracht.“ Er wies auf das Bronzedenkmal des berühmten Schotten. „Hier war sein Lebensmittelpunkt, und hier kommen tatsächlich die drei wichtigsten Straßen zusammen. Schau da drüben das Haus - es ist das Hotel Europe, eines der markantesten Gebäude Vancouvers. Es wurde 1908 erbaut und ist eines der schönsten Flatiron-Gebäude Nordamerikas.“

„Es sieht wirklich aus wie ein Bügeleisen.“

„Richtig. Und deshalb ist diese Kulisse immer wieder in Filmen zu sehen. Aber jetzt komm, da drüben wird gerade ein Tisch frei.“

Die Kellnerin, eine kleine, aparte Frau mittleren Alters, lächelte ihnen über die Straße hinweg zu und blieb an dem Tisch stehen.

„Ich hab dich schon gesehen, Freddy.“ Sie räumte die letzten Gläser ab. „Schön, dass du mal wieder vorbei kommst.“ Sie nickte Johanna zu. „Was darf ich euch bringen?“

Fragend sah Freddy zu Johanna hin. „Was möchtest du?“

„Gern eine Weinschorle - wenn es das gibt.“

„Aber ja.“ Die Bedienung nickte. „Und du, Freddy?“

„Das nehm ich auch. Danke, Hillery.“ Er sah der Kellnerin nach. „Wir kennen uns seit langem. Ihr Mann arbeitet für mich.“ Er biss sich kurz auf die Lippen. „Bei einem Unfall hat er vor drei Jahren ein Bein verloren. Aber er macht immer noch seinen Job.“

Johanna streckte die Beine aus und ließ den linken Fuß kreisen. Dabei sah sie hinüber zu den vielen Straßenlaternen, die alten Lampen nachempfunden waren. An ihren Streben hingen üppig bepflanzte Blumenkübel.

„Ich bin begeistert.“ Sie lächelte Freddy an. „Deine Heimatstadt ist wunderschön.“

„Ist sie. Allerdings hat sie auch ein paar dunkle Stellen, so wie jede Großstadt. Aber in den letzten Jahren hat die Stadtverwaltung einiges unternommen, um auch diese Plätze für alle sicherer und lebenswerter zu machen. Na ja“, er zuckte mit den Schultern, „ganz gelungen ist dies noch nicht, doch besser ist schon vieles geworden. Alles in allem kann man sagen, dass die Lebensqualität hier sehr gut ist.“ Er griff nach Johannas Hand. „Du würdest die Stadt sicher auch lieben lernen.“

„Meinst du?“ Sie beugte sich ein wenig näher zu ihm. „Dann musst du dich beeilen, mir noch mehr zu zeigen. Ich bin nur kurze Zeit hier.“

„Daran, dass du wieder abreist, will ich nicht denken. Nicht jetzt.“ Ehe sie sich versah, umfasste er ihr Gesicht mit seinen Händen und küsste sie. „So schnell lass ich dich nicht wieder fort“, murmelte er dann dicht an ihrem Mund.

Johanna wollte einwenden, dass sie zurück nach Deutschland musste, zurück zu ihrem Job, zurück zu Arthur, der sie liebte und heiraten wollte. Aber nichts davon sagte sie.

Als die Gläser leer waren und die Kellnerin fragte, ob sie noch etwas wünschten, schüttelte Johanna den Kopf. „Danke, nein, wir müssen zurück.“ Sie sah auf die Uhr. „Es ist schon viel zu spät geworden, Stefanie wird sauer sein.“

„Ach was, das ist sie bestimmt nicht.“

Und wirklich war Stefanie nicht verärgert darüber, dass die Freundin sie den Tag über allein gelassen hatte. Sie umarmte Johanna und fragte: „Und? Was habt ihr alles unternommen?“

„Freddy hat mir schon einen großen Teil der Stadt gezeigt.“

„Ach was, das waren nur ein paar nette Fleckchen“, warf der Mann ein. „Wenn du Zeit hast, machen wir mit der Besichtigungstour weiter.“

„Danke.“

„Kommt jetzt erst mal rein, ich hab ein paar Sachen eingekauft.“ Stefanie zog die Freundin ins Haus. „Komm mit, Freddy, es ist reichlich da. Aber die Küche bleibt kalt, das sag ich vorweg.“

„Kein Problem.“

Johanna lachte. „Du wirst wohl nie eine leidenschaftliche Köchin werden, was?“

„Nö.“ Unbeschwert grinste Stefanie sie an. „Dafür hab ich andere Qualitäten.“

„Unbestritten“, warf Freddy ein.

„Woher weißt denn du das?“ Johanna zwinkerte ihm zu.

„Was denkst du denn jetzt?“ Er lachte und tat so, als hätte er die Zweideutigkeit nicht absichtlich von sich gegeben. „Ich meinte doch nur ihr geschäftliches Können.“

„Danke.“ Stefanie lachte und ging zur weitläufigen Küchentheke, wo schon der Wein bereit stand. „Du bist der Beste!“

Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten, sagte Johanna: „Jetzt erzähl mal, was hast du denn gemacht heute, Stefanie?“

„Ich war erst mal zwei Stunden im Geschäft, dann war ich bei der Schneiderin und hab noch mal mit der so genannten Hochzeitsplanerin gesprochen. Meine Schwiegermutter hat sie doch noch mal engagiert.“ Sie verzog den dezent geschminkten Mund. „Darüber war ich schon sauer. Und erst recht, als ich mit der jungen Dame zusammengetroffen bin. Unfähig. Total unfähig. Ich hab sie wieder rausgeschmissen, und diesmal endgültig. Am besten organisier ich sowieso alles selber, was jetzt noch zu tun ist.“

„Und das wäre?“

„Nicht mehr viel. Der Termin in der Kirche steht, das hat sie wenigstens gut hingekriegt. Und auch die Location für die Feier ist gebucht. Ich hab noch mal das Buffet geändert und die Tischdekoration.“

„Typisch“, warf Freddy grinsend ein.

„Du! Sei nicht so frech!“ Stefanie lachte.

„Er hat aber recht.“ Johanna griff nach der Hand der Freundin. „Schon früher hast du alles kontrollieren müssen. Und nur, wenn du selbst alles gecheckt hattest, warst du zufrieden.“

„So bin ich nun mal.“ Stefanie zuckte mit den Schultern. „Zwar hin und wieder schusselig, aber wenn’s drauf ankommt, mach ich alles richtig.“

„Du bist schon richtig so, wie du bist. Wir lieben dich gerade deshalb.“ Johanna stand auf und umarmte die Freundin. „Aber jetzt erzähl mal, wie dein Brautkleid aussieht.“

Freddy stand auf. „Dann zieh ich mich jetzt zurück, Ladies. Das Thema überfordert mich.“

„Banause!“ Stefanie streckte die Hand nach ihm aus. „Dabei solltest du genau wissen, was dich erwartet. Schließlich bist du unser Trauzeuge, gemeinsam mit Johanna.“

„Ich weiß die Ehre auch zu schätzen.“ Freddy zog ihre Hand kurz an die Lippen. „Aber in Modefragen lass mich außen vor, bitteschön.“

„Nur noch einen Moment. Ich muss von dir wissen, welche Blumen ich ins Haar stecken soll. Schließlich bist du der Fachmann.“

„Willst du keinen Schleier tragen?“ Überrascht sah Johanna sie an. „Früher hast du immer von einem mindestens drei Meter langen Schleier geträumt, das weiß ich noch genau.“

Stefanie nickte. „Stimmt. Damals war ich noch jung, jetzt finde ich, dass der weiße Unschuldsschleier nicht mehr zu mir passt.“

„Wow! Das nenn ich Konsequenz.“ Johanna lachte. „Dann werde ich wohl irgendwann auch mal ein paar Margeriten im Haar tragen müssen. Schließlich bin ich auch ein spätes Mädchen.“

„Unsinn! Was redet ihr da? Ihr seid so attraktiv wie keine Zwanzigjährige.“

„Freddy, du bist und bleibst der charmanteste Mann, dem ich je begegnet bin.“ Stefanie umarmte ihn spontan. „Ich glaube, ich überleg mir die Hochzeit mit David noch und versuche dich zu umgarnen. Schließlich bist du im Moment solo.“

„Wer weiß...“ Während er das sagte, heftete der Mann seinen Blick fest auf Johanna. „Außerdem würde sich David sicher mit mir duellieren, und du weißt, ich hasse Gewalt.“ Lachend ging er zur Tür. „Guten Abend, ihr Zwei.“ Mit der Hand auf der Klinke blieb er noch einmal stehen. „Wann hast du Zeit fürs weitere Sightseeing, Johanna?“

„Ich weiß nicht...“ Fragend sah Johanna die Freundin an. „Was hast du geplant?“

„Morgen muss ich noch mal ins Geschäft. Zumindest am Morgen. Wenn ihr also was unternehmen wollt... ich hab nichts dagegen.“

„Wunderbar. Dann bin ich morgen gegen neun Uhr hier und hole dich zu einer weiteren Führung durch die Stadt ab. So long.“ Kurz hob er die Hand und verschwand.

„Er ist ein Traumtyp.“ Stefanie sah die Freundin gespannt an. „Oder findest du nicht?“

„Doch, doch, er ist ganz nett.“

„Ganz nett! Wie das klingt!“, rief Stefanie empört aus. „Er ist der Traum der gesamten Weiblichkeit, die ich kenne. Aber bisher hat er sich noch nicht fest gebunden. Er hatte einige Flirts, aber nie was Festes.“ Mit leicht schräg gelegtem Kopf sah sie Johanna an. „Aber an dir ist er mehr als interessiert. Du hast ihn sofort umgarnt.“

„Ach was. Er ist einfach nett zu einer Touristin, das ist alles.“

„Wer’s denn glaubt... ich nicht.“

Johanna erwiderte nichts darauf, doch ihr Herzschlag beschleunigte sich.

„So, jetzt schau dir an, was ich alles bestellt hab fürs Dinner. Aber erst mal sieh dir mein Kleid an...“ Stefanie griff nach einem Katalog für Brautmode, und für die nächste Stunde schob Johanna die Gedanken an Freddy zur Seite.

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